Euregio (deutsch-niederländischer Kommunalverband)
Die Euregio ist ein deutsch-niederländischer Kommunalverband, dem 130 Städte, Gemeinden und Kreise aus dem Münsterland, dem südwestlichen Niedersachsen und den östlichen Niederlanden angehören. Sie wurde 1958 als erste Europaregion gegründet und fördert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Unternehmen und Organisationen. In der EUREGIO wohnen circa 3,4 Millionen Menschen auf einer Fläche von 13.000 km². Etwa zwei Drittel der Einwohner und des Gebiets befinden sich in Deutschland und ein Drittel in den Niederlanden. Der Sitz der Geschäftsstelle ist in Gronau.

Geschichte
1958 begannen Städte, Gemeinden und Provinzen, sich für die organisierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden im Euregio-Gebiet einzusetzen. Die Euregio bestand zunächst aus verschiedenen Interessensgemeinschaften. Auf deutscher Seite gründeten 1954 Vertreter lokaler Behörden und Unternehmen die Interessengemeinschaft Rhein-Ems (später Kommunalgemeinschaft Weser-Ems). In den Niederlanden entstand 1960 die „Belanggemeenschap Twente-Gelderland“ (heute Regio Twente). Ein Jahr später, 1961, wurde der „Samenwerkingsverband Oost-Gelderland“ (heute Regio Achterhoek) errichtet. Die drei Organisationen arbeiteten zu Beginn informell zusammen, um unter anderem die lokale Ökonomie und Infrastruktur zu stärken und Grenzpendlerprobleme zu lösen. Seit Mitte der 60er Jahre kamen Abgeordnete der Instanzen regelmäßig in der Euregio-Arbeitsgruppe zusammen. Gemeinsam arbeiteten sie an einem Übergang von projektbasierten Kontakten zu einer programmatischen Zusammenarbeit.
1971 gewann der sozial-kulturelle Austausch innerhalb der Euregio an Bedeutung. Ein Arbeitskreis, später benannt nach seinem ersten Vorsitzenden Alfred Mozer, regte Begegnungen zwischen Deutschen und Niederländern im Grenzgebiet an. Mit dem Euregio-Rat wurde 1978 die Zusammenarbeit institutionalisiert. Prinz Claus hatte die Gründung 1974 angeregt. Anlässlich einer Sitzung der Stichting Streekbelangen Oost-Gelderland sagte er:
„Versuchen Sie einen Euregio-Rat zu bilden, der die Interessen dieser grenzüberschreitenden Region, aber auch die Bereitschaft zu gemeinsamen Anstrengungen im eigenen Kreis in Worte zu fassen weiß.[1]“
Der Rat war das erste regionale grenzüberschreitende Parlament in Europa und fortan das höchste Organ der Euregio.
1985 wurden die beiderseits der Grenze bestehenden Sekretariate zusammengelegt. Königin Beatrix und Prinz Claus eröffneten die gemeinsame Geschäftsstelle am Grenzübergang Gronau/Glanerbrug. Zwei Jahre später, 1987, wurde das erste grenzüberschreitende Aktionsprogramm vorgestellt. Es enthielt Strategien für die folgenden 20 Jahre im ökonomischen, technologischen, infrastrukturellen und soziokulturellen Bereich. Neben nationalen Finanziers war auch die Europäische Gemeinschaft an der Finanzierung beteiligt. Es wurden Arbeitskreise für die Themen Wirtschaft, Technologie, Soziales, Schule und Bildung, Tourismus, Kultur, Landwirtschaft, Umwelt, Verkehr und Alltägliche Grenzprobleme/Rettungswesen eingerichtet, um die Strategie umzusetzen.
Als die Europäische Union Anfang der 90er Jahre die Gemeinschaftsinitiative INTERREG startete, wurde das Programm der Euregio als eines der ersten genehmigt. Mit Geldern aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und von nationalen und regionalen Geldgebern fördert sie seitdem grenzüberschreitende Projekte in verschiedenen Bereichen. Seit 2007 wird das aktuelle INTERREG IV A-Programm umgesetzt.
