Der goldne Topf

Novelle von E. T. A. Hoffmann
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Der goldne Topf ist eine romantische Novelle von E. T. A. Hoffmann, die 1814 erstmals erschien und 1819 vom Autor überarbeitet wurde. Das Buch gilt als das erfolgreichste Werk Hoffmanns.

Inhaltsbeschreibung

Die Geschichte des Märchens „aus der neuen Zeit“ beginnt am Himmelfahrtstag in Dresden.

Ein junger Student namens Anselmus stößt am Schwarzen Tor den Korb einer alten Apfelhändlerin um. Die Frau beschimpft ihn mit den Worten: „Ja renne, – renne nur zu, Satanskind - ins Kristall bald dein Fall - ins Kristall.“ Er rennt weg und hält erst am Ende einer Allee unter einem Holunderbusch. Aus diesem hört er liebliche Stimmen und Gräusche wie von Kristallglocken. Er blickt auf und sieht in die blauen Augen einer Schlange, in die er sich auf der Stelle verliebt. Als sie kurz darauf verschwindet, ist er außer sich und verwirrt.

Durch Zufall begegnet Anselmus seinem Freund, dem Konrektor Paulmann, der ihn zu sich nach Hause einlädt. Dort trifft er die Tochter des Konrektors, Veronika, die sich in ihn verliebt. Des Weiteren lernt er den Registrator Heerbrand kennen, der ihm eine Anstellung als Kopierer alter Schriften bei dem Geheimen Archivarius Lindhorst verschafft, einem verschrobenen Alchemisten und Zauberer. Als er dort allerdings seinen ersten Arbeitstag beginnen will, erscheint ihm das alte Äpfelweib in der Türklinke und er fällt vor Schreck in Ohnmacht.

Durch Zufall begegnet der Student einige Tage später dem Archivarius auf freiem Feld, der ihn mit seinen Zauberkünsten beeindruckt und ihm verrät, dass die Schlange, die Anselmus gesehen hat, seine Tochter Serpentina ist. Am darauffolgenden Tag tritt Anselmus deshalb seine Arbeit an. Er soll fremdsprachige Texte, die er nicht entziffern kann, fehlerfrei kopieren. Lindhorst warnt ihn außerdem ausdrücklich davor, eines der Originale mit Tinte zu beflecken. Glücklicherweise erhält er Hilfe durch Serpentina, weshalb es ihm mühelos gelingt. Je mehr er sich mit diesen Schriften beschäftigt, desto vertrauter werden sie ihm und eines Tages kopiert er eine Schrift, deren Inhalt er begreifen kann. Es handelt sich um die Geschichte des Archivarius, der in Wahrheit ein Salamander ist, der Elementargeist des Feuers, und aus der sagenhaften Welt Atlantis verbannt wurde. Um dorthin zurückkehren zu können, muss er seine drei Schlangentöchter verheiraten.

Veronika, die befürchtet, Anselmus zu verlieren, wendet sich an das Äpfelweib, das ihr in einem nächtlichen Ritual während des Äquinoktiums einen Metallspiegel herstellt. Als der Student wenig später in diesen blickt, hält er Serpentina und die Geschichte des Salamanders für eine Einbildung und verliebt sich in Veronika. Er verspricht ihr, sie zu heiraten, sobald er Hofrat sei. Als er daraufhin eine weitere Schrift Lindhorsts kopieren will, scheint ihm diese fremd und er verschüttet aus Versehen Tinte auf das Original. Durch einen Zauber wird er in eine Kristallflasche auf einem Regal verbannt.

Dort entdeckt er neben sich weitere Flaschen, in denen sich andere junge Männer befinden, die allerdings nicht zu bemerken scheinen, dass sie eingekerkert sind. Kurz darauf erscheint die Hexe, die versucht den goldenen Topf zu stehlen, ein Geschenk des Erdelementargeistes für den Salamander. Um dies zu verhindern, wirft Anselmus seine Flasche um, die zu Boden fällt und zerspringt. Darauf erscheint der Archivarius mit seinem Papagei, die gegen das alte Weib und ihren schwarzen Kater kämpfen. Schlussendlich besiegt Lindhorst die Hexe, die sich in eine Runkelrübe verwandelt. Da der Student durch „feindliche Prinzipe“ beeinflusst war, vergibt ihm der Archivarius.

