Jerzy Stempowski (* 10. Dezember 1894 in Krakau; † 4. Oktober 1969 in Bern) war ein polnischer Literaturkritiker und Essayist. Er gilt als einer der bedeutendsten polnischen Essayisten des 20. Jahrhunderts.

Leben und Werk
Jerzy Stempowski war der Sohn des polnischen Publizisten Stanisław Stempowski (1870–1952) und wuchs in einem liberalen Elternhaus im ehemals polnischen Teil der Ukraine auf. Er studierte von 19011 bis 1913 Philosopie und Geschichte an der Jagiellonen-Universität in Krakau und setzte sein Studium in München, Genf und Zürich fort. 1915 arbeitete er in Zürich an einer Dissertation über antike und christliche Philosophiegeschichte und promovierte nach dem Ersten Weltkrieg. Die Arbeit ist jedoch verlorengegangen.[1] In Polen machte er eine Beamtenkarriere, unter anderem im diplomatischen Dienst, und war zeitweilig Universitätslehrer für Theaterwissenschaften, bevor er 1939 nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über die Karpaten nach Ungarn floh, sich dort versteckte und 1940 über Jugoslawien und Italien auf Einladung von Hans Zbinden in die Schweiz emigrierte.
Er wirkte als Essayist und Kritiker in und um Bern, verfasste auch Feuilletons für Radio Free Europe, und übersetzte Boris Pasternaks Romans Doktor Schiwago aus dem Russischen ins Polnische. Ab 1947 arbeitete er fest für die Exilzeitschrift Kultura, schrieb dort Literatur- und Kulturkritiken und von 1954 bis 1969 unter dem Pseudonym Pawel Hostowiec die Kolumne Notatnic niespiecznego przechodnia (Notizen eines nicht beteiligten Passanten).[2] Für seine auf Französisch veröffentlichten Essays unter dem Titel La terre bernoise (Das Bernerland, 2001) wurde ihm 1954 der Literaturpreis des Kanton Bern verliehen. [3] In seinem Essay Eseje dla Kassandry (1960; in englischer Übersetzung: Essay for Cassandra, 1990) schildet er seine Begegnungen mit jüdischen und nicht-jüdischen Intellektuellen, die er zwischen den beiden Weltkriegen kannte.[4] In der deutschen Übersetzung von Agnieszka Grzybkowska erschien von Jerzy Stempowski Bibliothek der Schmuggler (1998), ein Tagebuch seiner Reise durch Deutschland und Österreich im Herbst 1945, auf er der Kontakte zu ukrainischen Intellektuellen knüpfte, und der Band Von Land zu Land. Essays eines Kosmopolen (2006), der drei seiner essayistischen Erzählungen über die kulturelle Vielfalt des östlichen Mitteleuropas zu Beginn des 20. Jahrhunderts enthält.
Stempowskis Werk, das aus biographischen Erzählungen, Reisetagebüchern, Briefen, Reflexionen über Kunst und Geschichtsphilosophie besteht, wurde in Polen neu herausgegeben. Sein Nachlass gehört heute der Burgerbibliothek Bern (Unterdepot im Polenmuseum Rapperswil).[5]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Jan Zieliński: Jerzy Stempowski, Biography, Culture.pl, Oktober 2010
- ↑ Eva Behring et al.: Grundbegriffe und Autoren ostmitteleuropäischer Exilliteraturen 1945-1989. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-515-08389-8. Bibliografische Notizen, Jerzy Stempowski, S. 693
- ↑ Heinrich Riggenbach: Jerzy Stempowski. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ Zvi Y. Gitelman (Hrsg.): The Emergence of Modern Jewish Politics: Bundism and Zionism in Eastern Europe, University of Pittsburgh Press 2003, ISBN 978-0-8229-4188-0, S. 120
- ↑ Jerzy Stempowski im Katalog der Burgerbibliothek Bern
Personendaten | |
---|---|
NAME | Stempowski, Jerzy |
ALTERNATIVNAMEN | Hostowiec, Pawel (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Literaturkritiker, Essayist |
GEBURTSDATUM | 10. Dezember 1894 |
GEBURTSORT | Krakau |
STERBEDATUM | 4. Oktober 1969 |
STERBEORT | Bern |