Orgel

Tasteninstrument mit durch einen Luftstrom angeblasenen Pfeifen zur Klangerzeugung
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Orgel
engl.: organ
Orgelprospekt
Klassifikation
Aerophon
Tasteninstrument
verwandte Instrumente:
Klavier, Cembalo, Regal, Portativ, Positiv
Musiker
Kategorie:Organist

Die Orgel (v. griech. ὄργανον (organon) „Werkzeug, Instrument“) ist ein über Tasten spielbares Musikinstrument. Da der Klang durch Pfeifen erzeugt wird, wird sie auch Pfeifenorgel genannt. Die Orgel gehört zu den Aerophonen: Die Luftsäule im Innern der Pfeifen wird über ein Labium oder ein Zungenblatt zum Schwingen gebracht.

Daneben gibt es auch elektronische Orgeln, die zu den Elektrophonen gehören.

Ausführungen und Aufbau

 
Spieltisch einer 4-manualigen Orgel von 1912 in Bristol, England

Orgeln finden sich in unterschiedlichen Ausführungen und Größen meist in Kirchen, aber auch in Konzertsälen und Privathäusern. Eine kleine, einmanualige Orgel ohne Pedal bezeichnet man als Positiv oder – bei entsprechend kompakter Bauweise – als Truhenorgel. Tragbare Kleinstorgeln bezeichnet man als Portativ. Eine Spezialform hiervon ist das nur mit Zungenpfeifen disponierte Regal.

Eine Orgel wird vom Spieltisch aus gespielt. Größere Orgeln setzen sich oft aus Teilwerken zusammen, denen jeweils eine eigene Klaviatur zugeordnet ist. Der Organist bedient die Manual genannten Klaviaturen mit den Händen, während das Pedal mit den Füßen gespielt wird.

Erscheinungsbild

 
Prospekt der Holzhey-Orgel in Weißenau

Große Orgeln bestimmen mit der Gestaltung ihres Gehäuses und der Front (Orgelprospekt) die Wirkung des Raumes, in dem sie aufgestellt sind. In Kirchen beherrschen sie oftmals die Westseite über dem Hauptportal, aber auch Aufstellungen im Chorraum („Chororgel, Altarorgel“) oder an einer Längswand („Schwalbennest“) sind üblich. Die verschiedenen Werke einer Orgel können auch räumlich getrennt aufgestellt sein. In großen Kirchen können auch mehrere Orgeln stehen. In Konzertsälen ist die Orgel meist an der Wand über dem Orchesterpodium angebracht.

Der Orgelbauer hat die schwierige Aufgabe, das Instrument akustisch möglichst optimal aufzustellen, was jedoch oftmals durch bauliche Gegebenheiten nicht möglich ist.

In der Renaissance, mehr noch in der Zeit des Barock, zeigte sich die Bedeutung, die dem optischen Aspekt beigemessen wurde, daran, dass nicht selten die Kosten für das Orgelgehäuse (mit Skulpturenschmuck, Ornamentschnitzwerk, Gemälden und Vergoldung) jene des eigentlichen Orgelwerkes überstiegen.

Technik

Die Luftzufuhr für die Pfeifen, der so genannte Wind, wurde früher durch große Blasebälge (Schöpfbälge, Keilbälge) erzeugt, die mit den Füßen getreten wurden. Je nach Orgelgröße benötigte man bis zu 12 Balgtreter (Kalkanten). Heute stehen dafür elektrische Windmaschinen zur Verfügung. In jedem Fall wird ein „Magazinbalg“ zur Stabilisierung des Winddrucks benötigt. Von diesem Balg aus wird der Wind durch meist hölzerne Windkanäle weiter in die Windladen geleitet.

Die Manuale heutiger Orgeln haben meist einen Tonumfang von C bis f’’’ oder g’’’, gelegentlich auch bis a’’’ bzw. c’’’’. Das Pedal weist in der Regel einen Tonumfang von C bis f’, manchmal auch bis g’ bzw. a’ auf. Orgeln der vergangenen Jahrhunderte haben oft einen kleineren Tonumfang.

Das Herz der Orgel bilden die Windladen, auf denen die Pfeifen stehen. Vom Spieltisch aus werden die Bewegungen der Tasten mechanisch, pneumatisch oder elektrisch über die Traktur an die Windlade geleitet. Dort befinden sich unter den Pfeifen Ventile, die sich entsprechend öffnen oder schließen. Wird eine Taste gedrückt, kann der Wind aus der Windlade durch das Ventil in die Pfeife strömen und diese zum Klingen bringen. Zwischen Ventil und Pfeife befindet sich noch ein Absperrschieber oder ein Ventil. Dieser hat die Aufgabe, den Wind zu blockieren, falls das entsprechende Register nicht gezogen ist.

