Benutzer:VisHis Koeln/Artikelentwurf

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Einleitung

Zum Begriff Visual History

Der Begriff Visual History wurde im deutschsprachigen Raum zum ersten Mal 1991 von dem Historiker und Bildwissenschaftler Gerhard Jagschitz verwendet. Dieser forderte eine sozialwissenschaftliche und ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem Medium Bild, ähnlich wie es mit dem Medium Ton in der Oral History geschehen sei. Der Zeithistoriker Gerhard Paul erweiterte den Untersuchungsgegenstand, der zunächst auf die Fotografie begrenzt schien, auf alle visuellen Medien, wie Postkarten, Plakate, Comics und Karikaturen, Filme oder elektronische Bilder aus dem Fernsehen und dem Internet.[1] Stark beeinflusst wurde die Entwicklung dieses Forschungsfeldes durch den Visual und Iconic Turn in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften Anfang der 90er Jahre, der als Reaktion auf das Sprachmonopol des Linguistic Turns, die Untersuchung von Bildern, Zeichen und Symbolen in den Vordergrund stellte. Kunsthistoriker wie William J. T. Mitchell oder Gerhard Böhm fragten nach der Bedeutung der Visualität für das menschliche Denken und Wahrnehmen und trieben damit den Aufbau der neuen Fachrichtung Visual Culture Studies mit voran, welche als interdisziplinäres Dach für die geschichtswissenschaftliche Säule Visual History gesehen werden kann.[2]

Die neue zeitgeschichtliche Forschungsperspektive profitierte zum einen von den Erfahrungen der Historischen Bildforschung, die von Mediävisten und Forschern der Frühen Neuzeit bei der Arbeit mit Bildquellen aufgebaut worden war.[3] Diese wurden auf bewegte Bilder übertragen und um Möglichkeiten erweitert, mit neuzeitlichen elektronischen Massenbildquellen umzugehen, die das Bild als eigenständiges kommunikatives Medium verstand.[4] Zum anderen wurden Methoden der traditionell von Kunsthistorikern betriebenen Historischen Bildkunde aufgegriffen, deren Fokus auf der Analyse des Bildmotivs lag. Im Unterschied zu dieser sollte neben dem Bildinhalt die Bedingungen der Produktion, der Distribution und der Rezeption des Bildes ausgeleuchtet werden.[5] Der Begriff umfasst nach Paul drei Aspekte, erstens enthalte er die bildliche Wahrnehmung, Auffassung und Vorstellung von Geschichte ebenso wie die historische Entwicklung des Optischen, zweitens befasse er sich mit allen Methoden, die den Erkenntnisgewinn an visuellen Objekten ermöglichen und drittens erhofft Paul sich eine neue digitale und vernetzte Darstellung von geschichtlichen Zusammenhängen.[6]

Entwicklung der Forschungsrichtung

Schon Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts haben Historiker wie Jules Michelet, Jacob Burckhardt und Karl Lamprecht mentalitätsgeschichtliche Bilduntersuchungen durchgeführt und versucht, kollektive zeitgenössische Moralvorstellungen aus Kunstwerken abzuleiten. Eine systematische Bildanalyse-Methode analog zu einer Quellenkritik, wie sie im geschichtswissenschaftlichen Umgang mit Texten üblich war, gab es jedoch nicht. Methodologische Auseinandersetzungen haben erst in den 1920er Jahren begonnen. Die Kenntnisse von Kunsthistorikern, die sich mittlerweile für das Bild, und Historikern, die sich für den Text zuständig hielten, sollten produktiv zusammengefasst werden. Durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, wurde eine solche Kooperation erst in den 60er Jahren neu belebt, und von einzelnen weiterentwickelt.[7] Einen wichtigen Einfluss hat die Mentalitäts- und Alltagsgeschichte in den 80/90er Jahren gespielt, die das Bild als eigenständige Quelle aufgefasst und damit besonders die Erforschung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bereichert habe. Das umfangreiche Bildmaterial in diesen Epochen regt bis heute zu ständig neuen Forschungsfragen an, wie zum Beispiel zu der Frage der Kunsthistorikerin Gabriele Wimböck, ab wann ein Bild „Autorität“ besitze.[8]

Neue Zugänge zur Bildanalyse haben auch die Kultur- und Politikwissenschaften mit ihren Analysen der Bildsprache in sozialen und politischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts ermöglicht.[9] Zusätzliche Themenfelder sind in den 90er Jahren durch die Gedächtnis- und Erinnerungsforschung von Harald Welzer sowie Aleida und Jan Assmann, die Bilder als „Traditionsmotoren“ verstehen, eröffnet worden. Intensiv habe sich auch der Museums- und Ausstellungsbereich und die Gedenkstättenarbeit mit Medien wie Plakaten und Fotografie und deren Wirkung auf die Rezipienten auseinandergesetzt.[10]Paul 2006, 13f.</ref>

Der Visual Turn ist nach einem zögerlichen Prozess, in dem von dem Historiker Habbo Knoch zeitweise von einer intellektuellen „Ikonophobie“ gesprochen wurde[11] in der deutschen Geschichtswissenschaft angekommen.[12] Ursachen für die Wende seien laut Paul neben einem Paradigmenwechsel, der von einer jüngeren Historikergeneration vorangetrieben worden sei, technische Entwicklungen wie das Internet, die unter anderem eine extrem vereinfachte Bildrecherche über private Rechner ermöglicht hätten.[13]

Handlungsbedarf im Forschungsbereich Visual History gäbe es nach Paul noch bei der Entwicklung von verlässlichen Analysemethoden der [[Rezeption von visuellen Medien und der verstärkten Hinwendung zum bewegten Bild, auch wenn das stehende Bild nach Susan Sonntag eine besonders eindringliche Wirkung auf die menschliche Wahrnehmung ausübe und sich „in die Festplatte des Gedächtnisses“ einbrenne.[14]