Aufgaben und Arbeitsfelder
Hauptaufgaben:
- Förderung und Verbesserung von Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet
- wirtschaftliche Entwicklung im Grenzgebiet
- kommunale Zusammenarbeit
- gegenseitiges Verständnis über die Grenzen hinweg
- grenzüberschreitende Mobilität
Die Euregio verfolgt das Ziel, Hindernisse abzubauen, die durch die Grenze entstehen, so dass ein gemeinsamer Versorgungsraum entsteht. Im wirtschaftlichen Bereich möchte sie die Wettbewerbsfähigkeit der Region stärken. Sie unterstützt kleine und mittlere Unternehmen und regt Kooperationen mit Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen im Nachbarland an. So können die Betriebe neue Märkte erschließen und ihre Marktposition verbessern. Projekte werden beispielsweise auf dem Gebiet der Mechatronik, der Telemedizin, der Chiptechnik und des Maschinen- und Anlagebaus durchgeführt.
Um die Region besser zu erschließen, setzt sich die Euregio für einen Ausbau der Infrastruktur ein. Im Bereich des Straßenbaus wurde die Ost-West-Autobahn A 30 fertiggestellt und über die A 31 eine direkte Anbindung an das Ruhrgebiet geschaffen. Im Schienenverkehr wurde die stillgelegte Strecke zwischen Gronau und Enschede wieder aktiviert und eine Verbindung zwischen Oldenzaal und Bad Bentheim errichtet. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Euregio-Gebiet ist der Tourismus, denn neben den größeren Städten wie Münster, Osnabrück, Enschede und Hengelo zieht auch der ländliche Raum viele Besucher an. Gemeinsame Vermarktungsstrategien und die strukturelle Zusammenarbeit der touristischen Regionalverbände mit kleinen und mittleren Unternehmen sollen den grenzüberschreitenden Tourismus fördern.
Auf sozial-kultureller Ebene fördert die Euregio Kontakte zwischen deutschen und niederländischen Bürgern, um ihnen die Kultur und Lebensart des Nachbarlandes näherzubringen. Beispielsweise regt sie den Austausch zwischen Gemeinden an und organisiert Veranstaltungen für Schulen und Vereine. Um den sozial-kulturellen Austausch kümmert sich die Euregio-Mozer-Kommission, die von den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sowie den Provinzen Overijssel und Gelderland finanziell unterstützt wird. Die Bürgerberatungsstelle bietet individuelle Gespräche und Informationsveranstaltungen zu Grenzpendlerfragen.
Zudem versteht sich die Euregio als Plattform für kommunale Zusammenarbeit. Sie regt den Austausch zwischen Städten und Gemeinden in Bereichen wie dem Gesundheitswesen und dem demografischen Wandel an, so dass vom Nachbarn gelernt werden kann und die Systeme aufeinander abgestimmt werden. Als Sprachrohr ihrer Mitglieder vertritt die Euregio die Interessen des Grenzgebiets auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene.
Organisation
Die Euregio ist als eingetragener Verein (e. V.) nach deutschem Recht aufgebaut. Alle 130 Mitgliedsgemeinden sind in der Mitgliederversammlung vertreten. Sie besteht aus 194 stimmberechtigten Mitgliedern und entscheidet unter anderem über Satzungsänderungen, die Aufnahme von neuen Mitgliedern und die Mitgliedsbeiträge.
Die Euregio funktioniert nach dem Bottom-up-Prinzip. Das bedeutet, dass im ersten Schritt Experten eine Projektidee in den Arbeitskreisen (Tourismus, Gesundheitswesen, Wirtschaft etc.) diskutieren und beurteilen. Sie erarbeiten Beschlussempfehlungen für den Euregio-Vorstand.
Der Vorstand besteht aus 12 stimmberechtigten Mitgliedern, zehn vom Euregio-Rat gewählten Mitgliedern, dem Präsidenten des Euregio-Rats und dem Euregio-Geschäftsführer. Auf Grundlage der Empfehlungen der Arbeitskreise bereitet der Euregio-Vorstand die Beschlüsse des Rates vor. Zudem ist er dafür verantwortlich, die Beschlüsse der Mitgliederversammlung umzusetzen.