Es gibt verschiedene Bauformen von Windladen. Grundsätzlich unterscheidet man – je nach Reihenfolge der Ventile für Töne und Register – zwischen Tonkanzellenladen (Schleiflade, Springlade) und Registerkanzellenladen (Kegellade, Taschenlade, Membranlade). Bei einer Tonkanzellenwindlade stehen alle zu einer Taste gehörenden Pfeifen auf einer Lade, bei der Registerkanzellenlade alle, die zu einem Register gehören. Die älteste Bauform ist die Schleiflade, die wegen ihrer klanglichen Vorteile inzwischen auch bei modernen Orgeln wieder nahezu ausschließlich zum Einsatz kommt, da die Pfeifen präziser ansprechen.

Der Hauptwerkstoff für den Bau einer Orgel ist Holz. Aus Holz werden das Gehäuse, die Windladen, die Tasten und ein Teil der großen Pfeifen gefertigt. Bei mechanisch gesteuerten Instrumenten findet Holz oft auch für die Mechanik Verwendung. Für die Metallpfeifen kommen meist Zinn-Blei-Legierungen zum Einsatz (sogenanntes Orgelmetall), manchmal auch Zink oder Kupfer. Die weißen Tasten wurden früher mit Elfenbein, heute mit Rinderknochen belegt, die schwarzen sind oft aus massivem Ebenholz. Bis etwa ins 19. Jahrhundert wurde der Orgelprospekt nicht vom Orgelbauer erstellt, sondern von einem Kunstschreiner, was mitunter zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hat, wenn die Absprachen (vor allem bezüglich der Abmessungen) nicht genau genug waren.

Register

 
Registerzüge am Spieltisch der Gabler-Orgel in Weingarten

Eine Orgel hat mehrere Pfeifenreihen, die aus Orgelpfeifen gleicher Bauart und Klangfarbe bestehen. In der Regel eine, manchmal auch mehrere Pfeifenreihen werden zu einem Register zusammengefasst, das vom Spieltisch aus an- und abgeschaltet werden kann. Die Bedienung der Register erfolgt meist über Registerzüge oder Manubrien genannte Knäufe, die man zum Einschalten herausziehen und zum Abschalten wieder hineinschieben muss; daher rühren die Bezeichnungen „Ziehen“ und „Abstoßen“ für das Ein- und Ausschalten von Registern.

Die Zusammenstellung der Register einer Orgel, also welche Klangfarben eine Orgel enthält, nennt man Disposition einer Orgel. Sie wird vom Orgelbauer beim Erstellen des Instrumentes mit dem Auftraggeber abgesprochen und bestimmt die Einsatzmöglichkeiten der Orgel.

Unterscheidung nach Tonhöhe

Die Register können verschiedene Tonhöhen haben, wobei die Tonhöhe durch die sogenannte Fußtonzahl angegeben wird. So bezeichnet man ein Register in Normallage als 8'-Register, da die Länge der tiefsten Pfeife (groß C) eines offenen Labialregisters ungefähr 8 Fuß beträgt (1 Fuß = ca. 32 cm). Ein um eine Oktave tieferes Register ist ein 16'-Register, 4' bezeichnet ein um eine Oktave höheres Register. Quinten haben die Fußtonzahlen 2 2/3' oder 1 1/3', Terzen zum Beispiel 1 3/5'.

Die verschiedenen Tonlagen bilden die Obertonreihe ab. Durch Kombination eines Grundregisters (in der Regel 8'-Lage) mit einem oder mehreren Obertonregistern oder Aliquoten (z. B. 2 2/3' oder 1 3/5') werden fehlende Obertöne hinzugefügt oder vorhandene verstärkt, wodurch sich die Klangfarbe ändert.

Unterscheidung nach Bauart

Die Register unterscheiden sich neben der Tonhöhe (Fußlage) auch durch ihre Bauart und damit durch Tonansatz (Ansprache), Obertonanteil (Klangfarbe) und Lautstärke.

