Slavoj Žižek

slowenischer Philosoph, Psychoanalytiker und Kulturkritiker
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. Mai 2003 um 18:44 Uhr durch 143.93.17.21 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Slavoj Žižek (* 21. März 1949, Ljubljana) ist ein aus Slowenien stammender Psychoanalytiker und Philosoph, der in seiner Heimatstadt Ljubljana Philosophieprofessor ist, mit zahlreichen Gastprofessuren im Ausland. 1990 war er Präsidentschaftskandidat in der Republik Slowenien. Er ist ein Interpret Jacques Lacans und schreibt über zahllose Themen wie Fundamentalismus und den bürgerlichen Toleranzbegriff, political correctness, Globalisierung, Subjektwerdung, Menschenrechte, Lenin, Mythos, Cyberspace, "Multikulti" und Alfred Hitchcock.

Seine Texte kreisen um Identitäten, Identitätsbildung und ihre wechselnden Beziehungen zu den sie umgebenden Geflechten aus dem Symbolischen und dem Imaginären. Mit der Erweiterung auf das Reale übernimmt er ein triadisches Modell, nämlich das der Psychoanalyse Lacans. Für die Produktion von Realität sind Angst, Begehren oder ähnliche Vorgänge im Unsichtbaren bedeutend und auch handlungsanweisend. Das Symbolische, wie etwa die soziale Ordnung, wird von Lacan auch der große Andere genannt. Das Allgemeine offenbart sich im Partikularen, dem "Symptom", so wie bei Freud etwa die Versprecher das Eigentliche enthüllen.

Das Unbewusste, das die Struktur einer Sprache hat, richtet sich nach einem bestimmten Objekt der Begierde aus. Diese Objekte sind zufällig, sie müssen aber in einen Rahmen passen, damit wir sie begehren können. Sie haben bestimmte Eigenschaften, eine dieser Eigenschaften ist, dass das Objekt sich uns entzieht. Das Begehren, so könnte man mit Luis Buńuel formulieren, hat stets "obskure Objekte".

Dieses Objekt ist das Symptom des Menschen, es kann aber auch das Gegenteil sein "Fetisch" werden. Er schreibt über den Fetisch, der gewissermaßen das Gegenteil des Symptoms ist. Dieser strukturiert als Lebenslüge unser ganzes Leben, um es aufrechtzuerhalten. Der Fetisch ist Verkörperung einer Lüge, die es uns ermöglicht, eine unerträgliche Wahrheit auszuhalten (Žižek 2000). Dieser sei das Reale (im Lacanschen Sinne) selbst - ein isoliertes Objekt, das Lacansche Objekt a, dessen faszinierende und bedeutungsvolle Präsenz das strukturale Reale, die soziale Ordnung gewährleistet. Dieses Reale ermöglicht es einen Abstand zur gewöhnlichen Realität zu gewinnen: man führt ein Objekt ein, das keinen Platz in ihr hat, nicht benennbar oder anders symbolisierbar ist, etwa die Photocollage der Geliebten in dem Film Die Truman-Show. Žižek meint, dass jede symbolische Struktur ein Element enthalten muss, welches das Moment ihrer Unmöglichkeit verkörpert, um das herum sie gegliedert ist. Dieses ist gleichzeitig unmöglich und real (in seiner Wirkung). Das Symptom hingegen ist die Wiederkehr der unterdrückten Wahrheit in anderer Form.

Žižek hat dieses Objekt a, das Hitchcock auch MacGuffin nennt so erklärt: „MacGuffin ist eindeutig objet petit a: der Mangel, das Überbleibsel des Realen, das die symbolische Bewegung der Interpretation in Gang setzt, eine Lücke im Zentrum der symbolischen Ordnung, der blosse Anschein eines zu erklärenden, zu interpretierenden 'Geheimnisses'."; in: „Liebe dein Symptom wie dich selbst", Berlin 1991, S.58.

Insbesondere widmet sich Žižek der Postmoderne, die die Psychoanalyse mit neuen Fragen konfrontiert: aufgrund des Wegfalls der "patriarchalisch" strukturierten Gesellschaft und fest gefügten, autoritären Ordnungsmustern, gerät nämlich ein wichtiger Baustein der Psychoanalyse, der Ödipuskomplex ins Wanken.

Ideologie setzt sich immer aus zwei Seiten einer Medaille zusammen: aus den von einem politischen System öffentlich verkündeten Werten und der so genannten "verdeckten Kehrseite" einem schmutzigen Geheimnis, das sind die implizit mittransportierten Werte und Prämissen einer Ideologie, die aber, damit eine Ideologie funktionieren und sich reproduzieren kann, unausgesprochen bleiben müssen. All diesen ideologisch geprägten, phantasmatischen Formen des Leugnens oder Ausweichens hält Žižek das Ziel der Psychoanalyse entgegen, das darin besteht, das "Phantasma zu durchqueren", das Trugbild zu durchschreiten, dessen symptomatische Formation die Beschaffenheit des Subjektes erhält, und zum Kern des Genießens vorzudringen.

Im Bereich der Wirtschaft plädiert er heute für eine "Politisierung der Ökonomie": "Der 'tolerante' multikulturelle Ansatz vermeidet..." als Dogma der heutigen 'liberalen' Gesellschaft "... die entscheidende Frage: wie können wir den politischen Raum wieder in die heutigen Bedingungen der Globalisierung einführen?"

Im Bereich der politischen Entscheidungsfindung im Rahmen einer Demokratie, kritisiert er das in manchen Ländern herrschende Zwei-Parteien-System, als Politikform einer post-politischen Ära, als Erscheinung einer Wahlmöglichkeit, die es im Grunde gar nicht gibt[1].

Werke

  • Žižek, Slavoj (1991): Liebe Dein Symptom wie Dich selbst! Jacques Lacans Psychoanalyse und die Medien
  • - (1992): Mehr-Geniessen, Lacan in der Populärkultur, Wo Es war 1
  • - (1992): Der Erhabenste aller Hysteriker. Psychoanalyse und die Philosophie des deutschen Idealismus
  • - (1993): Grimassen des Realen. Jacques Lacan oder die Monstrosität des Aktes
  • - (1995): Hegel mit Lacan
  • - (1997): Die Pest der Phantasmen
  • - (1998): Die Nacht der Welt. Psychoanalyse und Deutscher Idealismus
  • - (1998): Das Unbehagen im Subjekt
  • - (1999): Liebe Deinen Nächsten? Nein, Danke! Die Sackgasse des Sozialen in der Postmoderne
  • - (2000): Das Vermögen der Fetischisten
  • - (2001): Die Tücke des Subjekts