Matthäus-Effekt

Prinzip der Soziologie
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Der Matthäus-Effekt ist ein hauptsächlich bei der Zitierhäufigkeit von wissenschaftlichen Veröffentlichungen beobachtetes Phänomen, das dem Prinzip der positiven Rückkopplung folgt. Die Bezeichnung spielt an auf einen Satz aus dem Matthäusevangelium: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ (Matth. 25, 29; aus dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern). Umgangssprachlich wird dieses Phänomen auch mit „Wer hat, dem wird gegeben“, „Es regnet immer dorthin, wo es schon nass ist“ oder auch „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“ wiedergegeben.

Von Robert K. Merton wurde dieses Prinzip über das Zitierverhalten von (wissenschaftlichen) Autoren postuliert. Es besagt, dass bekannte Autoren häufiger zitiert werden und dadurch noch bekannter werden (success breeds success).

Trotz des Matthäuseffektes nimmt die Anzahl der Zitierungen einer Publikation nach einem kurzen Anstieg auch bei bekannten Autoren mit einer relativ konstanten Halbwertszeit ab. Oft ist es sogar so, dass die momentan am häufigsten zitierten Artikel eine schnellere Abnahme der Zitierungen aufweisen. Dies kann unter anderem damit erklärt werden, dass allgemein bekannte Informationen nicht mehr zitiert werden, sondern nur noch mit dem Namen des Autors oder als bloße Tatsache in einem Text erscheinen. Selbst Klassiker und Standardwerke werden in der Regel nicht ewig zitiert, weil sie irgendwann neu aufgelegt werden und auf die neueste Auflage verwiesen wird. Es deutet auch darauf hin, dass der Matthäus-Effekt eher bei Autoren als bei einzelnen Artikeln auftritt.

Wenn der Matthäuseffekt durch gegenseitige Gefälligkeitszitate mehrerer Autoren herbeigeführt oder verstärkt wird, spricht man von einem Zitierkartell.

In der Lehr-Lern-Forschung besagt das Prinzip (stark verkürzt), dass das Vorwissen einen wesentlichen Prädiktor des Lernerfolgs darstellt. Je mehr Vorwissen vorhanden ist, desto höheren Nutzen kann der oder die Lernende aus einem bereitgestellten Lernangebot ziehen.

In anderen Bereichen werden ähnliche Effekte als richer-get-richer-Prinzip bezeichnet. Daraus ergeben sich in der Regel Pareto-Verteilungen oder eine andere Form von Skalengesetzen.

Siehe auch

Literatur

  • Robert K. Merton: Der Matthäus-Effekt in der Wissenschaft. In: R.K.Merton: Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Suhrkamp, Frankfurt 1985, S. 147f. ISBN 3518577107