Beschusshemmende Weste

Schutzkleidung
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Eine beschusshemmende Weste, auch durchschusshemmende Weste, (ballistische) Schutzweste, Flakweste, umgangssprachlich auch kugelsichere Weste, schusssichere Weste oder nach ihrem Material Kevlarweste genannt, dient dazu, den Träger vor der tödlichen Wirkung von Kleinwaffengeschossen und eventuell auch vor Granatsplittern zu schützen sowie nur bei entsprechender Ausstattung mit stichhemmender Platte auch vor Stich- und Hiebwaffen.

Demonstration einer Schutzweste durch die Berliner Polizei (1931)

Entwicklungsgeschichte

Schutzwesten zählen zu Schutzwaffen, deren frühe Entwicklung auf Rüstungen aus verschiedensten Materialien zurückgehen. Bereits in der Antike wurden Körperpanzer hergestellt, welche dem Träger Schutz gegen Gewalteinwikrung durch Hieb-,Stich- der Geschosswaffen boten. Die frühesten erhaltenen Panzer aus Bronze sind auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert, spätere Stücke bestanden aus Stahl. Frühe Faserverbundpanzerungen finden sich in den Leinenpanzern der griechischen Antike wieder. Der Ringpanzer, welcher im 4 Jahrhundert v. Chr. aufkam, wurde mit Modifikationen bis in das 20. Jahrhundert verwendet. Trotz dem weitverbreitetem Irrglauben schützten stählerne Platttenpanzer wie sie ab dem 14. Jahrhundert in Europa produziert wurden äußerst effektiv gegen Geschosse, sowohl von herkömmlichen Bogen- als auch Feuerwaffen. So ließ Napoleon noch zu Beginn des 19 Jahrhunderts eigens für seine Kürassiere Brust- und Rückenpanzer anfertigen. Die U.S. Civil War Vest wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von der Union Army eingesetzt. Im Ersten Weltkrieg wurden Plattenpanzer als Schutz gegen Splitter und Beschuss getragen. In den 1930er Jahren wurden bei der Berliner Polizei Erprobungen mit modernen ballistischen Westen begonnen. Aus dem Zweiten Weltkrieg ist die russische SN-42, ebenfalls ein Plattenpanzer, bekannt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Entwicklung der Schutzwesten, bedingt durch neue Möglichkeiten der Werkstoffe, bedeutende Fortschritte gemacht. Fortschritte bei der Entwicklung neuer Werkstoffe lassen eine weitere Erhöhung der Schutzwirkung weich- und hartballistischer Schutzwesten in naher Zukunft wahrscheinlich erscheinen. Hier wurde etwa über die künstliche Spinnenseide und Nanotechnologie berichtet, darunter auch ein Verbundmaterial aus Wolframdisulfid, welches laut Herstellerangaben bis zu 250 Tonnen pro Quadratzentimeter standhalten soll. Im Gegenzug kann jedoch auch ein Angreifer auf ein größeres Kaliber, panzerbrechende Munition, eine stärkere Patronenlaborierung oder gegebenenfalls einen neuen Waffentyp zurückgreifen.

Funktion

 
Deutsche Polizisten mit Schutzwesten und MP5
 
Deutscher Polizist mit Schutzweste
 
Schlagschutzweste – mit Kevlareinlagen erweiterbar auf deutsche SK1

Eine beschusshemmende Weste soll das Durchdringen eines Geschosses verhindern. Die kinetische Energie wird dabei aufgenommen und auf eine möglichst große Fläche verteilt. Das Geschoss selbst verbleibt im Westenkörper, kann diesen jedoch verformen. Der Impuls des Geschosses wird an den Träger der Schutzweste weitergeleitet. Beides führt zu einem stumpfen Trauma. Somit machen Schutzwesten keinesfalls „kugelsicher“, sondern schützen den Träger bis zum angegebenen Schutzgrad vor der tödlichen Wirkung von Geschosstypen.

