Blaise Pascal
Blaise Pascal (* 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand; † 19. August 1662 in Paris) war ein französischer Mathematiker, Physiker, Literat und Philosoph.
Leben und Schaffen
Die Jugendjahre
Pascal stammte aus einer Familie des hohen Amtsadels und wurde geboren als Sohn eines Vorsitzenden Richters am Steuergericht der Auvergne. Mit drei Jahren verlor er seine Mutter. Als er acht war, verkaufte der Vater sein Amt an einen Bruder und zog nach Paris, um seinen Töchtern Gilberte (11) und Jacqueline (6) sowie vor allem dem sichtlich hochbegabten Blaise bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen.
Pascal war ein kränkliches Kind, deshalb wurde er von seinem sehr gebildeten Vater und Hauslehrern unterrichtet. Spätestens mit zwölf erwies er sein mathematisches Talent. Er begann in Mathematikerkreisen zu verkehren und beeindruckte dort als 16-Jähriger mit einer grundlegenden Arbeit über die Berechnung von Kegelschnitten.
Nachdem sein Vater (der 1638 politisch angeeckt und aus Paris geflüchtet war) Ende 1639 begnadigt und 1640 zum hohen Steuerbeamten in Rouen ernannt worden war, erfand Pascal dort 1642 eine Rechenmaschine für ihn, die "Pascaline". Sie ermöglichte zunächst nur Additionen, wurde zehn Jahre hindurch aber ständig verbessert und konnte schließlich auch subtrahieren. Pascal erhielt ein Patent auf sie, doch den Reichtum, den er sich von seiner kleinen Firma erhoffte, erlangte er nicht, denn die mühsam handgefertigten Maschinen (mehrere von insgesamt wohl 50 sind erhalten) waren zu teuer, um größeren Absatz zu finden.
In Rouen, einer Stadt mit Universität, hohem Gericht (Parlement) und reicher Kaufmannschaft, zählte die Familie Pascals zur guten Gesellschaft und auch er sowie seine literarisch begabte jüngere Schwester Jacqueline bewegten sich in diesem Milieu. 1646, während der Rekonvaleszenz des Vaters nach einem Unfall, kam die Familie in Kontakt mit den Lehren des holländischen Reformbischofs Jansenius, der einen dem Calvinismus nicht unähnlichen katholischen Fundamentalismus vertrat. Vater und Sohn wurden fromm, Tochter Jacqueline (Gilberte war schon verheiratet), beschloss sogar Nonne zu werden.
Die Pariser Zeit
Seine neue Frömmigkeit hinderte Pascal allerdings nicht, weiterhin naturwissenschaftlich-mathematische Studien zu treiben. So wiederholte er noch 1646 erfolgreich die schon 1643 von Evangelista Torricelli angestellten Versuche zum Nachweis der Existenz des Vakuums, die er 1647 in einer Abhandlung beschrieb. Angesichts des Widerstandes vieler Theologen und Naturforscher, u. a. von Descartes, den er 1647 in Paris traf, diskutierte Pascal die Frage des Vakuums später jedoch nur indirekt, insbes. in einer Abhandlung über den Luftdruck, dessen Abhängkeit von der Höhe des jeweiligen Ortes er 1647 nachgewiesen hatte. 1648 begründete er in einer weiteren Abhandlung das Gesetz der kommunizierenden Röhren.
Um 1650 – er lebte seit 1647 mit Jacqueline meist wieder in Paris und war halbwegs gesund – verkehrte er in schöngeistigen, teils sogar freidenkerischen Kreisen, was ihn zur Beschäftigung mit der Philosophie der Zeit animierte. Die in diesem mondänen Milieu wichtige Kunst, anderen Menschen zu gefallen, ist in einem Discours sur les passions de l'amour ("Rede über die Leidenschaften der Liebe") dargestellt, der ihm zeitweilig von Pascal-Forschern seit seiner Entdeckung im frühen 19. Jahrhundert (Victor Cousin) zugeschrieben wurde und in dem der Primat des Gefühls gegenüber dem Intellekt postuliert wird. Die maßgebliche französische Pascal-Forschung (L. Lafuma, J. Mesnard, M. Le Guern u.a.) hat diese Zuschreibung seit langem mit inhaltlichen wie exakt philologischen Gründen widerlegt.
Die mit Bekannten geführten Diskussionen über die Gewinnchancen im Glückspiel, einem typisch adeligen Zeitvertreib, führten Pascal 1653 dazu, sich der Wahrscheinlichkeitsrechnung zuzuwenden, die er 1654 im brieflichen Austausch mit dem Toulouser Richter und großem Mathematiker Pierre de Fermat vorantrieb. Überhaupt beschäftigte er sich 1654 wieder sehr mit der Mathematik und schrieb je eine Abhandlung über das sog. Pascalsche Dreieck (Traité du triangle arithmétique), über Zahlenordnungen (Traité des ordres numériques) und über Zahlenkombinationen (Combinaisons).
Seine Sicht vom Menschen und von dessen Glücksmöglichkeiten wurde um diese Zeit allerdings zunehmend skeptischer, nicht zuletzt unter dem Einfluss Jacquelines, die 1652 ins Kloster ging. Der insgesamt fortschrittsgläubige Rationalismus à la Descartes schien ihm immer illusionärer.
Die Jahre in Port-Royal
1654 wurde Pascal Beinahe-Opfer eines Verkehrsunfalls und hatte wenig später, am 23. November, ein religiöses Erlebnis, das er noch nachts auf einem erhaltenen Blatt Papier als sog. Mémorial aufzuzeichnen versuchte. Er zog sich zurück zu den jansenistischen "solitaires" (Einsiedlern), d. h. Gelehrten und Theologen, die sich angesiedelt hatten im Umkreis des ebenfalls jansenistisch-strengen Frauenklosters Port-Royal bei Versailles, wo auch Jacqueline lebte. Hier begann er, religiös und theologisch motivierte Schriften zu verfassen. Zugleich befasste er sich, wie immer, auch mit praktischen Fragen, so 1655 mit der Didaktik des Erstlesens für die von den "solitaires" betriebene Schule.
Bei seiner Bekehrung kam er hinein in eine Situation, wo die orthodox frommen und rigoros moralischen Jansenisten den laxeren und konzilianteren, aber auch machtbewussten Jesuiten ein Ärgernis geworden waren. Als es 1655 zum offenen Streit kam, weil der jansenistische Theologe Antoine Arnauld aus der theologischen Fakultät der Sorbonne ausgeschlossen worden war, mischte Pascal sich ein und ließ 1656/57 eine Serie anonymer satirisch-polemischer Broschüren erscheinen, die 1657 in Holland als Buch gedruckt wurden unter dem Titel Provinciales, ou Lettres de Louis de Montalte à un provincial de ses amis et aux R.R. PP. Jésuites sur la morale et la politique de ces pères ("Provinzler[briefe], oder Briefe von L. de M. an einen befreundeten Provinzler sowie an die Jesuiten über die Moral und die Politik dieser Patres"). Es sind 18 Briefe eines fiktiven Paris-Reisenden namens Montalte, von denen die ersten zehn an einen fiktiven Freund in der heimatlichen Provinz gerichtet sind, die nächsten sechs an die Pariser Jesuitenpatres insgesamt und die letzten beiden speziell an den Beichtvater des Königs. In diesen Briefen beschreibt Montalte in der Rolle eines zunächst theologisch unbeschlagenen und naiven jungen Adeligen, wie Jesuiten ihm altklug und herablassend ihre Theologie erklären; später, nachdem er quasi seine Lektion gelernt hat, beginnt er mit ihnen zu diskutieren und so scharfsinnig wie witzig ihre Lehren zu zerpflücken. Pascal persiflierte und attackierte so die zwar gewissermaßen verbraucherfreundliche, aber tendenziell opportunistische und oft spitzfindige Theologie – die berühmte Kasuistik – der Jesuiten und entlarvte ihren sehr weltlichen Machthunger. Die Lettres provinciales hatten, obwohl sie nach der Nr. 5 verboten wurden, bei Erscheinen der Buchausgabe 1657 auf den Index kamen und 1660 sogar vom Henker verbrannt wurden, großen und langandauernden Erfolg und bedeuteten längerfristig den Anfang vom Ende der Allmacht der Jesuiten, zumindest in Frankreich.
Kurzfristig allerdings behielten diese mit Hilfe von König und Papst die Oberhand, was die nächsten Jahre Pascals sehr verdüsterte. Denn während viele seiner Gesinnungsfreunde unter dem Druck der obrigkeitlichen Schikanen einknickten oder taktierten, blieb er unbeugsam. In dieser Situation begann er mit der Arbeit an einer großen Apologie der christlichen Religion, wobei er einen seines Erachtens von Augustinus gedeckten Kompromiss anstrebte zwischen der fast fatalistischen jansenistischen Prädestinationslehre, die das Heil oder die Verdamnis jedes Menschen als von Gott vorbestimmt sieht, und der optimistischeren Vorstellung der Jesuiten, dass jeder Mensch eine weitgehende Freiheit habe, sich für Gut oder Böse zu entscheiden und sein Seelheil aktiv zu fördern.
Mit seiner ohnehin schwächlichen Gesundheit ging es in dieser Zeit, sicher auch aufgrund seiner asketischen Lebensweise, immer rascher bergab. So hinderte ihn der frühe Tod mit eben 39 an der Fertigstellung des Werkes. Die umfangreichen Notizen und Fragmente wurden 1670 von jansenistischen Freunden unter dem Titel Pensées sur la religion et autres sujets ("Gedanken über die Religion und andere Themen") herausgegeben. Hierin findet man u. a. die Pascalsche Wette, gemäß der der Glaube an Gott nicht nur richtig, sondern auch vernünftig ist, denn: "Wenn Gott nicht existiert, verliert man nichts, wenn man an ihn glaubt; wenn Gott aber existiert, verliert man alles, wenn man nicht glaubt."
Kritik
Pascals Leben und Werk gewinnen durch die Tatsache, dass er in einer Epoche, die bereits äußerst klar auf der Trennung von Glauben und Wissen bestand, das Prinzip der Einheit allen Seins vertrat. Für ihn bedeutete die Beschäftigung sowohl mit naturwissenschaftlichen Problemen als auch mit philosophischen und theologischen Fragen keinerlei Widerspruch; alles das diente ihm zur unmittelbaren Vertiefung seiner Kenntnisse. Seine Wahrnehmung der "intelligence/raison du coeur" - nur das Zusammenspiel von Verstand und Herz kann Grundlage menschlichen Erkennens sein - als wesentlichste Form der umfassenden Erkenntnis kann als visionär und über die Zeiten hinweg beispielgebend erfasst werden. Bis heute gilt Pascal als wortgewaltiger Apologetik des Christentums und Verfechter einer tiefen christlichen Ethik. Kritiker des Christentums haben ihn von Abbé Meslier bis Voltaire daher früh als hochrangigen Gegner attackiert. Friedrich Nietzsche setzte sich zeitlebens mit Pascal auseinander. Für ihn ist Pascal "der bewunderungswürdige Logiker des Christentums" (Werke. München 1958, Bd. 3, S. 589); "Pascal, den ich beinahe liebe, weil er mich unendlich belehrt hat; der einzige logische Christ" (Ebd., S. 1335). Es finden sich Urteile, die von Bewunderung bis Ablehnung reichen: "»Ohne den christlichen Glauben«, meinte Pascal, »werdet ihr euch selbst, ebenso wie die Natur und die Geschichte, un monstre et un chaos.« Diese Prophezeiung haben wir erfüllt: nachdem das schwächlich- optimistische achtzehnte Jahrhundert den Menschen verhübscht und verrationalisiert hatte." (Ebd., S. 509). In Pascal kann er seine Kritik des Christentums lokalisieren: "Man soll es dem Christentum nie vergeben, daß es solche Menschen wie Pascal zugrunde gerichtet hat" (Ebd., S. 686) und - mit Bezug auf Pascal "Was wir am Christentum bekämpfen? Daß es die Starken zerbrechen will,..." (Ebd., S. 687). Moderne Kritiker wie der sonst vergleichsweise zurückhaltende Aldous Huxley gingen in ihrer Kritik weiter. Pascal habe aus seiner Not - seinen körperlichen Gebrechen sowie seiner Unfähigkeit, echte Leidenschaft zu empfinden - eine Tugend gemacht und dies mit heiligen Worten