Das MAN Werk Gustavsburg in Mainz-Gustavsburg war eine international vorwiegend im Stahl-, Brücken- und Hochbau tätige Produktionsstätte der MAN und bis in die 1980er Jahre nach Opel in Rüsselsheim der zweitgrößte Arbeitgeber im Rhein-Main-Gebiet.
MAN Werk Gustavsburg
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1859 |
Auflösung | 2008 |
Sitz | Ginsheim-Gustavsburg, Deutschland |
Mitarbeiterzahl | bis zu 4.500 |
Branche | Stahl-, Maschinen- und Kesselbau |

Geschichte
Die Anfänge ab 1859
Die Anfänge des für mehr als ein Jahrhundert lang bedeutendsten Zweigwerks der Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg (MAN) in Gustavsburg, kurz »MAN Werk Gustavsburg«, reicht bis 1859 zurück, als die Hessische Ludwigseisenbahngesellschaft auf Weisung des Großherzogtums Hessen eine Bahnverbindung (Rhein-Main-Bahn und Mainbahn) zu ihrer links des Rheins gelegenen Provinz Rheinhessen in Auftrag gegeben hatte. Es galt die Aufgabe, eine Bahnverbindung zwischen dem linksrheinischen Bahnhof in Mainz und dem des rechtsrheinischen Endbahnhofs in Gustavsburg herzustellen. Der rechtsrheinische Endbahnhof befand sich etwa 70 Meter südlich der Trasse der neu zu erstellenden Bahnstrecke und etwa 500 Meter westlich des erst 1888 erbauten Bahnhofs in Gustavsburg an dem Hafen, an dem sich heute ein Tanklager eines namhaften Mineralöl-Unternehmens befindet. Bis dahin, von 1858 bis 1862, waren diese beiden Bahnhöfe durch das Trajekt Mainz–Gustavsburg verbunden. Der Auftrag zur Erstellung einer Eisenbahnbrücke (Südbrücke Mainz) über den an dieser Stelle rund 400 Meter breiten Rhein wurde an die Nürnberger Maschinenfabrik Klett & Co. übertragen. Die Maschinenfabrik Klett & Co. hatte zu dieser Zeit schon mehrere Brücken für die Bayerische Staatsbahn gebaut und galt als zuverlässig und erfahren bei der Realisierung solcher Überbauten. Nun bestand aber das Problem, dass zunächst eine beträchtliche Menge Walzeisen aus dem Saarland und dem Niederrhein nach Nürnberg hätte transportiert werden müssen, von wo anschließend die fertigen Brückenteile sozusagen zurück nach Gustavsburg zu verbringen gewesen wären. Man entschloss sich daher, zur Vornahme der Konstruktionsarbeiten nahe der Baustelle auf der Landzunge zwischen Rhein und Main größere und zunächst nur provisorische Behelfswerkstätten aus Holz zu errichten.
So entstanden Provisorien zur Aufnahme von Fräs- und Bohrmaschinen, Scheren und Stanzen, dazu Schmiedeessen und Flammöfen. In einem 120 Meter langen Montierschuppen wurden die vollständigen Brückenträger fertig zusammengesetzt und danach die Nietlöcher durch kleine, durch Druckwasser angetriebene Bohrmaschinen, hergestellt. Zudem wurden wegen der großen Entfernung zu den nächsten Ortschaften, Ginsheim, Bischofsheim und dem rechts des Mains liegenden Kostheim, einige Wohnhäuser (nicht zu verwechseln mit der Cramer-Klett-Siedlung, die erst ab 1896 erbaut worden ist) und eine Kantine errichtet.
Nach zweijähriger Bauzeit war die vorerst nur eingleisige Mainzer Südbrücke 1862 fertiggestellt. Bis 1868 wurde sie zweigleisig ausgebaut.
