Ein Fallwindkraftwerk oder Abwindkraftwerk ist eine nirgends realisierte Wärmekraftmaschine zur Nutzung der geringen Temperaturdifferenz, die durch Verdunsten von Wasser in warmer, trockener Umgebungsluft bewirkt werden kann. Die am oberen Ende eines hohen Kamins gekühlte und deshalb dichtere Luft bewirkt am unteren Ende gegenüber der Außenluft einen Überdruck. Turbinen entnehmen dem künstlichen Fallwind Energie zur Stromproduktion.
Der Kraftwerkstyp wurde 1975 von dem amerikanischen Ingenieur Phillip Carlson beschrieben und patentiert. Seit den 1990er Jahren bemüht sich insbesondere der Israeli Dan Zaslavsky vom Technion Institut in Haifa um die Weiterentwicklung und Realisierung dieser Technologie.[1]
Auslegung
Das verdunstende Wasser entzieht der Luft Wärme. Unterhalb der Zone, in der die versprühten Tropfen verdunsten, nimmt die Temperatur innen wie außen mit dem trockenadiabatischen Temperaturgradienten nach unten zu. Die Luft tritt mit nahezu unveränderter Temperaturdifferenz gegenüber der Außenluft in die Turbine(n) ein, wird dort isentrop entspannt und tritt mit einer größeren Temperaturdifferenz aus. Der damit verbundene Verlust nimmt mit der Bauhöhe ab. Trotz monumentaler Bauhöhe bleibt der Wirkungsgrad aber deutlich unter dem (geringen, theoretischen) Wirkungsgrad, den ein Carnotscher Kreisprozess im gleichen Temperaturbereich hätte. Dazu trägt auch der Energiebedarf der Pumpen für das zu verdunstende Wasser bei, der bei den projektierten Anlagen etwa ein Drittel der Bruttoleistung beträgt.
Mit steigender Bauhöhe nehmen nicht nur die Strömungsverluste zu, sondern es sinken auch die Temperatur der Außenluft, der Sättigungsdampfdruck und damit der Kühleffekt. Vorgeschlagen wurden Turmhöhen von 1200 Metern, mit denen an guten Standorten eine Temperaturdifferenz von bis zu 12 °C erreichbar wäre.
Anders als bei Windturbinen, bei denen der Druck auf den Rotor aus dem Staudruck der Strömung resultiert, ist der Druck im Fallwindkraftwerk statischer Natur. Trotzdem sind hohe Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 20 m/s geplant, um den teuer zu errichtenden Kamin optimal zu nutzen. Strömungsverluste sinken mit dem Durchmesser; vorgeschlagen wurden 400 Meter.
Nur mit einer Anlage in dieser Größenordnung, mit einer Nettoleistung von 350 bis 400 Megawatt, seien Stromgestehungskosten von etwa 3 ct/kWh erreichbar. Diese Ausmaße bedingen ein beträchtliches Risiko für Investoren, die immerhin um die 1,5 Milliarden € aufbringen müssten.
Vergleich mit dem Aufwindkraftwerk
Gerhard Weinrebe und Wolfgang Schiel haben das Fallwind- mit dem Aufwindkraftwerk verglichen.[2] Bei gleichen Abmessungen des Kamins leistet das Aufwindkraftwerk mit seiner höheren (optimalen) Temperaturdifferenz drei bis fünf mal mehr als das Fallwindkraftwerk netto (Pumpleistung abgezogen). Dagegen kostet beim Aufwindkraftwerk der Kollektor zusätzlich Geld und Fläche. Beide Typen können auch nachts vermindert Strom produzieren, wobei der Wärmespeicher am Boden des Kollektors anzuordnen bzw. gratis ist (die freie Troposphäre kühlt nur langsam ab). Beide Typen reagieren empfindlich auf ungünstige meteorologische Bedingungen: Das Aufwindkraftwerk braucht eine hohe Insolation (Globalstrahlung), das Fallwindkraftwerk eine sehr geringe Luftfeuchtigkeit. Die von Zaslavsky (1999) angegebenen Bedingungen, 45°C am Boden und 16 % relative Feuchte, seien sehr günstige Annahmen.
Standorte
Solche Bedingungen erfordern Wüstenklima. Trotzdem müssen große Mengen Wasser verfügbar sein. Damit scheiden Lagen oberhalb weniger 100 Meter oder im Inneren von Wüsten aus. Meerwasser kann verwendet werden, wenn der verbleibende Salznebel abgeschieden wird.[3] Am wenigsten ungeeignet wären somit Standorte in 15 bis 30° nördlicher oder südlicher Breite an den ariden Westküsten der Kontinente (Sahara, Namib, Atacama-Wüste)[4] einschließlich Australiens.[5] Dort sorgt die Hadley-Zelle für trockene Luft aus der oberen Troposphäre und ablandigen Wind.
Einzelnachweise
- ↑ Dan Zaslavsky: Energy towers for Producing Electricity and Desalinated Water without a Collector. ISES 1999 Solar World Conference Proceedings, 4.–9. Juli, International Solar Energy Society (ISES), Israel Ministry of Science, Jerusalem.
- ↑ Gerhard Weinrebe, Wolfgang Schiel: Up-Draught Solar Chimney and Down-Draught Energy Tower – A Comparison. ISES 2001 Solar World Congress.
- ↑ S. Hassid, I. Merksamer, R. Guetta: Energy Towers – The effect of droplet coalescence on power and the environment. Solar Energy 86, 2012, 1443–1453.
- ↑ Gregory Czisch, Dan Zaslavsky, Rami Guetta: Evaluation of the Global Potential of Energy Towers. Research Proposal, 2001.
- ↑ T. Altmann et al.: Assessment of an "Energy Tower" Potentials in Australia Using a Mathematical Model and GIS. Solar Energy 78, 2005, S. 799–808.