Phenprocoumon

organische Verbindung, Antikoagulans, Arzneistoff
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Phenprocoumon (Handelsname Marcumar® oder Falithrom®) ist ein Arzneistoff, der zur Hemmung der plasmatischen Blutgerinnung eingesetzt wird. Die beiden Medikamente werden der Wirkstoffklasse der Cumarine zu geordnet.

Anwendung

Phenprocoumon wird im Rahmen der Thrombose-Prophylaxe, nach der Implantation künstlicher Herzklappen oder bei bestimmten Herzrhythmusstörungen eingesetzt, um der Thrombusbildung und daraus resultierenden Embolien vorzubeugen. Auch zur Verhütung venöser Thrombosen und der Lungenembolie ist Phenprocoumon im Gebrauch. Für die Reinfarkt-Prophylaxe wird nicht mehr Phenprocoumon eingesetzt, sondern Clopidogrel und ASS.

Wirkung

Phenprocoumon hemmt die Synthese der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren in der Leber, wobei die nötige Gamma-Carboxylierung der Glutamylseitenketten nicht mehr möglich ist.
Die Faktoren II, VII, IX und X werden zwar ins Blut abgegeben, sind aber nicht funktionstüchtig. Die Wirkung setzt erst ein, wenn die noch vorhandenen Gerinnungsfaktoren verbraucht sind (nach etwa 48-72 Stunden). Daher kommt es im Notfall nicht zur Anwendung, sondern erst im weiteren Verlauf einer Erkrankung.

Nebenwirkungen

Gelegentlich treten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Diarrhoe, Verstopfung, verstärkter Haarausfall (bildet sich wieder zurück), Abnahme der Knochendichte bei langfristiger Therapie, Blutergüsse und Blutungen auf. Sehr selten wurde eine livide Verfärbung der Haut, erythematöse Dermatitis oder eine akute Urtikaria beobachtet. Einzelne Fälle von Riechstörungen wurden beobachtet, auch die Frakturheilung kann möglicherweise längern dauern. Erwähnt werden sollte vielleicht auch die kutane Cumarinnekrose (tritt im Promillebereich auf), von der meist postmenopausale, adipöse Frauen betroffen sind.

Aufhebung der Wirkung

Nach dem Absetzen des Medikamentes dauert es 10-14 Tage, bis die für eine normal funktionierende Gerinnung nötigen Gerinnungsfaktoren synthetisiert wurden. Diese Zeit kann durch die hochdosierte Gabe von Vitamin K auf 6-10 Stunden verkürzt werden, im Notfall können die fehlenden Gerinnungsfaktoren durch die Gabe eines Gerinnungsfaktorenkonzentrates (PPSB) auch kurzfristig ersetzt werden.
Während der Einstellungsphase von etwa 5-7 Tagen wird dem Patienten täglich Blut zur Kontrolle abgenommen und danach seine nächste Marcumar-Dosierung festgelegt, bis der Zielwert erreicht ist. Ebenso sollte das Absetzen des Medikaments unter ärztlicher Kontrolle vorgenommen werden, bis das Blut seine normalen Gerinnungswerte erreicht hat.

Kontraindikationen

Kontraindikationen sind unter anderem therapieresistente Hypertonie, diabetische Retinopathie, bakterielle Endokarditis, gastrointestinale Läsionen (Ulcera, Divertikel, Polypen, Tumoren, Ösophagusvarizen), Schädel-Hirn-Trauma, intracerebrale Aneurysmen, größere Operationen in den letzten zwei Wochen, Schwangerschaft und Alkoholismus.

Anwendungstipps

Patienten, denen Marcumar verabreicht wird, erhalten einen „Marcumar-Pass“ zum Mitführen, damit im Notfall die eingeschränkte Gerinnungssituation erkennbar ist, selbst wenn der Patient nicht ansprechbar sein sollte. In einem solchen Pass muss nach jeder Blutkontrolle der aktuelle Quickwert oder INR-Wert eingetragen werden; auch die aktuelle verordnete Dosierung sollte stets auf dem aktuellen Stand sein. Ebenso ist in diesem Pass ein Ziel-Quick oder Ziel-INR vermerkt, auf den der Patient eingestellt ist.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung weist in einer Stellungnahme vom 2. Juni 1998 darauf hin, dass es bei Einnahme von Marcumar keiner besonderer Diät bedarf. Insbesondere die Empfehlungen auf Kohl, grünes Blattgemüse und Leber zu verzichten, beruht auf einer veralteten Datenlage.

Erlaubte Analgetika, Antiphlogistika und Sedativa

Marcumar-Patienten sollten auf Selbstmedikation, insbesondere mit Analgetika verzichten; ASS (Aspirin®) ist somit tabu. Erlaubt sind jedoch:

  • Analgetika: Opiate, Metamizol (Novalgin®), Paracetamol (Benuron®);
  • Antiphlogistika: Diclofenac (Voltaren®), Ibuprofen (Brufen®);
  • Sedativa: Diazepam (Valium®), Nitrazepam (Mogandan®), Chlordiazepoxid (Librium®);

Therapeutischer Bereich

Im allgemeinen wird die Dosis des Marcumars über die Gerinnungswerte (alt: Quickwert; neu: INR) festgelegt. Selten ist eine Spiegelbestimmung notwendig. Will man eine Marcumareinnahme beweisen oder widerlegen, ist eine Spiegelbestimmung sinnvoll. Der therapeutische Blutspiegel liegt zwischen 1,0 und 3,0 mg/dl.
So kann man zum Beispiel bei einer Marcumarüberdosierung (Quickwert: 5%) einen Phenprocoumonspiegel von 7,5 mg/dl feststellen.

Da Quickwerte, die in verschiedenen Labors bestimmt wurden, nicht unbedingt vergleichbar sind, gibt es eine methodenunabhängige Größe der WHO, den "International Normalized Ratio" (INR-Wert).

Beide Werte, Quickwert, sowie INR-Wert, drücken aus, wie aktiv das Gewebsthromboplastins ist, welches für die Blutgerinnung zuständig ist. Beispiel: Ein INR-Wert von 5 besagt, dass das Blut fünfmal langsamer gerinnt, ein Quickwert von 80 % dass die Aktivität des Thromboplastins 80 % der Aktivität von normalem Blut beträgt.

Wirkmechanismus und Nebenwirkungsmechanismus siehe: Cumarine.

Siehe auch


  • [1] Marcumar-Information
  • [2] Marcumar-Information (netdoktor.de)
  • [3] Marcumar-Information
  • [4] Marcumar-Information
  • [5] Quick- und INR-Wert