Nach der Art der Tonerzeugung unterscheidet man zwischen Lippenpfeifen oder Labialen (Tonerzeugung wie bei der Blockflöte) und Zungenpfeifen oder Lingualen (Tonerzeugung wie bei einer Klarinette). Labialpfeifen können offen oder gedeckt sein, die gedeckten Pfeifen klingen dabei eine Oktave tiefer.

Weitere Unterschiede gibt es bei Materialien, Pfeifenform und der Mensurierung (den Verhältnisse der verschiedenen Pfeifen-Abmessungen).

Daneben gibt es die Gemischten Stimmen. Dabei handelt es sich um Register, bei denen für jede Taste mehrere Pfeifen erklingen. Dazu gehören z. B. die Klangkronen (oder Mixturen) und Farbregister wie die Sesquialtera.

Spezielle Effektregister, wie Glockenspiele oder Pauken, runden bei vielen Orgel die Disposition ab.

Gebrauch der Register

Durch planvolles Kombinieren verschiedener Register, die so genannte Registrierung, können unterschiedliche Klangfarben und Lautstärken eingestellt werden.

Die Kunst des Organisten besteht darin, aus dem vorhandenen Klangbestand eine Registrierung zu finden, die der zu spielenden Musik am besten entspricht. Die Suche des Organisten nach der passenden Registrierung für ein Stück wird durch folgende Faktoren beeinflusst:

  • Jede Epoche bevorzugte ein jeweils eigenes, spezielles Klangbild, das man als Organist kennt. Man kann daher nicht auf jedem Instrument jedes Stück wirklich gut interpretieren.
  • Trotz der Möglichkeit einer gewissen „Typisierung“ gibt es keine zwei gleichen Orgeln, da jedes Instrument in Größe und Ausführung an seinen Aufstellungsraum angepasst ist.

Die Barockzeit (17. und 18. Jahrhundert) bevorzugte in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Klangideale. Während Johann Sebastian Bach sich für grundtönige Instrumente mit einer gewissen Gravität einsetzte (viele 16', 8'-Stimmen), ist das Klangideal des norddeutschen Barocks durch den Werkaufbau schon differenzierter. Am weitesten entfernt sich jedoch der an italienische Instrumente angelehnte süddeutsche Orgeltyp, der mit seinen vielen Aliquotstimmen farbig intoniert in Erscheinung tritt. Die Romantik (19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts) bevorzugte Register in 16'- und 8'-Tonlage, darunter auch offene Lippenpfeifen mit enger (sogenannte Streicher) oder weiter Mensur (Flöten) sowie Zungenstimmen mit voller oder doppelter Becherlänge. Der Klang romantischer Orgeln ist daher gravitätisch und orchestral orientiert.

Tremulant und Schwellkasten

 
Orgel mit geöffnetem Schwellkasten (St. Willibrord, Rindern )

Bei den Registerzügen eingeordnet ist der Tremulant. Er variiert periodisch den Winddruck und sorgt so für ein Schwingen des Tones. In neuerer Zeit ist die Schnelligkeit der Schwingung oft einstellbar. Der Tremulant wirkt auf alle Register des Werks, in dem er eingebaut ist, bei alten Orgeln gibt es manchmal auch einen Tremulanten für die gesamte Orgel.

Schwellkästen können den Ton des in ihnen angebrachten Schwellwerkes durch das Schließen von Jalousien stufenlos dämpfen. Diese Einrichtung wurde in der Zeit der Romantik vor allem in größeren Orgelwerken eingebaut, um eine dem Orchesterklang angepasste Möglichkeit des Crescendo und Decrescendo zu erhalten.

Spielhilfen

Spielhilfen sind zusätzliche Funktionen, die dem Organisten das Spiel erleichtern, indem sie beispielsweise schnelles Umregistrieren ermöglichen.

Koppeln

Koppeln erlauben das gleichzeitige Spiel von verschiedenen Werken auf einem Manual oder das Spiel der Manualregister im Pedal. So ist es möglich, die Register verschiedener Manuale zugleich zu spielen und eine größere Lautstärke, aber auch zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten zu erreichen.

Registrierhilfen

Als Registrierhilfen bezeichnet man Einrichtungen an der Orgel, die dem Organisten die Möglichkeit bieten, Registrierungen flexibel ändern zu können.

Vor allem Orgeln der Romantik verfügen häufig über feste Kombinationen. Damit lassen sich vom Orgelbauer festgelegte Registerkombinationen auf Knopfdruck abrufen. Feste Kombinationen sind meist nach Lautstärkegraden abgestuft, etwa p, mf, f, ff und entsprechen dem Bedürfnis dieser Zeit, mit der Orgel orchesterartige Klänge zu erzeugen.

