Agenda 2010
Die Neutralität und faktische Korrektheit dieses Artikels ist umstritten. Siehe Wikipedia:Neutraler Standpunkt.
Die Agenda 2010 ist ein mehrgliedriges Konzept der Bundesregierung, mit dem sie das deutsche Sozialsystem und den Arbeitsmarkt reformieren will.
Ziele
Das Ziel der Agenda 2010 ist es, wirtschaftliches Wachstum und damit Beschäftigung zu bewirken. Dazu sind in der Agenda 2010 ein ganzes Bündel an notwendigen Veränderungen sowohl im Sozialstaat als auch in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik vorgesehen.
Das Hauptziel der Agenda 2010 ist, wieder mehr Beschäftigung für Arbeitslose zu schaffen. Da der Staat in einer Marktwirtschaft diese nicht per Anweisung schaffen kann, müssen indirekte, aber dennoch gezielte Einzelmaßnahmen ergriffen werden. Als Zwischenziel muss daher der Arbeitsmarkt transparenter und dynamischer werden (siehe Hartz-Konzept).
Um Unternehmer wieder zu Neueinstellungen zu motivieren, müssen die Kosten für die Arbeit sinken. Dies bedeutet Einkommensteuersenkungen für die Beschäftigten und Senkung der Sozialversicherungsbeiträge auf ein niedrigeres Niveau.
Maßnahmen
Die bisher erreichten und durchgeführten Maßnahmen der Regierung sind im einzelnen:
- Bereich Wirtschaft: Förderung des Mittelstands durch Änderung der Handwerksordnung (Betriebsgründung auch ohne Meisterbrief), Lockerung des Kündigungsschutzes und Senkung der Lohnnebenkosten bei Beschäftigung.
- Bereich Ausbildung: Besondere Ausbildungsangebote für Jugendliche, Berufsausbildung auch durch fachlich geeignete, erfahrene Gesellen in den Betrieben.
- Bereich Steuern: Steuersenkungen des Eingangssteuersatzes von 26% auf nun 16%, des Spitzensteuersatzes von 53% auf 45%, zugleich Erhöhung des steuerfreien Jahreseinkommens auf 7.663 €. Damit werden die Steuerzahler erheblich entlastet.
- Bereich Bildung: Erhöhung der Bildungsausgaben innerhalb von fünf Jahren um 25%, Bafög-Reform um mehr studienbereiten jungen Menschen eine Hochschulausbildung zu ermöglichen. Ebenso Investition von 4 Mrd. € zur Förderung von Ganztagsschulen, um Schüler länger und intensiver zu betreuen und auszubilden.
- Bereich Arbeitsmarkt: Einführung neuer Förderinstrumente für mehr Beschäftigung wie Ich-AG, Zuschüsse für Existenzgründer, Personal-Service-Agenturen, neue Beschäftigungsarten wie Minijob und Midijob.
- Bereich Gesundheit: Ergreifen von dringend notwendigen Maßnahmen, um das weitere Ansteigen der Sozialversicherungsbeiträge von derzeit ca. 45% des Bruttolohns auf 50% zu verhindern. Ergreifung von Maßnahmen, um die Effizienz im deutschen Gesundheitssystem zu erhöhen und damit die Gesamtkosten zu reduzieren. Gleichzeitig Erhöhung der Kostentransparenz für die Versicherten durch Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte ab dem Jahr 2006.
- Bereich Rente: Ergreifen von dringend notwendigen Maßnahmen, um das weitere Ansteigen der Rentenversicherungsbeiträge für die derzeitigen Beitragszahler konstant auf 19,5% des Bruttolohns zu halten. Ergänzung der Rentenformel um den Nachhaltigkeitsfaktor, um einen weiteren Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge zu dämpfen. Reduzierung der versicherungsfremden Leistungen.
- Bereich Familie: Erhöhung des Kindergelds auf 154 €. Verstärkte Investitionen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, Ausbau von Ganztagsschulen, Einführung von Steuervergünstigungen für die Kinderbetreuung und für die Einstellung von Haushaltshilfen im Privathaushalt.
Bewertung der Agenda 2010
Allein diese Maßnahmen können jedoch nur kurzfristig zur Lösung der Rentenproblematik und den steigenden Kosten der Krankenversicherung beitragen. Es müssen mehr Menschen Arbeit finden, um die Zahl der Beitragszahler für die Sozialversicherung zu erhöhen. Für mehr Beschäftigung müssen jedoch die Kosten für die Arbeitskraft sinken. Daher müssen weiter die Steuern und die Lohnnebenkosten reduziert werden. Nur so lässt sich die soziale Absicherung für die Gesellschaft langfristig erhalten. Langfristig werden daher nach Meinung vieler Kritiker auch die Maßnahmen der Agenda 2010 nicht für die Zukunft ausreichen.
Kritiker der Agenda 2010, allen voran die Gewerkschaften, werfen dem Konzept zu starke Einschnitte in den Sozialstaat vor: Nach Ansicht der Gewerktschaften werden nun Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger in ihren Leistungen gleichgestellt. Nach der Agenda 2010 soll das Arbeitslosengeld sich wie bisher auch am letzten Einkommen orientieren, allerdings beträgt das neue Arbeitslosengeld prozentual weniger als das letzte Gehalt. Als fixe Untergrenze für das Arbeitslosengeld gilt das staatlich festgelegte Existenzminimum (Langzeitarbeitslose werden also nicht Sozialhilfeempfängern gleichgestellt).