Gerber und das Gerber-Haus
Die Leitung dieser gewichtigen Baustelle wurde dem erst 28-jährigen Heinrich Gerber übertragen, der zwei Jahre zuvor in die Maschinenfabrik Klett & Co. eingetreten war und schnell eine leitende Position im Mutterunternehmen in Nürnberg übernommen hatte. Gerber kann man deshalb als den Gründervater des über mehr als ein Jahrhundert lang bestehenden bedeutendsten Zweigwerkes der MAN bezeichnen. Er verlegte 1860 mit seiner Familie seinen Wohnsitz komplett nach Gustavsburg. Das unter Denkmalschutz stehende erste Bürogebäude Gerbers, allgemein Gerber-Haus genannt, etwa 70 Meter abseits des Haupteinganges des Werkes Gustavsburg, direkt an der Bahnstrecke Mainz–Frankfurt bzw. Darmstadt gelegen, gilt quasi als Denkmal Gerbers in Gustavsburg und in der näheren Umgebung. Bis zur Errichtung eines repräsentativen Verwaltungsgebäudes um 1890, diente es als Verwaltungs- und Konstruktionsbüro des Werkes Gustavsburg. Ab 1895 wurde es im zweiten Stockwerk dann als Werkschule und im Hochparterre als Büro des Leiters der Lehrwerkstatt genutzt. Bei Einführung des Dualen Berufsausbildungssystems in Deutschland wandelte sich die Werkschule in eine von der IHK Darmstadt anerkannte und beaufsichtigte, aber vom MAN-Werk getragene Berufsschule. Die Abschlussprüfung und die Vergabe der Facharbeiterbriefe lag ebenfalls in der Verantwortung der IHK Darmstadt.
Konsolidierung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts
Noch während der Bauarbeiten an der Eisenbahnbrücke in Gustavsburg füllten sich die Auftragsbücher des Mutterunternehmens in Nürnberg zum Bau weiterer Brücken. Da das Stammwerk in Nürnberg bereits mit der Fertigung von Eisenbahnwagen ausgelastet war, wurde deshalb beschlossen, den Gustavsburger Betrieb zu erhalten. Bis zum Ende der 1870er Jahre erbaute das Zweigwerk zahlreiche Brücken in Deutschland, insbesondere in Bayern. Dazu zählen die acht 1864 erbauten Felder der Brücken bei Kitzingen, Einersheim und Emskirchen und drei Jahre später zehn Brücken der Strecke München–Ingolstadt.
Das Werk expandierte und Um- und Ausbauten erwiesen sich deshalb als notwendig. Das 1863 nach Nürnberg zurückverlegte Konstruktionsbüro kehrte 1868 zunächst wieder nach Gustavsburg zurück, wurde dann aber infolge des Deutsch-Französischen Kriegs 1870 und auch wegen der Nähe zur Festung Mainz durch Gerber endgültig nach München verlegt. Dazu kam auch, dass dort sein Entwurfsbüro über bessere Verbindungen zu den bayerischen Behörden verfügte. Die Nähe zur Festung Mainz veranlasste Gerber, Mitte der 1870er Jahre sogar über eine Verlegung des Werkes nachzudenken, weshalb 1881/83 schon mit Vorarbeiten für einen Werksneubau in Stockstadt am Main bei Aschaffenburg begonnen wurde. Letztendlich blieb der Standort in Gustavsburg aber erhalten.
1873 wurden die Fertigungsstätten in Gustavsburg völlig vom Nürnberger Unternehmenssitz losgelöst und in „Süddeutsche Brückenbau-Aktiengesellschaft“ mit Sitz in München umbenannt. Allerdings war diese „Abnabelung“ nur kosmetischer Natur, da die innere finanzielle und personelle Struktur fast unverändert blieb. Tatsächlich kehrte der Betrieb in Gustavsburg 1884 wieder in die Arme seines Stammwerkes in Nürnberg zurück und firmierte ab dann unter dem Namen „Filiale für Eisenbauten“ unter der Leitung eines Schülers Heinrich Gerbers, Anton von Rieppel.
In eine gefährliche Schieflage geriet das Unternehmen nach drei Hochwasserkatastrophen in den Jahren 1876, 1880 und 1882 (Pegel Mainz) sowie wegen einer Finanzkrise des Stammwerks Ende 1885. Mit Ausnahme weniger hochqualifizierter Fachkräfte musste deshalb die gesamte Belegschaft entlassen werden. In dieser Zeit wurde trotzdem beschlossen die Anlagen in Gustavsburg zu erhalten.
Als Glücksfall erwies es sich, dass 1876 Anton von Rieppel zum Direktor des Gustavsburger Werkes bestellt worden war. Seiner Weitsicht und seinem unternehmerischen Können war es zu verdanken, dass die Belegschaft bis 1886 schon wieder auf 148 Arbeitnehmer gestiegen war und sich bis 1894 auf 744 mehr als verfünffachte.