Moderne Orgeln haben programmierbare Setzermechanismen, mit denen sich komplexe Klangfarbenwechsel auf Knopfdruck realisieren lassen. Sie sind frei programmierbar (freie Kombinationen) und damit wesentlich flexibler einsetzbar als feste Kombinationen und haben diese vollständig abgelöst. Die moderne Computertechnologie eröffnet weitere Möglichkeiten, so gibt es bereits Orgeln, die mit einem PC verbunden und über diesen gesteuert werden können. Auch die Verbindung mit externen Klangerzeugern wie Synthesizern ist möglich, wodurch sich neue Möglichkeiten für Komposition und Improvisation ergeben.

Für romantische Orgelmusik gibt es den Registerschweller (Generalcrescendo, Walze, Rollschweller), der die Register der Reihe nach einschaltet, bis alle Register erklingen (Tutti).

Weitere Registrierungshilfen sind die vor allem im französischen und italienischen Orgelbau vorkommenden Sperrventile oder Einführungstritte, mit denen sich bestimmte Gruppen von Registern gemeinsam zu- oder abschalten lassen.

Geschichte

Die Entwicklung der Orgel gliedert sich in die künstlerichen Gestaltung des Orgelgehäuses (siehe auch Prospektes), in die klangliche Gestaltung und in die technische Entwicklung (siehe Windlade, Traktur und Spieltisch).

Antike

Das erste orgelartige Instrument wurde um 246 v. Chr. von Ktesibios, einem Ingenieur in Alexandrien, konstruiert. Der Name des Instrumentes war „Hydraulis“ (von altgriechisch ὕδωρ (hydor) „Wasser“), da mit Hilfe von Wasser ein gleichmäßiger Winddruck erzeugt wurde. Die Winderzeugung durch Blasebälge kam erst später, wohl im 2. Jahrhundert, auf. Die Römer übernahmen die Orgel von den Griechen als rein profanes (weltliches) Instrument. Von den frühen Christen wurde die Orgel noch nicht verwendet - im Gegenteil, da die Römer auch Darbietungen in ihren Arenen mit Orgelmusik untermalten, könnten auch manche frühen Christen zu Orgelklängen hingerichtet worden sein. Bei archäologischen Ausgrabungen in der Nähe von Budapest, dem früheren römischen Pannonien, wurde eine Orgel aus dem 3. Jahrhundert gefunden.

Mittelalter

Im weströmischen Reich hörte der Gebrauch von Orgeln in den Wirren der Völkerwanderungszeit (um 400 n. Chr.) für lange Zeit auf. Erst in den Jahren 757 und 811 brachten jeweils Gesandtschaften, die vom byzantinischen Kaiserhof an den fränkischen Königshof kamen, für Pippin den Jüngeren oder dessen Sohn und Nachfolger Karl den Großen Orgeln mit. Als diese Orgeln defekt geworden waren, ließ sich der Sohn Karls des Großen, Kaiser Ludwig der Fromme, 826 eine Orgel für seine Pfalz in Aachen bauen. Diese Orgel, die nicht aus Byzanz eingeführt, sondern vor Ort von einem aus Venedig stammenden Priester namens Georg erbaut wurde, gilt als erste seit etwa 500 Jahren wieder in Westeuropa hergestellte Orgel.

Nun erst, im Laufe des 9. Jahrhunderts, begannen die ersten (Bischofs-)Kirchen in Westeuropa, sich Orgeln anzuschaffen, Klosterkirchen erst seit dem 11. Jahrhundert. Die Kirchenorgel war zunächst ein Statussymbol, erst mit der Gotik entwickelte sie sich allmählich zum Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Die früh- und hochmittelalterlichen Orgeln waren sogenannte „Blockwerke“, d. h. man konnte noch nicht einzelne Register ab- und zuschalten: Wenn man einen Ton auslöste, erklangen automatisch alle Pfeifen, die diesem Ton zugeordnet waren. Es gab auch noch keine Tastaturen oder Manuale: ein Ton wurde ausgelöst, indem man mit der ganzen Hand eine Holzlatte, die sogenannte „Schleife“, herauszog und so die Windzufuhr zu den Pfeifen für diesen Ton freigab.

