Kendō (japanisch: 剣道<けんどう>, koreanisch: 검도 bzw. Kumdo, deutsch: Schwertweg) ist eine abgewandelte, moderne Art des ursprünglichen japanischen Schwertkampfes (Kenjutsu = Schwertkunst), wie ihn Samurai erlernten und lebten. Kendô, als Weg, verfolgt nicht nur die Techniken und Taktiken des Schwertkampfes, sondern auch die geistige Ausbildung. Die Übenden sollen durch Kendō vor allem Charakterfestigkeit, Entschlossenheit und moralische Stärke erlangen.
Die Entwicklung des Kendô
Der Ursprung
Obwohl traditionell ist Kendo immer einem gewissen Wandel unterworfen. Kendo wie es heute betrieben wird gibt es im Groben seit etwa 150 Jahren. Manche Ursprünge sind weit älter und manche Änderungen sind noch relativ jung. Oft wird die Geschichte des Kendô mit der Geschichte des Schwertkampfes in Japan gleichgesetzt, was unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs des Wortes Kendô in der japanischen Sprache nicht falsch ist. Im Folgenden wird nur auf die Entwicklungs des modernen Kendô eingegangen.
Die Entwicklung wurde von verschiendene historischen Schwertschulen beeinflußt. Es ist heute nicht mehr bis ins letzte Detail nachzuvollziehen, welche Kenjutsu Ryû alle an der Entwicklung beteiligt waren, aber ein paar Schlüsseleinflüsse sind heute allgemein anerkannt.
- Die Einführung des Begriffs "Kendô" geht bis zum Beginn des 18. Jhd zurück. Damit wurde indiziert, daß neben der eigentlichen Technik durch Kendô ein gewisser Lebensweg zu verfolgen ist. (Abetate-Ryu)
- Einen der wesentlichen Einflüsse sagt man Naganuma Shirozaemon nach, der um 1715 eine Schutzausrüstung und das Shinai, welches zum Teil das Bokutô ablößte erfunden haben soll. (Jiki-Shinkage-Ryu)
- Nakanishi Chuta hat das durch seinen Vogänger, Ono Chuichi, verwendete Fukuro Shinai Mitte des 18. Jhd. verbessert und erschuf das Vier-Segment-Shinai (Yotsuwari-Shinai) in ähnlicher Form in der es heute noch verwendet wird. Die Schutzausrüstung entwickelte sich in der Zeit mehr und mehr zu dem heute noch verwendeten Bogu. (Itto-Ryu)
- Mit dem Ende des Tokugawa Shôgunats 1867, welches immerhin über zwei Jahrhunderte überdauerte, wurde die Kriegerkaste abgeschaft. Anstatt der Samurai wurde Kendô nun überwiegend von den Polizeikräften ausgeübt.
- Kendô wurde 1911 in japanischen Schulen als Pflichtfach eingeführt und verbreitete sich dadurch überall. Kritiker sagen, dass man Kendô benutzte, um aus japanischen Jungen bessere Soldaten im Dienste des Kaisers zu machen.
- Die Dai-Nippon Teikoku Kendo Kata, welche im wesentlichen der heutigen Nihon Kendô Kata entspricht, wurde 1912 entwickelt, um eine Vereinheitlichung zu bewirken. Dabei wurde sich sehr an den Formen der Schwertschulen orientiert, die das Ende des Shôgunats überdauerten und sie weißt z.B. gewisse Ähnlichkeiten mit der Kata des Shinkage-Ryu auf.
- Nach dem zweiten Weltkrieg wurden viele Kampfkünste in Japan verboten. Mit der Aufhebung dieses Verbots 1952 wurde der Alljapanische Kendoverband (Zen Nihon Kendô Renmei) gegrundet. Von diesem Verband aus wird Kendô erhalten und vereinheitlicht und gegebenfalls kleine Änderungen (z.B. in der Kata) gesteuert.