Begriff des Bildes und des Bildlichen

Die interdisziplinäre Neubewertung von visuellen Medien führte zu einer Diskussion über den Bildbegriff. Ähnlich wie in der allgemeineren Bildwissenschaft ist auch für die Visual History die Bilddefinition ein fundamentaler, aber ebenso umstrittener und diskutierter Ausgangspunkt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, ob und wie sich Bilder, unterschiedliche Bildformen und Wege der Produktion, Reproduktion, Rezeption und Interpretation von bildlichen Medien theoretisch systematisieren lassen. Für die Geschichtswissenschaft, die in ihrer Methodik häufig auf die Quellenanalyse spezialisiert ist, liegt dabei zunächst ein Bildbegriff nahe, der sich mit den im Bild niederschlagenden zeitgenössischen Mustern befasst: Da sich nach Jens Jäger in Bildern manifestiere, was in einer Gesellschaft in einer gewissen historischen Periode als „abbildungswürdig, als normal, als abweichend, als schön oder hässlich“ angesehen würde, seien Bilder immer auch Bestandteil der Meinungsbildung und -beeinflussung. Bilder hätten damit die Funktion übernommen, ein Verhältnis der Menschen zur Welt auszudrücken.[15] Dabei könne eine Bild je nach historischer Fragestellung verschieden gedeutet werden.[16] Auch Heike Talkenberger sieht die Bilder nicht als Abbildung, sondern als Beeinflusser der Wirklichkeit, welche Meinung, Angst und eine Gegenwirklichkeit aufbauen könnten. Bei der Bearbeitung dieser Quellen setze man sich mit der „Phantasieproduktion einer Gesellschaft“ auseinander.[17] Martina Heßler betont, dass die Geschichtswissenschaft das Bild nicht nur als Quelle sehen dürfe, sondern sich darüber hinaus mit den Grenzen und Möglichkeiten des Mediums Bild, ihrer Funktionsweise und ihrer historischen Bedeutung in der Geschichte beschäftigen müsse.[18]

Die Kunsthistoriker Martin Warnke und Horst Bredekamp, die als Begründer der politischen Ikonographie gelten, haben seit den 80er Jahren die politischen Bedingungen von Bildern analysiert und die Begriffsdebatte in diese Richtung beeinflusst. Bredekamp entwickelte die „Theorie des Bildaktes“ und zeigte auf, dass ein Bild nicht nur ein Abbild der Realität sei, sondern auch selber neue Realitäten schaffe.[19] Als Beispiele nannte er die 1979 gesendete US-amerikanische Serie „Holocaust“ oder die Wehrmachtsausstellung, die als Wanderausstellung zwischen 1995 und 1999 heftige Reaktionen ausgelöst hätten.[20] Nach Paul würde Bildmaterial über das Sprengen der Buddha-Statuen im März 2001, über den Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 oder über den Abu-Ghuraib-Folterskandal in einem US-Gefängnis im besetzten Irak im Mai 2004, eine solche Wirkkraft ausüben, dass sie selbst wiederum neue geschichtliche Ereignisse auslösen könnten.[21]

Die unterschiedlichen bild-, kunst- und kulturwissenschaftliche Diskussionen und darin entwickelte Bilddefinitionen bieten weitere Möglichkeiten, sich an den komplexen und umstrittenen Gegenstand des Bildes anzunähern, weshalb sie auch in der Diskussion um das Konzept der Visual History häufig herangezogen werden. In seinen beiden Monographien Iconology (1986) und Picture Theory (1994) legte der Kunsthistoriker W. J. T. Mitchell innerhalb der bildwissenschaftlichen Theoriediskussion umfangreiche Entwürfe vor. Mitchell betont dabei stark die soziokulturelle Relativität der Bildwahrnehmung[22] und verankert seinen Bildbegriff zentral im Alltagsverständnis des Bildlichen.[23] Mitchell unterscheidet im Kontext der Iconology zwischen fünf Kategorien von Bildern: grafische (etwa Gemälde, aber auch Statuen), optische (etwa Projektionen), perzeptuelle (Sinnesdaten und Erscheinungen), geistige (Träume, Erinnerungen, Ideen) und sprachliche Bilder.[24] Diese fünf Bilder seien ihmzufolge unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten zuzuordnen. So sind beispielsweise optische Bilder Gegenstand der Physik, sprachliche Bilder hingegen Teil literaturwissenschaftlicher/literaturkritischer Analyse, während etwa perzeptuelle Bilder in einem Grenzbereich von Physiologie, Neurologie, Psychologie und Kunstgeschichte untersucht würden. Mitchells Bildbegriff beinhaltet also deutlich materielle und immaterielle Bilder und geht von einem alltäglichen bzw. wissenschaftlich institutionalisierten Nachdenken über Bildlichkeit aus. In einer weiteren Hinsicht lassen sich nach Mitchell Bilder außerdem unterteilen in natürlich-mimetische (abbildende) und künstlich-expressive (verfremdete), wobei das in der Kunstgeschichte vielfach diskutierte (und umstrittene) Kriterium der Ähnlichkeit aufgegriffen wird.[25] Mit Bezug auf Theoretiker wie Marshall McLuhan und Michel Foucault steht bei Mitchell die Bildmaterialität im Vordergrund. In Anlehnung an den von Richard Rorty in die Diskussion eingebrachten linguistic turn schlug Mitchell die Analyse im Sinne eines pictorial turns (weitere Begriffsklärung im Artikel Ikonische Wende) vor. In der Rezeption wird betont, dass Mitchells Bildbegriff dabei vor allem auf soziale Zusammenhänge und politische Fragen abziele.[26]