Schutzklassen

Die Schutzkraft einer Weste wird mit der sogenannten Schutzklasse angegeben. Hier haben sich weltweit mehrere Standards etabliert. Um ballistischen Schutz zu verifizieren, werden dabei mehrere Proben einer Werkstoffprüfung unterzogen. Je nach Umweltbedingungen, Anzahl der Testschüsse, Kaliber und Geschossgeschwindigkeit ergeben sich die Schutzklassen.

Der wichtigste Standard ist der amerikanische NIJ-Standard (National Institute of Justice, Forschungszentrum des Justizministeriums)[1]. Jede Behörde oder Organisation mit entsprechendem Bedarf führt meist ihre eigenen Beschusstests entsprechend der eigenen Anforderungen durch, so auch die verschiedenen Streitkräfte. In Deutschland wird der Beschusstest nach der Technischen Richtlinie für Schutzwesten der Polizei durch die staatlichen Beschussämter durchgeführt.[2]

Am Ende eines Beschusstests wird einem bestimmten Stück Körperschutzausrüstung eine bestimmte Schutzwirkung attestiert. Ob diese in der gesamten Produktion dann konstant ist und wie lange sie bei den entsprechenden Körperschutzausrüstungen gewährt bleibt, ist Sache des Herstellers und des Abnehmers und muss durch Langzeittests und wiederholte Überprüfung von Produktionsexemplaren getestet werden. Die meisten Hersteller garantieren für fünf oder zehn Jahre die Schutzwirkung ihrer Produkte.

Die deutschen und amerikanischen Schutzklassen sind nicht ohne weiteres übertragbar, obwohl sich die verwendeten Kaliber ähneln. Die allgemeinen Bedingungen unterscheiden sich deutlich. So werden amerikanische Proben nur einmal beschossen, deutsche jedoch dreimal, und auch die Umweltbedingungen unterscheiden sich. Dennoch wird allgemein die deutsche Schutzklasse (SK) 1 mit dem amerikanischen NIJ-Level IIIA gleichgesetzt. Beide definieren den Schutz gegen gängige Kurzwaffen, wobei sich die verwendeten Kaliber ähneln. Auch die deutsche SK4 und die NIJ-Level III und IV werden oft verglichen. Sie definieren den Schutz gegen Beschuss aus Langwaffen. [3]

Die wesentlichen Schutzklassen sind:

SK 1 und Level IIIA
Schutz vor Kurzwaffenmunition mit Weichkern und Rundkopf oder Teilmantel beziehungsweise Hohlspitze
SK 2
Schutz vor Kurzwaffenmunition mit Hartkern
SK3 und Level III
Schutz vor Langwaffenmunition mit Vollmantel und Weichkern oder Teilmantel beziehungsweise Hohlspitze
SK4 und Level IV
Schutz vor Langwaffenmunition mit Vollmantel und Hartkern

Der Schutz gegen Stichwaffen wie Messer oder Nadeln, auch Stichschutz genannt, ist bei den ersten beiden Schutzklassen nicht zwingend inbegriffen und muss zusätzlich erbracht werden. Bei den Schutzwesten der Schutzklassen 3 und 4 wird dagegen konstruktionsbedingt auch Stichschutz vorausgesetzt.

Konstruktion

Schutzwesten werden aus verschiedenen Materialien nach unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien gefertigt. Man unterscheidet allgemein Hart- und Weichballistik. Bestimmte Schutzwirkungen lassen sich meist nur durch Kombination beider Prinzipien erreichen. So kann durch eine weichballistische Weste ein Rundumschutz nach Schutzklasse 1 erreicht werden. Zusätzliche hartballistische Einlagen an Front und Rückseite garantieren gegebenenfalls einen Schutz nach Schutzklasse 4. In derartiger Kombination werden die meisten Schutzwesten konstruiert. Die verwendeten Hartballistikplatten erreichen ihre Schutzwirkung dann nur in Kombination mit dem weichballistischen Westenkörper.

