Linzer Programm (Sozialdemokratie)

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Im Linzer Programm vom 3. November 1926 zeigt sich die österreichischen Sozialdemokraten klassenkämpferisch und marxistisch. Das Programm bietet in gewissem Sinne die theoretische Grundlage für den Österreichischen Bürgerkrieg (Februaraufstand). Als Hauptverfasser gilt Otto Bauer.

Inhalt

Die Errungenschaften der Ersten Republik werden ausdrücklich anerkannt, da durch sie politische Privilegien abgeschafft und der Arbeiterklasse "politische Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit"" gegeben wurde, jedoch wird kritisiert, dass die Bourgeoisie durch wirtschaftliche Macht und Tradition noch die Herrschaft über gesellschaftliche Institutionen habe. Eine eventuelle Kooperation mit der Burgeoisie wird als höchstens temporärer Zustand bezeichnet, da die Klassengegensätze unaufhebbar seien - in diesem Punkt wird der zu den Ideen eines Ständestaats konträre Standpunkt am deutlichsten, der von der Aufhebung der Klassengegensätze durch die Unterteilung der Gesellschaft in Berufsstände ausgeht.

Die Demokratie sollte nach der im Linzer Programm angestrebten "Eroberung der Herrschaft in der demokratischen Republik" nicht aufgehoben, sondern in den "Dienst der Arbeiterschaft" gestellt werden, um Großkapital und Großgrundbesitz zu enteignen und die Produktions- und Tauschmittel in den "Gemeinbesitz des ganzen Volkes zu überführen".

Da eine monarchistische oder faschistische Gegenrevolution erwartet wird, wird es für notwendig gehalten, die Arbeiteklasse in "ständiger organisierter geistiger und physischer Bereitschaft zur Verteidigung der Republik" zu halten, um mit den Mitteln der Demokratie die "Klassenherrschaft der Burgeoisie zu brechen".

Sollte es jedoch der Burgeoisie gelingen, in einer Gegenrevolution die Demokratie zu zerstören, so behielt man sich ausdrücklich die Möglichkeit eines Bürgerkrieges vor.

Konzepte

Des Weiteren enthielt das Programm eine Reihe moderner, teilweise basisdemokratischer aber auch liberaler praxisorientierter Ideen, so zum Beispiel:

  • Abschaffung des Bundesstaates zu Gunsten einer demokratischen Lokalverwaltung
  • Wahl von Richtern durch das Volk
  • Asylrecht für politische Flüchtlinge
  • Eine Aufhebung internationaler Schutzzölle
  • Beseitigung bürokratischer Hindernisse
  • Ausbau des Mieterschutzes
  • Verstärkung staatlicher Einflüsse zur Bekämpfung von Monopolen
  • Gemeinnütziger Wohnungsbau
  • Abbau von Verbrauchsteuern, Schaffung steuerfreier Minima, dagegen Ausbau eines progressiven Steuersystems
  • Betriebliche Mitbestimmungsrechte
  • Ausbau der sozialen Sicherungssysteme
  • Gleichberechtigung der Frauen
  • Aufklärung über und Bereitstellung von Verhütungsmethoden durch die Krankenkassen
  • Schutz von Schwangeren
  • Unentgeltlichkeit und Demokratisieung des Schulwesens
  • Ausdehnung der Schulpflicht, Schülerhöchstzahlen
  • Förderung Begabter aller Klassen beim Besuch höherer Schulen
  • Religionsfreiheit (Betrachtung von Religion als Privatsache)
  • Aber: Bekämfung authoritärer religiöser Institutionen
  • Völlige Trennung von Kirche und Staat
  • Förderung von Volkssport und Volksbildung

Das Linzer Programm bekennt sich eindeutig zum im Marxismus, besonders im Kommunistischen Manifest vertretenen Geschichtsdeterminismus, der besagt, dass der Übergang des Kapitalismus zum Sozialismus (und später zum Kommunismus eine geschichtliche Notwendigkeit sei. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass ein solcher Übergang nur im Zusammenhang mit ähnlichen Entwicklungen in anderen Ländern von Statten gehen kann - eine These, die im Übrigen auch Leo Trotzki vertrat.

Sozialistische Internationale

Des Weiteren bekannte man sich zur sozialistischen Internationale, zum Selbstbestimmungsrecht der Völker und zum Anschluss Österreichs an die deutsche Republik, eine Idee, die bei der Machtergreifung Hitlers wieder verworfen wurde. Außerdem sprach man sich gegen jede Form von kriegerischen Handlungen und die Einmischung von ausländischem Großkapital aus.

Der Völkerbund wird als "Kampfboden des Klassenkampfes" bezeichnet, Tendenzen, die ihn zum "Werkzeug der Verteidigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung" werden lassen, kritisiert und eine Demokratisierung sowie der Eintritt aller Völker gefordert.

Wirkung auf politische Gegner

Das Linzer Programm wirkte als Fanal. Aufgrund der revolutionären Formulierungen wurde es als Aufruf zum Klassenkampf verstanden und von den politischen Gegnern auch dahingehend propagandistisch ausgeschlachtet. Vor allem den Heimwehren gelang es daraus Profit zu schlagen, in der Folge des Linzer Programms erfreute sich die Bewegung regen Zustroms aus der Bevölkerung.