In einem eigenständigen Ansatz entwickelte der Kunsthistoriker und Philosoph Gottfried Boehm unter dem Schlagwort eines iconic turn (siehe Ikonische Wende) eine Bildtheorie, die von hermeneutischen und phänomenologischen Grundsätzen stark beeinflusst ist. Bilder, so Boehm, seien aufgrund der spezifischen ikonischen Differenz in einem grundsätzlichen und interdisziplinären Ansatz in ihrer „Absolutheit“ neu zu bestimmen. Dabei wird im Rahmen einer „Wiederkehr der Bilder“ auch eine Absage an sprachliche Denk- und Kommunikationsmuster in Aussicht gestellt. Die Kulturwissenschaftlerin Doris Bachmann-Medick fasst Boehms Leitgedanken folgendermaßen zusammen: „In Reaktion auf die Dominanz der Medienwissenschaften sollte diese [gemeint ist eine allgemeine Bildwissenschaft im Sinne Boehms] zunächst kunstgeschichtlich verankert sein: um die eigene Logik von Bildern zu erkunden und eine neue analytische Zugangsweise zu Bildkulturen zu gewinnen.“[27] Die ikonische Differenz eines Bildes bedeutet somit „seine Zugehörigkeit zur materiellen Kultur wie auch seine gleichzeitige Teilhabe an der Sphäre symbolischer Bedeutung. Sie erfasst den Grundkontrast der Bilder zwischen ihrem Gemachtsein und ihrem sinnstiftenden Darstellungs- und Verweisungscharakter, zwischen (materieller, medialer und technischer) Herstellung und Darstellungsmacht.“[28]

Im Sinne der Bild-Anthropologie dürfen Bilder nicht isoliert behandelt werden, sondern sind das Ergebnis persönlicher und gesellschaftlicher Symbolisierung. Der Mensch lebt in einer von Bildern geprägten Welt und versteht sie auch in Bildern. Dementsprechend ist der Bildbegriff, so Belting, nur anthropologisch zu denken.[29] Nach ihm sind es die immer wiederkehrenden Erfahrungen von Raum, Zeit und dem Tod, die der Mensch in Bildern festhält. Doch auch wenn der Mensch diese Bilder festhält, so ist er dennoch nicht der Produzent der Bilder, sondern ist ihnen ausgesetzt. Die Frage „Was ist ein Bild?“ ist für den deutschen Kunsthistoriker und Medientheoretiker nicht ohne das „Wie?“ zu begreifen. Der Inhalt, wie man ihn von Texten kennt, ist diesem Ansatz folgend nicht zu beantworten.[30] Als Beispiel kann man das alte marianische Kultbild von Guadalupe heranziehen, welches vor der Unabhängigkeitserklärung noch das Symbol der Kolonialherrschaft war und dann Sinnbild des jungen Staates wurde. Die Sichtweise auf das gleiche Bild hatte sich verändert.[31]

Die Frage was ein Bild zu einem Bild macht und was ein Bild von einem Text unterscheidet, hängt vom methodischen Ansatz ab. Das Problem bei Bildern liegt darin, dass ein Bild sowohl ein Objekt, als auch ein transportierter Inhalt ist. Das Bild stellt also etwas dar, was es selbst nicht ist. Es zeigt sich und zugleich etwas anderes. Diese Ambivalenz von Materiellem und Immateriellem lässt sich im Englischen besser veranschaulichen, da man hier die Begriffe picture und image kennt. Ein Ansatz, auf die Frage was ein Bild ist, findet man in der Bildsemiotik. In der Bildsemiotik besteht kein bipolares Verhältnis zwischen dem Zeichen und dem bezeichneten Objekt, es gibt also keine Stellvertretung.[32] Hier geht man eher von einer Dreierrelation aus. Ferdinand de Saussure hat ein Zeichenmodell entwickelt, bei dem er in Signifikat, Signifikant und Referent unterscheidet. Der Referent ist ein Ding, Objekt oder ein Sachverhalt, der sich auf den Signifikant bezieht. Das Signifikant wiederum ist die Ausdrucksseite des Zeichen, was ein Laut, ein Wort oder ein Bild sein kann. Zusammen mit dem Signifikant ergibt das Signifikat das Zeichen. Das Signifikat ist der Begriff, der Inhalt oder die Bedeutung. Dies kann man sich am Beispiel einer Flasche veranschaulichen. Jemand malt eine Flasche und dieses ergibt das Signifikant. Dadurch dass sowohl Maler als auch Betrachter die gleiche Vorstellung (Signifikat) einer Flasche haben, kann auf das Objekt (Referent) Flasche geschlossen werden.[33]

Zusammenfassend kann man hier festhalten, dass das Objekt und das Zeichen nicht von Natur aus zusammengehören. Das Zeichen wird auf der einen Seite willkürlich für ein Objekt eingesetzt und auf der anderen Seite beruht die Verbindung auf gesellschaftlicher Übereinkunft. Wechselt man in den Bereich der Sprache, so lässt sich diese Aussage einfach erklären. Das Wort Baum hat von Natur aus nichts mit dem Objekt Baum zu tun, aber die Verbindung von Wort und Objekt basiert auf Konventionen. Dies lässt sich zudem an einem weiteren Beispiel veranschaulichen. So meint das Wort Sessel in Deutschland etwas anderes als in weiten Teilen Österreichs. Nur durch die Konventionen der jeweiligen Sprachgemeinschaft, wird das Wort eindeutig mit einem bestimmten Objekt assoziiert. Denkt man an andere Zeichen wie Gesten, so kann dieses Zeichen in einem Kulturkreis etwas Positives ausdrücken und im anderen Kulturkreis eine Beleidigung darstellen. Und so verhält es sich auch im Bereich der Bilder. In Bezug auf das Bild eines Baumes scheint die Verbindung mit dem Objekt aber wiederum nicht willkürlich. Wir identifizieren das Bild eines Baumes mit dem Objekt Baum, weil es Ähnlichkeit aufweist. Traditionell waren Bilder hauptsächlich Abbildungen. Spätestens im 19. Jahrhundert stößt diese Definition von Bilder als Abbildungen mit ihrem Prinzip der Ähnlichkeit an ihre praktische Grenze, weil die Malerei durch den Druck der Fotographie vom Prinzip der Ähnlichkeit abweicht. Auch im Hinblick auf die Theorie war dieser Begriff nicht mehr haltbar, als der amerikanische Philosoph Nelson Goodman fragte, in welcher Eigenschaft die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen Objekt und Bild besteht. Hier konnte Umberto Eco zeigen, dass das Verständnis von Ähnlichkeit auch auf gesellschaftlichen Konventionen beruht. Wenn aber ein Bild ein visuelles Zeichen ist, so muss es einem bestimmten Code unterliegen, damit wir es auch verstehen können. Um also das Bild zu verstehen muss man diesen Code entschlüsseln und zu erforschen nach welchen Mechanismen der Code funktioniert.[34]

Die Kommunikationsforscherin und Politikwissenschaftlerin Marion G. Müller beruft sich in der Bilddefinition auf unterschiedliche Bildbegriffe, die in der theoretischen Diskussion bereits vorgebracht worden sind, etwa auf W. J. T. Mitchells typologische Unterscheidung von Bildern (s. weiter oben im selben Abschnitt). Als Dilemma vieler Bildtheorien erweist sich Müller zufolge die Fixierung auf einen materiellen Bildbegriff, was immaterielle Bilder benachteilige oder ausschließe. Müller schließt sich in einem Lösungsversuch an den Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg an, um Bilder in ihrem materiellen Abbildcharakter als materialisierte Denkbilder zu interpretieren. Abbilder könnten dabei als „komplexe Quellen für die Rekonstruktion der Denkbilder“ dienen.[35] Rein immaterielle Denkbilder wie Träume, Musik, Metaphern oder Ideen seien der kommunikationsorientierten Forschung allerdings nicht zugänglich, weshalb ein vor allem dem Abbild verpflichteter Bildbegriff gewählt werden muss. Ferner unterscheidet Müller zwischen folgenden vier Kontexten von Bildern in ihrer Produktion sowie Rezeption, die wechselseitig aufeinander bezogen werden können, da Bilder immer aus der Sicht aller dieser Kontexte interpretierbar sind: künstlerisch, kommerziell, journalistisch und wissenschaftlich. Wichtigstes Prinzip aller visuellen Kommunikation sei die assoziative Eigenlogik, die sich von der rational-argumentativen Vorgehensweise eines Textes unterscheidet, obwohl Text und Bild Müller zufolge durchaus in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Assoziationen sind allerdings vor allem aufgrund von Vorbildern erklärbar, „deren Bedeutungen analytisch dechiffrierbar und damit interpretierbar“ sind.[36]

Zugriffe, Methoden und Analysekontexte im Feld Visual History

Für das breit angelegte und multiperspektivische Forschungsprogramm der Visual History und Versuchen ihrer konkreten Ausgestaltung existieren sehr unterschiedliche Ansätze, die sich vielfach auf Konzepte und Verfahren in Nachbardisziplinen wie der Kunstgeschichte und der Soziologie bzw. auf transdisziplinäre Herangehensweisen wie die Diskursanalyse berufen und diese für die Annäherung an geschichtswissenschaftlich interessante Gegenstände weiterentwickeln, die sich im Sinne der Visual History untersuchen lassen. Die dabei diskutierten Bestandteile dieser Ansätze können theoretische Denkfiguren, Begriffskonzepte, Analyseperspektiven oder konkrete Methoden im engeren Sinne umfassen.

Während sich Paul Lengwiler für ein „doppeltes Bezugssystem“ ausspricht, welches einerseits das „Bildimmanente“ und gleichzeitig das historische und gesellschaftliche Umfeld untersuche,[37] sprechen sich Gerhard Paul und die Göttinger Historikerin Karin Hartewig für einen offenen, flexiblen, nicht-kanonisierten Methodenmix aus.[38]

Die Leistung historischer Studien, die visuelle Quellen nutzen, besteht in ihrer historischen Kontextualisierung. Jene Verfahren, die zur Analyse des Bildes notwendig sind, sind immer aus Nachbardisziplinen entliehen und werden den Bedürfnissen der Geschichtswissenschaft angepasst, was wiederum zeigt, dass die Geschichtswissenschaft keine genuinen Analysemethoden des Bildes entwickelt hat. Vielmehr sind jene Verfahren der Geschichtswissenschaft solche, die Bedeutungen visueller Quellen für Gesellschaft, Kultur und Ökonomie feststellen. Die Verwendung von fachfremden Methoden verpflichtet somit aber auch zur Auseinandersetzung mit den daraus entstehenden Tücken und Ergebnissen.[39]

Des Weiteren ist der Frage nachzugehen, wie Bilder zu Evidenz und Autorität gelangen. Mit Evidenz ist an dieser Stelle gemeint, dass Bildern teilweise große Authentizität beigemessen wird. Autorität ist als Eigenschaft zu verstehen, Maßstab von Verhalten sein zu können. Dem Porträt sagt man nach, genauer und verlässlicher etwas über das Aussehen einer Person zu vermitteln als es eine Beschreibung eines Textes könnte. Ebenfalls bietet das Porträt über den Dargestellten weitere und unmittelbare Information als sonstige Überlieferungsformen.[40] Am Beispiel des Porträts zeigt sich, wie hierfür zunächst das gewählte Medium verantwortlich sein kann. Ob eine Person sich in einem Gemälde oder in einer Fotographie darstellen lässt, sagt nämlich bereits etwas aus. Zudem ist auch die Kenntnis darüber, wer und weshalb eine Person ein Porträt anfertigen ließ, entscheidend. So ist die genannte Evidenz weniger dem Bild und dem Inhalt des Bildes zu verdanken, als genauer gesagt den Zuschreibungen verwendeter Techniken. Dazu ist Kontextwissen aus anderen Medien zeitgenössischer Beobachter erforderlich und macht den Zugang der Geschichtswissenschaft aus.[41]

a) Gerhard Paul: Grundsätzliche Zugriffe der Visual History auf Bilder

Gerhard Paul greift die Denkfigur eines interdisziplinären, methodisch breit gefächerten Arbeitens auf, da die Visual History keine fertigen Methoden anbiete, sondern vielmehr einen Rahmen darstelle, der zu ständigen Grenzüberschreitungen und experimentellen Herangehensweisen einlade.[42] Grundsätzlich sieht Paul die denkbaren Herangehensweisen an Bilder innerhalb dieses „Rahmens“ Visual History in einem möglichst umfassenden Zugriff auf bildliche Medien, der sich in der Geschichtswissenschaft zum Teil bereits etabliert habe, anderenteils aber noch entwickelt werden müsse. Auf drei grundsätzlichen Ebenen benennt Paul dabei Möglichkeiten, Bilder innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung zu thematisieren: Man könne sie als historische Quellen, als (kommunikative) Medien und schließlich als „generative“, also eigenständig wirkmächtige Kräfte“ auffassen.[43]

Auf der ersten Ebene, der der Quellen, sind ihmzufolge Bilder „vor allem in der Mediävistik und in der Geschichte der Frühen Neuzeit […] auf hohem Niveau als Quellen und Gegenstand historischer Erkenntnis genutzt“ worden.[44] Eine Ausweitung dieser grundsätzlichen Bereitschaft auf „bislang bildabstinente“ Forschungsbereiche geschieht dabe häufig mit dem Ziel, Bilder dem etablierten Quellenkanon hinzuzufügen, um zumeist kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschungsfragen nachzugehen. Bilder dienen in dieser Perspektive auch häufig als Quellen für „zeitgenössische Sichtweisen, für sozial und kulturell geformte Blickwinkel, als Deutungsmedien“.[45] Bildern wird Paul zufolge trotz deutlicher Forschungsdesiderate (etwa bei der mangelnden Berücksichtigung des auf das Bild selbst verweisenden „besonderen Eigensinn[s]“[46] oder einer erkennbaren Distanz gegenüber bewegten Bildern, also etwa filmischen Quellen[47]) eine steigende Aufmerksamkeit zuteil, was er als positive Entwicklung einstuft. Ähnlich beurteilt Paul den damit in der Praxis einhergehenden praktizierten Methodenpluralismus, der eine Kooperation mit unterschiedlicher disziplinärer Forschungskonzepte widerspiegele.[48]

Die zweite Ebene bei Paul ist diejenige, auf der Bilder vor allem als Medien betrachtet werden. In dieser Anschauung sind Bilder Paul zufolge vor allem durch ihre kommunikativen Funktionen gekennzeichnet, wobei auch ihre Berücksichtigung als einem „selbstreferenziellen ästhetischen System“ wichtig ist. Bildern kommt dabei eine sehr viel aktivere Rolle zuz; sie werden etwa als „Traditionsmotoren“ begriffen, „die eine bestimmte Deutung von Geschichte generieren und transportieren“. Bei der Analyse von Bildern aus dem wirtschaftlich-kommerziellen Raum, etwa in der Werbung, oder beispielsweise Bildern mit propagandistischer Funktion ergäben sich in dieser Perspektive wichtige Denkanstöße bezüglicher ihrer Funktionalität bei der „kollektiven Identitätsbildung“, die über eine Betrachtung von Bildern als historische Quellen im engeren Sinne hinausgingen.

Drittens schließlich sei es möglich und notwendig, Bilder auch in als eigenständige „generative Kräfte“ zu betrachten. Dies bedeutet, dass Bildern die Fähigkeit zugesprochen wird, selbst als geschichtserzeugende Größen wirksam zu werden: „Bilder sind indes mehr als Quellen, die auf einen Sachverhalt oder ein Ereignis außerhalb ihrer eigenen Existenz verweisen; sie sind mehr als Medien, die unter Nutzung ihres ästhetischen Potenzials Deutungen transportieren oder Sinn generieren; Bilder verfügen auch über die Fähigkeit, Realitäten zuallererst zu erzeugen.“[49] Paul spricht in diesem Zusammenhang in enger Anlehnung an Bredekamps Theorie vom „Bildakt“ davon, die„energetische und generative Potenz“ des Bildes in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, welche bislang zumeist zu wenig beachtet worden sei. Neben dem konkreten Bildinhalt, der möglichen Klassifizierbarkeit des Bildes oder seinen immanenten wie äußeren Zusammenhängen sei hier der performative und aktive Aspekt von Bedeutung, der sich etwa bei „markanten“ oder „provozierenden“ Bildern offenbart und deren Fähigkeit „individuelle bzw. kollektive Handlungen wie Schmerz und Protest auszulösen“.[50] Paul sieht vor allem auf dieser Ebene der Bildinterpretation eine Leerstelle in der geschichtswissenschaftlichen Forschung und fordert eine Öffnung gegenüber einer „historiografischen Bildakt-Forschung“, „die Bilder auch als Bildakte begreift, die selbst wiederum Geschichte generieren.“[51]