Renaissance

 
Portativ auf dem Kreuzaltar (ca. 1490-1495)

Das 14. und 15. Jahrhundert brachte wichtige Neuerungen: Nun kamen einzeln wählbare Register, Manual-Tastaturen und einzelne (Teil-)Werke auf. Die Orgeln der Frührenaissance erinnern noch an die Zeit der Wiedereinführung der Register im ausgehenden Mittelalter (Stimmscheidung) Sie enthalten recht wenige Register (z. B. Prästant, Oktave, Hintersatz und Zimbel aus dem gotischen Blockwerk, dazu ein bis zwei Flöten, Trompete und Regal) und verfügen oft nur über ein Manual und ein angehängtes Pedal. Ein vorhandenes Regalregister wird oft leicht zugänglich über dem Spieltisch angeordnet, da dessen Pfeifen oft nachgestimmt werden müssen. Aus dieser Anordnung entwickelte sich später das Brustwerk, in dem die Regalpfeifen immer noch leicht zugänglich ganz vorn stehen.

In der Hochrenaissance entwickelten sich voll ausgebaute Orgeln. Das Klangideal orientiert sich an der damals üblichen Ensemblemusik auf gleichartigen Instrumenten. So stehen Prinzipale, Mixtur und Zimbel für den eigentlichen „Orgelklang“. Dazu kommen zahlreiche Register, die den Klang der damals üblichen Instrumente, vor allem Blasinstrumente, nachahmen sollen. Bei den Lingualregistern sind dies z. B. Trompete, Posaune, Zink, Schalmei, Dulzian, Ranckett, Krummhorn und Sordun, bei den Labialregistern z. B. Blockflöte, Querflöte (meist nicht als überblasendes Register) und Gemshorn. Die Manualzahl liegt zwischen Eins und Drei, jedes mit einem eigenen Werk, dazu kommt in der Regel ein eigenständiges Pedalwerk. Auf solchen Orgeln lässt sich neben Sakralmusik auch sehr gut die weltliche Musik der Renaissance wiedergeben. In der Spätrenaissance begannen sich erste regionale Unterschiede im Orgelbau heraus zu bilden.

Barock

 
Orgel von Arp Schnitger

Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte der barocke Orgelbau in Deutschland seine größte Blüte. Die größten Orgelbaumeister dieser Zeit waren Arp Schnitger in Norddeutschland (norddeutsche Orgelschule) und Gottfried Silbermann in Mitteldeutschland. Für Orgeln aus der Barockzeit kann man die Register je nach Klangfarbe und Verwendung in drei funktionelle Gruppen einteilen, die aber gleichermaßen auf die gesamte Orgel verteilt werden:

  • Die erste Gruppe bildet mit dem typischen „Orgelklang“ hervortretende Stimmen, die auf einen kräftigen Gesamtklang, das so genannte „Plenum“, ausgelegt sind. Hierzu gehören die Prinzipale, Oktaven, Quinten in Prinzipalmensur und Mixturen, aber auch vollbecherige Zungenstimmen, die zum Plenum gezogen werden oder ein eigenständiges Lingualplenum bilden
  • Die zweite Gruppe hat eher sanfte, flötenartige Töne, die sich hervorragend mischen lassen. Es sind die weiten offenen, die konischen, die Gedackten Stimmen in all ihren Variationen
  • Die dritte Gruppe sind die Stimmen, die am besten solistisch zu verwenden sind, wie Aliquote, Zungenstimmen und einzelne Streicher

Ein typisches Merkmal von barocken Orgeln ist das sogenannte Werkprinzip. Dies sagt nicht anderes aus, als dass jedes Teilwerk (Hauptwerk, Rückpositiv, Brustwerk, aber auch das Pedal) zum einen möglichst selbstständig, zum anderen aber auch gleichwertig neben den anderen Orgelwerken ist. Demnach ist jedes Teilwerk sowohl als Tutti-, als auch als Solo- oder Begleitwerk zu verwenden, sie unterscheiden sich nur durch die Klangcharakteristik. Eine weitere dynamische oder funktionelle Unterteilung (Hauptwerk, Schwellwerk, Nebenwerk, Echowerk) entwickelt sich erst in der Romantik.

Aufgrund der rein mechanischen Spieltraktur kommt es zu weiteren Besonderheiten:

  • Manualanordnung: Bei einer dreimanualigen Orgel mit Rückpositiv, Hauptwerk und Brustwerk ist das Hauptwerk immer das mittlere Manual, da sich anderenfalls die Spieltrakturen der Werke kreuzen würden.
  • Werkgröße: Jedes zusätzliche Register auf einer Windlade erhöht das Spielgewicht der Taste, daher sind hier natürliche Höchstgrenzen gesetzt, da eine Orgel sonst nicht spielbar wäre. Als Faustregel rechnet man mit maximal 10-12 Registern pro Windlade.
  • Koppeln: Bei einer dreimanualigen Orgel beschränken sich die Manualkoppeln auf III-II sowie I-II. Eine Manualkoppel III-I war technisch noch nicht realisierbar.

In den Barockorgeln auf der iberischen Halbinsel wird das Werkprinzip oft anders realisiert. Diese Instrumente haben oft nur ein Manual, immer mit Schleifenteilung bei c'/cis'. Die verschiedenen Werke (üblich sind: organo mayor (Hauptwerk), cadereta exterior (Rückpositiv), cadereta interior (inneres Positiv im Schwellkasten), Trompeteria (Horizontalzungenbatterie)) werden über Sperrventile angeschaltet. Das Stummelpedal ist angehangen oder verfügt nur über ganz wenige Register in 16'- und 8'-Lage, vereinzelt auch in 32'-Lage. Kleinere Instrumente verzichten auf eine Unterteilung in mehrere Werke.

Im Vordergrund der barocken Orgel steht die Durchsichtigkeit des Klanges. Daher waren hohe Register sowie Aliquote als Soloregister weit verbreitet. Bei den Aliquoten war allerdings bei der großen Terz (Fünftelfußmaß) Schluss. Im Klangideal sollten sich die einzelnen Pfeifen nicht angleichen, was sich vor allem bei polyphoner Musik positiv auswirkte.

Barocke Orgeln unterscheiden sich regional sehr stark. Die wichtigsten Regionen mit eigenständigen Orgeltypen sind Norddeutschland/Niederlande/Dänemark, Süddeutschland/Österreich, Frankreich, Italien und die iberische Halbinsel.

Romantik

Im 19. Jahrhundert entstand mit der romantischen Orgel ein neues, orchestrales Klangideal. Zu den größten Meistern des romantischen Orgelbaus zählen der Franzose Aristide Cavaillé-Coll und der Deutsche Eberhard Friedrich Walcker. Die Romantik hatte ein vollkommen anderes Orgelideal. Im Gegensatz zur Barockorgel ist hier die 8'-Lage, im Pedalwerk auch die 16'-Lage, mehrfach mit verschiedenen, Orchesterinstrumente nachahmenden Stimmen besetzt, die höheren Lagen treten dafür zurück. Teilweise ist schon beim 2' Schluss. Im Vordergrund stand das Ideal der „Vermischung“ - die Orgel sollte wie ein Orchester klingen, es sollen keine Brüche im Klang mehr erkennbar sein.

Daher tauchen in romantischen Orgeln gehäuft Streicher und überblasende Flöten auf. Streicherstimmen sind sehr eng mensurierte Pfeifen, in deren Obertonspektrum der zweite Teilton (die Oktave) vorherrscht. Streicher können auch eine Schwebung bilden, Vox coelestis („himmlische Stimme“) genannt, bei der bewusst zwei Pfeifenreihen leicht gegeneinander verstimmt werden, wodurch ein schwebender Ton entsteht. Überblasende Flöten sind weit mensurierte offene Lippenpfeifen, die doppelt so lang sind wie normale offene Pfeifen derselben Tonhöhe. Ihr Klang ist besonders füllig. In größeren romantischen Orgel trifft man auch oft sogenannte Hochdruckregister an wie z. B. Tuba mirabilis, Stentorgambe oder -flöte oder Royal Trumpet.

Außerdem verfügen alle größeren romantischen Orgeln über zahlreiche Spielhilfen und technische Besonderheiten. Typisch ist das so genannte Schwellwerk: Ein Teil der Pfeifen befindet sich innerhalb der Orgel in einem Kasten mit jalousieartigen Schwelltüren, die mittels eines Fußtrittes am Spieltisch geöffnet oder geschlossen werden können. Dies macht erstmals eine stufenlose Dynamik der Lautstärke möglich. Viele romantische Orgeln verfügen zudem über eine Crescendowalze, die es ermöglicht, mittels einer mit dem Fuß zu bedienenden Walze oder eines Balanciertritts nach und nach alle Register der Orgel zuzuschalten, ohne die entsprechenden Registerknöpfe einzeln von Hand bedienen zu müssen. Viele romantische Orgelwerke und Komponisten setzten eine Crescendowalze voraus (Max Reger). Außerdem verfügt die romantische Orgel häufig über Sub- und Superoktavkoppeln. Diese bewirken, dass beim Anschlagen eines Tones und bei geschalteter Suboktavkoppel der gleiche Ton eine Oktave tiefer mitklingt. Bei gezogener Superoktavkoppel erklingt der gleiche Ton eine Oktave höher mit (Oktavierung).

Zahlreiche technischen Neuerungen (Elektrik, Pneumatik, neue Baumaterialien) machten es möglich, immer größere Instrumente zu bauen. Es seien als Beispiele hier die Steinmeyer/Eisenbarth-Orgel des Domes zu Passau (heute 233 Register), die berühmte Wannamaker-Orgel in Philadelphia (Lord & Taylor Department Store, 357 Register) oder die größte Orgel der Welt in der Atlantic City Convention Hall mit 337 Registern bei 449 Pfeifenreihen (ranks) und rund 32.000 Pfeifen genannt.

In der Romantik fanden die ersten Umbauten von Orgeln im größeren Stil statt. Oft wurden barocke Orgeln, die als zu „schreiig“ empfunden wurden, romantisiert, in dem dort streichende oder andere romantische Register anstelle hoher Aliquoten eingebaut und die Intonation verändert wurde. Auch wurden wertvolle barocke Orgeln noch bis in die 1930er Jahre pneumatisiert oder elektro-pneumatisch umgebaut (z. B. Naumburg Wenzelskirche).

20. Jahrhundert

 
Orgel der Münchener Frauenkirche

Im Rahmen der Orgelbewegung (initiiert unter anderem durch Albert Schweitzer) kam es in Deutschland in den 1930er Jahren zu einer allgemeinen Rückbesinnung zum Barockideal. Sie wertete die Orgeln romantischen Klangcharakters als „Fabrikorgeln“ ab, sorgte jedoch gleichzeitig für eine Beschäftigung mit den in Vergessenheit geratenen barocken Orgelklangidealen und -bauprinzipien und bereitete die Entwicklung zu „neo-barock“ ausgerichteten Orgeln.

In den 1930er bis 1950er Jahren waren die Mensuren zum Teil übertrieben weit, jedoch fanden sich wieder barocke Register in den Dispositionen. Die Intonation entsprach noch der der Romantik, die Rückkehr zur mechanischen Schleiflade war noch nicht vollzogen.

In den 1950er und 1960er Jahren (Neobarock) mussten viele romantische Orgeln neuen Instrumenten mit sehr steiler Disposition weichen; da außerdem im Krieg viele Instrumente verloren gegangen oder unbrauchbar waren sowie die beiden großen Konfessionen vermehrt Kirchenneubauten unternahmen, setzt in Westdeutschland ein regelrechter „Orgelboom“ ein, der teilweise in einer „fabrikmäßigen Serienproduktion“ von Orgeln unter Verwendung von minderwertigen Materialien (Windladen aus Sperrholz, Spieltrakturen aus Aluminium oder Plastik) mündet. Viele romantische, ja auch spätbarocke Werke deren Disposition nicht barock genug erschien, wurden in dieser Zeit zunehmend „barockisiert“, in dem die Disposition dahingehend verändert wurde, dass z. B. die verpönten Streicher durch hohe Aliquoten ersetzt wurden, oft mit fragwürdigen Methoden und Erfolg. (Klassisches Beispiel ist das „Absägen“ eines Violoncello 8' zum Choralbass 4' im Pedal.) Stellenweise wurden in dieser Zeit auch hohe Aliqouten (Septime, None) verwendet (Helmut Bornefeld), die in originalen Barockdispositionen nicht vorhanden waren. Auch die Mensuren waren deutlich, wenn nicht sogar übertrieben eng gegenüber den Vorbildern. Die Intonationsart war eine völlig neue und hatte mit der barocken Intonationsweise nicht mehr viel gemein. Die Orgeln zeichnen sich im Gegensatz zum Barock durch oft unerträgliche Spitzigkeit und schwachem Baßfundament bei dabei fehlender Kraft in der Mittellage aus.

