Wissensmanagement
Wissensmanagement [Managementlehre, die darauf abzielt, in Organisationen das Wissen einzusetzen und zu entwickeln, um die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen. Beiträge zum Wissensmanagement werden in vielen Disziplinen entwickelt, insbesondere in der Wirtschaftsinformatik, der Betriebswirtschaftslehre, der Informatik, der Soziologie oder der Informationswissenschaft.
] (englisch knowledge management) bezeichnet eine Richtung derIndividuelles versus strukturelles Wissen
Definitionen
Wissensmanagement beschäftigt sich mit den Möglichkeiten auf die Wissensbasis eines Unternehmens Einfluss zu nehmen. Unter der Wissensbasis eines Unternehmens werden alle Daten und Informationen, alles Wissen und alle Fähigkeiten verstanden, die diese Organisation zur Lösung ihrer vielfältigen Aufgaben benötigt. Dabei werden individuelles Wissen und Fähigkeiten (Humankapital) systematisch in der Organisation verankert. Wissensmanagement kann daher als ein Interventionsmechanismus verstanden werden, der auf den Theorien der Organisationslehre und des organisationalen Lernens (kurz: OL) beruht und diese systematisch nutzt.
Das Wissen innerhalb eines Unternehmens wird dabei als Produktionsfaktor verstanden, der neben Kapital, Arbeit und Boden tritt. Die strategische Grundlage für das Wissensmanagement bietet vor allem der Knowledge-based View of the Firm. Dieser stellt eine Erweiterung der Auffassung dar, Information (z.B. im Rahmen der Marktgestaltung und -beeinflussung) als betriebliche Ressource bzw. als Produktionsfaktor zu sehen.
Einen Beitrag dazu leisten Informationssysteme, indem sie die Mitarbeiter vernetzen und Informationen bereitstellen und bewahren.
Als Konsequenz wurde in den letzten Jahren der Vorstand vieler Unternehmen um die Position des Chief Information Officers (CIO) mit dem Arbeitsschwerpunkt Informationsmanagement erweitert. Die Informationsverarbeitung eines Unternehmens muss dabei auf seine Gesamtstrategie abgestimmt werden bzw. umgekehrt. Jedoch geht die Zielsetzung von Wissensmanagement deutlich über die reine Versorgung der Mitarbeiter mit Informationen hinaus:
- Mitarbeiter sollen lernend Qualifikationen und Fähigkeiten entwickeln und wertschöpfend einsetzen können.
- Bei der Klassifizierung von Wissen gibt es grundsätzlich zwei Ausprägungspole: einerseits sog. kodifizierbares Wissen (Explizites Wissen), das beschrieben werden kann und folglich geeignet ist, in Dokumenten vorgehalten zu werden und andererseits sog. Implizites Wissen, das nicht in expliziter = kodifizierbarer Form als Information kommuniziert werden kann.
Diesen beiden Extremausprägungen entsprechen die beiden fundamentalen Strategien des Wissensmanagements, die im Englischen bezeichnet werden mit "People-to-Document" (Kodifizierung) bzw. "People-to-People" (Implizites oder Stilles Wissen, engl. tacit knowledge). Zur Weitergabe von implizitem Wissen sind also andere Ansätze und Methoden erforderlich als im Bereich "(bring) people-to-document(s)"; im letztgenannten Anwendungsbereich stehen vor allem Datenbank- und Dokumentenmanagement-technische Lösungsszenarien zur Verfügung.
Die Unterscheidung in explizites vs. implizites Wissen - und die daraus abzuleitenden grundsätzlichen Schwerpunkte der Wissensmanagement-Strategie - spielen v.a. in betriebswirtschaftlichen Anwendungsbereichen (Unternehmen) eine große Bedeutung, da v.a. hier die betriebswirtschaftlichen Einschränkungen voll zum Tragen kommen: echtes Expertenwissen z.B. tendiert sehr stark dazu, dadurch gekennzeichnet zu sein, dass äußerste Komplexität mit einer eher geringen Gültigkeitsdauer kombiniert ist - und: je mehr etwas Expertenwissen ist, desto stärker sind diese beiden Kombinationsfaktoren (Komplexität und Dauer) ausgeprägt! Es ist dann aber im betriebswirtschaftlichen Kontext weder sinnvoll noch möglich, dieses implizite Wissen einer Kodifizierung (Dokumentation) zuzuführen, zumal auch auf der Rezipientenseite kaum jemand die Zeit hätte, diese sicherlich sehr umfangreiche Dokumentation zu lesen. D.h. aber im Umkehrschluss nichts anderes als: für eine People-to-Document-Strategie (Datenbank, Dokumentenmanagement...) eignen sich eher Standard-Inhalte: wenig komplex und mit einer langen Gültigkeitsdauer!