b) Heike Talkenberger: Geschichtswissenschaftliche Analysemethoden

Heike Talkenberger kategorisierte 1998 fünf Ansätze der geschichtswissenschaftlichen Bildanalyse, die flexibel miteinander kombiniert werden sollten. Gegenstände und der Aufbau eines Bildmotivs könnten mit dem Ansatz der realienkundliche Bildinformation untersucht und als Beispiele einer materiellen Kultur der Vergangenheit interpretiert werden. Allerdings blieben die Produktionsbedingungen, die Distribution oder die Rezeption der Bilder ausgeklammert. Anknüpfend an Panofsky stehe bei der Ikonographischen/ Ikonologischen Bildbetrachtung das Einzelbild im Zentrum. Die Komposition und ikonographischen Einzelheiten des Bildes würden als Symptom aufgefasst werden, welches menschliche Normen, Werte und kulturelle Vorstellungen einer Epoche erklären könne. Hier plädiert Talkenberger für eine seriell-ikonographische Bildbetrachtung, die zum einen auch „niedere Bildgattungen“ wie Flugblätter, Fotografien, Plakaten und Postkarten auswerte und zum anderen längere Zeiträume untersuche, um den Wandel gesellschaftlicher Einstellungen zu Motiv und Genre analysieren zu können. Die funktionsanalytische Bildbetrachtung könne den Stil, die Einbeziehung der Hintergrundinformationen zu Bildherstellung, Auftraggeber, Rezeption und gesellschaftlicher Funktion des Bildes untersuchen. Der semiotische Ansatz übersetze nach Talkenberger die visuellen Zeichen und Symbole im Bild und eigne sich, da er die Zeichenhaftigkeit des Bildes und seine kommunikative Funktion fokussiere, besonders für die Untersuchung von Kunstwerken oder Motiven, die in der Werbung eingesetzt werden. Mit dem rezeptionsästhetischen Ansatz kann die Frage, wie die Betrachter des Bildes dem Bild eine Bedeutung geben, untersucht werden.[52]

c) Panofsky/Warburg/Wohlfeil: Historische Bildkunde

Eine häufig zitierte Herangehensweise an die geschichtswissenschaftliche Bildanalyse und -interpretation stellt der Ansatz der Historischen Bildkunde, die Rainer Wohlfeil in den frühen 1980er Jahren in ihren Anfängen entwickelte und die sich in ihrem methodologischen Dreischrittschema an die Bildanalysen des Hamburger Kunst- und Kulturhistorikers Aby Warburg und seines Schülers Erwin Panofsky anlehnt.

Warburgs zentrales Anliegen in der „Ikonologie“ ist es, bildliche Inhalte als solche zum Gegenstand der Betrachtung zu erheben, anstatt sich auf eine Analyse von Stil und Form zu konzentrieren.[53] Panofsky entwickelte daraus das kunstgeschichtlich kanonisierte Modell des „ikonologischen Dreischritts“ (siehe auch Ikonologie). Der erste Schritt, die vor-ikonografische Beschreibung untersucht den stilgeschichtlichen Kontext eines Bildes, seinen Aufbau und die dargestellten Inhalte sowie einige Gestaltungsmerkmale hinsichtlich Farben und Lichteinsatz. Die ikonografische Analyse, der zweite Schritt, entschlüsselt das System innerer Bezüge und Bedeutungen im Bild unter Betonung der künstlerischen Intention. Der dritte Schritt, die ikonologische Interpretation, geht schließlich über das Bild hinaus und analysiert äußere, gesellschaftliche Bezüge, also die soziokulturelle Bedeutung des Bildes. Das Kunstwerk wird dabei als Widerspiegelung kultureller Verhältnisse und Deutungsmuster betrachtet.[54]

Obwohl das Modell Panofskys den historischen Kontext des Bildes weniger stark berücksichtigt, als es die Ikonologie Warburgs angedeutet hatte, wurde der methodische Dreischritt, wie auch Rainer Wohlfeil ihn in der Historischen Bildkunde verwendet, zu einem wichtigen Anknüpfungspunkt. Hierbei zeigt sich ausgeprägt die Verbindung von Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte in der bildanalytischen Theoriebildung. Wohlfeil schlug ebenfalls eine Untersuchung in drei Schritten vor: 1) vor-ikonologische Beschreibung, 2) ikonographisch-historische Analyse (welche wiederum in drei Schritten eine Analyse der ikonographischen Mittel, des Quellencharakters und der historischen, gesellschaftlich fundierten Entstehungs- und Wirkungskontexte des Bildes untersucht[55]) und 3) Erschließen des historischen Dokumentensinns. In diesem letzten Schritt soll das Bild als Element innerhalb einer durch die Geschichtswissenschaft zeitlich bestimmbaren Kultur und als „Ausdruck einer historischen Mentalität“[56] gedeutet werden. Dabei werden sowohl die sich im Bild niederschlagenden kulturellen Kontexte betrachtet als auch versucht, den Einfluss des Bildes auf ebendiese Kontexte zu klären.[57] Wohlfeils Verfahren legte seinen Fokus vor allem auf die geschichtswissenschaftliche Einbettung der Bildanalyse, übernahm für das Verfahren aber deutlich wichtige Denkmuster Panofskys.[58] Zentraler Aspekt der geschichtswissenschaftliche Herangehensweise gemäß dieser Form der Bildanalyse ist die Vorannahme, dass sich durch den historischen Dokumentensinn der Bilder ein Erkenntnisgewinn gegenüber anderen historischen Quellengattungen, etwa Text- und Sachquellen, ermöglichen lasse.[59]

d) Jens Jäger, Martin Knauer: Historische Bildforschung

Die Historische Bildforschung, welche von den Historikern Jens Jäger und Martin Knauer vorangetrieben wird, geht davon aus, dass die geschichtswissenschaftliche Bildforschung einen weit gefassten Begriff des Bildes voraussetzen muss, wenn sie die Bilder als Zeugnis gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Entwicklungen auszuwerten versucht. Die Historische Bildforschung befasst sich aber nur mit materiellen Bildern, was insbesondere metaphorische Bilder unberücksichtigt lässt, jedoch nicht einen vollständigen Ausschluss von mentalen Bildern meint, da beide Sphären nicht voneinander zu trennen sind. Denn alle Gemälde, Statuen, aber auch Filme sind im Zusammenhang mit mentalen Bildern entstanden, aber diese sind nicht historiografisch greifbar. Sie können zwar als Texte oder in anderen Medien vorliegen, aber inwieweit materielle Bilder Ausdruck mentaler Bilder sind, ist historisch nicht ausreichend erforscht.[60]

e) Diskurstheoretische Bildanalyseverfahren

Einen eigenständigen Weg beschreiten diskurs- bzw. dispositivanalytische Bildinterpretationsverfahren in Anknüpfung an zentrale Konzepte des poststrukturalistischen Philosophen Michel Foucault und die vielfältigen diskurstheoretischen Erweiterungen, wie sie zum Beispiel Jürgen Link und Siegfried Jäger unter dem Schlagwort einer kritischen Diskursanalyse entwickelt haben.

In einer Zusammenstellung der Diskussion einer kritischen Diskursanalyse von Bildern geben Sebastian Friedrich und Margarete Jäger an,[61] Vertreter einer diskurstheoretischen Bildanalyse sähen eine besondere Schwierigkeit darin, den Eindruck zu vermeiden, es gehe um eine auf Texte fixierte Diskursanalyse im herkömmlichen Verständnis, der Bilder schlicht „angehängt“ würden. Stattdessen werden ausdrücklich auf Bildformen ausgerichtete Analysemethoden mit diskurstheoretischer Ausrichtung angestrebt. Zentral sei nach Friedrich und Jäger dabei die Frage auszuhandeln, ob es sich bei Bildern um eine Vergegenständlichung von Wissen oder Wissen sui generis handele.

Während Foucault Bildlichkeit am Rande seines Werks und im Zusammenhang mit der Kunst recht allgemein thematisierte, versuchen daran anschließende Ansätze, wie ihn etwa Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser und Cornelia Renggli vertreten, Bilder als Elemente von Dispositiven im Foucaultschen Sinne aufzufassen. In einer Haltung, die institutionalisierte Macht/Wissen-Komplexe analysiere, gelte es, die „komplexen, sich wechselseitig bedingenden, miteinander interagierenden Verhältnisse zwischen Sichtbarem und Sagbarem ins analytische Visier“ zu nehmen.[62] Betont werde dabei die Wissen generierende und gesellschaftliche Realität konstruierende Kraft von Bildern und visuellen Diskurszeugnissen – insofern liegt eine enge Verbindung mit der von Gerhard Paul betonten Perspektive von Visual History vor. In Anlehnung an Formen der Gouvernementalitätsforschung sehen Vertreter diskurstheoretischer Bildansätze darüber hinaus die Möglichkeit, mit der Herausarbeitung der Normalisierungsfunktionen (Normalismustheorie) von Bildern deren Verflechtung mit Machtstrukturen produktiv zu analysieren (Torsten Mayerhauser).

Anwendungsbereiche

Visualisierung von Gewalt, Diktatur und Krieg im 20. Jahrhundert

Visuelle Praxis in der DDR

Technik- und Wissenschaftsgeschichte Untersuchung von Röntgenbildern, Infografiken, Statistiken, Karten und Börsenbarometern zu Schlussfolgerungen über die Veränderung der Selbstwahrnehmung und des Sehens

Historische Erziehungswissenschaft Seriell-ikonografische Fotoanalysen zur Ermittlung von Moralvorstellungen, Ritualen, Generationenverhältnisse und Veränderung von Erziehungswerten

Mentalitätsgeschichte Untersuchung von Urlaubsprospekten und privaten Fotoalben zur Analyse der Kulturgeschichte des Massentourismus

Lokal- und Regionalgeschichte

Beispiele für Fotografie und Comic:

Polizei- bzw. Kolonialfotografie des 19. Jahrhunderts (Jens Jäger)

Darstellung von Farbigen in den 1920/30ern (Henrick Stahr)

Visuelle Fremdheitskonstruktion von Ethnien und Geschichte (Oliver Näpel)

Literatur

  • Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1936]. In: Walter Benjamin]], Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1977, ISBN 3-518-10028-9, S. 7-44.
  • Horst Bredekamp: Bildakte als Zeugnis und Urteil. In: Monika Flacke (Hrsg.), Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3298-X, S. 29-66.
  • Christian Delporte, Laurent Gervereau, Denis Maréchal: Quelle est la place des images en histoire?. Nouveau Monde, Paris 2008, ISBN 978-2-84736-304-3.
  • Ulrich Hägele: Visual Anthropology oder Visuelle Kulturwissenschaft? Überlegungen zu Aspekten volkskundlicher Fotografie. In: Ulrich Hägele, Irene Ziehe (Hrsg.): Fotografien vom Alltag - Fotografieren als Alltag. (= Visuelle Kultur. Studien und Materalien. Band 1). LIT, Münster 2004, ISBN 978-3-8258-7159-8, S. 27-49.
  • Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser, Cornelia Renggli: Bild-Diskurs-Analyse. In: Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser, Cornelia Renggli (Hrsg.): Bilder als Diskurse – Bilddiskurse. Velbrück, Weilerswist 2006, ISBN 978-3-9388-0819-1, S. 7-26.
  • Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser, Cornelia Renggli (Hrsg.): Bilder als Diskurse. Bilddiskurse. Velbrück, Weilerswist 2006, ISBN 978-3-9388-0819-1.
  • Nicholas Mirzoeff (Hrsg.): The Visual Culture Reader. Routledge, New York 2013, ISBN 978-0-415-62055-0 (EA London 1998).
  • Derrick Price, Liz Wells: Thinking about photography: debates, historically and now. In: Liz Wells (Hrsg.): Photography: A critical introduction. 4. Auflage. Taylor & Francis Ltd., London, New York 2009, ISBN 978-0-4154-6087-3, S. 9-63.
  • Rolf Reichardt: Bild- und Mediengeschichte. In: Joachim Eibach, Günther Lottes (Hrsg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-8252-2271-3, S. 219-230.
  • Marita Sturken, Lisa Cartwright: Practices of Looking: An Introduction to Visual Culture. 2. Auflage. Oxford Univ. Press, New York u. a. 2009, ISBN 978-0-19-531440-3.
  • Reinhard Wendler: Visuelle Kompetenz und das Jahrhundert der Bilder. In: Neue Politische Literatur. 54, 2009, ISSN 0028-3320, S. 181-189.
  • Gabriele Wimböck: Die Autorität des Bildes - Perspektiven für eine Geschichte vom Bild in der Frühen Neuzeit. In: Frank Büttner, Gabriele Wimböck (Hrsg.): Das Bild als Autorität. Die normierende Kraft des Bildes. LIT Verlag, Münster 2004, ISBN 3-8258-8425-2, S. 9-43.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Gerhard Paul (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 26.
  2. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden. Orell Füssli, Zürich 2011, S. 131.
  3. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeigeschichte 13. März 2014, S. 5., abgerufen am 15.03.2015.
  4. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Gerhard Paul (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 10f.
  5. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Gerhard Paul. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 10.
  6. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Gerhard Paul (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 27.
  7. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 131-133.
  8. Gabriele Wimböck: Die Autorität des Bildes …. In: Frank Büttner, Gabriele Wimböck (Hg.), Das Bild als Autorität. Die normierende Kraft des Bildes, Münster 2006, S. 9-43.
  9. Jäger, Jens Jäger: Fotografie und Geschichte, Frankfurt/M. 2009, S. 14.
  10. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 26.
  11. Habbo Knoch: Renaissance der Bildanalyse in der Neuen Kulturgeschichte, in: Die Sichtbarkeit der Geschichte. Beitrag zu einer Historiographie der Bilder, hg für H-Artist und H-Soz-u-Kult von Matthias Brun / Karsten Borgmann (Historisches Forum Bd. 5), Berlin 2005. http://edoc.hu-berlin.de/e_histfor/5/PHP/Beitraege_5-2005.php#393 (abgerufen am 01.September 2014).
  12. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 3. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  13. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 4. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  14. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 28.
  15. Jäger, Jens Jäger: Fotografie und Geschichte, Frankfurt/M. 2009, S. 14f.
  16. Jäger, Jens Jäger: Fotografie und Geschichte, Frankfurt/M. 2009, S. 16.
  17. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 9.
  18. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 28.
  19. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 144.
  20. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 22. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  21. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 23. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  22. Vgl. Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003, S. 18. Vgl. auch Gerhard Paul: Visual History (2006), S. 11f.
  23. Siehe auch Ikonische Wende.
  24. W.J.T. Mitchell: Iconology. Image, Text, Ideology, Chicago-London 1987, S. 9-14. vgl. dazu zusammenfassend Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003, S. 18.
  25. Vgl. W.J.T. Mitchell: Iconology. Image, Text, Ideology, Chicago-London 1987, S. 9-14. vgl. dazu zusammenfassend Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003, S. 19.
  26. Vgl. http://www.iconicturn.de/2007/05/bilderfragen/#more-194.
  27. Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierung in den Kulturwissenschaften. 4. Auflage. Hamburg 2010, S. 329.
  28. Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierung in den Kulturwissenschaften. 4. Auflage. Hamburg 2010, S. 336.
  29. Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, S. 11 f.
  30. Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, S. 12.
  31. Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, S. 54.
  32. Christine Brocks: Bildquellen der Neuzeit, Paderborn 2012, S. 13.
  33. Christine Brocks: Bildquellen der Neuzeit, Paderborn 2012, S. 14.
  34. Christine Brocks: Bildquellen der Neuzeit, Paderborn 2012, S. 15.
  35. Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003, S. 20.
  36. Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003, S. 22.
  37. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 147.
  38. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 7. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  39. Jens Jäger; Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 15.
  40. Jens Jäger; Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 16.
  41. Jens Jäger; Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 16.
  42. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 26f.
  43. Jüngst ausgeführt in Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 6. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf. Vgl. die Gliederung des Beitrags, in dem zu allen drei Ebenen Ausführungen folgen.
  44. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 6. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  45. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 6. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  46. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 12. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  47. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 11. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  48. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 7f. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  49. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 21. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  50. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 21. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  51. Vgl. Gerhard Paul: Visual History, Version: 3.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, S. 23f. URL: http://docupedia.de/docupedia/images/3/38/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul.pdf (abgerufen am 10.März 2015).
  52. Vgl. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 9f.
  53. Vgl. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 134.
  54. Vgl. zum Dreischritt exemplarisch Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 141.
  55. Ralph Andrascheck-Holzer: Historische Bildkunde – Geschichte, Methoden, Ausblick, in: WZGN 6 (2006), S. 6-20, hier: S. 12.
  56. Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 140.
  57. Vgl. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 9 und Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 137 u. 140f.
  58. Vgl. Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), VisualHistory. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 9 und Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historische Methoden, Zürich 2011, S. 137 u. 140f.
  59. Ralph Andrascheck-Holzer: Historische Bildkunde – Geschichte, Methoden, Ausblick, in: WZGN 6 (2006), S. 6-20, hier: S. 11.
  60. Jens Jäger; Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 17.
  61. Sebastian Friedrich; Margarete Jäger: Die Kritische Diskursanalyse und die Bilder. Methodologische und methodische Überlegungen zu einer Erweiterung der Werkzeugkiste. In: DISS-Journal. Zeitung des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) 21 (2011). Online im Internet. URL: http://www.diss-duisburg.de/download/dissjournal-dl/diss-journal-21-2011.pdf (Abrufdatum 10.01.2015), S. 14-16.
  62. Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser, Cornelia Renggli: Bild-Diskurs-Analyse, in: Dies. (Hrsg.): Bilder als Diskurse – Bilddiskurse, Weilerswist 2006, S. 7-26, hier: S. 8.

Kategorie:Geschichtswissenschaft