Der Euregio-Rat setzt sich aus 41 deutschen und 41 niederländischen stimmberechtigten Mitgliedern zusammen. Vorsitzender des Euregio-Rates ist seit 2010 Günter Alsmeier (CDU), Mitglied des Stadtrats von Bad Bentheim. Besonderheit dieses höchsten Organs der Euregio ist, dass die Abgeordneten grenzüberschreitende Fraktionen bilden. Als Beratungs- und Koordinierungsorgan diskutiert der Rat grundlegende Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und legt die Leitlinien fest. Zudem gehört es zu seinen Aufgaben, den Haushalt zu verabschieden und über Kleinprojekte im Rahmen des INTERREG-Programms mit einem Budget bis zu 50.000 Euro zu entscheiden. Für regionale INTERREG-Projekte mit einem Budget ab 50.000 Euro erarbeitet er Beschlussempfehlungen für den INTERREG-Lenkungsausschuss.
Im Lenkungsausschuss entscheiden Vertreter der Wirtschaftsministerien, der Bezirksregierungen, der Provinzen und der Euregio über die Bewilligung von Projektanfragen. In der Geschäftsstelle in Gronau sind rund 45 deutsche und niederländische Mitarbeiter damit beschäftigt, die Aufgaben der Euregio auszuführen. Die Leitung der Geschäftsstelle liegt bei Elisabeth Schwenzow und ihrem Stellvertreter Jan Oostenbrink.
Die Euregio ist Mitglied bei der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen.
Mitglieder
130 Gemeinden, (Land-)Kreise und kreisfreie Städte sind Mitglied der Euregio. Sie befinden sich in folgendem geografischen Raum:
Deutschland
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Niederlande
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Ausgewählte aktuelle Projekte
Im Rahmen des INTERREG IV A-Programms werden in der Euregio Projekte in den drei Bereichen Wirtschaft, Technologie, Innovation nachhaltige regionale Entwicklung und Integration und Gesellschaft gefördert. Dies sind einige Projektbeispiele:
- Das Projekt Mechatronik für KMU fördert kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im deutsch-niederländischen Grenzgebiet bei der Entwicklung von neuen Produkten oder der Optimierung von Produktionsprozessen. Die Förderung kann bis zu 80.000 Euro betragen.
- Das Netzwerk GMA hilft kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagebau, ihre Marktposition zu stärken. Sie erhalten Unterstützung bei Marketing, Weiterbildung sowie Technik und Prozessinnovation.
- Bei der Bürgerberatung erhalten die Einwohner im EUREGIO-Gebiet Informationen zum Arbeiten, Studieren und Wohnen im Nachbarland. Neben individuellen Beratungen finden in Zusammenarbeit mit Finanzämtern und Rentenversicherungsträgern auch Steuer- und Pensionssprechstunden statt. Sprechstunden erfolgen regelmäßig in der Geschäftsstelle in Gronau und verschiedenen Orten in der Euregio.
- GrensWerte ist ein Kunst- und Kulturprojekt. Von 2012 bis 2014 werden unter wechselnden Jahresthemen verschiedene Kunstprojekte durchgeführt, um die regionale Kultur zu fördern und den Einwohnern sichtbar zu machen. So entstehen Netzwerkstrukturen zwischen Kultureinrichtungen und Künstlern.
Literatur
- V. Müller: 25 Jahre EUREGIO-Rat. Rückblick auf die Arbeit eines politischen Gremiums im "kleinen Europa". Gronau/Enschede 2003.
- M. Kohle: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Gebiet EUREGIO. In: Neues Archiv für Niedersachsen. Heft 1/2000, Hannover, S. 79–101.
- K. Goinga: EUREGIO: Das alltägliche Europa in der Praxis. EUREGIO: Het Europa in de praktijk van alledag. Gronau/Enschede 1995.
- J. Gabbe: EUREGIO – Begriff und Auftrag, Organisation und Leistung. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hrsg.). Westmünsterland - Ostniederlande. Entwicklung und Stellung eines Grenzraumes. Vorträge auf der Jahrestag der Geografischen Kommission für Westfalen 1983. Spieker (30), Münster 1984, S. 49–64.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Müller, V. (2003): 25 Jahre EUREGIO-Rat. Rückblick auf die Arbeit eines politischen Gremiums im "kleinen Europa". Gronau/Enschede, S. 11.