Rieppel vergrößerte das Portfolio des Werks mit einer Kessel- und Maschinenbauhalle sowie einer Montagehalle für Wagenbau und veranlasste die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes. Er durchbrach auch die Geschäftspolitik des Unternehmens, nur Aufträge in Bayern und Hessen zu akquirieren und verlegte seine Auftragssuche auf ganz Deutschland und sogar in das Ausland. So wurde die Mainbrücke Kostheimerbaut, praktisch vor dem Tor des Unternehmens, aber auch eine Elbebrücke bei Wittenberg, mehrere Donaubrücken in Bayern, eine Hochbrücke über den Nord-Ostseekanal, die Friedrichsbrücke Mannheim und 1894 die Eisenbahnbrücke über das Wuppertal bei Müngsten, damals das größte Eisenbauwerk Deutschlands. Daneben verfügte das Gustavsburger Werk in dieser Zeit über Auslandsaufträge in Ungarn, Bulgarien, Rumänien, der Türkei und sogar in Argentinien.
Aufgrund der guten Auftragslage musste das Werk Gustavsburg in den 1890er Jahren erweitert und umgebaut werden. Dazu wurde ein großes Gelände in Richtung Ginsheim angekauft. Schon zuvor (1886/87) war der gesamte Betrieb mit elektrischem Licht ausgestattet worden. 1893 wurde die Kesselschmiede von Nürnberg nach Gustavsburg verlegt und 1896 die Errichtung eines Wagenbaus beschlossen.
Eine Zäsur wurde 1898 vollzogen, als die „Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg“, in die sich die Firma Klett & Co. umbenannt hatte, sich mit der Maschinenfabrik Augsburg zur „Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg A.G.“ vereinigte: Die „MAN Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg“ war aus der Taufe gehoben. Dies hatte für das Werk Gustavsburg allerdings keine Konsequenzen. Das Betriebsgelände hatte sich unterdessen seit 1885 von 2,5 Hektar auf 58,6 Hektar erweitert.
Der Aufschwung des Werks und Erster Weltkrieg
Mit der Verlegung des Konstruktionsbüros für Brücken- und Hochbau 1901 von Nürnberg nach Gustavsburg, gelangte auch der Ingenieur und Regierungsbaumeister Max Carstanjen, der 1895 eine Stelle bei Klett & Co. in Nürnberg angetreten hatte, an die Mainspitze. Rieppel, in dieser Zeit Vorstandsvorsitzender der Nürnberger und Gustavsburger Betriebsstätten, vertraute Carstanjen unter Ernennung zum Direktor die Leitung des Brückenbaues an. Mit dieser Personalie vollzog sich für das Werk Gustavsburg ein bedeutender Schritt zur Fortentwicklung eigener technischer Innovationen und der Erweiterung des Geschäftsfelds.
Inzwischen produzierte die Wagenbauwerkstätte seit 1896 bis zu 1.200 Güter-, Gepäck- und Personenwagen jährlich. Aber wohl noch nennenswerter war der Schritt der Geschäftsleitung, sich neben dem Brückenbau nun auch dem Stahlhochbau zuzuwenden. Zu diesem Zweck war eine neue Montagehalle vonnöten, die 1907 auf einer Fläche von 14.400 qm auf dem Werksgelände erstellt wurde.
Eine Architekturabteilung, die schon damals dem Konstruktionsbüro angegliedert war, bewies durch richtungweisende Erfolge die wechselseitige Befruchtung in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Architekten. Dieses Zusammenwirkens mündete 1906 in den Bau der Luitpoldhalle in Nürnberg und 1907/08 den der Festhalle in Frankfurt.
Nichtsdestoweniger wurde auch das Geschäftsfeld des Brückenbaus nicht vernachlässigt. Ein Höhepunkt war dabei die im Freibau errichtete Brücke über den Hoangho für die Tientsin–Pukow Bahn in China[1], dazu die Schwebebahn in Wuppertal, die Neckarbrücke bei Mannheim und die Rheinbrücken bei Mainz und Worms.
Carstanjen, der sich außer dem Stahlbau noch weit mehr dem Bau von Stauwehren widmete, ist es zu verdanken, dass die MAN Gustavsburg um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert auch in dieser Branche eine führende Rolle übernahm. Carstanjen gilt als der Vater der Walzenwehre. Das erste Walzenwehr dieser Art wurde 1901 in Schweinfurt montiert und fertiggestellt. Danach folgten noch zahlreiche weitere Anlagen weltweit, die nach dem System Carstanjens konstruiert und erbaut wurden.
Ab 1908 erweiterte das MAN Werk Gustavsburg seine Angebotspalette um Bühneneinrichtungen. Theater in Augsburg, Nürnberg, München, Mainz, Frankfurt, Stuttgart, Sofia und Ankara wurden mit den ihnen in Gustavsburg individuell angepassten Bühnentechniken ausgestattet, wobei auch die Montage von den Monteuren der MAN geleistet wurde. Zudem wurde im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, noch vor dem ersten Weltkrieg, mit der Konstruktion und dem Bau von Gasbehältern begonnen. 1912 waren für die Betriebsstätte in Gustavsburg und auf Baustellen in Deutschland, Europa und Übersee 3.200 Arbeiter und Angestellte beschäftigt.