Schutzwesten unterscheiden sich nicht nur in der Schutzwirkung, sondern auch im geschützten Körperbereich. Die meisten Westen schützen nur die Körperbereiche mit der größten Fläche und damit der größten Trefferwahrscheinlichkeit, meist also den Torso. Durch zusätzliche Protektoren können je nach Westentyp aber auch die Körperseiten, der Genitalbereich, die Schultern, der Nacken, die Arme und Beine geschützt werden. Dieser Schutz schränkt jedoch die Beweglichkeit des Trägers ein. Weitere Unterschiede ergeben sich aus der Konstruktion des Westenkörpers. Um die ballistischen Schutzeinlagen am Körper zu tragen und sie vor Beschädigungen im Alltagsgebrauch zu schützen, werden sie in Schutzwestenhüllen aus hochbelastbaren Textilien eingenäht. Diese können dann auch Befestigungsmöglichkeiten für zusätzliche Ausrüstung bieten oder aber auch ein verdecktes Tragen ermöglichen, etwa durch Angleichen der Farbe an die restliche Kleidung.

Weichballistik

 
Erfolgreich verlaufener Test einer beschusshemmenden Weste im Jahre 1901 mit einem 7-mm-Revolver

Das Geschoss trifft auf eine mehrschichtige Netz- oder Folienstruktur aus reißfestem Gewebe. Die Geschossenergie wird teilweise absorbiert, wenn das Geschoss die einzelnen Schichten in eine Bewegung in Richtung des Einschusses versetzt (Beschleunigungsarbeit) und die Fasern dehnt (Spannarbeit). Der Großteil der Energie ist dann aber noch erhalten. Das Projektil formt auf der dem Körper zugewandten Seite des reißfesten Gewebes eine Ausbuchtung wie ein abgeschnittener Kegel, bis sich Projektil und das getroffene Körpergewebe mit gleicher Geschwindigkeit bewegen (Unelastischer Stoß). Als ungeeignet gilt eine schusssichere Kleidung nicht nur, wenn das weichballistische Gewebe vom Projektil durchstoßen wird, sondern auch wenn der Eindringkegel in den menschlichen Körper dahinter zu tief ist. Getestet wird das an einem aus spezieller Knetmasse nachmodellierten Körper eines Menschen.

 
Kevlar-Verbundwerkstoff für beschusshemmende Westen (Militärhistorisches Museum der Bundeswehr)

Schutzausrüstung aus mehrlagigen und miteinander vernähten gewebten Stoffen kennt die Menschheit schon sehr lange (s. o.). Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden Schutzwesten aus Seidenfasern entwickelt. Sie hielten dem Beschuss mit Revolvern stand. Dieser Waffentyp war zu der Zeit weit verbreitet. Revolver zeichnen sich durch eine geringe Mündungsgeschwindigkeit aus, für die Seidenfasern die richtige Wahl waren.

Durch die Entwicklung von Handfeuerwaffen ohne Magazintrommel wurde auch die Mündungsgeschwindigkeit erhöht, so dass die Reißfestigkeit von Seidenfasern nicht mehr ausreichte. Durch die massenhafte Verbreitung dieses Waffentyps während des Zweiten Weltkriegs griff man nach Ende des Krieges auf hartballistische Schutzeinlagen zurück, bis die Forschung an Aramidfasergeweben brauchbaren und bezahlbaren Ersatz bot.

Heute verwendet man meist Aramidfasern unter Namen wie Twaron und Kevlar. Auch andere Kunststoffe, etwa Zylon und Dyneema, werden verwendet. Diese Kunststoffe sind extrem reißfest, verlieren ihre Eigenschaften aber nach einiger Zeit. Dieser Alterungsprozess, der materialspezifisch über mehrere Jahre verläuft, wird durch Einwirkung von UV-Licht noch beschleunigt. Auch Feuchtigkeit führt meist zum Verlust der Eigenschaften. Aus diesen Gründen werden die weichballistischen Schutzeinlagen der Schutzwesten in Kunststofffolien eingeschweißt.

Theoretisch lässt sich durch eine entsprechende Schichtenanzahl jedes beliebige Geschoss aufhalten. Aus praktischen Gründen werden weichballistische Schutzeinlagen jedoch nur zum Schutz gegen Kurzwaffengeschosse gefertigt. Darüber hinaus bieten reine Fasergewebe keinen ausreichenden Stichschutz.

Hartballistik

Hier trifft das Geschoss auf eine Platte aus einem harten Material und verteilt seine kinetische Energie auf diese. Die kinetische Energie wird von der Platte aufgenommen und führt zu Verformungen. Das Prinzip wird seit langer Zeit bei Rüstungen benutzt. Verwendet werden hier schon seit Jahrhunderten Metalle (ballistischer Stahl), neuerdings auch Oxidkeramik- oder Polyethylenplatten. Moderne hartballistische Schutzplatten werden nach einem Schichtprinzip aus einer Kombination verschiedener Materialien gefertigt und haben eine Kurvenform, um die Auftreffenergie besser zu absorbieren, aber auch, um sich der Körperform des Trägers anzupassen. Mit Platten lassen sich theoretisch je nach Materialstärke alle Arten von Geschossen stoppen. Die meisten Schutzplatten erreichen ihre volle Schutzwirkung aus oben genannten Gründen nur in Kombination mit weichballistischen Schutzpaketen.

Das US-Militär, als weltweit größter Abnehmer hartballistischer Körperschutzplatten, hat bei der Formgebung für eine gewisse Standardisierung gesorgt. Die meisten Platten haben eine Größe von 10 × 12 Zoll (25,4 x 30,5 cm) mit abgeschrägten oberen Ecken und werden dann als (E)SAPI-Plates ("Small Arms Protective Insert") bezeichnet. Es werden aber auch andere Plattenformen hergestellt. Einen vollkommenen Rundumschutz mit hartballistischen Materialien zu gewährleisten galt lange Zeit wegen des Gewichtes dieser Schutzeinlagen als inpraktikabel. Rein hartballistische Schutzwesten wurden daher meist in Form sogenannter Plate Carrier realisiert. Hier werden nur Front und Rücken mit sogenannten Stand-Alone-Platten geschützt. Diese speziellen Platten können auch ohne darunterliegende weichballistische Schutzpakete Kugeln stoppen, sind aber schwerer.

Ein weiterer Ansatz ist Körperpanzerung, die sich wie ein Schuppenpanzer aus zahlreichen kleinen Elementen zusammensetzt. Die Rote Armee verwendete in den 1980er Jahren solche Westen mit Titanschuppen. Heute wird ähnliche Körperpanzerung mit Stahl und Siliziumcarbideinlagen als Dragon Skin Body Armor [4] von einer amerikanischen Firma gefertigt. Der Vorteil dieses Konzeptes ist die Verformbarkeit der ballistischen Einlagen wodurch ermöglicht wurde, dass ein größerer Bereich des Oberkörpers geschützt werden kann und der Träger sich mit weniger Energieaufwand bewegen kann. Außerdem weist es trotz eines niedrigen Gewichtes eine bessere Schutzwirkung auf, da der Körperschutz öfter von hartballistischen Materialien getroffen werden konnte ohne seine Wirkung zu verlieren. [5]

Stichschutz

Beim Stichschutz ist die besondere Wirkweise von Stichwaffen zu beachten. Diese können schneidend, verdrängend oder stanzend wirken. Ein langer Schnitt mit einem Messer kann gegebenenfalls schon von leichten Schutzgeweben aufgehalten werden. Ein Stich mit einer Nadel wird den Westenkörper einer weichballistischen Schutzweste aber durchdringen. Um den Träger auch gegen Stichwaffen zu schützen, werden bei den leichteren Schutzwesten daher zusätzliche Einlagen aus Metallfolien und verflochtenen Metallringen verwendet. Die Folien schützen vor besonders spitzen Gegenständen mit stanzender Wirkung, z. B. Nadeln oder Kanülen von Spritzen. Die verflochtenen Metallringe, die einem Kettenhemd entsprechen, sollen der verdrängenden Wirkung von Messerklingen oder auch Äxten entgegenwirken. Bei den hartballistischen Schutzeinlagen der Westen mit den Schutzklassen 3 und 4 ist dagegen durch die Platten bereits ein Stichschutz gewährleistet. Da diese Systeme meist nur Front und Rücken abdecken, muss hier gegebenenfalls der Stichschutz an den Körperseiten zusätzlich mit den o. g. Mitteln ergänzt werden.[6]

