Überblick
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist Teil des kollektiven Arbeitsrechtes. Es regelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in privaten Betrieben. "Betriebe" sind organisatorische Einheiten, mittels derer ein Unternehmer einen Betriebszweck (z.B.: Produktion, Dienstleistung) zu erfüllen versucht. Die Mitbestimmung wird durch frei gewählte Vetretungsorgane der Arbeitnehmer ("Betriebsräte") ausgeübt.
Geschichte der Betriebsverfassung
Arbeitsausschüsse und -räte wurden erstmals Ende des 19. Jahrhunderts gebildet. Im 1. Weltkrieg gab es mit dem Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 2.12.1916 erstmals eine gesetzliche Regelung für sie. Dieses Gesetz sah jedoch auch vor, dass Arbeitnehmer für die Kriegsproduktion eingezogen werden konnten. Dies führte auch dazu, dass bei Streiks die aktiven Arbeitnehmer abkommandiert wurden. In der Arbeiterbewegung war dieses Gesetz stark umstritten.
Mit dem Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920, das eine gewählte Interessenvertretung der Arbeitnehmer auf sozialem und personellem Gebiet konstituierte, wurden die Mitbestimmung und die Rechte und Pflichten des Betriebsrats erstmals geregelt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde am 20.1.1934 das Betriebsrätegesetz aufgehoben und durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit ersetzt, mit dem die Betriebsverfassung auf der Grundlage des "Führerprinzipes" geordnet wurde.
Dieses Gesetz wurde nach 1945 durch die Kontrollratsgesetze Nr. 40 und 56 aufgehoben; durch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 (Betriebsrätegesetz) vom 10.4.1946 wurden Rahmenbestimmungen über eine Betriebsverfassung erlassen, díe zunächst durch eine Reihe von Ländergesetzen ausgefüllt und ergänzt wurden.
Am 14.11.1952 trat schließlich das Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz enthielt neben Regelungen zur betrieblichen Beteiligung der Arbeitnehmer auch Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung; diese (§§ 76 ff BetrVG 1952) gelten auch heute noch.
Im Jahre 1972 wurde das Betriebsverfassungsgesetz grundlegend novelliert. Das Gesetz trat in dieser Fassung am 18.1.1972 in Kraft. Das Gesetz ist seitdem in zahlreichen Punkten überarbeitet und angepaßt worden, zuletzt mit der Novellierung vom 27.7.2001.
Organisation der Betriebsverfassung
Voraussetzung und Durchführung der Wahl des Betriebsrates
Betriebsräte werden in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern gewählt. Es gibt keine Verpflichtung zur Wahl eines Betriebsrates. Der Arbeitgeber muß nicht aktiv werden. Es obliegt alleine der Initiative der Arbeitnehmer oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, ob ein Betriebsrat gewählt wird.
Die Wahl wird von einem Wahlvorstand organisiert, der vom Betriebsrat vor Ablauf seiner Amtszeit bestimmt wird. Es kann eine Personenwahl oder eine Listenwahl durchgeführt werden. Wahlberechtigt ist jeder Arbeitnehmer des Betriebes, der das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der dem Betrieb länger als sechs Monate angehört. Der Wahlvorstand erläßt ein Wahlausschreiben, das alle Formalitäten der Wahl, die Wählerliste und die Fristen für die Abgabe von Wahlvorschlägen wiedergibt. Frühestens sechs Wochen nach Aushang des Wahlausschreibens findet die Wahl statt.
Besteht noch kein Betriebsrat, kann der Wahlvorstand vom Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bestellt werden, sofern ein solches Gremium besteht. Ansonsten wird der Wahlvorstand auf einer Wahlversammlung der Arbeitnehmer gewählt. Zu einer solchen Versammlung können - ohne weitere Voraussetzungen - drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen.
Ein vereinfachtes Wahlverfahren gilt seit der Novelle 2001 in Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern. Hier kann eine Wahl innerhalb von zwei Wochen durchgeführt werden. Im Einverständnis zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber kann das vereinfachte Verfahren auch in Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern angewandt werden.
Die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre statt, immer zwischen dem 1. März und dem 31. Mai. Die nächsten regulären Wahlen finden im Jahr 2006 statt. Auch außerhalb dieser Periode können Neuwahlen stattfinden (z.B.: betriebsratslose Betriebe, Rücktritt des Betriebsrates).
Weblinks zum Wahlverfahren:
Ablaufübersicht über normales und vereinfachtes Wahlverfahren
Übersicht über das vereinfachte Wahlverfahren
Organisation des Betriebsrates
Die Amtsperiode des Betriebsrates beträgt 4 Jahre. Die Größe des Gremiums richtet sich nach der Mitarbeiterzahl des Betriebes. Der Betriebsrat besteht etwa für Betriebe mit
- 5 bis 20 Wahlberechtigten: aus einer Person
- 21 bis 50 Wahlberechtigten: aus drei Mitgliedern
- 51 bis 100 Wahlberechtigten: aus fünf Mitgliedern
- 101 bis 200 Wahlberechtigten: aus sieben Mitgliedern
- 201 bis 400 Wahlberechtigten: aus neun Mitgliedern
Die Zusammensetzung des Betriebsrats muß dem Gedanken der Gleichberechtigung entsprechen. Das im Betrieb in der Minderheit befindliche Geschlecht muß mindestens mit seinem prozentualen Anteil im Betrieb auch im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser wenigstens drei Mitglieder hat.
Die Vertretung des Betriebsrates erfolgt durch seinen Vorsitzenden, der in der ersten Sitzung des Gremiums zu wählen ist.
Die Kosten der Tätigkeit des Betriebsrates hat der Arbeitgeber zu tragen; hierzu zählt auch die Finanzierung erforderlicher Schulungen der Betriebsratsmitglieder. Ebenso hat der dem Betriebsrat durch Freistellung von der Arbeit die Möglichkeit zu geben, seine Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit zu erledigen. In größeren Betrieben (seit der Novelle 2001: ab 200 Mitarbeitern) sind ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder vollständig von der Arbeit freizustellen.
Grundlagen der Betriebsratstätigkeit
Der Betriebsrat ist ein Kollektivorgan, das seine Entscheidungen durch Mehrheitsbeschlüsse fällt. Der Vorsitzende hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse, sondern vertritt den Betriebsrat im Rahmen der gefaßten Beschlüsse
Der Betriebsrat ist zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet und darf sich auch nicht gewerkschaftlich betätigen. Er darf als Organ an Arbeitskämpfen weder teilnehmen noch sie organisieren. Die Mitglieder des Betriebsrats sind in ihrer Funktion als Arbeitnehmer allerdings durchaus frei in all diesen Handlungen; an das Neutralitätsgebot gebunden sind sie nur, soweit sie in Ausübung ihres Betriebsratsamtes handeln.
Arbeitgeber und Betriebsrat sind durch das Gesetz (§ 2 BetrVG) zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, was sich allerdings nicht immer in der Realitiät wiederspiegelt. Den Betriebsrat trifft auch die Verpflichtung zur Geheimhaltung, soweit ihm Betriebsgeheimnisse oder vertrauliche persönliche Daten von Arbeitnehmern mitgeteteilt werden; die Verletzung der Geheimhaltungspflicht ist strafbar.
Betriebsratsmitglieder sind vor ordentlichen Kündigungen geschützt. Sie genießen insoweit Sonderkündigungsschutz, der nur bei Betriebsschließungen oder im Falle einer außerordentlichen Kündigung durchbrochen wird. Die Kündigung und auch die erzwungene Versetzung in einen anderen Betrieb, die zum Verlust des Betriebsratsamtes führen würde, bedürfen gemäß § 103 BetrVG der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates.
Pflichten des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung
Auch den Arbeitgeber trifft das Neutralitätsgebot und die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Der Arbeitgeber darf die Wahl und die Arbeit des Betriebsrates nicht behindern, Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder bevorteilen noch benachteiligen und er ist verpflichtet, die mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarungen im Betrieb umzusetzen.
Inhalt der Mitwirkungssrechte des Betriebsrates
Mitspracherechte des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat neben den eigentlichen Mitbestimmungsrechten eine Reihe weiterer Rechte. Zum Beispiel:
- Der Arbeitgeber muß dem Betriebsrat alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung stellen, die dieser für die Durchführung seienr Tätigkeit benötigt (§ 80 BetrVG).
- Er muß den Betriebsrat über geplante Änderung wesentlicher betrieblicher Umstände (Umbau, neue Anlagen, neue Verfahren etc.) informieren und diese mit ihm beraten (§ 90 BetrVG. Ebenso muß er ihn über die Personalplanung informieren und dies mit ihm beraten (§ 92 BetrVG)
- Die Gestaltung und Einführung von Personalfragebögen bedarf der Zustimmung des Betriebsrates. (§ 94 BetrVG)
- Bei Maßnahmen der Berufsbildung ist der Betriebsrat zu beteiligen (§ 96-98 BetrVG.
- Arbeitnehmer haben das Recht sich bei Arbeitgeber oder Betriebsrat förmlich zu beschweren. Können sich Arbeitgeber oder Betriebsrat nicht über die Begründetheit oder Abhilfemaßnahmen verständigen, entscheidet die Einigungsstelle (§ 85 BetrVG).
Inhalt der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Das Betriebsverfassungsgesetz begründet Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Diese sind unterschiedlich stark ausgestaltet. Der Betriebsrat bestimmt mit bei personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Personelle Angelegenheiten
Zu den personellen Angelegenheiten zählen die Einstellung, Versetzung Beförderung, Eingruppierung und die Kündigung von Mitarbeitern.
Einstellung, Versetzung, Beförderung, Eigruppierung
(§ 99 BetrVG) Der Betriebsrat wird über die beabsichtigte Maßnahme informiert. Er kann binnen Wochenfrist seine Zustimmung verweigern, allerdings nur aus eng begrenzten Gründen (z.B.: unterlassene Ausschreibung, Nachteile für andere Arbeitnehmer.) Schweigt der Betriebsrat eine Woche, gilt die Zustimmung als erteilt.
Kündigung
(§ 102 BetrVG) Der Betriebsrat muß vor jeder Kündigung ordnungsgemäß angehört werden. Sonst ist die Kündigung unwirksam. Er kann bei der ordentlichen Kündigung binnen Wochenfrist, bei der außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen Stellung nehmen. Anderenfalls gilt seine Zustimmung als erteilt. Aber auch wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber wirksam kündigen, sofern nur das Beteiligungsverfahren durchlaufen wurde.
Bei der ordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat außerdem der Kündigung förmlich widersprechen, wenn er Weiterbeschäftigungmöglichkeiten sieht oder die soziale Auswahl nicht für ordnungsgemäß durchgeführt hält. Auch nach Widerspruch kann wirksam gekündigt werden. Klagt der Arbeitnehmer, muß ihn der Arbeitgeber aber in der Regel bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigen.
Soziale Angelegenheiten
Regelungen in sozialen Angelegenheiten darf der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrates treffen. Der Betriebsrat hat auch ein Initiativrecht, solche Regelungen zu erzwingen.
Unter sozialen Angelegenheiten versteht das Gesetz (§ 87 BetrVG:
- Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer,
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage,
- vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen
Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten wird durch Betriebsvereinbarungen ausgeübt. Das betrifft u.a. Fragen der Arbeitszeitgestaltung, des Vergütungssystems, der betrieblichen Altersversorgung und der technischen Überwachung.
Streitfragen entscheidet gegebenenfalls eine einzurichtende Einigungsstelle
Wirtschaftliche Angelegenheiten
Dies betrifft in erster Linie Betriebsänderungen (Schließung, Verlegung, gravierende Organisationsänderungen). Hier ist mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln.
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und Mitbestimmungsrechteeugebes ´kapitel
Weblinks
Unterartikel Betriebsvereinbarung Link auch vom kollektiven Arbeitsrecht Einigungsstelle