Veronika erhält von Heerbrand einen Heiratsantrag, der inzwischen Hofrat geworden ist, und nimmt ihn an. Anselmus heiratet Serpentina und lebt fortan in Atlantis.

Interpretation

Romantische Literatur

Im goldenen Topf existiert die für die Romantik übliche Zweiteilung der Welt in die reale Wiklichkeit und die phantastische Ebene. Die Realität wird dargestellt durch die bürgerliche Familie Paulmann, vor allem der Konrektor, der sowohl die Geschichten des Archivarius, als auch die Erlebnisse des Anselmus für Hirngespinste und Geisteskrankheit hält. Die irreale Welt hingegen lässt sich wieder in eine gute und eine schlechte Seite spalten, charakterisiert durch Lindhorst als vertriebenen Elementargeist und die böse Hexe als Erzfeind des Salamanders. Zwischen beidem steht der Student, der sich auf der einen Seite zu Veronika und einer Karriere als Hofrat und auf der anderen zu Serpentina und den Wundern der phantastischen Welt hingezogen fühlt. Im Verlauf der Geschichte gerät Anselmus immer mehr in den Bann des Irrealen, bis er von den „feindlichen Prinzipen“ gewaltsam zurück in die Wirklichkeit gezogen wird, die ihm aber ein Gefängnis ist. Schlussendlich entscheidet er sich allerdings für Serpentina und entschwindet endgültig aus der wirklichen Welt. Auch Veronika steht erst zwischen beiden Ebenen, da sie sich mit Hilfe von Zauberei die Liebe des Anselmus verschaffen will, wird aber schließlich durch die Heirat mit dem Hofrat Heerbrand in der Realität gehalten. Somit findet der Student sein Glück in der völligen Hingabe an das Phantastische, das ihn allerdings der normalen Welt entfremdet und entzieht. Dies kann sinnbildlich für die romantische Poesie gesehen werden, die den Menschen aus dem alltäglichen Geschehen reißt, ihn aber auch vereinsamen und weltfremd werden lässt. Veronika dagegen findet ihre Erfüllung im Leben als Hofrätin, verliert dadurch aber jede Bindung an das Irreale. Was die bessere von beiden Möglichkeiten ist, lässt das Buch letztendlich offen.

Politische Situation

Eine weitere Deutung ist auf der politischen Ebene möglich. So kann man die bürgerliche Welt mit den zur Zeit der Entstehung des Werkes herrschenden Ordnung des Ancien Régime identifizieren, die sich zwar durch Ruhe, Frieden und Sicherheit, aber auch durch Unfreiheit der Bürger auszeichnete, dargestellt in der Enge der Kristallflasche. Gleichzeitig ist eine Gleichsetzung des Archivarius Lindhorst mit Napoleon möglich, der zu dieser Zeit gerade in die Koalitionskriege verwickelt war. Dieser verhieß eine neue Zukunft und rief eine Aufbruchsstimmung hervor. Hoffmann erkannte jedoch, dass sich auch dies als trügerisch erweisen könnte, was durch die negative Seite des Irrealen in Form der Hexe klar wird. Deshalb wird auch bis zum Schluss nicht klar, ob die Entscheidung des Studenten, sich der phantastischen Welt hinzugeben, richtig war. Dies passt auch zu der Grundeinstellung Hoffmanns, der, als Anhänger der schwarzen Romantik, eine sehr pessimistische Weltsicht besaß. Die Wahl des Phantastischen stellt folglich nur das kleinere Übel dar, da es zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer bietet, der dem Menschen in der bornierten bürgerlichen Realität versagt bleibt.