Troja, auch Troia (griechisch: Τροίη / Troíē; türkisch Truva) ist eine historische Stadt des Altertums in der Landschaft Troas im Nordwesten der Türkei am Hellespont.

An der Meerenge der Dardanellen gelegen, kontrollierte die bronzezeitliche Stadt den Zugang zum Schwarzen Meer. Die Schiffe konnten damals noch nicht gegen den Wind kreuzen, also warteten sie im Hafen der Festung auf günstige Winde. Ihr Wegezoll brachte der Stadt Reichtum. Es ist nicht erwiesen, gilt aber als wahrscheinlich, dass das bei Homer auch Ilion oder Ilios genannte Troia mit der hier beschriebenen Stadt identisch ist.
Die ersten Troja-Forscher und Schliemann
1820 verfasste der schottische Zeitungsverleger und Amateurgeologe Charles Maclaren einen Essay über Troia, den er 1824 zu einer voluminösen Dissertation erweiterte, in der er den Hügel Hisarlık als Troia lokalisierte. Ein Teil dieses Hügels war damals im Besitz der englischen Großgrundbesitzer- und Diplomatenfamilie Calvert. Als Maclaren 1863 eine noch fundiertere Beschreibung der Ebene von Troia publizierte, versuchte der jüngste Sohn der Familie, Frank Calvert, den restlichen Hügel zu erwerben. Dieses Vorhaben misslang, doch dafür machte er selbst kleinere Probegrabungen von 1863-65. Diese beeindruckten ihn so sehr, dass auch er von der Existenz Troias an dieser Stelle überzeugt war. Seine Bitte an das British Museum zwecks baldiger Erforschung wurde abschlägig beschieden.

Am 9. August 1868 kam der deutsche Großkaufmann und Hobby-Archäologe Heinrich Schliemann in die Ebene der Troas. Auch er war hier auf der Suche nach dem sagenhaften Troia und vermutete es zuerst unter dem Hügel Balli Dağ aufgrund einer These von Jean Baptiste LeChevalier (1791). Schliemann und seine fünf Arbeiter wurden nicht fündig, er wollte abreisen, verpasste sein Schiff und traf dabei zufällig auf Frank Calvert, in dessen Haus er übernachtete. Calvert konnte nun Schliemann mit seiner Überzeugung begeistern, dass sich unter dem Hügel von Hisarlık die Ruinen des homerischen Troias verbergen müssen. Entgegen der Selbstdarstellung in seiner Biographie verdankte also Schliemann die Kenntnis des Ortes nicht seiner Lektüre von Georg Ludwig Jerrers Weltgeschichte für Kinder im Alter von acht Jahren sowie seiner genialen Intuition, sondern nur dem Konsul Calvert entsprechend den Recherchen von Zangger (1994, 83ff.).
Schliemanns spektakulärster Fund war nun der sog. Schatz des Priamos (Schliemanns eigene Bezeichnung). Er begründete in mehrfacher Hinsicht Neues: Schliemanns Ruhm als Wissenschaftler, die Begeisterung des wilhelminischen Kaiserhauses für Troia und für die Archäologie im Allgemeinen, die nun im öffentlichen Ansehen von einer Disziplin für Amateure und Reisende zu einer ernsthaften Wissenschaftsdisziplin befördert wurde. Der Goldschatz wurde lange Zeit im Antikenmuseum in Berlin aufbewahrt und nach dem Zweiten Weltkrieg als Beutekunst in die UdSSR gebracht. Allerdings ergaben sich bereits zu Schliemanns Lebzeiten erste Hinweise darauf, dass der Schatz mehr als 1.000 Jahre älter war als von Schliemann angenommen.
Dörpfeld und Blegen
Wie weitere Ausgrabungen ergaben, war Troja von der Frühen Bronzezeit (ca. 3000 v. Chr.) bis in die Spätantike besiedelt. Mit dem Christentum ließ die Bedeutung der Stadt, in der die troianischen Sagenhelden verehrt worden waren, dann deutlich nach.
Bis heute wurden mehr als 10 Siedlungsschichten entdeckt (Troia I - Troia X). Dabei gehören - vereinfacht ausgedrückt - Troia I und II der frühen, Troia III-V der mittleren, Troia VI-VIIa der späten Bronzezeit und Troia VIIb1 - b3 der frühen Eisenzeit an. Troia VIII und IX datieren in die Zeit vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis in die römische Zeit, Troia X, ein byzantinischer Bischofssitz, reicht bis ins Mittelalter. Unlängst sind Spuren noch früherer Besiedlung gefunden worden, die bis ins 5. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen.