Wissenserfassung
Eine wesentliche Bedeutung im Rahmen des Wissensmanagements kommt der Wissenserfassung und -verarbeitung zu, "siehe auch Wissensbilanz". Hier sind drei Komponenten von Bedeutung:
- Organizational Memory: Das organisationale Gedächtnis ist die Gesamtheit der Komponenten zur Wissenserfassung (Akquisition), Wissensaufbereitung (Maintenance) und Wissensnutzung (Search and Retrieval, siehe auch Recherche).
- Organizational Knowledge: Dieses umfasst das gegenwartsbezogene Wissen einer Organisation und findet häufig in Knowledge-Datenbanken seinen Niederschlag.
- Organizational Learning: Dieses befasst sich mit der Reproduktion des Organisationalen Wissens, z. B. durch Wikis.
Modelle
Wissensmanagement nach Nonaka und Takeuchi
Als eine der Begründer des Wissensmanagement können die Japaner Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi mit ihrem 1995 veröffentlichtem Buch „The Knowledge Creating Company“ (deutsch 1997 als „Die Organisation des Wissens“) angesehen werden. Aufbauend auf dem 1966 von Michael Polanyi vorgestellten Begriff des impliziten Wissens entwerfen Sie ein Modell, bei dem Wissen in einer kontinuierlichen Transformation zwischen implizitem und explizitem Wissen erzeugt wird. Durch aufeinander folgende Prozesse der „Externalisierung“ (implizit zu explizit), „Kombination“ (explizit zu explizit), „Internalisierung“ (explizit zu implizit) und „Sozialisation“ (implizit zu implizit) wird Wissen innerhalb einer Organisation spiralförmig von individuellem Wissen auf höhere Organisationsstufen wie Personengruppen und ganze Firmen gehoben. Dieses als SECI-Modell bekannte Modell übte großen Einfluss auf die folgende Literatur und Forschung zum Thema Wissensmanagement aus.
Wissensmanagement nach Probst
Ein frühes, aber immer noch weit verbreitetes, von Gilbert Probst an der Universität Genf und der Geneva Knowledge Group entwickeltes Modell entwirft einen Wissenskreislauf aus operativen ("innerer" Kreislauf) und strategischen ("äußerer" Kreislauf, stellt den traditionellen Managementprozess dar) Bausteinen:
- Wissensziele (geben dem Wissensmanagement eine Richtung)
- Wissensidentifikation (Informationen über bereits vorhandenes Wissen einholen)
- Wissenserwerb (externe Wissensträger, Wissensprodukte)
- Wissensentwicklung (individuelle Wissensentwicklung, kollektive Wissensentwicklung)
- Wissensverteilung (durch eine technische Infrastruktur)
- Wissensnutzung (Nutzung ist der produktive Einsatz organisationalen Wissens)
- Wissensbewahrung (durch Selegieren, Speichern, Aktualisieren) und
- Wissensbewertung / -messung
Diese Bausteine stellen Interventionsebenen für Maßnahmen des Wissensmanagements dar.
Kontrolle versus Kreativität
Instruktionen bedeuten für Menschen etwas anderes als für Computer. Viele Autoren meinen, dass Wissen gar nicht verwaltet werden kann, da Management Kontrolle beinhaltet, Wissen aber auch auf dem kreativen Umgang mit Kontext und Assoziationen aufbaut, der durch Kontrolle behindert wird (Georg von Krogh, 2000).
Aktuelle Themen im Wissensmanagement
- Wissensbewertung
- Wissen messen und managen, z.B. durch die Balanced Scorecard oder den Skandia Navigator.
