Die Mafia ist nur im engeren Sinne eine besondere Form einer Bande, im weiteren Sinne ist sie aber eher als spezifischer Ausdruck einer parochialen politischen Kultur zu begreifen, die im Westen Siziliens aufgrund eines jahrhundertelang vorherrschenden Machtvakuums entstand. Ursprünglich galt sie als ein Geheimbund und Klan von sizilianischen Großpächtern (gabelloti) und ihren Feldhütern (bravi), die traditionell für die Verwaltung und Kontrolle der von adeligen Großgrundbesitzern (latifondisti) gehaltenen Güter eingesetzt wurden. Die sizilianische Mafia ist innerhalb ihrer Familien hierarchisch organisiert. Ihr traditioneller Ehrenkodex beruht auf der Omertà, der Schweigepflicht bzw. auf der Vendetta, der Blutrache. Im übertragenen Sinne wird der Begriff "Mafia" oft verallgemeinernd für Organisierte Kriminalität verwendet.
Etymologie
Die eigentliche Herkunft des Wortes ist unsicher. Einige Varianten vermuten eine arabische Herkunft, wie etwa mahyah (Prahlerei), oder auch "mûafâ" ( "mû" = "Mut" und "afât" = "beschützen"). Nach einer anderen Variante leitet sich das Wort von "Ma afir" ab, einem sarazenischen Geschlecht, das von 831 bis 1072 in Palermo regierte. Andere Historiker sehen den Ursprung in den Anfangsbuchstaben des Schlachtrufes „Morte Alla Francia, Italia Anela“ („Den Tod Frankreichs ersehnt sich Italien“) mit dem sich Kämpfer in Palermo auf ihre Besatzer stürzten. Eine andere Umschreibung lautet "Morte Ai Francesi, Invasori, Assasini" ("Tod den Franzosen, Eindringlingen, Mördern"). Zufriedenstellend geklärt werden konnte die Herkunft des Begriffes bis heute nicht. Im Jahre 1868 taucht das Wort Mafia aber erstmals in einem sizilianisch-italienischen Wörterbuch auf und wird dort als Synonym für Camorra benannt.
Entwicklungsgeschichte
Die Öffentlichkeit verwendet das Wort Mafia oft "nur" einfach für organisierte kriminelle Banden. Dabei ist die Mafia nicht nur eine Bande, sie ist ein wichtiger Machtfaktor und ein Bestandteil der sizilianischen Gesellschaft.
Sizilien (oder der südliche Teil Italiens) ist prädestiniert für diese besondere Art der kriminellen Vereinigung. Grund dafür ist das Patronat, das schon zu Beginn der Römerzeit in Italien vorherrschte. Der Patron in Form eines Landbesitzers oder führenden Mannes im Dorf sorgte für den Rechtsbeistand und einen, wenn auch nur geringen Schutz der Dorfbewohner. Im Gegenzug mussten diese für ihren Patron Frondienste erfüllen und ihn im Wahlkampf bzw bei Volksabstimmungen unterstützen. Anleihen an jene antike Form des Klientelwesens zeigen sich in der Namensverwandschaft der Worte "patronus" im Lateinischen und "padrino" im Italienischen.
Sizilien wurde früher fast ausschließlich von Leuten regiert, die gar nicht auf der Insel lebten, u.a. da sie im Zuge der Industrialisierung diese verließen. In Sizilien gab es die sogenannten "gabelloti", die Großpächter waren, und später das Land mehr oder weniger erzwungen von den Großgrundbesitzern, die außerhalb Siziliens lebten, abkauften. Die typischen "Mafiosi" entstanden in den Truppen dieser Gabelloti. Sie waren Aufseher (bravi) auf den Latifundien und sorgten dafür, dass die Gesetzlosigkeit und das Banditentum nicht überhand nahmen. Sie zwangen auch die Bauern zu den berüchtigten "pizzu" (Teile der Ernte als Schutzgelder abliefern). Um als Mafioso anerkannt zu werden bzw. bestehen bleiben zu können, musste man Führungsfähigkeiten besitzen, die sich durchaus auch in einer gewissen Brutalität ausdrücken konnte.
Ein Staatswesen im Hobbesschen Sinne gab es auf Sizilien über die Jahrhunderte hinweg nicht. Die Mafia profitierte von diesen Umständen und sicherte ihren Machteinfluss in der Bevölkerung, indem sie als Staat im Staate auftrat. Ihre Mittel der Herrschaft bestanden vor allem im Familiarismus und seiner extendierten Form, dem Klientelismus.
Einzig der Faschismus war in der Lage, bedingt durch eine rigide Verfolgungspolitik und systemimmanente Härte mit terroristischen Mitteln, die Mafia auf Sizilien zunächst in ihre Schranken zu verweisen und fast auszurotten.