Nachvollziehbar sind daher diese Kritikpunkte der Gewerkschaften anhand der Agenda 2010 nur für viele schwerlich. Gemäß der Agenda 2010 wird das Arbeitslosengeld unverändert wie bisher ausgezahlt. Die Sozialhilfe wird nur als Arbeitslosengeld II umbenannt. Dabei werden jedoch nicht die Leistungen, also die Höhe der Auszahlungen gekürzt, sondern es wird die Verwaltung der Sozialhilfe an das Arbeitsamt übertragen. Daher kommt es nicht zu einer Leistungskürzung, sondern nur zu einer sinnvollen Kompetenzbündelung auf das Arbeitsamt, um auch Sozialhilfeempfänger wieder in Beschäftigung zu führen (siehe dazu auch Hartz-Konzept).
Volkswirtschaftlich argumentieren die Gewerkschaften damit, dass die Reformpläne die Nachfrage schwächen, da Empfänger von Sozialleistungen als Opfer der Kürzungsmaßnahmen eine Personengruppe mit höherer Konsumquote seien als die Profitträger der Agenda (Steuerzahler und Beschäftigte).
Ein Leitantrag zur Agenda 2010 wurde auch auf dem Sonderparteitag der Grünen am 14./15. Juni 2003 mit ca. 90-prozentiger Mehrheit [1] angenommen, nachdem die SPD auf ihrem Sonderparteitag am 1. Juni mit deutlich über 80 Prozent für den Leitantrag des SPD-Bundesvorstandes gestimmt hatte.
Kritik
Kritiker der Agenda befürchten, dass durch geringere Sozialversicherungsbeiträge aller Versicherten, insbesondere in der Krankenversicherung, nicht mehr die medizinische Behandlung in vollem Umfang 'kostenlos' bleibt. Es besteht die Befürchtung, dass die medizinische Versorgung durch eigene Barzahlungen bei ambulanten oder stationären Behandlungen ergänzt werden muss. Es wird häufig das Stichwort der Zwei-Klassen-Medizin angeführt, bei der selbst die wichtigsten Leistungen für Kranke nur gegen Barzahlung erfolgt. Die medizinische Grundversorgung sei jedoch, wie bisher auch, sichergestellt, behaupten jedenfalls Regierung und Opposition, welche den entsprechenden Kompromiss ausgehandelt haben.
Generelle Kritik an der Agenda 2010 - insbesondere von den Gewerkschaften - ist, dass diese Maßnahmen nicht zu einer Reduzierung sondern zunächst zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Beispielhaft werden die USA und Großbritannien angeführt. Als in den USA von Ronald Reagan und in Großbritannien von Margaret Thatcher neoliberale Programme vollzogen wurden, stieg zunächst die Arbeitslosigkeit an. Langfristig ging jedoch in beiden Ländern die Arbeitslosigkeit zurück und stagnierte auf niedrigem Niveau (ca. 5-7% Arbeitslosigkeit). Obwohl Reformen keine Garantie für neue Arbeitsplätze abgeben, so können diese jedoch für verbesserte Rahmenbedingungen sorgen und damit die Wirtschaft positiv stimulieren. Fraglich ist allerdings, ob die moderaten Maßnahmen der Agenda 2010 mit den Radikalreformen unter Margaret Thatcher überhaupt vergleichbar sind und diese bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage überhaupt noch ausreichen.
Da durch den Generationenvertrag die Sozialversicherungsbeiträge (derzeit liegen diese bei ca. 45% des Bruttolohns) vorwiegend von der jungen für die ältere Generation finanziert wird, ist darauf zu achten, dass die junge Generation in ihrer Zahlungspflicht für die Alten nicht überfordert wird. Daher müssen beide Generationen gleichmäßig verteilt Nachteile in Kauf nehmen.
Situation in Österreich
In Österreich wurde per Volksbegehren eine Änderung des österreichischen Verfassung durchgesetzt, in dem Artikel 1 um einen Absatz erweitert wurde, der festschreibt, dass es sich bei Österreich um einen Sozialstaat handelt. Dieses Begehren wurde durchgesetzt, weil auch in Österreich zahlreiche soziale Einschnitte (Sozialabbau) zur Debatte standen.
Links
Siehe auch: Demografie, Hartz-Konzept, Sozialabbau, Sozialpolitik, Gewerkschaft
Weblinks
- Leitantrag des SPD-Vorstands zur Agenda 2010 (PDF)
- Gegenkonzept des DGB (PDF)
- http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/seiten/01_politik.htm - informiert zuverlässig und zeitnah über die politische Diskussion zum Thema.
- Agenda 2010 verhindern, soziale Alternativen anbieten!
- Hartz und die Agenda 2010: Dem Staat wird das Volk zu teuer
- Darum geht´s bei der Agenda 2010: Eine nationale Offensive gegen den Lohn - für überlegene deutsche Wirtschaftsmacht
Presse
- Frankfurter Rundschau: Liste der politischen Dossiers: Wieviel Staat braucht der Mensch? Agenda 2010: Rentenreform, Gesundheitsreform, Was sich alles ändert, Alternativen
- Sozialstaatlicher "Systemwechsel" in Deutschland - Politische Überzeugungsarbeit für ein "neues Kapitel deutscher Sozialgeschichte" (GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift)
- Agenda 2010 - Die Bilanz
- Agenda 2010 - Schröders beschwerlicher Weg zum Reformkanzler
- Albrecht Müller in SZ - Agenda 2010 kann Probleme nicht lösen
- ver.di: Wirtschaft und Sozialstaat am Abgrund - Schröder verkündet Sprung vorwärts