- Soziale Netzwerke, Kompetenznetzwerke
- Wissen teilen (Wissenssharing)
Knowledge Engineering
Knowledge Engineering hat zur Aufgabe, die Komplexität des Welt- und Expertenwissens auf eine regelhafte Struktur abzubilden und in computergestützten Anwendungen dem Nutzer in einem intelligenten Informationssystem zu präsentieren. Dieser Bereich des Wissensmanagements umfasst vier zentrale Kategorien im Umgang mit menschlicher Information:
- Erfassung des Wissens: Strukturierung und formelhafte Repräsentation
- Abbildung von Wissen im Computer: Design und Architektur des Systems
- Computerbasierte Verarbeitung von Wissen: Kombination von explizitem Wissen, Problemlösung und Generierung von Ergebnissen
- Darstellung von Wissen: Präsentation in Hinblick auf interaktive Anwendungen durch den Benutzer, z.B. das erzeugen von Ansichten ("Views") auf Inhalte ("Content")
siehe auch: Dokumentation, Fachinformation
Strategien
Wissensmanagementstrategien legen den Schwerpunkt der Maßnahmen in einerm Unternehmen fest, wobei zwischen Kodifizierung und Personalisierung des Wissens unterschieden wird. Effektive Unternehmen zeichnen sich durch die Fokussierung auf eine der beiden Strategien aus, und ziehen den jeweils anderen Teil lediglich zur Unterstützung heran.
Methoden
- Planungsmethoden
- Repräsentationsmethoden
- Knowledge Maps
- Ontologien
- Process Modelling, siehe auch Geschäftsprozess
- Kreativitätsmethoden, siehe auch Ideenfindung
- Methoden der Wissensförderung
- Methoden der Organisation
- Communities of Practice (einrichten und managen)
- Bewertungsmethoden
Techniken
- Groupwaresysteme
- Inhaltsorientierte Systeme
- Systeme der künstlichen Intelligenz
- Expertensysteme
- Agentensysteme
- Text Mining Systeme
- Führungsinformationssysteme
- Data Warehouse Systeme
- OLAP-Systeme
- Data Mining Systeme
- Sonstige Systeme
Siehe auch
- Informationsmanagement
- Knowledge-based View of the Firm
- Organisationsintelligenz
- Strategisches Management
- Wettbewerbsvorteil
- Data Mining
- Ontologiedatenbank
Literatur (alphabetisch)
- Abecker, A., K. Hinkelmann, H. Maus, H. J. Müller: Geschäftsprozessorientiertes Wissensmanagement, Springer, ISBN 3-540-42970-0
- Allee, Verna: The Future of Knowledge. Increasing Prosperity through Value Networks., Butterworth Heinemann, 2003, ISBN 0-7506-75918
- Bodendorf, Freimut: Daten- und Wissensmanagement, Springer Verlag 2003, ISBN 3-540-00102-6
- Daum, Jürgen H. (Hg.), Intangible Assets - oder: die Kunst, Mehrwert zu schaffen, Bonn: Galileo Press 2002. ISBN 3-89842-112-0
- Davies J., Studer R., Sure Y. and Warren P. (2005). Next Generation Knowledge Management. BT Technology Journal 23 (3): 175-190. July 2005. Issue on Enabling Future IT.
- Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (Hg.): Ideenmanagement. Vorschlagswesen in Wirtschaft und Verwaltung, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2004, ISSN 1439-4766
- Drucker, Peter: Management im 21. Jahrhundert, Econ Verlag, 1999, ISBN 3-430-12238-4
- Geiger, Daniel & Georg Schreyögg, "Wenn alles Wissen ist, ist Wissen am Ende nichts ?!", in: DBW, 63. Jhrg., 2003.
- Güldenberg, Stefan: Wissensmanagement und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen: Ein systemtheoretischer Ansatz, 4. Auflage, DUV 2003. ISBN 3-8244-0722-1
- Heisig, P., Orth, R.: Wissensmanagement Frameworks aus Forschung und Praxis. Eine inhaltliche Analyse. Berlin, EuReKI, 2005. ISBN 3-00-015865-0
- Herbst, Dieter, Erfolgsfaktor Wissensmanagement. Berlin: Cornelsen 2000. ISBN 3-464-49072-6
- Herrmann, Thomas; Mambrey, Peter; Shire, Karen (2003): Wissensgenese, Wissensteilung und Wissensorganisation in der Arbeitspraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag.
- Herrmann, Thomas; Jahnke, Isa; Loser, Kai-Uwe (2003): Die Unterstützung von Rollenzuweisung und Rollenübernahme: ein Ansatz zur Gestaltung von Wissensmanagement- und CSCL-Systemen. In: G. Szwillus, J. Ziegler (Hrsg.): Mensch & Computer 2003: Interaktion in Bewegung. Wiesbaden: B. G. Teubner. S. 87-98. PDF-Paper
- Ikujiro Nonaka, Hirotaka Takeuchi: Die Organisation des Wissens. Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen, Campus Verlag, 1997 ISBN 3-593-35643-0 (Im Original The knowledge-creating company. 1995)
- Ikujiro Nonaka, Georg von Krogh, Kazuo Ichijo: Enabling Knowledge Creation, Oxford University Press, ISBN 0195126165
- Katenkamp,Olaf und Gerd Peter (Hrsg.): Die Praxis des Wissensmanagements LIT-Verlag, Münster, 2003, ISBN 3-8258-6922-9
- Krcmar, Helmut: Informationsmanagement, Springer Berlin Heidelberg, 2005, ISBN 3-540-23015-7
- Langhoff, T., Schulze, T., Lang, K.-H. & Saßmannshausen, A.: Informationsmanagement für Sicherheit und Gesundheit in lernenden Organisationen. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2004, ISBN 3-86509-105-9
- Lehner, F.: Wissensmanagement. Grundlagen, Methoden und technische Unterstützung. Hanser Verlag, München Wien, 2006, ISBN 3-446-21933-1
- Maier, R.: Knowledge Management Systems Second Edition, Springer, Berlin, 2004, ISBN 3-540-20547-0
- Malhotra, Yogesh: A Case For Knowledge Management. Rethinking Management for the New World of Uncertainty and Risk., BRINT Institute, 2005, Compendium of Published Research Articles
- Mertins, K., Heisig, P., Vorbeck, J., (Eds.):Knowledge Management. Concepts and Best Practices. Second Edition, Springer, Berlin, 2003, ISBN 3-540-00490-4
- Mertins, K., Alwert, K., Heisig, P., (Hrsg.):Wissensbilanzen. Intellektuelles Kapital erfolgreich nutzen und entwickeln. Springer, Berlin, 2005, ISBN 3-540-23719-4
- Nohr, Holger, Alexander Roos: Customer Knowledge Management: Aspekte des Managements von Kundenwissen., Logos Verlag, ISBN 3-8325-0275-0
- Probst, Gilbert, Raub, Stefan, Romhardt, Kai: Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Gabler, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-409-49317-4
- Reinmann, Gabi & Heinz Mandl (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements - Perspektiven, Theorien und Methoden Göttingen: Hogrefe, 2004, ISBN 3-8017-1815-8*
- Reinmann, Gabi & Heinz Mandl (Hrsg.): Individuelles Wissensmanagement - Strategien für den persönlichen Umgang mit Informationen und Wissen am Arbeitsplatz Göttingen: Hogrefe, 2000, ISBN 3-456-83425-X
- Schnauffer, H.-G, Stieler-Lorenz, B., Peters, S. (Hrsg.): Wissen vernetzen - Wissensmanagement in der Produktentwicklung Berlin: Springer, 2004.
- Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin, Klett-Cotta Verlag, 2001, ISBN 3-608-91379-3; (Fifth Discipline, 1990)
- Senge, Peter M.: Das Fieldbook zur Fünften Disziplin, Klett-Cotta Verlag, 2004, ISBN 3-608-91310-6
- Staab S., Schnurr H.-P., Studer R., Sure Y.: Knowledge Processes and Ontologies. IEEE Intelligent Systems 16 (1): 26-34. January 2001. Special Issue on Knowledge Management. ISSN 1541-1672
- Willke, Helmut: Einführung in das systemische Wissensmanagement Heidelberg, Auer Verlag 2004, ISBN 3-89670-457-5
- Wilkesmann, Uwe & Ingolf Rascher: Wissensmanagement - Theorie und Praxis der motivationalen und strukturellen Voraussetzungen München & Mering: Hampp-Verlag, 2004 ISBN 3-87988-822-1
- Wilkesmann, Uwe & Ingolf Rascher: Lässt sich Wissen durch Datenbanken managen? Möglichkeiten und Grenzen von elektronischen Datenbanken In: Zeitschrift Führung und Organisation (zfo), 71. Jg., Heft 6, S. 342-351 Leseprobe
- Wyssusek, Boris (Hg.): Wissensmanagement komplex. Perspektiven und soziale Praxis., Erich Schmidt Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-503-07822-3
Weblinks
- GfWM - Gesellschaft für Wissensmanagement Regelmäßige Stammtische in allen Teilen Deutschlands
- Arbeitskreis Wissensbilanz Umfangreiche Ressource zum Thema Wissensbilanzierung mit Leitfaden "Wissensbilanz - Made in Germany"
- wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte
- "Fraunhofer Wissensmanagement Community" Institutsübergreifende Community von 12 Fraunhofer Instituten zum Wissensmanagement: Mit zahlreichen Literatur- und Veranstaltungshinweisen