Während des 2. Weltkriegs nahmen die Amerikaner enge Kontakte zum US-amerikanischen Zweig der Mafia auf (Lucky Luciano), der den Auftrag bekam, mit dem Fallschirm über Sizilien abzuspringen. Er und seine Leute hatten, aufgrund ihrer genauen Ortskenntnis, dort Sabotageakte zur Vorbereitung der Invasion der Amerikaner zu organisieren und durchzuführen. Seitdem gibt es auch wieder stärkere Mafiaaktivitäten auf Sizilien, weil die USA den Kriegs-Verbündeten gewähren ließen.
Heutige Bedeutung
Heute ist "Mafia" ein internationales Synonym für organisierte Kriminalität, für eine gewalttätige und verschworene Geheimgesellschaft, für kriminelle Klans, die sich in der Prostitution, dem Menschenhandel, dem Drogenhandel, der Erpressung, insbesondere der Schutzgelderpressung, dem illegalen Glücksspiel, der Subventionserschleichung bzw. Subventionsbetrug, aber auch in kriminell unterwanderten, legalen Wirtschaftssektoren, wie der Bauwirtschaft, der Wohnungswirtschaft, der Abfallentsorgung und der Gastronomie betätigen. Hauptmerkmal einer mafiösen Struktur ist die heimliche Zusammenarbeit zwischen staatlichen Funktionsträgern und privatwirtschaftlich organisierten Kriminellen.
Der 1. Zusammenschluss, der Hauptmotivator der Cosa Nostra war, nannten sich Beati Paoli, ein fingierter Mönchsorden, der von einer Kapelle in Palermo aus seine Aktivitäten steuerte. Als Symbol wurde ein von zwei Schwertern gekreutztes Kruzifix verwendet.
Bekannte Mafiosi
Bekannte Mafia-Gegner
Bekannte Mafia-Filme
Mafia im übertragenen Sinn
Folgende kriminelle Organisationen werden weithin unter dem Begriff mafia zusammengefasst, obwohl einzig die mafia auf Sizilien diesen Status regulär für sich beanspruchen könnte. Alle anderen Organisationen verfügen nicht über den sozialhistorischen Kontext und sind deshalb eher als Organisierte Kriminalität zu bezeichnen:
- USA: Cosa Nostra
- Apulien: Sacra corona unita
- Kalabrien: ’Ndrangheta
- Neapel: Camorra
- Japan: Yakuza
- China: Triaden
- Sizilien: Cosa Nostra
- Sizilien: Stidda
Außerdem wird der Begriff in zahlreichen weiteren Verbindungen benutzt, um organisierte Kriminalität zu bezeichnen („Russische Mafia“, „Vietnamesische Mafia“), wobei es nicht in allen Fällen tatsächlich eine einheitliche Organisationsstruktur geben muß.
Literatur
- Henner Hess: Mafia. Ursprung, Macht und Mythos. Herder, Freiburg 1993
- Ciro Krauthausen: Moderne Gewalten. Organisierte Kriminalität in Kolumbien und Italien., Campus-Verlag, 1997, ISBN 3-593-35768-2
- Salvatore Lupo: Die Geschichte der Mafia. Patmos-Verlag, 2002, ISBN 3-491-724-597
- Enzo Russo: Ursinis großer Coup. Rowohlt-Verlag, 1992, ISBN 3-498-05732-4
- Eric Hobsbawm: Sozialrebellen. focus-Verlag, 1979, ISBN 3-88349-202-7
- Werner Raith: Die ehrenwerte Firma. Wagenbach-Verlag, 1983, ISBN 3803120993
- Andreas Ulrich: Das Engelsgesicht DVA, 2005, ISBN 3-421-05899-7
- Raoul Muhm , Gian Carlo Caselli : Die Rolle des Staatsanwaltes - Erfahrungen in Europa ; Il ruolo del Pubblico Ministero - Esperienze in Europa ; Le role du Magistrat du Parquet - Expériences en Europe ; The role of the Public Prosecutor - Experiences in Europe ; Vecchiarelli Editore Manziana (Roma) 2005, ISBN: 88-8247-156 - X
Weblinks
- [1] - Deutschsprachige Seite mit den verschiedensten Informationen über die verschiedenen Organisationen der Organisierten Kriminalität in Italien, mit Schwerpunkt Camorra]
- Zur Entstehungsgeschichte der sizilianischen Mafia unter besonderer Berücksichtigung des Klientelismus-Phänomens
- bornpower.de Bericht über die Sizilianische Mafia
- V22: Mafia Artikel - enthält die Hierarchie einer Mafia Familie
- ZDF-Seite "Mythos Mafia"
- www.organized-crime.de - Rezensionen verschiedener Bücher zum Thema Mafia