getarnt. Schlimmer noch: er habe seinen beachtlichen Verstand dazu benutzt, um andere dazu zu ermuntern, eine gleichermaßen Diesseits-feindliche Weltanschauung einzunehmen. Zitate von Pascal wie: "Vom Mittelweg abweichen heißt von der Menschheit abweichen" und andere mehr verleiteten lediglich dazu, ihn als gemäßigten Denker im aristotelischen Sinne zu verstehen. Huxley weist darauf hin, dass dies nur eine und leider nur die theoretische Seite Pascals war. Im eigentlichen Leben, also so, wie es sich in dessen Lebensalltag auch nachweislich darstellte, sei Pascal rigoros gewesen - heute würde man sagen: fundamentalistisch. Worte aus der Feder Pascals wie: "Siechtum ist der Naturzustand eines Christen; denn erst im Siechtum ist der Mensch so, wie er immer sein sollte" würden wesentlich zutreffender die düstere Haltung des Philosophen wiedergeben. Pascal würde aufgrund seiner brillanten Formulierungen und den beeindruckend geschilderten spirituellen Erlebnissen als "Vorkämpfer einer hehren Sache" gelten, während er - was seine christlich-philosophische Seite anbelangt - nur ein kranker Asket gewesen sei. Im Gegensatz zu Nietzsche habe er sich nicht gegen seine Gebrechen gestemmt, sondern sie als willkommene Indizien für ein wertloses irdisches Leben benutzt.
Übersetzungen
Eine Gesamtübersetzung des literarischen Werkes (ohne die naturwissenschaftlichen Schriften)existiert nur in elektronischer Form:
- Pascal im Kontext : französisch-deutsche Parallelausgabe auf CD-ROM ; Werke auf CD-ROM - Französisch/Deutsch ; in neuen Übersetzungen von Ulrich Kunzmann - Berlin : Worm, InfoSoftWare, 2003 (Literatur im Kontext ; 19)
Die derzeit maßgeblichen Buchausgaben des literarischen Werks auf Deutsch:
- Gedanken über die Religion und einige andere Themen / Blaise Pascal. Hrsg. von Jean-Robert Armogathe. Aus dem Franz. übers. von Ulrich Kunzmann. - Stuttgart : Reclam, 1997. - 571 S.; (Universal-Bibliothek ; 1622) - ISBN 3-15-001622-3
- Briefe in die Provinz = Les provinciales [u.a.] / Übers. von Karl August Ott. Heidelberg : Schneider, 1990 (Werke / Blaise Pascal. Hrsg. von Karl August Ott; 3)- ISBN 3-7953-0603-5
- Briefe des Blaise Pascal / übers. von Wolfgang Rüttenauer. - Leipzig : Hegner, 1935
- Kleine Schriften zur Religion und Philosophie / Blaise Pascal ; Hrsg. Albert Raffelt ; übers. von Ulrich Kunzmann. - Hamburg : Meiner, 2005 (Philosophische Bibliothek ; 575). -
Wirkung
Nach Pascal sind benannt:
- die Programmiersprache Pascal - respektive TurboPascal - wegen seiner Erfindung einer Rechenmaschine;
- die physikalische Einheit des Drucks, wegen seiner Versuche zum Luftdruck;
- das Pascalsche Dreieck, bei dem sich ein Binomialkoeffizient als Summe zweier darüberstehender ergibt;
- die Pascal-Verteilung in der Wahrscheinlichkeitstheorie, die aber meistens negative Binomialverteilung genannt wird;
- die Pascalsche Wette, ein Argument für den Glauben an Gott;
- die Pascalsche Schnecke, eine spezielle ebene Kurve.
- der Satz von Pascal, einer Aussage der projektiven Geometrie.
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.christliche-zitate.net/blaise_pascal.htm Zitate von Blaise Pascal
- http://www.blaise-pascal.de/
- Artikel in "Namen, Titel und Daten der franz. Literatur" (Quelle für den Absatz "Leben und Schaffen")
Personendaten | |
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NAME | Pascal, Blaise |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Philosoph, Physiker und Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 19. Juni 1623 |
GEBURTSORT | Clermont-Ferrand, Frankreich |
STERBEDATUM | 19. August 1662 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |