Beim Phagen-Display (Phagendisplay, engl. phage display) werden Peptide, Proteinteile (z. B. Fab-Fragmente der Antikörper) oder komplette Proteine funktionell auf der Oberfläche von Bakteriophagen präsentiert. Aus großen, rekombinanten Phagen-Display-Bibliotheken, die oft Milliarden unterschiedlicher Moleküle präsentieren können, lassen sich geeignete Bindepartner für einen bestimmten Liganden isolieren und identifizieren. Anwendung findet diese Technik zum Beispiel bei der Aufklärung von Protein-Protein Interaktionen und bei der Suche nach spezifischen Antikörpern für therapeutische, diagnostische oder molekularbiologische Anwendungen.
Phagen-Display von Antikörper-Bibliotheken
Bei der Phagen-Display Technik werden zunächst Antikörper-produzierende B-Zellen (Plasmazellen) aus dem Blut, Knochenmark oder Lymphknoten eines Spenders isoliert. Daraus wird die RNA gewonnen und in cDNA umgeschrieben. Mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) werden alle Gene für die leichten und schweren Ketten der Antikörperfragmente (Fv oder Fab) vervielfältigt. Jeder Gensatz wird mit dem verkürzten Gen für ein Hüllprotein (pIII) der Phagen in einem speziellen Expressionsvektor (Phagemid) verknüpft und in E. coli-Bakterien transfiziert. Die verknüpften Proteine werden durch das Leader-Peptid (PelB, ompA) in das Bakterien-Periplasma transportiert, dort falten sie sich zu einem funktionalen Fv bzw. Fab-Fragment. Über das pIII-Fragment bleiben die Fv/Fab zunächst in der inneren E. coli-Membran verankert.
Über das Hüllprotein pIII, das normalerweise für die Infektion der Bakterien verantwortlich ist, wird nach Koinfektion mit M13-Helferphagen (wichtig für das normale pIII und die anderen Phagenproteine) das funktionale Antikörper-Fragment beim Reifungsprozeß neugebildeter Phagen in deren Außenhülle eingebaut. Gleichzeitig wird der Vektor mit der zugehörigen genetischen Information für das Antikörperfragment in das Innere der neugebildeten Phagen geschleust. Jeder dieser rekombinanten Phagen hat also theoretisch ein anderes Antikörperfragment auf seiner Oberfläche und gleichzeitig die zugehörigen Gene in seinem Inneren, ähnlich wie die Milliarden von B-Zellen im (menschlichen) Körper.
In einem sogenannten Biopanning können die "richtigen" Phagen über den auf der Oberfläche exprimierten Antikörper durch Wechselwirkung mit fixierten Liganden (Antigenen) aus dem milliardenfachen Hintergrund der irrelevanten Phagen ("Bibliothek") herausgefischt werden.
Aus den isolierten, "monoklonalen" Antikörper-Phagen können die zugehörigen Antikörpergene einfach isoliert und sequenziert werden. Ebenso können damit die selektierten Antikörper-Fragmente als lösliche Proteine für spezielle Anwendungen in Massenkultur in E. coli oder anderen Zellsystemen produziert werden.
Anwendungen und Perspektiven
Diese Techniken ermöglichten erstmals die Herstellung und Charakterisierung vieler neuer humaner (Auto)antikörper. Auch andere Proteine, z. B. in Form von cDNA-Bibliotheken, lassen sich im Phagen-Display selektieren. Die Affinität der selektierten Antikörper kann durch Mutagenese erhöht werden. In den letzten Jahren hat es viele Verbesserungen der Techniken gegeben, aber Phagen-Display ist noch längst nicht Routine. Mehrere Firme bieten inzwischen an, aus sehr großen, z. T. semisynthetischen Phagen-Display-Bibliotheken Antikörper gegen nahezu jedes beliebige Antigen zu produzieren. Rekombinante Antikörper machen ca. 30% aller derzeit in der klinischen Prüfung befindlichen Biopharmazeutika aus; das zeigt, welches Potential für das Wachstum der Biotechnologie in der Produktion dieser Produkte steckt.
Literatur
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http://www.ukl.uni-freiburg.de/med/med3/wissenschaft/ags/agpeter/sites/themen/pd.html