Kendo im modernen Japan
Kendô wird in Japan heute sehr intensiv betrieben. Neben Sumo und Baseball ist es wohl eine der beliebtesten Sportarten überhaupt. Sehr verbreitet ist Kendô als Schulsport und Universitätssport. Viele jüngere Japaner verspüren allerdings gewisse Abneigungen gegenüber den strengen und alt anmutenden Regeln im Kendô. Große Förderung erfährt Kendô durch den Polizeisport. Polizisten die sich dem Kendô verschreiben, können täglich, manchmal mehrmals täglich, als Teil ihres Dienstes trainieren, was einer der Gründe ist, warum japanische Kendolehrer zwar sehr Professionel sind, aber ihr Geld nicht mit Kendô verdienen.
Kendo in Europa
Seit 1974 gibt es Europäische Meisterschaften die damals zum ersten mal in Bletchley, England stattfanden. Nach Deutschland kam Kendô Mitte der sechziger Jahre und fand zunächst unter Judô-Ausübenden erste Anhänger. Eine ähnliche Entwicklung ist heute beim Naginatadô (auch Naginata-arashi) in Deutschland zu beobachten, welches seine Anhänger vorwiegend unter Kendôka findet. Kendô erfreut sich in Europa zunehmender Beliebtheit, wenn auch vergleichsweise Amateurhaft im Gegensatz zum japanischen Kendô. Dafür verantwortlich sind unter anderem Filme wie Last Samurai und Kitanos Zatôichi.
Die Ausrüstung
Kleidung
Die traditionelle Bekleidung beim Kendō besteht aus der Hakama und dem Keiko-Gi. Die komplette Kleidung ist meist durch eine Färbung mit Indigo in einem dunklen Blau gehalten. Dieser pflanzliche Wirkstoff hat blutstillende Eigenschaften. Selten wird weiße Kleidung als Symbol spiritueller Reinheit verwendet.
Bogu: Die Rüstung
Die Schutzausrüstung besteht aus einem Kopfschutz (面, Men), dem Schutz für Hände und Vorderarme (甲手, Kote), einem Rumpfschutz (胴, Dō) und dem Lendenschutz (垂, Tare). Im Kendō-Wettkampf ist es das Ziel, mit dem Shinai eine der vier festgelegten Trefferzonen Kopf, Vorderarme, Rumpf oder Kehle zu treffen. Farbe und Musterung des Bauchteils des Rumpfschutzes und die des Kopftuchs (Tenugui) sind dagegen dem Geschmack des Kendokas überlassen.
Siehe auch Bogu.
Schwertattrappen
Während im damaligen Japan das Kenjutsu (剣術,die praktisch ausgerichtete Fertigkeit des Schwertkampfes) meist mit echten Waffen oder schweren Holzschwertern (木刀, Bokutō seltener auch 木剣, Bokken) geübt wurde, wird heute Kendō in der Regel mit Schutzanzügen (Bogu) und Übungsschwertern aus vier Bambus-Lamellen (竹刀, Shinai) geübt. Einige Kendoka bevorzugen auch das Karbon-Shinai, welches wesentlich stabiler, biegsamer aber auch entsprechend teurer ist. Durch diese Veränderungen in der Ausrüstung wurde das Verletzungsrisiko erheblich verringert.
Kendô Praxis
Kihon: Die Kendô-Grundlagen
Technik
Kihon-waza nennt man die Grundübungen beim Kendô. Dazu gehört die Fußarbeit (Ashisabaki) und die Schlagübungen (Suburi), die man ohne Partner üben kann. Beim Kendô werden folgende Suburi in verschiedenen Variationen, manchmal auch einhändig (Katate), geübt.
- Yogeburi (der große Schlag)
- Nanameburi (der schräge, große Schlag)
- Shomenuchi (der kleine Schlag)
- Sayumen (der schräge, kleine Schlag)
- Hayasuburi (schnelle Suburi)
Eine weitere wesentliche Grundübung, die aber mit Partner geübt wird, stellt das Kirikaeshi dar.