Ob auch der trojanische Krieg einen historischen Kern hat, ist weiterhin höchst umstritten. Die Lage der Stadt Troia wird in der Dichtung Ilias von Homer klar beschrieben: es werden die Dardanellen (im Werk: Hellespont) genannt, der höchste Berg ist der Kazdagi (Ida Berg), es werden zudem 2 Flüsse beschrieben namens Skamander (heute Karamanderes) welcher dem Ida Berg entspringt und Simois welche sich bei Troia vereinen und in den Hellespont fließen. Es wird auch von den Inseln Tenedos (Bozcaada) und Imroz (Gökceada) berichtet. Die heute archäologisch erschlossenen Flächen umfassen nur die Festung von Troia, mit Sicherheit befand sich ein großer Teil der Stadt außerhalb der befestigten Anlagen. Schliemann hielt das imposante frühbronzezeitliche Troia II für das homerische. Er glaubte damals irrtümlich, dass es zeitgleich mit Mykene und Tiryns war. Dörpfeld hielt die 6. Siedlungsschicht (Troia VI) für das Homerische Troia. Schicht VIh ist um 1300 v. Chr. aber wahrscheinlich durch ein starkes Erdbeben zerstört worden. Daher hielt Carl Blegen die darauf folgende Schicht, Troia VIIa für das homerische Troia. Diese These fand und findet den meisten Zuspruch. Nach neueren Keramikuntersuchungen wird das wahrscheinlich gewaltsame Ende von Troia VIIa auf ca. 1200 v. Chr. datiert. Das passt gut zu den meisten Datierungen des Trojanischen Krieges durch antike Autoren. Als "Kandidat" für das Ilion Homers kommt aber auch noch Troia VIIb1 in Betracht. Neben Festhalten der Traditionen von Troia VI und VIIa treten hier neue Elemente zu Tage, z.B. sog. Handmade Ware (grobe, einfach verzierte graue handgemachte Keramik), die auf teilweise geänderte Bevölkerung schließen lassen. Das passt besser zu den Angaben Homers. Auch die machtpolitischen Verhältnisse in Kleinasien, wie sie Homer schildert, passen gut in diese Zeit. Die mykenische Kultur hat im 12. und 11. Jh. weiterbestanden. Auch Handel und Seefahrt wurden weiterbetrieben. Ein Krieg von Griechen gegen Troia im 12. Jh. wäre also denkbar. Dagegen hätte ein Zug gegen Troia im 14. oder 13. Jh. unweigerlich die Hethiter auf den Plan gerufen und sicherlich einen Niederschlag in den hethitischen Schriftquellen gefunden.
Hethiter-These von Latacz
Dennoch bleibt in diesem Punkt vieles ungeklärt. Die äußerst komplizierte Frage, inwieweit Homer tatsächlich als Quelle für die späte Bronzezeit dienen kann, und ob es überhaupt einen troianischen Krieg gegeben hat, kann hier nicht angemessen behandelt werden. Die Thesen des Altphilologen Joachim Latacz stützen sich auf neue Grabungsergebnisse und werden in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Troja war vielleicht mit einer in hethitischen Quellen genannten Stadt Wilusa (= (W)Ilios) identisch, aber archäologische Beweise für die Authentizität der von Homer geschilderten Ereignisse fehlen. Ein 1995 entdecktes Bronzesiegel mit luwischen Inschriften belegt die Nähe Troias zum hethitisch-luwischen Kulturkreis. Andererseits ist die Belegbasis eines einzigen Siegels zu gering für weitreichende Schlussfolgerungen. Es blieb bislang der einzige derartige Fund, der zudem noch der Schicht VII b (= 12. Jh. v. Chr.) zugeordnet wurde.
Innerhalb der Klassischen Philologie ist Latacz bislang der Einzige, der die Historizität der homerischen Epen und zugleich die Verbindung mit dem Korfmannschen Troia in Erwägung zieht. Weder in der hethitischen noch in der griechisch-römischen schriftlichen Überlieferung finden sich eindeutige Belege für die Identität Hisarlıks mit dem homerischen Troia, dasselbe gilt für die Verbindung mit Wilusa (auch das sprachwissenschaftliche Argument Wilusa = Ilion ist nicht allgemein anerkannt).