Während des Ersten Weltkriegs verschoben sich die Aufträge in der Sparte des Brückenbaus mehr und mehr von der Errichtung neuer Brücken zum Wiederaufbau und der Reparatur gesprengter und durch Kriegsfolgen beschädigter Brücken. Auf mehr als 40 Baustellen in Deutschland und Europa mussten aus diesen Gründen die Gustavsburger Konstrukteure, Stahlbauer und Monteure tätig werden. Erwähnenswerte Beispiele dafür sind die Maasbrücke bei Namur, die Dünabrücke bei Riga, die Brücke über die Dubysa in Litauen und zwei Donaubrücken in Rumänien, darunter vermutlich die Anghel-Saligny-Brücke
Eine andere mittelbare Folgen des Krieges war ab 1916 der Beginn der Produktion von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen, die bis 1918 fast sieben Prozent des Gesamtumsatzes des Werkes erbrachte. In diesem Zusammenhang wurden zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Werks englische und russische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter herangezogen, die die fast 1.000 Arbeiter und Angestellten ersetzen mussten, die während des Krieges in das Militär eingezogen wurden. 91 Werksangehörige verloren in dieser Zeit ihr Leben.
Wegen des Waffenstillstandsabkommens vom 11. November 1918 musste binnen 15 Tagen die rechte Mainzer Rheinseite von deutschen Truppen geräumt werden. Sie wurde zu einer französisch besetzten Zone (Alliierte Rheinlandbesetzung und Interalliierter Hoher Ausschuss für die Rheinlande). Trotzdem gründeten noch Mitte November auf der Mainspitze dort stationierte Soldaten einer Panzerabteilung aus Bayern einen „revolutionären Soldatenrat“. Das Werk in Gustavsburg blieb von den Unruhen aber weitgehend verschont. Die wiederholten Arbeitsniederlegungen 1919 und 1920 hatten ihren Anlass hauptsächlich in wirtschaftlichen Gründen.
Die 1920er Jahre bis Kriegsausbruch
1920 gelangte die Gutehoffnungshütte Oberhausen AG (GHH) in den Besitz der Aktienmehrheit des gesamten MAN-Konzerns. In Bayern sorgte diese Übernahme für ein gelindes Entsetzen. Eine bayerische Industrieperle in den Händen der „Preißn“ war so überhaupt nicht nach dortigem Geschmack. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass 66 Jahre später die GHH von ihrer bayerischen „Erwerbung“ selbst geschluckt wurde.[2]. Diese Episode 1920 hatte allerdings praktisch keinen Einfluss auf die Geschäfte des Gustavsburger Tochterunternehmens. Zwar bereitete die französische Besatzung sowie die zunehmende Weltwirtschaftskrise einige Schwierigkeiten, die das Werk Gustavsburg jedoch relativ erfolgreich bewältigen und im Gegenteil ihre Wirtschaftsposition den Umständen entsprechend bis 1930 sogar noch ausbauen konnte.
Auf dem Gebiet des Brückenbaus sind in dieser Zeit, neben vielen anderen, die Neckarbrücke bei Mannheim, die Hängebrücke zwischen Köln und Mülheim und die Brücke über die Lahn bei Eckelshausen erwähnenswert. In der Sparte Messehallen ist vor allen Dingen die 1928 erbaute Halle 7 in Leipzig zu nennen, die zumindest bis 1960 mit ihren 100 Meter Spannweite als die größte Halle ihrer Art galt. Auf dem Sektor Stahlwasserbau, der seit dem Eintritt Carstanjens an großer Bedeutung gewonnen hatte, sind in dieser Zeit der Bau der Stauanlage Kachlet bei Passau und das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt am Oberrhein zu erwähnen.
Neu in der Gustavsburger Produktion waren die Druckrohrleitungen mit einem Durchmesser von zwei Metern, die bei den Wasserkraftwerken am Walchensee sowie in Irland und Uruguay eingesetzt wurden. Der Bau eines neuen Presswerks in den 1930er Jahren vergrößerte die Gustavsburger Angebotspalette noch weiter. Hauptkunden in dieser Sparte waren die Adam Opel AG in Rüsselsheim, die mit Automobilrahmen versorgt wurde, und Daimler-Benz in Neckarsulm, das von Gustavsburg Pressteile geliefert bekam.
Einen vorläufigen Höhepunkt für den Bau von Straßen- und Eisenbahnbrücken in Deutschland und Österreich gab es in den 1930er Jahren in dem nun berechtigt als Fabrik bezeichneten Werk in dem damaligen Mainzer Vorort. Hervorzuheben ist die Hochbrücke über das Tal der Freiberger Mulde bei Siebenlehn, eine Brücke über das Pegnitztal oberhalb Nürnberg, die Brücke über den Inn bei Kirchbichl[3], die Isarbrücke in München-Freimann, die Elbebrücke bei Dessau und die Hamburger Elbhochbrücke. Größere Aufträge im Ausland stellten die doppelflügelige Klappbrücke über den Limfjord in Dänemark und die Donaubrücke zwischen Giurgiu in Rumänien und Russe in Bulgarien dar, sowie die Galatabrücke, die als Pontonbrücke 1938 über das Goldene Horn in Istanbul die alte, 1912 erbaute Pontonbrücke ersetzte und die beiden Stadtteile Fatih und Beyoğlu verband, dazu der Überseehafen in Cherbourg. Auch der Bau von Autobahnbrücken wurde zu einem Bestandteil des Gustavsburger Werks. Der erste Auftrag in diesem Bereich war die Mangfallbrücke bei Darching, danach die Urselbachtalbrücke der Autobahn Frankfurt–Gießen, ein Kreuzungsbauwerk bei Wieblingen, die Straßenbrücken über den Neckar in Mannheim, über die Saar in Merzig, über das Obertal bei Altenau im Oberharz und in Salzburg über die Salzach.
Einen herben Rückschlag erlitt der Gustavsburger Brückenbau, als am 12. Dezember 1940 große Teile der noch nicht fertiggestellten Autobahnbrücke über den Rhein bei Frankenthal (Pfalz), der heutigen Theodor-Heuss-Brücke einstürzte und 33 Menschen mit in den Tod riss. Die Ursache des Einsturzes konnte trotz aller Bemühungen von Fachleuten nicht geklärt werden. Nach einer Version soll ein Montagejoch gebrochen sein.
In den 1930er Jahren war MAN außer im Brückenbau auch in anderen Produktions- und Geschäftsbereichen, wie der Gasbehälterfertigung, dem Stahlwasserbau, dem Turbinenbau und den Dachkonstruktionen (Kongresshalle Nürnberg) erfolgreich. Im Großhallenbau gelang es in den 1930er Jahren, die verwirrende Fachwerkbauweise durch eine klare und formschöne Konstruktionsweise abzulösen. Richtungsweisend dafür war die 1938 fertiggestellte, 42.0000 qm große Halle des Presswerks für das Volkswagenwerk in Fallersleben. Sie war die erste in dieser Bauart und Vorbild für viele weitere Großprojekte in dieser Konstruktionsweise.
Zweiter Weltkrieg
Ab dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939, wurde die Produktion des Werks Gustavsburg immer stärker auf die Fabrikation kriegswichtiger Güter umgestellt. Genau genommen lässt sich der Beginn der Erstellung militärischer Erzeugnisse schon bis ins Jahr 1924 zurückverfolgen. Noch während der französischen Besatzung fertigten die Gustavsbuger Brückenbauer in Zusammenarbeit mit dem Heereswaffenamt in Berlin heimlich Projekte für die Entwicklung von zerlegbaren Brücken für militärische und zivile Zwecke an. Infolgedessen lagen die fertigen Pläne für schnell zu erstellende Behelfsbrücken schon in den Schubladen der Gustavsburger Ingenieure, und so konnten schon 1937 die ersten Pionierbrücken für Panzer und andere Militärfahrzeuge an die Wehrmacht geliefert werden.
Bis Kriegsende wurden Technik und Funktionalität der zerlegbaren Brücken, die serienmäßig hergestellt und ausgeliefert wurden, immer weiter entwickelt. 1940 folgten Aufträge für den Umbau von Rheinkähnen in Transportschiffe für die geplante, aber nicht durchgeführte Invasion Großbritanniens. 1941 beauftragte das Heereswaffenamt das Gustavsburger Werk mit der Herstellung von U-Boot-Teilen und später auch Panzertüren, wovon in der Folge diese Produktion auf ganze Sektoren ausgeweitet wurde. Auch am Ausbau der Flottenstützpunkte an der Atlantikküste war das Unternehmen beteiligt. Zwar bauten die Abteilungen für Kessel-, Behälter-, und Rohrleitungsbau auch im zivilen Bereich einige Kraftwerke an der Drau, am Inn und an der Mur, sowie zahlreiche Kessel für Schiffe und Lokomotiven, doch wurden ihre Aktivitäten grundsätzlich auf Kriegsproduktion umgestellt. Zur Kriegswirtschaft zählten zwischen 1940 und 1945 auch der Bau und die Reparatur von Brücken in Belgien, Russland und Frankreich. Als ein für die Kriegswirtschaft wichtiges Projekt kann noch die Konstruktion eines der bis dahin größten Presswerke für die Stahlwerke Braunschweig erwähnt werden. Das 1942 fertiggestellte Gebäude war ein mehrschiffiger Bau von 106 × 315 Meter Größe.
