Zugsicherungssysteme sind Einrichtungen zur Sicherung von Zugfahrten einer Bahn.
Anfänge - Fahren auf Sicht
Bei den allerersten Eisenbahnen verkehrte nur jeweils ein Zug auf einer eingleisigen Strecke. Als weitere Züge hinzukamen, wurde auf Sicht gefahren bzw. die Abfahrt eines Zuges von der Ankunft des Gegenzuges abhängig gemacht. Zweigleisige Strecken lösten das Problem sich entgegenkommender Züge.
Schlechte Sicht, Unaufmerksamkeit oder unzureichende Bremsen führten zu Unfällen, so oft, dass sich die Frage stellte, wie Zusammenstöße vermieden werden könnten.
Heute ist Fahren auf Sicht bei der Eisenbahn nur bei Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h erlaubt (EBO). Bei Straßenbahnen ist es dagegen die gängige Betriebsform, wobei hier bis 70 km/h gefahren werden darf (BO Strab). Bedingung dafür ist ein wesentlich besseres Bremsvermögen als bei Eisenbahnfahrzeugen.
Fahren im Zeitabstand
Die Aufstellung und Einhaltung eines Fahrplanes versprach einen wesentlich sichereren Betrieb. Bald jedoch stellte sich heraus, dass auch dieses Verfahren zu Unfällen führte, da jede größere Verspätung oder technische Störung die Gefahr eines Zusammenstoßes in sich barg.
Fahrt im festen Raumabstand
Deswegen und um höhere Geschwindigkeiten fahren zu können wurde das Fahren im festen Raumabstand eingeführt. Prinzip ist, dass sich in einem Streckenabschnitt nur ein Zug befinden darf (Blockabschnitt). Erst wenn dieser und ggf. eine dahinter liegende Schutzstrecke (Durchrutschweg) geräumt ist, darf der nächste Zug einfahren.
In früheren Jahren sowie heute noch bei älterer Stellwerkstechnik werden die Informationen über das Belegen und Befahren durch Augenschein aufgenommen und fernmündlich oder telegraphisch übertragen. Aus dieser Zeit stammen auch die Zugschlußsignale, an denen zu erkennen ist, dass alle Wagen den Abschnitt geräumt haben. Bei modernen Stellwerken übernehmen technische Mittel die Freimeldung der Gleise (Gleisstromkreise oder Achszähler).
Die Weitergabe der Information an Lokführer erfolgte mündlich, später auch durch ortsfeste Signale oder durch Führerstandssignalisierung (LZB, ETCS Level 2). Anlagen ganz ohne technische Sicherung sind heute nur auf Nebenbahnen oder als Rückfallebene bei Technikstörungen zulässig (Zugmeldeverfahren, Zugleitbetrieb).
Die Kapazität der Bahnanlage ist um so höher, desto kürzer die Blockabschnitte sind. So ist vor allem auf Hauptbahnen die freie Strecke oftmals in mehrere Blockabschnitte unterteilt.
Fahren im beweglichen Raumabstand
auch Fahren auf elektronische Sicht oder Moving Block
Die Kapazität einer Strecke kann maximiert und die technische Ausrüstung minimiert werden, wenn auf ortsfeste Blöcke und deren Gleisfreimeldeanlagen verzichtet wird.
Die Züge ermitteln dann den Standort ihres Zugschlusses selber und senden ihn quasi-kontinuierlich an den folgenden Zug. Dieser berechnet unter Berücksichtigung seines Bremsweges den Punkt, ab dem die Geschwindigkeit herabgesetzt werden muss. Wird dabei der Bremsweg des vorher fahrenden Zuges mit berücksichtigt, so wird das Fahren im relativen Bremswegabstand genannt, sonst Fahren im absoluten Bremswegabstand.
Eine europaweit einheitliche technische Spezifikation für das Fahren im beweglichen Raumabstand hat die UIC mit ERTMS vorgegeben (ETCS Level 3).
Zu beachten ist, dass Fahren im beweglichen Raumabstand nur funktioniert, wenn alle beteiligten Züge mit der entsprechenden Technik ausgestattet sind. So muss die Position des Zugschlusses signaltechnisch sicher ermittelt werden. Gerade im Güterverkehr mit seinem international austauschbaren Wagenpark ist an eine Umsetzung dieser Technologie vorerst nicht zu denken. Das Verfahren wird demnach auf wenige Hochgeschwindigkeitstrecken begrenzt bleiben oder als Zusatz zu konventionellen Sicherungstechniken aufgebaut werden müssen.
Zugbeeinflussung
Um die Gefahr von Kollisionen wegen Missachtung von Signalen zu mindern, wurden Systeme entwickelt, die direkt in den Fahrbetrieb eingreifen, indem sie erforderlichenfalls eine selbsttätige Bremsung auslösen.
Mechanische Fahrsperre
Eine frühe Form der Zugbeeinflussung war die mechanische Fahrsperre, wie sie noch heute zum Beispiel bei der S-Bahn Berlin in Betrieb ist. Neben einem Signal steht dabei ein klappbarer Metallbügel. Fährt ein Zug an einem Halt zeigenden Signal vorbei, so berührt der Bügel ein Ventil am Zug, sodass die Bremsleitung entlüftet und eine Zwangsbremsung ausgelöst wird. Zeigt das Signal Fahrt, ist der Bügel weggeklappt.
Elektromechanische Signalisierung der Streckenbelegung
Mittels einfachen elektrotechnischen Systemen ließ sich auch eine Sicherung der Strecke erreichen. Ein Beispiel dafür ist das Electric Tablet System für eingleisige Strecken, das bis heute noch in Sri Lanka in Betrieb ist. Dieses System ist jedoch ein reines Signalisationssystem für die formale "Freigabe" oder "Sperrung" des Streckenabschnitts. Von diesem System wurden weder die Streckensignale noch die Bremssysteme des Zuges gesteuert. Die Zuverlässigkeit des Systems stand und fiel damit letztlich mit der Sorgfalt und Disziplin der Betriebseisenbahner.
Induktive Zugsicherung
Ein Nachteil der mechanischen Fahrsperre ist, dass sie erst dann eingreift, wenn der Zug das Halt zeigende Hauptsignal bereits passiert. Daher wurden elektromagnetisch wirkende Zugsicherungssysteme entwickelt, die schon wirksam werden, wenn der Lokführer ein "Halt erwarten" zeigendes Vorsignal nicht bemerkt.
Ein solches Systeme ist die Induktive Zugsicherung (Indusi), die nach dem Zweiten Weltkrieg in größerem Stil eingeführt wurde. Die Vor- und Hauptsignale vor jedem Streckenblock werden dabei mit so genannten Gleismagneten ausgerüstet. Zusammen mit Kondensatoren werden signalabhängig Schwingkreise genau festgelegter Frequenz geschaltet, die - überragender Vorteil der Methode - nicht mit elektrischer Energie gespeist werden müssen. Bei der Überfahrt stellt das Empfangsgerät im Triebfahrzeug fest, ob und mit welcher Frequenz der Gleismagnet geschaltet wurde. Daraus werden Signale für den Triebfahrzeugführer abgeleitet, gegebenenfalls die Zwangsbremsung durchgeführt.
Weil eine Übertragung von Informationen an den Zug nur an den Punkten erfolgt, wo solche Empfangseinrichtungen im Gleis eingebaut sind, spricht man auch von punktförmiger Zugbeeinflussung (PZB). Der größte Teil der Eisenbahnstrecken in Deutschland ist heute mit PZB ausgerüstet.
Permanente (Linienförmige) Zugbeeinflussung
Als die Zuggeschwindigkeiten weiter erhöht wurden (über 160 km/h), entstand das Problem, dass der klassische Abstand von einem Kilometer zwischen dem Vorsignal und dem Hauptsignal nicht mehr für den Bremsweg genügte. Daher wurde eine elektromagnetische Beeinflussung des Triebfahrzeugs entwickelt. In der Mitte des Gleises wird ein Sendekabel - der Linienleiter - verlegt, am Fuss einer Schiene liegt der elektrische Rückleiter. Alle 100m wechselt durch Vertauschen das Verlegeschema. Der Linienleiter wirkt als Antenne und überträgt mehrmals pro Sekunde über eine unter dem Fahrzeug aufgehängte Antenne Informationen (Maximale Geschwindigkeit, Entfernung zur nächsten Geschwindigkeitsänderung, Geschwindigkeit dort) zur Zugbeeinflussungseinrichtung im Zug. Auf dem umgekehrten Weg werden Daten (Standort, Geschwindigkeit) vom Fahrzeug über den Linienleiter zum Stellwerk übertragen und dort ausgewertet. Man spricht deshalb von Linienzugbeeinflussung (LZB). Durch die permanente Übertragung und Überwachung des Zuges kann dem Triebfahrzeugführer die gültige Höchstgeschwindigkeit und andere relevante Daten im Führerstand angezeigt werden, wodurch ortsfeste Signale größtenteils entbehrlich werden. Außerdem lässt sich mit der LZB auch ein automatischer Fahrbetrieb realisieren. Viele Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge der Deutschen Bahn, wie etwa alle Baureihen des ICE und die Baureihen BR 120 und BR 101 besitzen dazu das sogenannte "Automatische Fahr- und Bremssteuergerät" (AFB), das das Fahrzeug mit den aus der LZB erhaltenen Daten automatisch (unter Aufsicht des Triebfahrzeugführers) steuern kann.
Die LZB wird zu diesem Zweck auch seit längerem bei U-Bahnen, in Deutschland und Österreich bei der U-Bahn München, der U-Bahn Wien und der Stadtbahn Düsseldorf/Duisburg (nur in den Tunnelstrecken) zur Zugsicherung und dem automatischen Fahren mit Fahrer verwendet. Hierbei hat der Fahrer nur noch die Aufgabe, zu Überwachen und bei Störungen einzugreifen. Zur Bewältigung der dichten Zugfolge verwendet auch die S-Bahn-München auf ihrer "Stammstrecke" LZB. Bei der U-Bahn Nürnberg wird zur Zeit eine neue U-Bahnlinie (U3) gebaut, auf der mit Hilfe der LZB im September 2006 der erste fahrerlose automatische Betrieb bei eine deutschen U-Bahn Deutschland in Betrieb gehen soll (Projektname "RUBIN"). Auch in Hamburg und Berlin gab und gibt es entsprechende Versuche.
ETCS
Im Rahmen der Liberalisierung und Harmonisierung des Bahnmarktes in Europa werden Möglichkeiten entwickelt, Triebfahrzeuge grenzübergreifend verwenden zu können. Dazu werden von Untergruppen des Internationalen Eisenbahnverbandes (UIC) ein einheitlicher, digitaler Sprechfunk für Eisenbahnen GSM-Rail auf Basis des Mobiltelefonstandards GSM und ein europäisch einheitliches Zugsicherungssystem European Train Control System (ETCS) entwickelt. ETCS ist in verschiedenen "Levels" spezifiziert. "ETCS Level 1" entspricht der herkömmlichen punktförmigen Zugbeeinflussung, "ETCS Level 2" der Linienzugbeeinflussung (und vergleichbarer Systeme in anderen Ländern, z. B. TVM in Frankreich). Dabei werden die Daten zwischen Stellwerk und Fahrzeug nicht mehr über einen Linienleiter sondern per Funk über GSM-R übertragen und wie bei der LZB direkt im Führerstand angezeigt, was die Kosten für ortsfest zu installierende Einrichtungen stark senkt. "ETCS Level 3" beinhaltet noch den Verzicht auf Gleisfreimeldeeinrichtungen an der Strecke, und verlagert die Prüfung der Zugvollständigkeit von ortsfesten Einrichtungen auf den Zug. "ETCS Level 3" befinden sich aber noch in Entwicklung.
Zugsicherungssysteme in Europa
- ATB (Niederlande)
- ATC (Schweden)
- Crocodile/Memor (Belgien, Frankreich, Luxemburg)
- EVM 120 (Ungarn)
- Indusi, PZB (Deutschland, Österreich)
- Integra-Signum (Schweiz)
- LS90 (Tschechien)
- LZB (Deutschland)
- Mirel (Osteuropa)
- PHP (Polen)
- RS4 Codici, SCMT (Italien)
- TBL (Belgien)
- TVM (Frankreich)
- ZUB 121 (Schweiz, Spanien, Dänemark)
- ETCS (europäisches Zugsicherungssystem)