Innere Einstellung
Die innere Einstellung ist beim Kendô sehr wichtig und unterscheidet sich gravierend von anderen Arten des Budô, wie zum Beispiel dem Aikidô. Im Aikidô, wo die Energie des Gegners gegen ihn verwendet wird, wartet man auf den Angriff des Gegners. Beim Kendô gibt es keine echten Verteidigungen. Wenn überhaupt wird hier auf den Gegner ein geistiger Druck (Seme) ausgeübt und zum Schlagen provoziert. Da dieser Schlag erwartet wird, kann eine Kontertechnik (Ôjiwaza) erfolgen. Ein anderer Ansatz des Angriffs sind die sog. Shikagewaza. Durch diese Techniken wird die Haltung des Gegners gebrochen, damit dem eigenen Schlag nichts im Wege steht und auch keine Kontertechnik erfolgen kann.
Im Moment des Schlages darf nicht gezögert werden, da sonst der Schlag nicht mit voller Überzeugungskraft ausgeführt wird. Es ist nicht wichtig, ob man selber getroffen wird, sondern entscheidend ist der eigene Schlag. Auch im Wettkampf (Shiai) sollte dies die richtige Einstellung sein, denn:
Wer verteidigt, verpasst die Gelegenheit zum Angriff!
Kiai
Der Kiai-Ruf ist beim "Shinaikendō" nicht vorgegeben. Zur Einschüchterung des Gegners und zum Aufbau eigener Spannung darf man seinen eigenen Kampfschrei nach Belieben entwickeln und anwenden. Eine Ausnahme bildet das ki ai während des Schlages. Hierbei muss man die entsprechende Trefferfläche in dem Moment ausrufen, in dem das Shinai auf selbige auftrifft (siehe oben ki-ken-tai-ichi). Bei den Kata wird nicht bei jedem Schlag geschrien. Lediglich die ersten Schläge der einzelnen Formen müssen vom Uchidachi mit „Ya!“, vom Shidachi mit „To!“ begleitet werden.
Ki ken tai ichi
Ein wichtiger Aspekt des Kendō ist das ki-ken-tai-ichi (気剣体一), die Einheit von Geist (symbolisiert durch das ki ai, den Schrei also), Körper (symbolisiert durch den fumikomi-ashi, einen sprungähnlichen Stampfschritt) und Schwert. Ein Schlag ist im Kendō nur dann gültig, wenn er mit Überzeugung ausgeführt wird und ki ai, fumikomi-ashi und Auftreffen des Shinai im selben Augenblick stattfinden. Verallgemeinernd kann man sagen, dass beim Kendō „aus der Hüfte“ und nicht, wie oft fälschlich angenommen, hauptsächlich mit den Armen geschlagen wird.
Bei der Kata, dem Kirikaeshi und bei manchen Grundübungen wird statt dem Fumikomiashi auch Tsugiashi verwendet. Bei diesem gleitenden Schritt ist der entscheidende Moment der, bei dem die Zehnen des linken Fußes auf der Höhe des rechten Hacken zum stehen kommen.
Shiai: Der Wettkampf
Der Wettkampf stellt den wesentlichen Unterschied von Kendô zu den traditionellen, japanischen Schwertstilen dar. Es gibt Meisterschaften auf allen Ebenen als Einzel- oder Mannschaftsmeisterschaften. Ein paar der bedeutensten Meisterschaften sind:
- All Japanische Meisterschaft
- Japansische High-School Meisterschaft
- Japansiche Universitätsmeisterschaft
- Weltmeisterschaft
- Europameisterschaft
Frauen haben getrennte Meisterschaften, werden aber in Europa bei kleineren Turnieren aufgrund von Teilnehmermangel oft in die selbe Gruppe mit Männern gesteckt.
Siehe auch Kendo-Wettkampf
Kata: Die Formen
Neben dem Wettkampf und dem Training mit dem Shinai gibt es die Kata, der einzige Verwendungsbereich von Bokuto bzw. Katana im heutigen Kendō. Dies sind von 2 Personen ohne Rüstung vorgeführte Techniken, die bestimmten zeremoniellen Formen, wie beispielsweise das An- und Abgrüßen, unterliegen. Alle von den beiden Personen zu machenden Aktionen sind fest in Art und Reihenfolge festgeschrieben. Bei den Kata gibt es immer einen Lehrer (Uchidachi) und einen Schüler (Shidachi). Der Lehrer führt grundsätzlich immer den ersten Schlag aus, der Schüler immer den letzten, der ihn zum „Sieger“ macht. Es kommt bei den Kata aber selbstverständlich nicht auf das „gewinnen“ an, sondern auf eine möglichst saubere und flüssige Ausführung der Techniken. Daher sind Kata sehr nützlich zum Trainieren und Verfeinern der einzelnen Techniken. Ähnlich dem Lektionieren beim Fechten.
