Alamannen

frühgeschichtliche und frühmittelalterliche germanische Ethnie am Rhein
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Die Alamannen oder Alemannen sind ein westgermanischer Stammesverband. Ihr Siedlungs- und Herrschaftsgebiet wurde im Frühmittelalter als Alamannien bezeichnet. Die Bedeutung des Namens, der erstmals 289 n. Chr. in seiner lateinischen Form Alamanni (später auch Alemanni) erscheint, ist umstritten. Wahrscheinlich bedeutet er einfach «die Männer allgemein». Denkbar sind jedoch auch «alle (wehrfähigen) Männer» oder abwertend «zusammengelaufene, vermischte Männer». Der historische Stammesverband der Alamannen ging über in den altdeutschen Stamm der Schwaben. Heute bezeichnen sich ein Teil der Bewohner im süddeutschen Raum als «Alemannen». Sie sprechen Dialekte, welche in der Linguistik als Alemannischen Dialekte bezeichnet werden und pflegen «alemannisches» Brauchtum wie die Alemannische Fasnacht. In Baden-Württemberg grenzen sich die Bewohner des alten Baden oft als «Alemannen» gegen die «Schwaben» aus Württemberg ab.

Herkunft der Alamannen

Die Alamannen bildeten sich wahrscheinlich im 3. Jahrhundert n. Chr. aus verschiedenen elbgermanischen und suebischen (verm. Semnonen, Juthungen usw.) Stammesgruppen, Heerhaufen und Gefolgschaften im Gebiet zwischen Rhein, Main und Lech. Die früher oft geäußerte Vermutung, die Alamannen hätten sich im Inneren Germaniens gebildet gilt heute als überholt. Gesicherte Erkenntnisse darüber gibt es jedenfalls keine, da nur archäologische Funde und keine schriftlichen Quellen vorliegen. Die Deutung des Namens als «die Männer allgemein» nach dem römischen Historiker Asinius Quadratus wäre so zu deuten, dass damit ein Unterschied zu den nach spezifischen Stämmen unterschiedenen Männern gemacht wurde. Er verweist also auf die Entstehung des Volkes durch die Vermischung von Männern (mit ihren Sippen) aus verschiedenen Stämmen. Die Alamannen gliederten sich in die Bucinobantes, Brisigavi, Lentienses, Raetovarii und Juthungen. Bis um 500 wurden Alamannen und Sueben ebenfalls unterschieden. Es ist anzunehmen, dass der alte Name Sueben zum Teil weiter verwendet wurde. Er taucht später wieder auf, als das Siedlungsgebiet der Alamannen, das bis dahin als Alamannia betitelt worden war, im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Herzogtum Schwaben wurde.

Name

Üblicherweise wird der Name ”Alemannen” etwa als 'alle Männer' gedeutet. Er kommt aber eher vom keltischen al ('gross') bzw. von ail, all, ull ('fremd' oder 'wild') und maon ('Mann'). Erstmals werdn die Alemannen um 213 n.Chr. geschichtlich fassbar.

Der Name Alamannen wird pars pro toto (ein Teil [steht] für das Ganze), im Französischen (les Allemands), im Türkischen (Almanlar), im Spanischen (los alemanes), im Kurdischen (Elman oder Alman) und im Portugiesischen (os alemães) als Bezeichnung für die Deutschen verwendet.

Siehe auch: Liste der germanischen Stämme, Schwaben

Geschichte

Die Stammesbildung der Alamannen fand wahrscheinlich erst im fortgeschrittenen 3. Jahrhundert statt. Der Einfall der Alamannen nach Italien und Gallien unter dem König Chrocus 268 n. Chr. soll gemäss den Berichten von Gregor von Tours (Historia Francorum, lib. I, 32-34) das Land völlig verwüstet zurückgelassen haben. Kaiser Gallienus gelang es mehrmals (259 bei Mailand und 260 bei Augsburg) die Alamannen zu bezwingen, dennoch konnte das Römische Reich danach den Limes und damit das Gebiet nördlich und östlich des Rheins in Süddeutschland, das Dekumatland nicht mehr halten. Das Dekumatland war wohl schon zuvor von verschiedenen germanischen bzw. alamannischen Sippen unter römischer Duldung oder Förderung besiedelt worden, da es sich hier um ein vernachlässigtes, strukturschwaches und krisengeschütteltes Grenzgebiet handelte. Die alamannischen Ansiedlungen entstanden oftmals in oder bei den Ruinen der römischen Kastelle und Villen. Vereinzelt wurden auch so genannte Höhenburgen errichtet wie auf dem Glauberg und Runden Berg bei Bad Urach. Am 21. April 289 n. Chr. hielt Mamertinus in Augusta Treverorum (Trier) eine Lobrede auf Kaiser Maximianus und erwähnte dabei die Alamanni. Dies ist die erste zeitgenössische Erwähnung der Alamannen. Ab 289 ist für das Gebiet nördlich des Rheins die Bezeichnung Alamannia nachweisbar. Eine erste Nennung der Alamannen zum Jahr 213, als nach dem römischen Historiker Cassius Dio Kaiser M. Aurelius Antoninus Caracalla nach einem Sieg über die Alamannen den Beinamen Alamannicus angenommen haben soll, ist nicht zeitgenössisch und deshalb unzuverlässig.

Vom ehemaligen Dekumatland aus unternahmen die Alamannen wiederholte Raubzüge in die angrenzenden Provinzen des römischen Reiches Raetia und Maxima Sequanorum, aber auch bis weit nach Gallien hinein. Sie erlitten dabei wiederholt Niederlagen gegen römische Heere, so durch Kaiser Constantius 298 bei Langres und bei Vindonissa (Windisch). Nach der verlustreichen Schlacht bei Mursa 351 zwischen dem gallischen Usurpator Magnentius und Kaiser Constantius II. brachen die Franken und Alamannen gemeinsam über die Rheingrenze. Die Alamannen besetzten die Pfalz, das Elsass und die Nordostschweiz. Erst der Sieg des Caesar (Unterkaiser) Julian in der Schlacht von Argentoratum (Straßburg) 357 gegen die vereinigten Alamannen unter Chnodomar sicherte die Rheingrenze erneut. Während der Regierungszeit Kaiser Valentinians I. gelang es den Alamannen zweimal, 365 und 368, ins Reichsgebiet einzudringen und unter anderem Mogontiacum (Mainz) zu plündern. Nach einem Vergeltungsfeldzug, der 369 Valentinian I. den Beinamen Alamannicus einbrachte, ließ er die Rheingrenze durch eine neue Reihe von Kastellen sichern, so in Altrip, Breisach am Rhein und gegenüber von Basel (Robur). Die Grenze am Hochrhein wurde mit einer Kette von Wachttürmen (burgi) verstärkt. 374 schlossen die Alamannen unter ihrem König Makrian einen dauerhaften Frieden mit Valentinian I. Dennoch musste sein Nachfolger, Kaiser Gratian 378 wiederum einen Feldzug gegen die Alamannen führen, der als letzter Vorstoß römischer Truppen über die Rheingrenze gilt. Danach standen die Alamannen in einem Foederaten-Verhältnis mit dem römischen Reich.

Die Usurpation durch Magnus Maximus in Britannien und der Krieg mit den Franken erlaubte 383 einen Einbruch der Alamannen in Rätien, das Kaiser Valentinian II. nur mit Unterstützung der Alanen und der Hunnen wieder sichern konnte. Weitere interne römische Machtkämpfe unter Kaiser Theodosius I. schwächten die römische Position am Rhein. Dem Heermeister Stilicho gelang es zwar 396/398, die Verträge mit den Alamannen zu erneuern, dennoch musste er zum Schutz Italiens vor den Goten ab 401 die römischen Truppen von der Reichsgrenze abziehen. Es scheint nach neuesten Erkenntnissen danach jedoch nicht zu einem sofortigen «Alamannensturm» in die ehemals römischen Gebiete gekommen zu sein. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass die föderierten Alamannen zumindest eine Zeit lang noch die Grenze schützten. Insbesondere Rätien wurde als «Schutzschild Italiens» noch bis Mitte des 5. Jahrhunderts verteidigt: Römische Truppen wehrten 430 unter Flavius Aetius und 457 unter Kaiser Majorian alamannische Einfälle nach Rätien und Italien ab. Gallien war den Plünderungszügen der Alamannen hingegen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert und wurde gemäss dem Chronisten Fredegar nach 406 wiederholt verwüstet.

Ab 455 setzte eine West- und Ostexpansion der Alamannen nach Gallien und Noricum ein, über die nur ungesicherte Informationen vorliegen. Ein Konflikt mit den benachbarten Franken führte nach Gregor von Tours zwischen 496 und 507 zur entscheidenden Niederlage der Alamannen bei Zülpich gegen den fränkischen König Chlodwig I.. Chlodwig habe danach in Zusammenhang mit diesem Sieg den christlichen Glauben angenommen. Die Alamannen fielen danach unter die Hoheit der Franken und der Ostgoten. 536/537 überließ der Ostgotenkönig Witigis dem Frankenkönig Theudebert I. unter anderem Churrätien und das Protektorat über «die Alamannen und andere benachbarte Stämme». Damit befanden sich alle Alamannen unter fränkischer Herrschaft.

Siehe auch: Römisches Reich, Spätantike, Fränkisches Reich, Heiliges Römisches Reich, Geschichte der Schweiz

Alamannien – Königreich und Herzogtum

 
Alamannien und Hochburgund im 10. und 11. Jahrhundert

Bis 496/497 herrschte ein König (rex) oder ein Herzog (dux) über die Alamannen, manchmal auch mehrere gleichzeitig über verschiedene Teile des Stammes. Die Titel wurden ihnen von römischen Chronisten zugeordnet. Mit der Unterwerfung der Alamannen durch die Franken endete deren Souveränität und es wurden unregelmäßig durch den fränkischen König Herzöge für das alamannische Gebiet eingesetzt. Eine lückenlose lineare Liste zu erstellen ist aufgrund der Quellenlage jedoch nicht möglich.

Alamannien wurde durch seinen autonomen Status im Frankenreich als Herzogtum in einem Gebiet gefestigt, das wohl grösstenteils mit dem späteren Herzogtum Schwaben übereinstimmt. Das Elsass wurde jedoch meist als eigenes Herzogtum geführt und gehörte eigentlich nicht zu Alamannien. Die Herzöge stammten verschiedentlich noch aus vornehmen alamannischen Familien und standen nicht immer in Konkurrenz zu fränkischen Adligen. So gründete z.B. ein alamannischer Herzog zusammen mit dem fränkischen Hausmeier das Kloster Reichenau. Der Schwerpunkt des fränkischen Herzogtums lag im Gebiet südlich des Hochrheins und im Bodenseegebiet. Die Franken mussten wiederholt gegen aufständische alamannische Herzöge ins Feld ziehen. Im so genannten Blutsgerichtstag zu Cannstatt 746 wurde der Widerstand endgültig gebrochen: Das Herzogtum Alamannien wurde aufgehoben und direkt von den Franken beherrscht. Damit verschwand der alamannische Herzogstitel längere Zeit. Allerdings versuchte Kaiser Ludwig der Fromme seinem Sohn Karl zwischen 829 und 838 ein KönigreichAlamannia zu schaffen. Im 10. Jahrhundert wurde das ostfränkisch/deutsche Herzogtum Schwaben gegründet, für das die lateinischen Bezeichnungen Suevia und Alamannia bis weit ins Hochmittelalter gleichbedeutend verwendet wurden. Dieses Herzogtum lässt sich einigermassen eingrenzen. Auch ist seine fränkische Gaueinteilung einigermassen gesichert. Umstrittene Gebiete waren nach wie vor das Elsass und der Aargau, die vom benachbarten Herzogtum Lothringen bzw. vom Königreich Burgund beansprucht wurden. Nach dem Schwabenkrieg 1499 wurde Alamannien nur noch für den südlich des Rheins gelegenen, eidgenössischen Teil des alten Herzogtums verwendet.


Siehe weiter: Herzogtum Schwaben, Geschichte der Schweiz, Liste der Gaue von Alamannien/Schwaben, dem Elsass und von Hochburgund

Die Religion der Alamannen

Die Alamannen verehrten noch im 5. Jahrhundert die altgermanischen Gottheiten, hauptsächlich den Ziu. Nach der Eroberung durch die Franken setzte die Missionierung der Alamannen ein, insbesondere durch den irischen Missionar Kolumban und seine Gefolgsleute. Sie gründeten die Klöster St. Gallen (614), St. Trudpert, Säckingen und Reichenau (724). In Alamannien bestanden noch aus römischer Zeit Bischofssitze in Basel (früher in Augusta Raurica bei Basel), Konstanz, Straßburg und Augsburg. Die kirchlichen Verhältnisse wurden zum ersten Mal in der Lex Alamannorum, einer frühen Kodifikation des alamannischen Rechts im 7. Jahrhundert festgelegt. Es gab wahrscheinlich eine ununterbrochene Existenz von Christen in den alten römischen Gebieten südlich und westlich des Rheins, zumindest in den Städten und in den Alpentälern. Untergegangen war in Alamannien seit der Römerzeit nur der Bischofssitz in Vindonissa (Windisch).

Siehe weiter: Germanische Mythologie

Siedlungsgebiet der historischen Alamannen und der heutigen Alemannen

 
Der alemannische Sprachraum

Betreffend das Siedlungsgebiet der Alamannen gilt es klar zu unterscheiden zwischen denjenigen Gebieten, in denen archäologische Funde und Flurnamen auf eine mindestens zeitweise Ansiedlung von alamannischen Sippen deuten und denjenigen Gebieten, die von den Sprechern der modernen alemannischen Dialekte bewohnt werden. Die Flurnamen und Funde liegen zwischen Mainz, Würzburg, Alpennordkamm, Vogesen und jenseits der Burgundischen Pforte in der Franche-Comté bis Dijon. In der Schweiz bildet der Raum zwischen Bern und Freiburg im Westen und der Walen- und Bodensee die Grenze. Die Linguistik bezeichnet eine Reihe von heutigen oberdeutschen Sprachen bzw. Großdialekten, die auf den Volksstamm der Alamannen zurückgehen als «Alemannisch». Die Alamannen vermischten sich in den von ihnen besiedelten Gebieten mit der bereits ansässigen romanisierten keltischen Bevölkerung, wobei sich meist das Alemannische als Umgangssprache durchsetzte. Vor allem das Rätoromanische wurde und wird bis heute von den alemannischen Dialekten im Alpenraum stark zurückgedrängt. Manche Gebiete wie das Wallis wurden erst im Mittelalter von alemannischsprechenden Siedlern erschlossen. Gegenüber dem Französischen ist eher ein umgekehrter Trend festzustellen, insbesondere im Elsass und in der Westschweiz zwischen Freiburg im Üechtland (Fribourg) und Neuenburg wird das Alemannische zunehmend vom Französischen verdrängt.


Siehe weiter: Alemannische Dialekte, Schwäbisch-alemannische Fastnacht, Alemannischer Separatismus

Museen

Literatur

  • R. Christlein: Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, Stuttgart u.a. 1978.
  • K. Fuchs, M. Kempa, R. Redies: Die Alamannen (Ausstellungskatalog), Verlag Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3806215359.
  • D. Geuenich: Geschichte der Alemannen, Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3170182277 / ISBN 3170120956.
  • D. Geuenich: Die Franken und die Alemannen bis zur "Schlacht bei Zülpich" (496/497), Reallexikon der germanischen Altertumskunde - Ergänzungsband 19, Mainz 1998.
  • W. Müller: Zur Geschichte der Alamannen (Wege der Forschung), Darmstadt 1979.
  • Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 263 ff. (mit Literaturübersicht).
  • P. Paulsen: Alamannische Adelsgräber von Niederstotzingen Kr. Heidenheim, Bd. I und II Veröffentlichungen des staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart, Verlag Müller & Gräff, Stuttgart.
  • H. Siebenmorgen u.a.: Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen - Die Spätantike am Oberrhein. Herausgegeben vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Stuttgart 2005.
  • B. Krusch (Hg.): Fredegarii et aliorum Chronica. Vitae sanctorum. Monumenta Germaniae Historica. Scriptores. 1888, Nachdruck 1984
  • Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten, Bd.1, Buch 1-5, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991, ISBN 3534068092
  • R. Wörner: Das alamannische Ortsgräberfeld von Oberndorf-Beffendorf, Kreis Rottweil / Renate Wörner, Stuttgart 1999. (=Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg ; 44) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1996.
  • Kulturmagazin MUSEION ~ 2000 (Ausg. 4/1992, ABZ Verlag, Zürich), „Keltischer Wortschatz in der deutschen Sprache”,