Schlagschutz

Der Schlagschutz ist nicht direkt Aufgabe einer ballistischen Schutzweste. Da hier besonders die Extremitäten und der Kopf geschützt werden müssen, sind zusätzliche Protektoren und ein Helm notwendig. Diese bestehen meist aus Kunststoffen und sind mit Polsterstoffen ausgekleidet. Solche Protektoren haben meist keine ballistische Schutzwirkung, sind aber oft Bestandteil des Stichschutzes. Die in Körperschutzausstattungen verwendeten Westen müssen nicht unbedingt auch eine ballistische Schutzwirkung haben. Die Integration einer ballistischen Schutzweste in eine Körperschutzausstattung ist aber durchaus möglich.[7]

 
Deutsche Soldaten der Bundeswehr tragen die Schutzweste Standard bei einem Manöver.

Anwendung

Für ballistische Schutzwesten gibt es zivile, wie auch militärische Anwendungsbereiche. Personen, die einer erhöhten Bedrohung unterliegen, wie etwa Polizisten, Personen des öffentlichen Lebens oder andere, erhalten durch sie bei Angriffen eine höhere Überlebenschance. Bei der deutschen Polizei wurden mittlerweile flächendeckend Unterziehschutzwesten eingeführt. Hierbei handelt es sich um verdeckt zu tragende Schutzwesten der SK 1, welche bei einigen Polizeien (z.B. Hessen, Baden-Württemberg oder bei der Bundespolizei) mit einer taktischen Hülle auch über der Oberbekleidung getragen werden können. Für im Vorfeld erkennbar gefährliche Einsätze existieren Überziehschutzwesten, die einen größeren Körperbereich abdecken, um zusätzliche Protektoren erweitert werden können und in ihrer Schutzklasse anpassbar sind. Kampfmittelräumer tragen meist Vollschutzanzüge, die nur die Hände frei lassen. Hundertschaften der Bereitschaftspolizei tragen normalerweise keine ballistischen Schutzwesten, sondern Schlag- und Stichschutzwesten. In der deutschen Bundeswehr werden die Soldaten im Auslandseinsatz mit Schutzwesten der SK 4 ausgestattet. Für Soldaten im Inland werden sogenannte Splitterschutzwesten vorgehalten, die vor Granatsplittern mit geringer Auftreffenergie schützen, jedoch nicht durchschusshemmend sind. In Deutschland unterliegt der Erwerb von Schutzwesten keinen Einschränkungen. Weltweit gibt es in Bezug auf den Besitz von Schutzwesten unterschiedliche Regelungen. In einigen Ländern ist Privatpersonen der Besitz oder das Tragen verboten, teilweise auch die Einfuhr. Es gelten außerdem meist Exportbeschränkungen.

Limitationen und Nachteile

Schusshemmende Westen sind keinesfalls „kugelsicher“. Wie beschrieben ist es nicht gewährleistet, dass der Träger trotz einer Schutzweste nicht innere Verletzungen wie Knochenbrüche oder Quetschungen davonträgt. Auch ist es immer noch möglich, dass Geschosse die Weste durchdringen, wenn die Schutzwirkung nicht ausreichend ist. Gerade Geschosse mit weichem Mantelmaterial sind dann meist schon aufgepilzt oder fragmentiert und geben schlagartig ihre Restenergie auf den Körper des Trägers ab, was zu großen und tiefen Wunden führen kann. Auch ist es möglich, dass bei Perforation der Weste Teile der Schutzpakete, Splitter der ballistischen Platten und das Material der Hülle in den Wundkanal eindringen. Selbst wenn das Projektil die Weste nicht durchdringt, kann der auf den Körper weitergereichte Impuls eines ausreichend schweren und schnellen Projektils die inneren Organe verletzen und so ohne sichtbare äußere Verletzung zum Tod führen.

