Abraham Roentgen

deutscher Kunsttischler
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Abraham Röntgen (* 30. Januar 1711 Mülheim (Rhein), † 1. März 1793 Herrnhut) war ein berühmter deutscher Ebenist (Kunstschreiner) und Kabinettmacher.


Leben und Werk

 
Aufsatzkommode von Abraham Roentgen, um 1750

Abraham Roentgen erlernte bei seinem Vater die „Kabinettmacherei“ und verbrachte anschließend noch einige Jahre in Mülheim. Mit 20 Jahren ging er auf Wanderschaft und arbeitete in Den Haag, Rotterdam und Amsterdam bei den geschicktesten Handwerksmeistern seiner Zeit. Als er hier nichts mehr lernen konnte, ging er nach London. Er beschäftigte sich mit Gravieren, Einlegen von Holzmosaiken und der Mechanik mit solchem Erfolg, dass er bald ein gefragter Handwerker war. Zu jener Zeit gab es in London und Paris zahlreiche wohlhabende und angesehene Kunstschreiner, unter ihnen auch einige deutscher Herkunft. Abraham Roentgen arbeitete u.a. für John Channon, von dem er die gravierten Messingeinlagen übernahm und bei Christian Gern, einem deutschstämmigen Kabinettmacher. Dieser dürfte bei dem jungen Roentgen großen Eindruck hinterlassen haben, sonst hätte er nicht später einen seiner Gesellen zu ihm geschickt, um seine Fertigkeiten weiter zu verbessern.

Anhand der später in Deutschland gefertigten Möbel kann festgestellt werden, dass Abraham Roentgen auf seiner Wanderschaft viele Stilmerkmale holländischer und englischer Möbel übernahm, die auch noch bei den Produkten seines Sohnes zu finden sind. Beide bezeichneten sich aufgrund ihrer stilistischen Vorbilder auch als „englische Cabinett-macher“.

Zwischenzeitlich war Abraham Roentgen in London für kurze Zeit selbständig. Dort machte er 1737 die Bekanntschaft des Grafen von Zinzendorf und dessen Herrnhuter Brüdergemeine, einer puritanischen, protestantischen Freikirche, der er 1738 beitrat. Dies sollte sich als grundlegender Schritt für seine weitere Arbeit und den Erfolg seines Sohnes erweisen.

Aus London zurück, arbeitete er ab 1738 in der Werkstatt der Herrnhuter Gemeine auf der Ronneburg in der Wetterau. Am 18. April 1739 heiratete er die Herrnhuterin Susanne Marie Bausch. Kurz danach ließ sich Roentgen mit seiner Frau in der Siedlung Herrnhaag nieder, die sich damals im Aufbau befand und gründete eine eigene Werkstatt.

Am 11. August 1743 wurde sein Sohn David Roentgen geboren, der seine Arbeit später nicht nur fortführen, sondern zu besonderer Kunstfertigkeit vollenden sollte.

Von Herrnhaag aus belieferte Abraham Roentgen die umliegenden Adelshäuser mit Möbeln höchster Qualität, die sich in Form, Ausführung und Schmuckelementen an englische Möbel anlehnten.

 
Roentgenhaus in Neuwied, Pfarrstraße

Als die Herrnhuter 1750 aus Herrnhaag vertrieben wurden, ließen sich 40 Gemeindemitglieder, darunter die Familie Roentgen, in dem für seine religiöse Toleranz bekannten Neuwied nieder. Abraham Roentgen bezog im Oktober 1750 eine Werkstatt in unmittelbarer Nähe des fürstlichen Schlosses (Ecke Kirchstraße/Schlossstrasse, das Gebäude ist nicht mehr erhalten). Dort entstanden kunstfertige Rokoko-Möbel für die Häuser Schönborn, Walderdorff und Wied in technischer Vollendung. Kostbare Ausstattung, meisterhafte Verarbeitung und raffinierte Mechanismen machten die Möbelstücke aus Neuwied bald zu begehrten und teuer bezahlten Luxuswaren der Königs- und Fürstenhäuser ganz Europas.

In dieser Zeit, vermutlich ab 1760, kam es zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Uhrmacher Christian Kinzing aus Neuwied, die sein Sohn David mit dessen berühmtem Sohn Peter Kinzing höchst erfolgreich fortsetzen sollte.

1763/64 baute Abraham Roentgen eine neues, repräsentatives Wohnhaus mit Werkstatt in der Pfarrstraße. Am 18. April 1764 erwarb er das Bürgerrecht der Stadt Neuwied, unter der Bedingung, nicht dem Zunftzwang zu unterliegen, sondern seine Arbeit eigenständig weiterführen zu können.1766 kam es wegen der Verwendung eines Kredites zu Spannungen mit der Herrnhuter Brüdergemeine. Das Zerwürfnis zwischen Roentgen und der Brüdergemeine vertiefte sich in den Folgejahren. Ursache dafür war ein gewisser weltmännischer Lebensstil, den sich die Familie Roentgen durch den Umgang mit ihren prominenten Kunden zugelegt hatte, und der der introvertierten Religionsgemeinschaft suspekt war.

Daher zog sich Abraham Roentgen 1769 von der Leitung der Firma zurück, um nicht aus der Gemeine ausgeschlossen zu werden. De facto hatte er allerdings immer noch die kaufmännische Leitung des Betriebes inne.

1771 starb seine Frau. Hinzu kamen wirtschaftliche Schwierigkeiten, da der Verkauf von Roentgen-Möbeln stockte. Die Gründe waren der Stilwandel von Rokoko zum Klassizismus, aber auch Kriege und eine wirtschaftliche Rezession. Roentgen entschloss sich daher, einen Teil der Lagerbestände durch eine Lotterie in Hamburg zu veräußern. Die Lotterie war ein großer Erfolg und verschaffte ihm einen vorläufigen finanziellen Spielraum. Allerdings führte die unkonventionelle Maßnahme mit einer hohen Öffentlichkeitswirkung zum endgültigen Bruch mit den Herrnhutern. Abrahem Roentgen übergab daher 1772 die Werkstatt unwiderruflich an seinen Sohn David und siedelte 1784 nach Herrnhut über, wo er am 1. März 1793 verstarb.

Auf den Spuren von Roentgen

  • Herrnhut, Landkreis Löbau: Vogtshof, Kirchsaal und Archiv der Herrnhuter Brüdergemeine
  • Neuwied, Pfarrstraße: Wohnhaus mit Werkstatt der Familie Roentgen, Privatbesitz, nur von außen zu besichtigen
  • Neuwied, Kreismuseum, Raiffeisenplatz 1a: umfangreiche Sammlung von Möbeln aus der Roentgen-Werkstatt

Roentgen-Sammlung im Kreismuseum Neuwied [1]