Harmagedon

biblischer Begriff der endzeitlichen Entscheidungsschlacht Gottes
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Koordinaten: 32° 35′ 0″ N, 35° 11′ 0″ O

Harmagedon (auch Harmageddon, Armageddon oder Har-Magedon, griechisch Vorlage:Polytonisch) bezeichnet in der Offenbarung des Johannes den Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht im „Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen“. Im erweiterten Sinn bezeichnet der Begriff in der Theologie den eschatologischen Entscheidungskampf.

Biblische Quelle

Der Begriff Harmagedon wird in der Bibel nur ein einziges Mal erwähnt, nämlich in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 16, Vers 16. Der Verfasser beschreibt im Kontext des Verses die letzte Serie von endzeitlichen Plagen, die „sieben Schalen des Zorns“. Nach Gottes Befehl werden sie von sieben Engeln über die Erde gegossen. Die sechste Schale (Verse 12-16) beinhaltet, dass der Fluss Euphrat austrocknet und dass drei Dämonengeister die Könige der Welt dazu bewegen, sich zum Krieg mit Gott am Berg Harmagedon zu versammeln. Der Vers 16 lautet nach den heute verwendeten kritischen Textausgaben: „Καὶ συνήγαγεν αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον τὸν καλούμενον Ἑβραϊστὶ Ἁρμαγεδών“.[1]

Die Handschriften dieser Stelle bieten eine Vielzahl von Schreibweisen des Wortes Harmagedon (Ἁρμαγεδών). Viele Textzeugen, auch der Mehrheitstext, lesen Μαγεδών bzw. Μαγεδδών, andere Αρμεγηδων, Αρμαγεδδων, Αρμεγεδδων, Αρμεγεδων, Αρμαγεδω, Αρμαγεδον, Αρμαγεδωμ, Μαγεδωδ, Μαγιδων, Μακεδδων.[2] Die wichtigsten und besten Handschriften (u. a. der Sinaiticus und der Alexandrinus) lesen an dieser Stelle Ἁρμαγεδών, also Armagedón mit langem o und Betonung auf der letzten Silbe.

Auslegungen der Stelle

Zum Subjekt des Verses

Die Stelle wird in verschiedenen Bibelübersetzungen unterschiedlich wiedergegeben. In der 1984 revidierten Lutherbibel und in der Elberfelder Bibel heißt es: „Und er versammelte sie zu dem Ort, welcher auf Hebräisch Armageddon genannt wird“ (Offb 16,16 Luth) – mit „er“ können im Kontext der „Engel“ aus Vers 12, „Gott der Allmächtige“ aus Vers 14 oder Christus als Sprecher und Subjekt in Vers 15 gemeint sein. Ähnlich die Zürcher Bibel[3]: Nach ihr versammelt der Engel (aus Vers 12) die Könige am Ort Harmagedon.

Anders die Einheitsübersetzung; sie schreibt: „Die Geister führten die Könige an dem Ort zusammen, der auf Hebräisch Harmagedon heißt“ (Offb 16,16 EU). Sie sieht damit in den Geistern (griechisch: πνεύματα δαιμονίων) aus Vers 14 das Subjekt zum Verb „versammeln“. Alle modernen Kommentatoren sehen dies auch so.[4]

Zum Begriff Harmagedon

Der Begriff Harmagedon kommt in der Bibel nur im Rahmen der erwähnten Zukunftsvision vor. Der Ort lässt sich nicht eindeutig identifizieren. Mögliche Deutungen sind folgende:

  • Har Megiddô (hebräisch הר מגדו), Berg von Megiddo, ein südlicher Ausläufer des Karmelgebirges. In der Ebene von Megiddo (בקעת־מגדו) befindet sich das klassische Schlachtfeld Kanaans (Richter 4,12-16)
  • die griechische Wiedergabe von har mô'ed (hebräisch הר מועד), dem mythischen Versammlungsberg als Versammlungsort widergöttlicher Mächte und das dämonische Gegenstück zum Versammlungsberg der Götter (Jesaja 14,13)
  • die griechische Wiedergabe von har (ham)maqdôn (hebräisch הר [ה]מקדון), Berg Alexander des Großen

Moderne Rezeption

Die Erwartung einer endzeitlichen Schlacht bei Harmagedon hat im Leben und in der Theologie der großen europäisch geprägten Amtskirchen keine nennenswerte Bedeutung. Dagegen ist sie für endzeitlich ausgerichtete christliche Gruppierungen und Künstler sehr wesentlich. Durch das in diesen Sondergemeinschaften vorherrschende Bewusstsein der inneren Nichtzugehörigkeit zur vergänglichen Welt nimmt die Johannesoffenbarung, verstanden als Buch, das den Untergang dieser Welt schildert und den Aufgang einer neuen, eine besondere Stellung ein.[5] In diesem Kontext wird auch das Motiv der letzten Schlacht bei Harmagedon gedeutet.

Dispensationalismus

Im amerikanischen Dispensationalismus hat sich eine eigentliche Harmagedon-Theologie entwickelt. Sie sieht Harmagedon als tatsächliche Schlacht zwischen dem Israel der Endzeit und den „Königen aus dem Osten“. Hier wird der in Offb. 16,16 erwähnte Ort mit der in Offb 19,11-20 EU geschilderten Schlacht gedeutet, in der die Könige, das „Tier“ und ihre Anhänger von den himmlischen Heerscharen vernichtet werden. Ihr folgt das tausendjährige Friedensreich, in dem Jesus Christus und seine Märtyrer auf Erden herrschen. Dass diese Endzeitereignisse unmittelbar bevorstünden, legen manche Vertreter dieser Sichtweise wiederholt ihren Lesern nahe.[6] Der evangelikale Prediger Hal Lindsey (* 1929) erklärte zum Beispiel in seinem 1980 erschienenen Bestseller The 1980s. Countdown to Armageddon, dass die 1980er Jahre „sehr wohl die letzte Dekade der Geschichte, so wie wir sie kennen, sein könnte“, und prognostizierte einen bevorstehenden Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion.[7] In diesem Buch wurde das Denken des Kalten Krieges mit einer ganz bestimmten Harmagedon-Auffassung innerhalb der dispensationalistischen Perzeptions-Tradition vermischt.

Zeugen Jehovas

Bereits für Charles Taze Russell, den Gründer der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, war „der Krieg von Harmagedon“ ein so wichtiges Thema, dass er den 1897 erschienenen vierten Band seiner Schriftstudien so benannte.[8] Er meinte damals, dass dieser Krieg bereits im Gange sei und 1914 mit dem Anbruch des Friedensreichs enden werde.[9] Gemäß der biblischen Lehre aus Offenbarung wird erwartet, dass in naher Zukunft Jehova, der Name Gottes durch seinen Sohn Jesus Christus (gleichgesetzt mit dem Erzengel Michael [Michael: Jesu himmlischer Name]) zusammen mit dem Engelheer in der Schlacht von Harmagedon das Weltsystem Satans beseitigen und durch das verheißene tausendjährige Reich ersetzen werde.[10]

Musik

Der Reggae-Musiker Willi Williams sang 1978 aus der Perspektive der Rastafari-Religion über die „Armagideon Time“ seiner Gegenwart. Der Song wurde im Jahr darauf von der Punk-Band The Clash gecovert und erschien als B-Seite ihrer Single London Calling. Auf dem Debütalbum der christlichen Musikband Söhne Mannheims, „Zion“ (2000), befindet sich das Lied „Armageddon“[11]. Dem Lied zufolge hat die Endzeit mit ihren kriegerischen Ereignissen schon begonnen.[12]

Moderner Sprachgebrauch

Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff von seinem theologischen Gehalt entkleidet synonym mit Weltuntergang oder Katastrophe verwendet. In dem Film Armageddon – Das jüngste Gericht aus dem Jahr 1998 geht es zum Beispiel um einen drohenden Meteoriteneinschlag auf der Erde. Der britische Historiker Max Hastings wählte den Begriff als Titel für sein Buch über den Untergang des Dritten Reiches am Ende des Zweiten Weltkrieges.[13] Im Zusammenhang mit der Finanzkrise ab 2007 und der Eurokrise ist wiederholt von einem „finanziellen Armageddon“ die Rede, das es abzuwehren gelte.[14]

Literatur

  • Franz Graf-Stuhlhofer: „Das Ende naht!“ Die Irrtümer der Endzeit-Spezialisten. VKW, 3.Aufl. Bonn 2007 (1.Aufl. 1992), ISBN 978-3-938116-30-2 [Kritik an dispensat. und charismat. Endzeit-Autoren wegen nicht eingetroffener Vorhersagen].
  • Werner Thiede: Ein süßes und doch schwerverdauliches Büchlein. Zur Auslegung der Johannes-Offenbarung in christlichen Sondergemeinschaften. In: Kerygma und Dogma. 42. Jg., 1995, 213-242.
  • Victor Trimondi: Prophetie und Politik. Die Endzeit-Spekulationen der amerikanischen Doomsday-Autoren. In: Krieg der Religionen. 2005, ISBN 3-7705-4188-X.

Anmerkungen

  1. Barbara Aland und Kurt Aland, Novum Testamentum Graece, 27. Auflage, Stuttgart 2001, S. 664 online
  2. Bruce M. Metzger, A Textual Commentary On The Greek New Testament, 2. Auflage, Stuttgart 1994, S. 681.
  3. Evangelisch Reformierte Landeskirche des Kantons Zürich (Hrsg.), Zürcher Bibel, 3. Auflage 2009 online
  4. Vgl. Bousset 399; Roloff 160.164; Müller 277; Giesen 360; Satake 337; Beale 838; Aune 898.
  5. Dies ist religionssoziologisch geradezu eine Grundvoraussetzung zur Bildung und Existenzerhaltung dieser Gemeinschaften. Thiede, Büchlein 215.
  6. Franz Graf-Stuhlhofer,: „Das Ende naht!“ Die Irrtümer der Endzeit-Spezialisten, Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn, 3. Aufl. 2007, S. 142-151.
  7. zitiert nach Paul S. Boyer, When Time shall be no more. Prophecy Belief in Modern American Culture, Harvard University Press, Cambridge 1992, S. 5
  8. Charles Taze Russell, Studies in the Scriptures, Bd. 4: The Battle of Armageddon, 1897.
  9. Franz Stuhlhofer, Charles T. Russell und die Zeugen Jehovas. Der unbelehrbare Prophet. Berneck 3.Aufl. 1994, S. 69-74 (dort auch die genaue von Russell vorhergesagte Abfolge).
  10. Werner Thiede, Ein süßes und doch schwerverdauliches Büchlein. Zur Auslegung der Johannes-Offenbarung in christlichen Sondergemeinschaften, in: Kerygma und Dogma 42 (1995), S. 224 und 226 f.
  11. Der Liedtext befindet sich sowohl im Booklet als auch in den meisten Internetquellen nur verkürzt (online). Bei Michael Ganster, Christlich spirituelle Inhalte in zeitgenössischer Popmusik am Beispiel Xavier Naidoos und ihre Rezeption bei Jugendlichen, Konstanz 2003, S. 81–86 ist der gesamte Text einschließlich des am Lied angehängten Audiokommentars aufgeführt.
  12. Vgl. Michael Schneider, „Hast du gehört, Armageddon ist da“. Rezeption biblischer Texte und Motive in ausgewählten Texten Xavier Naidoos, Zeitschrift für Neues Testament 17 (9. Jg.) 2006, S. 53–63, hier: S. 58 f.
  13. Max Hastings, Armageddon. The Battle for Germany 1944–45, MacMillan, London 2004
  14. Michael Panzner, Financial Armageddon. Protect Your Future from Economic Collapse, Kaplan Publishing, New York 2008; Henrik Müller, Wer rettet die Welt vor dem Finanz-Armageddon?, in: Der Spiegel vom 19. Juli 2011 (online, Zugriff am 24. Juli 2011); Mark Schieritz, Raus aus dem Schuldenloch, in: Die Zeit vom 28. Juli 2011, S. 19 (online), Zugriff am 31. Juli 2011
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