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Trojanisches Pferd, Requisite des Films Troja, Çanakkale, Turkei
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Trojanisches Pferd, Çanakkale, Turkei
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Trojanisches Pferd, Nachbau bei der Troja-Ausstellung im Mai 2001 in Stuttgart
Korfmann und die Entdeckung der Unterstadt 1994
Bis vor kurzem beschränkten sich die Ausgrabungen auf die Burg (Akropolis) von Troia Oberstadt. Der Münchner Archäologe und Geophysiker Helmut Bäcker entdeckte durch geomagnetische Messungen eine ausgedehnte Unterstadt unterhalb der Akropolis. Seither wird bei den aktuellen Grabungen von Manfred Korfmanns Team (jetzt: Dr. Peter Jablonka) auch verstärkt die Unterstadt erforscht. Die reale Ausdehnung Troias rückte dadurch in das Zentrum der laufenden Diskussion. Korfmanns Thesen über die Bedeutung Troias stießen in der Forschung auf zunehmenden Widerstand und führten ab 2001 zu einer breiten, oftmals ins Persönliche gehenden Diskussion innerhalb der deutschen Altertumswissenschaften.
Im Kern kreist dieser "neue Streit um Troia" um die tatsächliche Größe und Bedeutung des bronzezeitlichen Troia. Während Korfmann in Troia ein überregionales Handelszentrum sah, beschränken es einige Archäologen und Althistoriker auf eine nur mittelmäßig bedeutende Siedlung. Der Protagonist dieser Gruppe ist Korfmanns damaliger Tübinger Kollege Frank Kolb, der selbst über jahrelange Grabungserfahrung in der Türkei verfügt. Der Hauptvorwurf an Korfmann und seinen akademischen Mitstreitern besteht in einer Vernachlässigung der wissenschaftlichen Sorgfalt und Vorsicht im Namen möglichst spektakulärer, öffentlichkeitswirksamer Ergebnisse. Seit dem Beginn des Troia-Streites musste Korfmann zahlreiche der seine Theorie stützenden Grabungsinterpretationen zurückziehen und kam den Argumenten der Gegenseite ein Stück weit entgegen. An der Gesamtinterpretation der Grabungen hält das Team um Korfmann und seinen designierten Nachfolger Jablonka allerdings fest. Eine eindeutige Entscheidung konnte die Auseinandersetzung nicht erbringen. Im Laufe des "neuen Kampfes um Troia" wurde schließlich auf beiden Seiten nicht mit persönlicher Kritik und unsachlichen Bemerkungen gespart, was der fachlichen Auseinandersetzung und ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit eher geschadet haben dürfte.
Die Korfmann-Position prägt heute das Troia-Bild der interessierten Öffentlichkeit. Der öffentliche Streit hat sich bereits seit Sommer 2004 etwas beruhigt, nachdem die Debatte mehr und mehr auf persönlicher Ebene ausgetragen wurde. Nach dem Tod Manfred Korfmanns im August 2005 steht die Troia-Kampagne nun vor einer ungewissen Zukunft. Es ist zu erwarten, dass das Tübinger Team sich um eine längerfristige Fortsetzung der Forschungen bemühen wird. Das negative Beispiel des Tübinger Symposiums könnte schließlich doch noch zu einer Versachlichung der Forschungsdiskussion führen.
Troja = Atlantis?

Der Geoarchäologe Eberhard Zangger entwickelte daneben in seinem 1992 erschienenen Buch „Atlantis - Eine Legende wird entziffert“ die Hypothese, Platons Atlantis weise archäologisch nachweisbare Merkmale des historischen Troja auf und sei das durch die Griechen vernichtete Troja gewesen. Anhand geoarchäologischer Befunde versucht er am Beispiel Mykenes zu zeigen, dass der in der Ilias und der Odyssee überlieferte trojanische Krieg und die bei Platon beschriebenen Naturkatastrophen den Untergang des heroischen Zeitalters um 1200 vor Christus eingeleitet haben könnten.
Allerdings ruhen Zangers Thesen nur auf ausgesprochen unsicheren Fundmenten, und seine Arguntation verlässt sich an entscheidenden Punkten letztlich zu sehr auf Spekulationen. So kann eine Identität von Troja und Atlantis archäologisch weder widerlegt noch bewiesen werden. Dieser Ungewissheit sollte ein Projekt zur geoarchäologischen Erkundung der Ebene von Trojas mit hubschraubergestützten geomagnetischen Messungen von Zanger in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) abhelfen. Das Projekt wurde den türkischen Behörden schon 1998 vorgelegt [1]. Nur eine Woche nach Bekanntmachung dieses ambitionierten Vorhabens durch den Spiegel (29.12.1998) [2] empörte sich eine Mitstreiterin Korfmanns im Schwäbischen Tagblat (9.1.1999) über diese "Anmaßung" und bezweifelte, dass es Zangger gelingen werde, eine amtliche Erlaubnis zu erhalten [3].
Gegner von Zanggers Idee einer Identität von Troja und Atlantis insistieren auf dem zentralen Problem aller Atlantisspekulation: die Existenz einer Stadt, eines Landes "Atlantis" ist nur durch eine einzige Quelle belegt. Platon beschreibt Atlantis in den Dialogen "Kritias", "Timaios" und vermutlich auch in seinem Spätwerk "Nomoi" (Die Gesetze). Die Nennung des Namens "Atlantis" sei kein Widerspruch zur Annahme, dass Atlantis nur ein utopisches Konstrukt Platons sei. Skeptiker der Atlantis-Theorien plädieren daher, den Ort radikal außerhalb der "Säulen des Herakles" (Gibraltar) zu lokalisieren, d.h. außerhalb der diesseitigen Welt. Unterstützung erhalten sie dabei von Aristoteles, der ebenfalls Atlantis als utopisches Konstrukt Platons interpretiert. Die Suche nach Atlantis könne daher nicht realer sein als Sokrates' "Wolkenkuckucksheim".
Literatur
Literatur um Troja im engeren Sinne
- Latacz, Joachim (2005): Troia und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels. München: Koehler & Amelang. 384 S., 30 s/w. Abb., 2 farb. Karten ISBN 3-7338-0332-9
- Homer (2004): Ilias. Ditzingen: Reclam. ISBN 3-15-018299-9
- Brandau, Birgit; Schickert, Hartmut; Jablonka, Peter (2004): Troia. Wie es wirklich aussah. München: Piper. 176 Seiten, 113 farbige Abbildungen ISBN 3-492-04610-X
- Ulf, Christoph (2003): Der neue Streit um Troia. Eine Bilanz. München: Beck. 318 S., 17 Abb., 8 Karten ISBN 3-406-50998-3
- Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (2001): Troia. Traum und Wirklichkeit. Stuttgart: Theiss, 496 Seiten, 500 meist farb. Abb. ISBN 3-8062-1543-X
- Hertel, Dieter (2001): Troia. Archäologie, Geschichte, Mythos. München: Beck. 128 S., 4 Karten, 16 Abb. ISBN 3-406-44766-X
- Korfmann, Manfred und Mannsperger, Dietrich (1998): Troia. Ein historischer Überblick und Rundgang. Stuttgart: Theiss, 80 S., 100 m. farb. Abb. ISBN 3-8062-1369-0
- Brandau, Birgit (1997): Troia. Eine Stadt und ihr Mythos. Bergisch Gladbach: Lübbe ISBN 3-404-64165-5
- Zangger, Eberhard (1994): Ein neuer Kampf um Troia. Archäologie in der Krise. München: Knaur, 352 S., Ill., Karten
- LeChevalier, Jean Baptiste (1800): Reise nach Troas oder Gemählde der Ebene von Troja in ihrem gegenwärtigen Zustande. [Voyage de la Troade, 1791]. Bearb. von Carl Gotthold Lenz. Altenburg und Erfurt: Rinck und Schnuphase. 271 S., Ill.
Literatur um Troja im weiteren Sinne
- Christa Wolf: Kassandra
- Marion Zimmer Bradley: Die Feuer von Troja
- Euripides: Die Troerinnen
- Jean Giraudoux: La guerre de Troie n'aura pas lieu
- Gisbert Haefs: Troja
- Sarah B. Franklin: Eine Tochter Trojas
- Leif Allendorf: Sieger
Siehe auch
Weblinks
- Projekt Troia - website des Tübinger Grabungsteams, bis 2004 unter Leitung von Prof. Korfmann
- www.troia.de - prämierte website der Troia-Ausstellung von 2001/2002
- Unesco-Weltkulturerbe, SWR, »Schätze der Welt« mit Real-Video (15 Min.)
- Antiken-Portal "Perseus" über Troia (engl.)
- Satellitenbild von der NASA
Artikel
- „Ist Troja gleich Atlantis? Viele Parallelen erkennbar“, ZDF, 28. September 2003
- Troia-Portal des Schwäbischen Tagblatt, 15. Februar 2002; Dokumentation des Streitgesprächs zwischen Kolb und Korfmann in Tübingen
- Interview mit Zangger anlässlich der Tübinger Troia-Konferenz, Schwäbisches Tagblatt, 18. Februar 2002
- „Das Drama von Troja“, National Geographic, Nr. 12, 1999 (mit Videos über die Anlage)
- „Troja - Mykener gegen Hethiter?“ auf ancient-cultures.com (dt.)
Aufsätze
- Skript über "Troy VII" und die "Historizität" des Trojanischen Krieges, Dartmouth College, March 18, 2000 (engl.)