Ab 1943 wurde das MAN-Werk Gustavsburg auch an der Herstellung und Produktion von Abschussrampen und anderen Komponenten der V-Waffen beteiligt. Nach den ersten Einsätzen dieser Waffen gegen London im Juni 1944, geriet die Mainspitze auch immer stärker ins Visier alliierter Luftangriffe. Aus diesem Grund wurde im Sommer 1944 darüber nachgedacht, einige Produktionsabteilungen in unterirdische Räume der Portland-Zementwerke Mainz-Weisenau zu verlegen.[4] Letztendlich wurden diese Überlegungen aber nicht in die Realität umgesetzt.
Die angestrebte Kriegsproduktion konnte nur durch die Aufstockung der Belegschaft erreicht werden. Da schon im August 1939 etwa 700 Werksangehörige den Einberufungsbefehl erhalten hatten, teilten die zuständigen Dienststellen im Herbst 1940 dem MAN-Werk erstmals flämische, holländische und französische Kriegsgefangene als Arbeitskräfte zu. Während des Krieges wurden immer öfter auch deutsche Frauen für die bis dahin ausschließlich von Männern ausgeübten Schlosserarbeiten eingesetzt. Noch in den sechziger Jahren arbeiteten einige wenige Frauen mit ihren in den Kriegsjahren erworbenen Fertigkeiten als Schweißerinnen in der Abteilung Kesselbau.
Ab Juni 1941 erhöhte sich die Zahl der im Ausland (zwangs-)verpflichteten Zivilisten aus Italien und ab 1942 aus der Ukraine, aus Frankreich und Belgien kontinuierlich, bis 1944 rund 2.000 als „Fremdarbeiter“ bezeichnete Arbeitskräfte eingesetzt waren, die schon früh in zwei Gruppen unterteilt wurden. 377 Belgier, 190 Holländer, 548 Franzosen, 94 Italiener, 2 Polen, 1 Kroate und 1 Ungar zählten zu den „Westarbeitern“; die 714 Ukrainer, Russen, Weißrussen und Tataren gehörten der Gruppe der „Ostarbeiter“ an. Der Unterschied bestand darin, dass die „Westarbeiter" mehr Freiheiten und Privilegien hatten, als das bei den „Ostarbeitern“ der Fall war. So war es durchaus üblich, dass die „Westarbeiter“ auch private Kontakte zu ihren deutschen Kollegen unterhielten, ja sogar in deutsche Haushalte eingeladen wurden. „Ostarbeiter“ genossen diese Freiheiten nicht. Die Unterkünfte der Zwangsarbeiter, wie sie letztendlich zu bezeichnen sind, waren zunächst Baracken an der Bleiau, einer Rheininsel südöstlich Gustavsburgs, und einige größere Gebäude in der Gemeinde, später dann ein Lager am Haagweg östlich des Werkes, das sogenannte „Rosengartenlager“.[5] Mit den „Fremdarbeitern“ war die Zahl der Belegschaftsmitglieder mit 7.100 auf die höchste Zahl gestiegen, die auch in den späteren Jahren nie mehr erreicht wurde.
Der erste Luftangriff der Alliierten fand im Dezember 1943 statt. Gezielte strategische Angriffe folgten aber erst im Sommer 1944, als das Werk endgültig als eine Waffenschmiede des Deutschen Reiches erkannt worden war. Insbesondere die Tatsache, dass in Gustavsburg Komponenten der V-Waffen gefertigt wurden, war der Anlass für die Briten und Amerikaner, das Werk in Gustavsburg vermehrt anzugreifen. Allerdings hielten sich die Schäden, gemessen an den Zerstörungen, die andere ähnliche Betriebe zu erleiden hatten, mit 27 Prozent noch in Grenzen. Zwölf Personen verloren bei diesen Luftangriffen ihr Leben.
