Flucht und Migration über das Mittelmeer in die EU

Migrationsbewegung von Süden in die Europäische Union
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Die Flucht über das Mittelmeer in die EU ist einer der gefährlichsten Fluchtwege für Menschen in eurpäische Länder. Mit der zunehmend schärferen Grenzpolitik der EU bei gleichzeitig sich verschärfenden Konflikten im Nahen Osten und Nordafrika versuchten seit ca 2010 immer mehr Menschen über das Mittelmeer in ein EU-Land zu flüchten. Seit ereignenten sich Flüchtlingskatastrophen in immer höher werdender Frequenz. Viele Flüchtlinge bezahlen kriminelle Menschenhändler, die sie in für die überfahrt untüchtigen Booten versuchen nach Süditalien zu schleusen.

Rechtlicher Hintergrund

Die Einwanderungsbeschränkungen der EU verwehren vielen Menschen , legal in die EU einzureisen. Sie erhalten weder als Touristen noch als Auswanderer ein Visum und können daher kein Ticket für einen Flug oder eine gewöhnliche Schiffsreise kaufen. Insbesondere können Flüchtlinge nicht von außerhalb der EU um Asyl ersuchen. Sobald sie aber in einem EU-Staat angekommen sind, sind sie durch die Genfer Flüchtlingskonvention bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag vor Abschiebung geschützt (Grundsatz der Nichtzurückweisung). Viele Menschen weichen daher in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien in der EU auf dubiose Schleuser bzw. Menschenschmuggler aus.

Fluchtwege

Schiffsunglücke

Mittelmeer

Währen das Phänomen der Sogenannten Boatpeople, also von Menschen die ihre Flucht mit hochseeuntauglichen Booten antreten zunächst aus Südostasien bekannt war, versuchten viele Menschen seit 1990 auch so über das Mittelmeer zu gelangen beschränkt.

Report Mainz berichtete im Oktober 2009, dass die EU-Grenzagentur FRONTEX, an der auch Deutschland beteiligt ist und die die Außengrenzen der EU überwachen soll, Flüchtlingsbooten im Mittelmeer die Weiterfahrt unter Gewaltandrohung verweigert haben soll.[1]

Im Zuge der Revolution in Tunesien 2010/2011 nahm die Zahl der auf Lampedusa bzw. Sizilien anlandenden Bootsflüchtlinge stark zu. Während des Bürgerkrieges in Libyen (Februar bis Oktober 2011) setzten viele Libyer ebenfalls nach dort über. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind zwischen 2004 und 2013 mehr als 6200 Bootsflüchtlinge beim Versuch, aus Nordafrika nach Europa zu gelangen, ums Leben gekommen.[2]

Einer der schwersten Unglücksfälle ereignete sich am 3. Oktober 2013, als beim Untergang eines Schiffes vor der Küste Lampedusas ein mit etwa 545 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea beladener 20 Meter langer Kutter sank, der aus der libyschen Hafenstadt Misrata kam. Nach einem Motorschaden steckte nach Zeugenaussagen der Kapitän eine Decke als Notsignal wegen Seenot in Brand. Das Feuer geriet außer Kontrolle. Durch die Panik der dicht gedrängt ohne Bewegungsmöglichkeiten stehenden Passagiere kenterte das Schiff. Die italienische Küstenwache und einheimische Fischer konnten nur 155 Überlebende retten.[3] Schätzungsweise 400 Menschen ertranken. Der tunesische Kapitän wurde wegen mehrfachen vorsätzlichen Totschlags und Havarie festgenommen.[4] Die italienische Staatsanwaltschaft hat gegen die Überlebenden ein Ermittlungsverfahren wegen Illegaler Einwanderung eingeleitet. Dieses Standardvorgehen ist in der italienischen Politik jedoch umstritten.[5]

Von Mitte Oktober 2013 bis Ende Oktober 2014 war die italienische Operation Mare Nostrum bei der Flüchtlingsrettung aktiv, bis die Operation Triton unter Führung von FRONTEX einsetzte.