Weiter bieten nur wenige Westen einen kompletten Schutz, so dass Geschosse Extremitäten immer noch verletzen können und durch die Öffnungen, etwa für die Arme, immer noch in den eigentlich geschützten Bereich des Körpers eindringen können.[8] Unterziehwesten bieten beispielsweise ihren besten Schutz, wenn sie unter der Uniform getragen werden. Bei falscher Trageweise (z. B. über der Uniform) kommt es bei einem Geschossaufprall zu einem Übertragungsimpuls. Dieser wirkt Druck auf Knöpfe, Kugelschreiber, etc. aus, was zu schweren Verletzungen führen kann.

Ein weiteres Problem ist der beschriebene Alterungsprozess, der für ein Nachlassen der Schutzwirkung der Schutzpakete sorgen kann. Hier ist der Fall des Werkstoffs Zylon der japanischen Firma Toyobo zu erwähnen. Mit diesem Werkstoff schienen Ende der 1990er Jahre besonders leichte Schutzwesten machbar. Bei der Langzeiterprobung stellte sich aber heraus, dass dieser Werkstoff besonders schnell alterte und schon nach drei Jahren seine Schutzwirkung einbüßte.[9] Die Herstellerfirma, die die Polizei in Bayern und Nordrhein-Westfalen mit aus diesem Material hergestellten Westen belieferte, ging aufgrund der darauffolgenden Schadenersatzforderungen in Konkurs.[10]

Auch unsachgemäße Handhabung, etwa falsches Anlegen oder Beschädigung der Schutzweste, kann zu einem Vermindern der Schutzwirkung führen. Weitere Nachteile sind die Tatsache, dass die Westenkörper die Transpiration des Körpers einschränken und gegebenenfalls zu einem Hitzestau führen können, sowie das Gewicht. Schutzwesten wiegen, je nach Schutzklasse und Umfang, zwischen wenigen Kilogramm bis zu 30 kg. Schutzwesten sind daneben auch ein psychologischer Schutz, der einem Menschen in einem gefährlichen Umfeld ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, aber immer wieder auch zu einem Überschätzen der Schutzwirkung dieser Ausrüstung führt.

In einige Länder dürfen Schutzwesten nicht oder nur mit einer vorherigen zollrechtlichen Erlaubnis eingeführt werden, da diese als Kriegsausrüstung gelten.

Siehe auch

Literatur

Commons: Beschusshemmende Westen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. NIJ-Portal Body Armor http://www.ojp.usdoj.gov/nij/topics/technology/body-armor/welcome.htm
  2. Technische Richtlinie „Ballistische Schutzwesten“ http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Schutzweste/SchutzwesteTR_03-08_Revisionen-10-08_09-09.pdf
  3. Mehler VarioSystems: http://www.m-v-s.de/pdf/Schutzklassen_Deutsch_Ref_SW051021.pdf
  4. Dragon Skin® von Pinnacle Armor: http://www.pinnaclearmor.com/body-armor/dragon-skin.php
  5. Lisa Myers report: http://dailynightly.msnbc.com/2007/05/army_responds_t.html
  6. PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Schutzausstattung/Stichschutz_97.html
  7. PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Koerperschutz12-95.pdf.html
  8. ZDF.de: http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1424761/Hells-Angel-erschiesst-Polizisten-trotz-Schutzweste.html
  9. GdP: http://www.gdp.de/gdp/gdpbaycms.nsf/id/080605A/$file/Schutzwesten070605.pdf
  10. ZDF.de: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,351516,00.html