Die Nihon-Kendo-Kata wurde vor etwas über 100 Jahren aus den Formen verschieder alter japanischer Fechtstile (Kenjutsu Koryû) zusammengestellt und wird noch heute geübt. Eine andere moderne Form stellen die Kihon-Kendo-Kata dar, in denen Grundtechniken geübt werden und die in Kendôkreisen immer populärer wird.
Grade
Im Deutschen Kendobund (DKenB) gibt es sechs Schülergrade (Kyu-Grade) beginnend mit dem 6. Kyu, als niedrigsten und enden mit dem 1. Kyu als höchstem Grad. Anschliessend beginnen die eigendlichen Graduierungen (Dan-Grade). Beim Kendô ist der 8. Dan (Hachidan) der höchste in einer Prüfung zu erlangende Grad. Diese Prüfung wird zwei mal pro Jahr in Japan abgehalten und es bestehen weniger als 1% der Teilnehmer. Ein neunter Dan wird nur sehr selten und nur ehrenhalber Vergeben, manchmal auch erst nach dem Tot eines Kendôka.
Weiterhin gibt es noch Lehrer-Grade/Titel (Shogo):
- Renshi (ab 6.Dan möglich) frühstens 1 Jahr nach der Prüfung zum 6. Dan.
- Kyoshi (ab 7.Dan möglich) frühstens 2 Jahre nach der Prüfung zum 7. Dan.
- Hanshi (ab 8. Dan möglich).
Die Mindestabstände zwischen den Prüfungen betragen nach der Prüfungsordnung des DKenB für Schülergrade jeweils ein halbes Jahr. Die Prüfung zum 1. Dan darf man ein Jahr nach der letzten Prüfung ablegen. Alle weiteren Prüfungen erfordern eine Wartezeit vom aktuellen Dan-Grad in Jahren, wobei man die Wartezeit trainierend verbringen sollte, da man sonst die Prüfung nicht bestehen wird.
Die jeweilige Graduierung eines Kendôka ist an der Kleidung nicht erkennbar.
Verschiedenes
Musashi
Der wohl im Westen berühmteste Schwertkämpfer ist der Autodidakt Miyamoto Musashi (1584–1645), dessen Stil Niten Ichiryū (二天一流, Zwei Himmel – Ein System) auf das gleichzeitige Benutzen von zwei Schwertern zurückführt. Er schrieb sein Wissen um die Schwertkampfkunst im Gorin no Shō (五輪書, Buch der Fünf Ringe) nieder. Dieses Buch gilt als der immer noch aktuelle Klassiker unter den Schwertkampfbüchern. Hierbei handelt es sich allerdings keinesfalls um ein technisches Handbuch, welches auf die einzelnen Kampftechniken eingeht, sondern vielmehr um eine Sammlung von taktischen Überlegungen und Ansichten über die grundlegenden Einstellung eines Kriegers zum Kampf auf geistiger Ebene.
Literatur
- Kotaro Oshima, Kozo Ando: Kendo. Lehrbuch des japanischen Schwertkampfes. Berlin: Weinmann, 2003, ISBN 3-87892-037-7
- Hiroshi Ozawa: Kendo – The definitive Guide. (New York 1997), Kodansha International Ltd., ISBN 4-7700-2119-4
- Junzo Sasamori, Gordon Warner: Das ist Kendo ... die japanische Fechtkunst. (Berlin 2002), Weinmann, ISBN 3-87892-025-3
- Inoue, Yoshihiko: Kendo Kata: Essence and Application. Kendo World Publications, 2003 ISBN 4-9901694-1-7