Ein havariertes Flüchtlingsboot im Dezember 2014 war mit vermutlich mehr als 480 Toten das größte Schiffsunglück auf dem Mittelmeer seit 50 Jahren.

Im April 2015 kam es auf einem Flüchtlingsboot zu Gewaltfällen, bei denen Berichten von Bootsinsassen zufolge muslimische Flüchtlinge zwölf christliche Flüchtlinge über Bord warfen. Nach Aussage von Frontex und der Internationalen Organisation für Migration war bis dahin kein derartiger Fall bekannt, allerdings sei Gewalt an Bord ein großes Problem, da Menschen verschiedener Nationalitäten, Religionen und ethnischer Gruppen zusammengepfercht seien, die teils verfeindet seien oder miteinander im Krieg stünden.[6]

Vor der libyschen Küste ging am 12. April 2015 ein Flüchtlingsboot mit ungefähr 550 Menschen an Bord unter; 144 Personen wurden durch die italienische Küstenwache gerettet. Möglicherweise kenterte das Schiff, als sich die Passagiere gleichzeitig auf eine Seite bewegten, als sie die nahende Küstenwache bemerkten.[7]

In der Nacht vom 18./19. April 2015 kenterte zwischen der libyschen Küste und Lampedusa ein Flüchtlingsboot mit mehr als 700 Menschen an Bord; bisher konnten nur 28 Personen gerettet werden.[8] Die Zahlen sind allerdings noch nicht gesichert. Sollten sie sich bestätigen, so wäre diese Schiffskatastrophe laut der UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami „das schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer beobachtet wurde.“[9] Italien forderte hierzu einen EU-Sondergipfel.[9]

Rettungsaktionen

Die allein von Italien getragene Seenotrettungs­operation Mare Nostrum war im Okrober 2014 ausgelaufen und wurde von der Operation Triton unter Führung der EU-Grenzagentur Frontex ersetzt.[10] Triton ist aber finanziell deutlich geringer ausgestattet als Mare Nostrum es war und ihre Schiffe sind nicht befugt, sich mehr als 30 Seemeilen von der italienischen Küste zu entfernen.[11] Angesichts der wiederkehrenden Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer wird der EU Untätigkeit in der Flüchtlings- und Asylpolitik vorgeworfen.

  1. Report Mainz: Wie die EU Flüchtlinge mit allen Mitteln fernhält, 5. Oktober 2009
  2. Die Presse: Flüchtlingsdrama vor Lampedusa: „Meer ist voller Toter“, 3. Oktober 2013.
  3. Schreie vor Lampedusa wurden „immer schwächer“. welt.de, 4. Oktober 2013, abgerufen am 6. Oktober 2013.
  4. Jan-Christoph Kitzler, BR: Mehr als 270 Leichen geborgen. tagesschau.de, 8. Oktober 2013, abgerufen am 8. Oktober 2013.
  5. Tilmann Kleinjung, BR: Straftatbestand: Illegale Einwanderung. tagesschau.de, 7. Oktober 2013, abgerufen am 8. Oktober 2013.
  6. Annette Reuther/DPA: Religiöser Hass auf Flüchtlingsbooten: „Ich sah, wie sie ins Meer geworfen wurden“. stern.de, abgerufen am 18. April 2014.
  7. Albrecht Meier: Schiffsunglück im Mittelmeer vor libyscher Küste: Hilfsorganisation befürchtet Tod von 400 Flüchtlingen. stern.de, 15. April 2015, abgerufen am 19. April 2015.
  8. Neues Drame im Mittelmeer: Boot mit über 700 Flüchtlingen kentert. n24.de, 19. April 2015, abgerufen am 19. April 2015.
  9. a b Nach Flüchtlingsdrama: Italien fordert EU-Sondergipfel. tagesanzeiger.ch, 19. April 2015, abgerufen am 19. April 2015.
  10. Flüchtlinge: Mehr als 700 Menschen ertrinken im Mittelmeer. Zeit online, 19. April 2015, abgerufen am 19. April 2015.
  11. Oliver Meiler: Die Hoffnung der Flüchtlinge hängt an Privaten oder NGOs. Basler Zeitung online, 19. April 2015, abgerufen am 20. April 2015.