Nachdem die am 25. März 1945 auf die Mainspitze eingerückten amerikanischen Soldaten am 1. April das Werksgelände beschlagnahmt hatten, hatte diese dunkle Periode in der Geschichte des Werkes ein Ende.
Die Nachkriegszeit
Als erste Maßnahme nach der Einnahme des Werkes sicherte sich das amerikanische Militär sämtliche Einrichtungen und Vorräte auf dem gesamten Gelände und aller darauf befindlichen Gebäude und Fabrikationshallen. Die von den Amerikanern noch vorgefundenen 33.000 Tonnen Walzmaterial verwendete ein amerikanisches Pionierbataillon sofort zur Errichtung einer eingleisigen Notbrücke, für die am 18. März 1945 von deutschen Pionieren gesprengte Mainzer Südbrücke. Diese auf Stahl- und teilweise Holzpfeilern in Rekordzeit erstellte, nach General George C. Marshall, (Marshallplan) benannte Ersatzbrücke, konnte schon am 19. Dezember desselben Jahres in Betrieb genommen werden.[6]
Ende April 1945 waren im Werk schon wieder 1.000 Arbeiter beschäftigt. Zu den ersten in der Nachkriegszeit gebauten Brücken gehört die 1949 erbaute Kurpfalzbrücke über den Neckar bei Mannheim, 1950 die Hängebrücke über den Rhein bei Köln Mülheim, 1951 eine neue Autobahnbrücke über die Werra bei Hedemünden und die Friedensbrücke in Frankfurt am Main.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Gustavsburger neben dem Brückenbau auch die Sparten Stahlgeschossbau, Stahlwasser-Wehrbau, Gasbehälter- und Theater- sowie den Chassisbau weitergeführt. Ab 1971 Jahren engagierten sie sich auch in der Raumfahrttechnik mit der Fertigung von Schubgerüsten für das europäische Raketenprogramm Ariane. Dazu versuchte man ab den 1960er Jahren im Aufzugbau zu reüssieren. Die Liste wäre aber unvollständig ohne die Erwähnung der MAN-Stahlhäuser, die von 1948 bis 1953 gefertigt wurden, sich auf dem Markt aber nicht durchsetzen konnten. 1973 waren bei der MAN Gustavsburg 4.500 Mitarbeiter beschäftigt.
Diese breit gefächerte Diversikation dieser doch eher kleineren Betriebsstätte im Verbund der Aktiengesellschaft barg aber schon den Keim des späteren Niedergangs dieses tradionsreichen Unternehmens. Zunächst unbemerkt für die Arbeitnehmer aber als Planspiel schon auf der Agenda in der Münchener Konzernspitze.
Das langsame Ende
Der Brückenbau geriet durch die Ölkrise in den siebziger Jahren zuerst unter Druck. Es folgte der stark auslandsorientierte Stahlhochbau, bis dann binnen weniger Jahre ganze Abteilungen ausgegliedert wurden. So übernahm 1984 Thyssen den Aufzugbau und die Fertigung der Schubgerüste für das europäische Raketenprojekt Ariane wurde ganz aus dem Werk ausgegliedert. Ab 1986 blieb Gustavsburg nur noch die Fertigung von Pressteilen und die Herstellung der dazu benötigten Werkzeuge. (Matrizen und Patrizen). Am 1. Juli 1987 verlor das Presswerk seine Eigenständigkeit im Konzern und wurde in die MAN Nutzfahrzeuge AG eingegliedert. Nur noch 750 Mitarbeiter produzierten Fahrzeugkomponenten wie Längsträger, Feinbleche, Rahmenquerträger und Werkzeuge für MAN-Fahrzeuge und für Kunden. 2008 kam dann das endgültige Aus. Das Presswerk wurde von einer Tochterfirma der Hörmann-Gruppe, der Hörmann Automotive Components übernommen, an der die MAN SE wiederum mit 40 Prozent beteiligt ist.[7] Das MAN-Werk Gustavsburg hatte aufgehört zu existieren.
Ironie der Geschichte, dass der Gesamtkonzern am 18. Oktober 2008 sein 250 jähriges Jubiläum feierte.[8] Wobei dieses Datum mit der Geschichte der MAN eigentlich überhaupt nichts gemein hatte. Genau genommen ist es nämlich das Gründungsdatum der ehemaligen Dachgesellschaft Gutehoffnungshütte, die am 18.Oktober 1758 in Osterfeld gegründet wurde. Das 150 jährige Jubiläum, das das MAN-Werk Gustavsburg 2009 hätte feiern können, blieb der Niederlassung in Gustavsburg verwehrt.[9] Als Ersatz dafür sprang das Unternehmen Hörmann Automotive Components in die Bresche, das sich selbst als legitimer Nachfolger in der Tradition des MAN-Werks Gustavsburg sieht.[10][11]
Das ehemalige Betriebsgelände befindet sich immer noch im Besitz des Gesamtkonzerns der MAN.
Das Verwaltungsgebäude wird heute vom TIGZ (Technologie-, Innovations- und Gründungszentrum) genutzt und stellt Büroräume zur Verfügung.[12]
Trivia
Eine Reminiszenz aus der Frühzeit des 19. Jahrhunderts des Werkes Gustavsburg, waren wohl die damals nahe der Baustelle erworbenen zwei Obstgüter auf der Bleiau und Langenau, als die Unternehmensführung offenkundig auch direkt für eine gesunde Ernährung der Schlosser, Bauarbeiter und Monteure während des Baus der Südbrücke Mainz Sorge trug.
Zu den bis in die siebziger Jahre bei der GHH gepflegten Ritualen gehörte auch die Lieferung von Honig und Obst an die Konzernführung in Oberhausen. „Von unserem Gut Langenau geht Ihnen heute eine Kostprobe der diesjährigen Honigernte zu“. Aus einem archivierten Schreiben vom 6. Juli 1966 des damaligen Werkdirektors Kurt Grissmer[13] an Dietrich Wilhelm von Menges, damals Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte. „Die Gutsverwaltung berechnet das Glas mit DM 3,30.“[14]
Literatur
- Aus der Geschichte der MAN - Sonderausgabe der Werkzeitung MAN Gustavsburg zum 100jährigen Jubiläum 1959
- Das Leben in Ginsheim-Gustavsburg im Wandel der Zeit; Hrsg.: Gemeindevorstand Ginsheim-Gustavsburg; 2005
- Kontakte - Vierteljahreshefte Ginsheim-Gustavsburg, Frühjahr/Sommer 2005
- 250 Jahre MAN-Gruppe, Thomas Flemming, Hrsg.: MAN 2008
- Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Werkfeuerwehr MAN Gustavsburg 1899 - 1999
- Hundert Jahre MAN 1840 - 1940, Fritz Büchner, Hrsg.: MAN 1940
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Die Hoanghobrücke in China Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit von Max Geitel auf Google Books; online im Internet: 1. Februar 2015
- ↑ Gutehoffnungshütte – MAN Abschied ohne Tränen / Die GHH-Zentrale zieht aus dem Ruhrgebiet nach München von Heinz-Günter Kemmer vom 18. April 1986 auf zeit.de; online im Internet vom 1. Februar 2015
- ↑ Innbrücke Kirchbichl auf structurae.de
- ↑ Zementwerk Weisenau / Steinbruch Weisenau auf gg-online.de; online im Internet: 1. Februar 2015
- ↑ Zwangsarbeit in Mainz-Gustavsburg von 1942 bis 1945 PDF-Datei
- ↑ General George C. Marshall Railway Bridge; online im Internet: 1. Februar 2015 (englisch)
- ↑ http://www.wer-zu-wem.de/firma/Hoermann-Automotive.html
- ↑ MAN ist 250 Jahre alt und noch immer rastlos / Mit einer Gala begeht der deutsche Traditionskonzern MAN am Freitag sein 250. Jubiläum. Der Lastwagen-Konzern baute einst Brücken, Raketentanks und Druckmaschinen. Er hat große Übung im Abstoßen unrentabler Teile. Noch ist unklar, welcher Teil als nächstes dran kommt. Erstmal wird gefeiert. von Jan Hildebrand auf welt.de vom 15. Oktober 2008
- ↑ Firmengrößen von einst (9): Werk Gustavsburg der MAN / Von der einstigen Bedeutung des Unternehmens zeugt noch das 1900 errichtete repräsentative Verwaltungsgebäude von e (SIC!) auf echo-online vom 21. August 2012
- ↑ Hörmann Automotive Gustavsburg; Historie (Video: 11 Minuten)
- ↑ Das MAN-Werk feiert seinen 150. Geburtstag / Jubiläum: Mit der Eisenbahnbrücke fing alles an - Tag der offenen Tür von rna auf echo-online.de vom 7. Mai 2010
- ↑ http://www.tigz.de/
- ↑ Kurt Grissmer auf sachsendigital.de
- ↑ 250 Jahre MAN-Gruppe, Thomas Flemming, Hrsg.: MAN 2008; Seite 10
Koordinaten: 49° 59′ 37,5″ N, 8° 19′ 16,5″ O