Definition und Abgrenzungsmerkmale
Der Individualismus ist ein Gedanken- und Wertesystem, bei dem das Individuum im Mittelpunkt steht. Anhänger oder Vertreter des Individualismus werden gelegentlich als Individualisten bezeichnet (siehe "Individualismus"). In diesem Artikel werden dagegen Personen charakterisiert, die auf Grund ihrer Persönlichkeitsmerkmale von der Öffentlichkeit, oder mindestens innerhalb einer Gruppe, als Individualisten wahrgenommen werden
Ein Individualist ist nicht notwendig ein Bekenner des Individualismus. Manchmal zeichnet es einen Individualisten gerade aus, dass er sich eben nicht zum Individualismus bekennt, wenn der Individualismus als Bewegung zum Mainstream der entsprechenden Gesellschaft evolviert ist. Für den Individualisten in diesem Sinne ist die Grundlage seiner Entscheidungen die eigene Überzeugung bzw. der eigene Standpunkt. Das gegensätzliche Modell der Entscheidungsfindung ist hier nicht der Kollektivismus, sondern der Konformismus. Der Konformist orientiert sich bei seiner Entscheidungsfindung an der Meinung der Mehrheit seiner Bezugsgruppe.
Persönlichkeitsmerkmale sind Eigenschaften einer Persönlichkeit, die nicht oder kaum formbar sind. Der Individualist zeichnet sich durch folgende Persönlichkeitsmerkmale aus:
(1) Ein Individualist legt großen Wert auf eigenständiege Meinungsbildung und eigene inhaltliche Positionen.
(2) Er steht der Übernahme von Positionen anderer daher kritischer gegenüber als die Mehrheit. Dabei entwickelt er oft eine gewisse Schärfe im Denken und Argumentieren, mit der er (auch) sich selbst und seine Meinungen in Frage stellt.
(3) Einem Individualisten ist klar, dass nur er die Entscheidungen seines Lebens treffen kann, dass es auf ihn und sein eigenes Denken ankommt. Er spürt viel stärker als andere: "Cogito ergo sum" (lat.: "Ich denke, also bin ich").
(4) Wenn er feststellt, dass der Mainstream gelegentlich von seinem Standpunkt abweicht, übernimmt ein Individualist nicht die Mehrheitsmeinung, sondern er prüft die vorgebrachten Argumente, beurteilt sie und bezieht ggf. einen neuen Standpunkt oder behauptet seine Position. Er schließt sich nicht auf Grund gesellschaftlicher Zwänge der Allgemeinheit an, wenn diese sich von seinem als richtig angenommenen Standpunkt entfernt.
(5) Er urteilt selbst über sich und sieht die Einschätzung seines Handelns durch die Allgemeinheit als konstruktive Kritik oder mit Gleichgültigkeit.
Der Individualist zeichnet sich unter den Individuen durch ein mehr eigenbestimmtes Handeln aus. Darum wird ihm häufig ein hohes Maß an Zivilcourage und eine besondere Kreativität zugeschrieben. Jeder Individualist ist ein Individuum, aber nicht jedes Individuum ist ein Indivdualist. Er unterscheidet sich weiter von einem Exzentriker, der sich absichtlich oder auf unnatürliche Weise vom Mainstream entfernt, während der Individualist zwar eine zunehmende Distanz zum Mainstream notiert, aber sich nach eigenem Ermessen nicht selbst bewegt, und sich im Urteil der Anderen auch nicht unnatürlich verhält.
Nicht jeder Individualist hat Charisma, aber weil es dem Individualisten gelingen kann, sich objektiv wie ein Exzentriker zu verhalten, ohne dass dies subjektiv als unnatürlich empfunden wird, wird diese Fähigkeit oft seinem Charisma zugeschrieben. Diese Art von Charisma ist nicht religöser Natur.
Ein Individualist ist weder ein Altruist noch ein Egoist, sondern er macht die Dinge so, wie er sie für richtig hält. Die wirtschaftlichen Aspekte des Handelns sind hier kein Kriterium. Personen, denen die Herstellung besonders ästhetischer oder zumindest eigenwilliger Werke gelingt, werden oft als "Individualisten" bezeichnet, weil sie sich durch dieses Handeln von anderen Personen hervorheben. Das selbstbewusste Handeln zur Erzeugung des Werkes macht sie zum Individualisten, das Werk selbst ist "nur" das Signal, das auf den Individualisten aufmerksam macht.
Beispiele
Die Eigenschaften eines Individualisten können am Beispiel von Personen studiert werden, die für diese Charaktereigenschaft bekannt waren.
- Jean-Baptiste-Siméon Chardin (* 2. November 1699 in Paris; † 6. Dezember 1779 in Paris) war der große Individualist unter den französischen Malern des 18. Jahrhundert.
- Der Fußballer Heribert Weber (* 28. Juni 1955 in Pöls, Steiermark), ein ehemaliger österreichischer Fußballspieler, Nationalspieler und Trainer, wurde als Individualist bezeichnet.
- Nicholas Hawksmoor (* 1661, † 1736) war ein englischer Architekt des Barock und galt als größter Individualist seiner Epoche.
- Rudolf Steiner (* 27. Februar 1861 in Kraljevec, Österreich-Ungarn, heute Kroatien, (Medjimurje); † 30. März 1925 in Dornach, Schweiz) war ein österreichischer Philosoph, Pädagoge, Naturwissenschaftler und Esoteriker. Er begründete die Anthroposophie und gab sich schon in seinen Frühwerken als Individuailist zu erkennen.
- Otmar Alt (* 17. Juli 1940 in Wernigerode) ist ein deutscher Maler, Grafiker, Designer und Bildhauer, und gilt als charaktervoller Individualist und Einzelgänger.
- Goetz von Berlichingen, wie ihn Goethe in seinem Theaterstück beschreibt, ist ein Individualist, aber kein Anhänger des Individualismus.
Siehe auch
- Enneagramm, bei der Anwendung von Anneagrammen ist der "Künstler/Individualist" eine der eindeutigen Charakterformen.
- Altruismus
- Egoismus
- Individualismus
- Persönlichkeit
- Charakter
- Im Zusammenleben der Menschen äußert sich ihr Sozialverhalten.