Gleichzeitig wurde mit sogenannten Multiplexorgeln versucht, Kosten und Platz beim Orgelbau zu sparen. Dieses Prinzip finden wir bei den Kinoorgeln der 1920er und 1930er Jahre. Da hier aus einer Pfeifenreihe im Transmissions- und Extensionsverfahren verschiedene Register aus einer Pfeifenreihe erzeugt wurden, konnte das Konzept musikalisch nicht überzeugen, weil die Eigencharakteristik der einzelnen Register nicht mehr gegeben war. Das Extensionsverfahren kommt heute noch bei sehr tiefen Pedalregistern (64', 32', 211/3') aus Platz- und Kostengründen zur Anwendung. Da in solchen Fällen baugleiche, eine Oktave höher klingende Register ohnehin vorhanden sind, müssen nur die 12 Pfeifen für die tiefste Oktave des Registers hinzu gefügt werden, der Rest des Registers nutzt die vorhandenen Pfeifen des eine Oktave höher klingenden Registers.

 
Die Rieger-Orgel von 1990

Seit den 1980er Jahren wird vermehrt mit einer Art „Universalorgel“ experimentiert, die für alle Arten und Stile von Orgelliteratur geeignet sein soll. Bei größeren Orgeln (ab drei Manualen und ca. 40 Registern) kommt man zu recht schlüssigen musikalischen Ergebnissen, indem man ein neutrales Hauptwerk zum Beispiel mit einem barocken Rückpositiv und einem französisch-romantischen Schwellwerk verbindet. Bei kleineren Orgeln geht die Vermischung der verschiedenen Epochen meistens nicht überzeugend auf; hier baut man tendenziell wieder rein stilecht nach historischen Vorbildern auch wenn hier durchaus gelegentlich Einzelregister aus anderen Epochen eingesetzt werden.

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts sind Wert und Berechtigung romantischer Orgeln und ihrer spezifischen Musik wieder stärker ins Bewusstsein gekommen. In neuster Zeit geht der Trend auch wieder dahin, bei Generalüberholungen von „barockisierten“ Orgeln diese in den Originalzustand zurückzuführen, wodurch wieder sehr schöne Instrumente aus der Romantik und dem späten Barock zurückgewonnen werden konnten.

21. Jahrhundert

Nennenswerte technische Fortschritte gibt es nur im Bereich der Spielhilfen. Die Elektronik hat größere Setzeranlagen ermöglicht, teilweise sind auch schon Kirchenorgeln midifiziert worden. In kleinen Orgeln (bis etwa 10 Register) wird vermehrt die Wechselschleife eingesetzt, die es ermöglicht, die Register eines Werkes auf zwei Spielmanuale zu verteilen. Weiterhin wird geforscht, wie sich eine Art „Anschlagsdynamik“ auf der Orgel realisieren und wie sich das Verhalten ein mechanischen Traktur mechatronisch nachbilden lässt.

Zumindest hingewiesen sei noch auf verschiedene Versuche, echte Orgeln mit Digitalorgeln zu kombinieren (Kombinationsorgel). Aufgrund der naheliegenden Probleme (Stimmung, Vermischungsfähigkeit) haben diese sich bis jetzt nicht durchsetzen können.

Eine weitere Variante, die sich mit dem Fortschritt der Digitaltechnik zunehmend ihren Platz erobert hat, ist die Digitalorgel (oder Digitale Konzert- und Sakral-Orgel). Sie ist vor allem als Übungsinstrument in Privathäusern sowie in kleinen Kirchen und Kapellen zu finden. Die mittlerweile überzeugende Klang- und Reproduktionsqualität macht digitale Sakralorgeln auch zunehmend zu einer ernstzunehmenden Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle.

Hörempfehlung

Auf der CD Passacaglia BWV 582 (ASIN: B000024BOT) befinden sich mehrere Fassungen der berühmten Passacaglia von Johann Sebastian Bach, unter anderem jeweils eine Einspielung auf einem barocken und romantischen Instrument. Da es sich um das gleiche Stück handelt, sind die Unterschiede im Klangideal sowie die technische Umsetzung direkt zu vergleichen.

Siehe auch

Varianten und verwandte Instrumente

Literatur

  • Wolfgang Adelung: Einführung in den Orgelbau. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1991, ISBN 3-7651-0279-2
  • Hans Klotz: Das Buch von der Orgel. Bärenreiter, Kassel 2000, ISBN 3-7618-0826-7
  • Alfred Reichling (Hrsg.): Orgel. Bärenreiter, Kassel u.a. 2001 (MGG Prisma), ISBN 3-7618-1622-7
  • Bernhard Ader: Orgelkunde aus Musik im Gottesdient (Hrsg.: Hans Musch) Band II S. 256ff, ConBrio, Regensburg 1994, ISBN 3-930079-22-4
Commons: Orgeln – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien