Geistiges Eigentum

all jenes Wissen und Kulturgut, welches sich ein Mensch selbstständig erarbeitet hat
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Immaterielle Monopolrechte oder Geistiges Eigentum beziehen sich auf durch den Staat gewährte Exklusivrechte auf immaterielle Güter. Dabei werden jedem außer dem Rechteinhaber oder Lizenznehmer Verbote bezüglich Verwendung, Nachahmung oder Kopie auferlegt. Solche Rechte entstanden größtenteils erst in der Neuzeit, vor allem ab dem 18. Jahrhundert.

Von Kritikern wird der aus dem US-amerikanischen übersetzte Begriff Geistiges Eigentum (engl.: Intellectual Property), der von der WIPO geprägt wurde, als irreführende Propaganda angesehen, weshalb von ihnen der Begriff immaterielle Monopolrechte verwendet wird. In der Juristischen Lehre wird von Immaterialgüterrecht gesprochen. Üblich ist auch der Terminus Exklusionsrechte (übertragen von engl. exclusivity rights).

Folgende sehr unterschiedliche und miteinader konkurrierende Rechte werden unter geistigem Eigentum vereinigt:

  • Urheberrecht, das dem Besitzer u.a. ein Exklusivrecht zur Kontrolle der Vervielfältigung von Werken wie Büchern oder Musik für einen bestimmten Zeitraum gewährt.
  • Patente, staatlich verliehene Monopolrechte, die dem ersten Anmelder ein Exklusivrecht zur Benutzung einer Erfindung für einen bestimmten Zeitraum gewähren.
  • Handelsmarken, -namen oder Phrasen, die zur eindeutigen Identifikation von Produkten durch Konsumenten eingesetzt werden.
  • Geschütztes Design
  • Geschäftsgeheimnisse, bei denen ein Unternehmen Informationen geheim hält, etwa aufgrund eines Vertrages, der die Weitergabe von Informationen an Dritte untersagt.

Diese Rechte oder sich daraus ergebende Rechte, die teilweise durch Gesetze und internationale Abkommen geschützt sind, werden in der Regel lizenziert, manchmal auch auf andere Weise weitergegeben, was den Vorgängen Verkauf, Vermietung oder in manchen Ländern sogar Erbe nahekommt. Typischerweise unterliegen diese Rechte Einschränkungen durch Rechte der Allgemeinheit, wie etwa das Zitierrecht für urheberrechtlich geschützte Werke, das Recht, Forschung ohne patentrechtliche Einschränkungen betreiben zu dürfen, das Recht von Künstlern auf Parodien oder das Grundrecht der Informationsfreiheit.

Einfache Verdeutlichung des Unterschieds

  • Wenn jemand etwas materielles stiehlt, hat es der vorherige Besitzer nicht mehr.
  • Wenn man etwas kopiert, hat es der andere der es vorher hatte halt nicht mehr allein.
  • Hat man etwas materielles verloren, ist es weg.
  • Hat man was immaterielles verloren, kann es sein, dass man es wiederbekommen kann, wenn es noch jemand hat.
  • geistige Werke gehen nach einer Bestimmten Zeit ins "Eigentum" der Allgemeinheit über. Patente laufen nach 20 Jahren aus.
  • Technische Schutzrechte und Marken gelten nicht weltweit, sondern nur dort, wo der Anmelder Schutz haben will und entsprechend Gebühren dafür zahlt.

Es gibt einen Grund, warum Patente und Urheberrechte nur für eine bestimmte Zeit gelten, warum z.B. eine Patentverletzung keine kriminelle Straftat ist und warum das Anfertigen einer nicht genehmigten Kopie nicht wie ein Einbruch mit Diebstahl bestraft wird: Die Schutzrechte des geistigen Eigentums knüpfen an eine individuelle Leistung an, die mit dem ausschließlichen Nutzungsrecht belohnt werden soll. Der Originalitätswert dieser Leistung vermindert sich aber mit der Zeit, z.B. bei Patenten durch technischen Fortschritt. Der Patentinhaber hat es in der Hand, sein Patent, wenn es technisch überholt ist, auch vor Ablauf von 20 Jahren erlöschen zu lassen, statt bis zum Ende Gebühren zu zahlen.

Die territoriale Begrenzung insbesondere von Patenten ist damit begründet, dass der Anmelder sich rechtzeitig - maximal ein Jahr nach der ersten Anmeldung -überlegen soll, in welchen Ländern er seine Erfindung vermarkten will. In den anderen Ländern soll seine Erfindung - die in jedem Fall veröffentlicht wird - der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Nachträgliche Schutzausdehnungen sind im Interesse der Rechtssicherheit für die Öffentlichkeit nicht möglich.

Einfache Verdeutlichung der Gemeinsamkeiten

  • Was jederzeit frei verfügbar ist, unterliegt keinem Eigentum: Atemluft, grundsätzlich. Ebenso allgemeines Fachwissen, allgemeine Erkenntnisse.
  • Was jemand durch besonderen Aufwand verfügbar macht, kann privatem Eigentum unterliegen: Atemluft in Druckbehältern, die Dritten gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wird. Ebenso spezielles technisches know-how, auf das zuvor noch niemand gegekommen ist, dessen Nutzung Dritten gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wird.
  • Was zwar dem Privateigentum unterliegt, kann dennoch Beschränkungen unterliegen: "Notwegerecht" bei Grundstücken, wenn ein Nachbar sein Eigentum nur über das eines anderen erreichen kann; Zwangslizenzen und Benutzungsanordnungen, wenn ein patentgeschütztes Know-How im Interesse der Allgemeinheit genutzt werden muss (zB bestimmte Medikamente).
  • Materielles wie geistiges Eigentum gibt kein unbeschränktes Nutzungsrecht, sondern vor allem das Recht, andere von unberechtigter Nutzung auszuschließen: Mein Auto darf ohne meine Erlaubnis niemand außer mir benutzen -- aber ich darf trotzdem keine gesperrte Straße befahren. Ich muss die allgemeinen Gesetze beachten. Meine patentierte gentechnische Methode darf ohne meine Erlaubnis niemand außer mir verwenden -- aber ich darf trotzdem nicht gegen Gentechnik- und Embryonenschutzgesetz verstoßen. Ich muss die allgemeinen Gesetze beachten.

Reflexion des Begriffs: Geistiges Eigentum

Die Grundlage jeder rationalen Diskussion sind klare Begriffsdefinitionen. Den Vertretern, z.B. der Patentlobby und der Medienkonzerne liegt aber nicht unbedingt an einer rationalen Diskussion, sondern wie jeder Firma an der Wahrung und Mehrung ihres Besitzstandes.

Der Begriff des geistigen "Eigentums" hat wie oben dargelegt sehr wenig mit dem klassichen Eigentumsbegriff zu tun.

Eigentum im klassischen Sinn bedeutet Verfügungsgewalt über einen konkreten Gegenstand. Nicht mehr und nicht weniger. Ein Haus oder ein Auto besitzen heißt nicht, dass man jedem anderen Menschen den Besitz eines identischen Hauses oder Autos verwehren kann (selbst wenn der Plan gestohlen wurde oder das Haus nachgebaut wurde, kann man höchstens Schadenersatz verlangen, aber nicht, dass der andere sein Haus einreißt). Klassisches Eigentum ist also keine besonders große Einschränkung der Freiheit von anderen Menschen, ist in gewissen Grenzen in allen menschlichen Kulturen der Geschichte anerkannt gewesen, und läßt sich auch relativ einfach durchsetzen.

Dagegen ist z.B. ein Patent ein staatlich gewährtes Monopol, z.B. auf eine Idee oder ein Verfahren. Wenn jemand z.B. eine Idee oder ein Verfahren besitzt, darf jemand, der unabhängig auf die gleiche Idee kommt oder dasselbe Verfahren ausarbeitet, dieses nicht kommerziell verwenden.

Wenn jemand also unreflektiert Begriffe wie "geistiges Eigentum" oder "Softwarepiraterie" verwendet, so hat er entweder unreflektiert die Begriffsdefinition der Patentlobby übernommen, oder er hat einen Hintergedanken.

Der zweite Grund, warum der Begriff kritisch gesehen werden kann ist, daß er suggeriert, daß es sich um "eine Sache" handelt, die man wie jede andere Sache auch besitzen kann; dabei handelt es sich aber eben nicht um eine Sache, sondern um Monopolrechte.

Im Bereich des Urheberrechts wird von Medienkonzernen gerne von "Piraterie" statt von "Urheberrechtsverletzung" gesprochen, obwohl echte Piraterie ein Gewaltdelikt ist, Urheberrechtsverletzung dagegen in den allermeisten Fällen keine Gewaltdelikte beinhaltet.

Rechtsgelehrte sprechen, wenn sie diese Art Rechte global ansprechen, von Immaterialgüterrecht.

Im Englischen spricht man von Intellectual Property Rights oder ironischerweise von Intellectual Appropriation Rights (appropriation heißt Aneignung), wobei sich Appropriation auf die Copyright-Laufzeit beziehen kann, die jeweils immer dann verlängert wird, wenn z.B. Mickey Mouse droht, nicht nur kulturell, sondern auch rechtlich zum Allgemeingut zu werden.

Da diese Rechte aber sehr unterschiedlich sind, ist es wann immer möglich am besten über die konkreten Rechte, z.B. Patente, Urheberrecht, Markenrecht, geografische Kennzeichnungen, Gebrauchsmuster, Netzmaskenrecht, Schutz von Pflanzenzüchtungen usw. zu sprechen.

In den USA gibt es im Bereich von Software sogar einen Konflikt zwischen Copyright und dem Software-Patent, z.B. kann ein unabhängig entwickeltes und damit voll dem Copyright des Authors unterstehendes Programm Patente eines Wettbewerbers verletzen, was es illegal und damit wertlos machen kann. In Europa konnten Software-Patente bisher größtenteils durch diverse Öffentlichkeitswirksame Aktionen von Freiwilligengruppen verhindert werden, die Lobby der großen und sehr großen Computerfirmen drängt aber weiterhin das Europaparlament, solche Patente zu erlauben.

Siehe auch: TRIPS, Eigentum, Allmende, Open Content, Freie Software

Kritiker von ausufernden Rechten: