Ostfriesland

Region an der deutschen Nordseeküste im Norden des Landes Niedersachsen
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Ostfriesland ist eine gewachsene, relativ homogene Landschaftsgegend im Nordwesten Niedersachsens mit kulturellen Eigenheiten. Ostfriesland umfasst nach landläufiger Ansicht das Gebiet der ostfriesischen Halbinsel zwischen Ems- und Jademündung mit den vorgelagerten Inseln von Wilhelmshaven im Osten, der Nordsee im Norden bis zu den Niederlanden im Westen. Dies entspricht dem geografischen Ostfriesland, das allerdings nicht mit dem politischen Landkreis, eher dem kulturell-historischen übereinstimmt. Politisch bezeichnet Ostfriesland heute das Gebiet ohne das oldenburgische Friesland (Landkreis Friesland mit Zentrum Jever), den Ostteil der Halbinsel samt der Insel Wangerooge und das von Preußen aufgebaute Wilhelmshaven, sondern die Landkreise Aurich, Leer und Wittmund, sowie die kreisfreie Stadt Emden. Die Begrenzung nach Süden bildet der oldenburger sowie der stark katholisch geprägte cloppenburgisch-emsländische Raum. Eine Sonderrolle spielt hier das Saterland. Es gehört zwar kulturhistorisch und sprachgeschichtlich zu Ostfriesland, kam aber aufgrund seiner isolierten Lage schon früh unter den Einfluss des Bistums Münster, während Ostfriesland dem Bistum Bremen unterstellt war. Diese Trennung aus der Zeit des Spätmittelalters wirkt sich bis in die Gegenwart hinein aus.

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Wappen Ostfrieslands

Ostfriesen fühlen sich als Teil der friesischen Kultur, als Friesen, die zwischen den Nationalstaaten der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks die Nordseeküste bewohnen.

Die jahrhundertelange Isolation durch die Nordsee im Norden und Moore im Süden bedingte eine sehr eigenständige Entwicklung Ostfrieslands. Deshalb gibt es noch heute einen schwachen Hang zum Separatismus.

Landschaft

Auf den Inseln finden wir ausgeprägte Dünenlandschaften von Sanddünen, deren teilweise künstlich geförderter Bewuchs - hauptsächlich Strandhafer - das Wandern, d.h. den Abtrag mit nachfolgender Neuentstehung an anderer Stelle bzw. die Verlagerung verhindern soll.

Zwischen den Inseln und dem Festland befindet sich das Wattenmeer, ein einzigartiges Biotop, das seine Entstehung den Gezeiten verdankt indem es bei Ebbe weitgehend trocken fällt, bei Flut dagegen völlig unter Wasser liegt. Das Wattenmeer ist durchzogen von Prilen, über die das Wasser ab- oder zuströmt.

An vielen Stellen folgen dem Watt Salzwiesen, die nur noch gelegentlich bei besonders hohem Wasserstand ganz oder teilweise überflutet werden. Auch diese bilden einen ganz eigenen Lebensraum, der besonders durch eine eigenwillige Pflanzengesellschaftz geprägt ist, deren Pionierpflanze der Queller ist.

Um etwa 1000 u.Z. begannen die Menschen, sich durch Deiche gegen die Nordseefluten zu schützen. Dennoch kam es im Zuge großer Flutkatastrophen immer wieder zu teilweise erheblichen Landverlusten. Im Gegenzug aber begannen schon bald die Menschen, Neuland aus dem Meer zu gewinnen. Es entstanden sogenannte Polder.

Der Küstenraum des Festlandes ist Marschland, das weiter landeinwärts in Niederungsmoor, Geest und (Hoch-)Moore übergeht.

An Mooren zu nennen ist insbesondere das Gebiet um das Ewige Meer, bei der Ortschaft Eversmeer. Zahlreiche weitere Moorflächen, die Reste der ehemals großen Moore darstellen, und darin gelegene kleinere Seen wie z.B. das Lengener Meer sind heute ebenfalls Schutzgebiete. In jüngerer Zeit wurde vielfach durch Wiedervernässungsmaßnahmen der ursprüngliche Charakter zurückgewonnen nachdem diese Flächen über lange Zeit wegen ihrer Insellage inmitten von Kulturland stark entwässert und anschließend verbuscht waren.

Die Geest ist weitgehend auf sandigem Grund aufliegendes anthropogenes Kulturland.

Nach Auflösung der Allmende entstand dank der den Bauern auferlegten Pflicht, ihre Parzellen abzugrenzen und das Ausbrechen des Weideviehs zu verhindern, die typische Wallheckenlandschaft mit kleinen Weideflächen, die von busch- und baumbestandenen Erdwällen umgeben sind, deren Zugangsöffnungen mit den ebenso typischen grob gezimmerten Holztoren (Platt: hek) verschlossen werden.

Heutzutage findet man in Ostfriesland auch durchaus respektable Wald- bzw. Forstgebiete. In früherer Zeit dagegen waren größere geschlossene Waldbestände dort weitgehend unbekannt.

Man findet in Ostfriesland auch eine größere Anzahl natürlicher Seen deren größter das sog. "Große Meer" bei Bedekaspel, Gemeinde Südbrookmerland, ist.

Besiedlung

Früheste Siedlungsnachweise finden sich für jungpaläolithische Rentierjäger der Hamburger Kultur. Es folgen Nachweise mesolithischer Besiedlung und später neolithischer Siedlungen der Glockenbecherkultur, der Megalithkultur und der Schnurkeramiker. Für spätere Zeit ist die Siedlung germanischer Stämme aus dem Großverband der Ingwäonen nachgewiesen. Das waren Chauken und Friesen. Während ursprünglich Chauken das Gebiet zwischen Ems und Weser bewohnten, begannen etwa um die Zeitenwende Friesen in diesen Raum vorzudringen. Die Chauken wurden von diesen teils verdrängt, teils in deren Stammesverband aufgesogen. Seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert werden die Chauken nicht mehr erwähnt. Von der Landseite her drängten derweil sächsische Stämme in die Geestgebiete vor. Die späteren Ostfriesen gingen aus der Mischung dieser Bevölkerungsgruppen hervor. Im frühen Mittelalter war eine Besiedelung nur in höher gelegenen Geestgebieten und auf so genannten Warften (Erdhügel) im regelmäßig von der Nordsee überfluteten Marschland möglich. Erst der Deichbau (ab ca. 1000 n.Chr.) ermöglichte es den Friesen die gesamte Marsch zu besiedeln ("Gott schuf das Meer, der Friese die Deiche").

Geschichte

Nach der nur archäologisch zu erhellenden Vorgeschichte erschließt sich die Frühgeschichte Ostfrieslands teils über die Archäologie, teils über fremde z.B. römische Quellen. Klarer sieht man erst ab der frühkarolingischen Zeit. Damals existierte ein friesisches Großreich, das weite Teile des heutigen Westfriesland, Ostfriesland und Gebiete bis zur Weser umschloss und von Königen beherrscht wurde, deren Namen teilweise überliefert sind.

Unter Karl d. Großen wurde Ostfriesland in zwei Grafschaften geteilt. Zu dieser Zeit setzte auch die Christianisierung durch die Missionare Liudger und Willehad ein. Ostfriesland wurde dann zum Teil dem Bistum Bremen, zum anderen dem Bistum Münster zugeschlagen.

Mit dem Verfall des Karolingerreiches löste sich Ostfriesland aus den früheren Bindungen und es entstand ein Verbund selbständiger, selbst verwalteter Bezirke, die jeweils jährlich als ihre Vertreter so genannte "Redjeven" (Rechtsprecher, Ratsmänner) wählten, die sowohl die Gerichtsbarkeit ausübten als auch die Verwaltung und Organisation ihrer Bezirke regelten. So blieb der im Mittelalter in Europa verbreitete Feudalismus in Ostfriesland unbekannt. Vielmehr verstanden sich die Friesen als freie Menschen, die keiner Obrigkeit verpflichtet waren.

Alljährlich versammelten sich während dieser Zeit der so genannten Friesischen Freiheit, die vom 12. bis ins 14. Jahrhundert währte, Abgesandte der 7 friesischen Seelande am Upstalsboom nahe Aurich, um dort Recht zu sprechen und politische Entscheidungen von überregionaler Bedeutung zu treffen.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts zerfiel die Redjeven-Verfassung zusehends und weitere Ereignisse wie z.B. der Ausbruch der Pest und große Sturmflutkatastrophen sorgten für weitere Destabilisierung der Verhältnisse. Diese Situation machten sich dann einige einflussreiche Familien zu Nutze und schufen ein Herrschaftssystem indem sie als "Häuptlinge" (hovedlinge) die Macht über mehr oder weniger weite Gebiete an sich rissen. Dabei etablierten sie aber weiterhin kein Feudalsystem wie es im übrigen Europa zu finden war, sondern eher ein Gefolgschaftssystem, das älteren Herrschaftsformen germanischer Kulturen im Norden ähnelte indem die Bewohner der jeweiligen Machtbereiche zwar in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Häuptling standen, diesem verschiedentlich verpflichtet waren, im Übrigen aber ihre Freiheit behielten und sich auch anderweitig niederlassen konnten.

Es folgte eine Zeit, geprägt vom ständigen Streit der Häuptlingssippen um Machtbereiche, Einfluss und Vorherrschaft, die erst endete, als Ulrich Cirksena, ein Angehöriger eines der letzten einflussreichen Häuptlingsgeschlechter von Kaiser Friedrich III. in den Reichsgrafenstand erhoben wurde und er mit Ostfriesland als Reichsgrafschaft belehnt wurde.

Unter der Herrschaft des später in den Fürstenstand erhobenen Hauses Cirksena entwickelte sich Ostfriesland gesellschaftlich und wirtschaftlich vorteilhaft. Die größte Ausdehnung erreichte die Grafschaft unter Edzard dem Großen, dem bedeutendsten Cirksena-Herrscher, unter dessen Herrschaft auch die Ausbreitung der Reformation in Ostfriesland begann. In dieser Zeit (1547 - 1625) lebte auch Ubbo Emmius, der bedeutende ostfriesische Humanist, Historiker und Gründungsrektor der Universität Groningen.

Während des Dreißigjährigen Krieges litt Ostfriesland große Not unter der Heimsuchung durch die Truppen des Grafen von Mansfeld.

Nachdem die Ordnung wiederhergestellt war, kam es zu einer unvergleichlichen Machtentfaltung der ostfriesischen Stände, die sich damit weitgehend unabhängig vom jeweiligen Landesherrn machten. Dies führte zu vielen Streitfällen aber der Versuch, die landesherrliche Macht wiederherzustellen schlug fehl. Aus der damaligen Vertretung der ostfriesischen Stände ging später die Ostfriesische Landschaft hervor, die noch heute deren Wappen führt, sich inzwischen aber von einer politischen Institution zu einer Einrichtung der Kulturpflege gewandelt hat.

Nach dem Tode des letzten Herrschers aus dem Hause Cirksena übernahm Friedrich der Große die Grafschaft Ostfriesland. Die nun folgende Zeit preußischer Herrschaft brachte für Ostfriesland einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung, verstärkte Öffnung nach außen und vielerlei Neuerungen. In diese Zeit fällt auch der Beginn der Moorkolonisierung und die Gründung der Fehnsiedlungen.

Nach der Schlacht von Jena fiel Ostfriesland an Frankreich und wurde als Departement in das Königreich Holland eingegliedert. Als die Franzosen nach der Schlacht von Leipzig wieder abzogen, wurde Ostfriesland noch einmal für kurze Zeit preußisch, wurde aber auf dem Wiener Kongress an das Königreich Hannover abgetreten. Die dann folgende Zeit war geprägt von Stillstand und teilweisem Rückschritt. Deshalb waren die Ostfriesen froh, als ihr Land 1866 wieder preußisch wurde und sich daraus tatsächlich umgehend ein Entwicklungsschub ergab.

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Ostfriesland auf einer älteren Ansichtskarte

Über die Zeit des Nationalsozialismus in Ostfriesland finden sich umfangreiche Darstellungen, die die besondere Problematik und die zum Teil sehr unterschiedlichen Reaktionen und Verhaltensweisen in der Region beleuchten. Es würde den Rahmen sprengen, das an dieser Stelle weiter ausführen zu wollen.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem besonders die Stadt Emden und das preußische Wilhelmshaven unter heftigem Bombardement gelitten hat, geriet Ostfriesland unter britische Besatzung.

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist Ostfriesland Teil des neugegründeten Landes Niedersachsen.

Sprache und Kultur

Bis zum 18. Jhdt. war die ursprüngliche Sprache Friesisch weitgehend durch das (ostfriesische) Plattdeutsch abgelöst, das in Ostfriesland noch heute von mehr als der Hälfte der Bevölkerung aktiv gesprochen wird. Ostfriesisch, das in zwei Varianten - einer ems- und einer weserfriesischen Form existierte - überlebte etwas länger auf den Inseln, z.B. auf Wangerooge und ist bis heute erhalten im nicht zu Ostfriesland gehörenden Saterland, das in früherer Zeit abgewanderten Ostfriesen als Zuflucht diente, wo sich die Sprache als Saterfriesisch (Seeltersk) wegen der Abgelegenheit der Region bis in die Gegenwart erhalten konnte und heute eine der kleinsten Sprachinseln Europas bildet.

Kulturelle Besonderheiten Ostfrieslands sind der sprichwörtliche hohe Teekonsum (80% des dt. Konsums), eigene Sportarten wie Boßeln, Klootschießen und Pulsstockspringen und besondere Festtagsbräuche wie z.B. das Aufstellen des Maibaums am Vorabend des 1. Mai (das in eine große eurasische Traditionslinie gehört, in Ostfriesland aber eine eigene Form und eigene Regeln ausgeprägt hat), das Brautpfadlegen zu Himmelfahrt, das Martinisingen und andere. Einige besondere Traditionen haben sich zudem auf den ostfriesischen Inseln erhalten.

Die Typische Form des ostfriesischen Bauernhauses ist das Gulfhaus.

Wirtschaft

Immer wieder im Laufe der Geschichte haben sich in Ostfriesland Zeiten relativer Armut mit Phasen relativen wirtschaftlichen Aufschwungs abgelöst wobei insbesondere im Küstenraum, wo eine kleine Schicht wohlhabender Hofbesitzer einem kopfstarken ländlichen Proletariat gegenüberstand, häufig ein erhebliches Sozialgefälle festzustellen war.

Als Reaktion auf die ärmlichen Verhältnisse suchten junge Leute vielfach als Wanderarbeiter z.B. in den Niederlanden ein Auskommen oder verließen ihre Heimat ganz. Viele Ostfriesen wanderten z.B. in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, wo noch heute ein starker Gemeinschaftssinn zu finden ist. Insbesondere die Älteren sprechen dort heute noch Ostfriesisches Platt.

Zu allen Zeiten war der Haupterwerbszweig die Landwirtschaft. An der Küste zudem noch Fisch- und Granat(Krabben)fang.

Auch wenn das äußerlich wenig ins Auge fällt, gehört Ostfriesland heute zu den strukturschwächsten Regionen Deutschlands mit einer durchweg hohen Arbeitslosenquote und ausgeprägter Tendenz zur Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen. Einige Gemeinden sehen sich bereits mit erheblichen strukturellen Problemen aufgrund der zunehmenden Überalterung der Wohnbevölkerung konfrontiert.

Dennoch gehört mit einzelnen Ausnahmeorten Ostfriesland zu den geburtenstärksten Regionen Deutschlands so dass entgegen dem allgemeinen Trend die Bevölkerungszahl aktuell noch steigt. Auch Gewinne durch Zuwanderung sind zu verzeichnen. Dies gleicht statistisch zwar Abwanderungsverluste aus, reduziert aber nicht die Probleme. Für die nachwachsende Generation bestehen erheblich Mängel im Bildungs- und Ausbildungsangebot. Für Mitbürger nichtdeutscher Herkunft gibt es allenfalls geringe Integrationsförderung. Zuwanderer sind vielfach Rentner, die Ostfriesland von früheren Urlaubsaufenthalten kennen und sich nach Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsleben dort niederlassen.

Die Haupterwerbsquellen sind Landwirtschaft und Fremdenverkehr. Die Region ist wenig industrialisiert. Industrielle Zentren von einiger Bedeutung finden sich lediglich in den Hafenstädten Emden und Wilhelmshaven. Der größte Industriekomplex der Region und damit der bedeutendste Arbeitgeber ist das Volkswagenwerk in Emden.


Ostfriesland ist touristisch bekannt durch die ostfriesischen Inseln Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog und Spiekeroog. Die Insel Wangerooge gehört zum Landkreis Friesland mit Sitz in Jever, ist also Oldenburger Gebiet.

Landestypische Nutztiere

Ostfriesland hat als vordringlich landwirtschaftlich orientierte Region einige eigenständige Nutztierrassen hervorgebracht. Hervorzuheben sind dabei das Ostfriesenpferd, das Ostfriesische Milchschaf, das mittlerweile nur noch in wenigen reinen Exemplaren vertretene schwarzbunte Rind und die Emder Gans sowie die Hühnerrasse "Ostfriesische Möwen" in verschiedenen Farbschlägen. Das zum Typ des Niederungsviehs gehörende schwarzbunte Rind gehört zu den bedrohten alten Rassen. Es wurde seit langem durch Hochleistungszuchten wie die sog. Holstein Friesian, eine in den USA entstandene Hybridrasse, verdrängt.

Bekannte Ostfriesen

Wissenschaftler

Politiker

Künstler

Sonstige

Städte und Gemeinden in Ostfriesland

Siehe auch: Friesland, Westfriesland