Physik des Segelns

physikalische Grundlagen des Segelns
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Segeln ist eine Fortbewegungsart unter Nutzung des Windes, bei der ein oder mehrere Segel angeströmt werden und einen Vortrieb des Fahrzeugs bewirken. Auch beim Segelfliegen kommt dieses Prinzip zur Anwendung.

Segelschiffe wurden früher in der Kriegs- und in der Handelsmarine eingesetzt. Heute wird Segeln zumeist als Freizeitaktivität oder Sport betrieben, es findet aber auch weiterhin (zum Beispiel im Fischfang) eine kommerzielle beziehungsweise alltagsbestimmte Anwendung. Verwandt mit dem Segeln ist das Windsurfen.

Gaffelkutter

Arten von Segelbooten

Man unterscheidet heute bei Segelschiffen hauptsächlich zwischen Kielyachten, Katamaranen und Jollen. Für große Segelschiffe, wie sie früher gebaut wurden, gibt es noch eine Fülle von weiteren Bezeichnungen, die sich nach der Art der Takelung richten. Bei den Segeln unterscheidet man zwischen Schratsegeln oder Hochsegeln, Gaffelsegeln, Sprietsegeln, Lateinersegeln und Rahsegeln.

Prinzipien des Segelns

 
Segelyachten, Round Anglesey Race, 1998

Segeln durch den Winddruck

Beim Segeln vor dem Wind bewirkt der Winddruck auf eine senkrecht zum Wind stehende Fläche einen Vortrieb in Windrichtung. Diese Art des Vortriebs wird am günstigsten durch Rahsegel genutzt. Schiffe mit Rahsegeln fuhren oft auf längeren Kursen zum Ziel, auf denen bekannte Winde wie zum Beispiel die Passatwinde in günstiger Richtung standen. So fuhren auch die Walfänger aus Nantucket auf dem Umweg über die Azoren und die westafrikanische Küste in Richtung auf Kap Hoorn und das Fanggebiet westlich der südamerikanischen Pazifikküste. Die Reisegeschwindigkeit von Rahseglern ist oft geringer, weil sie beim Kreuzen quer zum Wind sehr viel langsamer vorankommen als Boote mit Schratsegeln auf Kursen Am Wind.

Segeln durch windströmungsbewirkte Druckunterschiede

(Segeln auf allen Kursen zwischen Am Wind- und Halbwind-Kurs) Bei einem Segel ist die Wölbung auf der dem Wind zugewandten Seite (Luv) konkav, auf der dem Wind abgewandten Seite (Lee) konvex. Der Wölbungsverlauf ist nicht gleichmäßig. Die Segel laufen zur Hinterkante hin flach zu. Der Wind strömt an einer nahezu parallel zur Richtung des scheinbaren Windes ausgerichteten Fläche (im vorderen Bereich des Segels) entlang und wird dann durch die veränderte Segelwölbung auf beiden Seiten der Fläche aus der Bahn gelenkt. Auf der Luvseite wird dadurch ein Überdruck erzeugt (Luft staut sich wird abgebremst -> Überdruck). Auf der Leeseite hingegen wird die Luft umgelenkt, da am Segel ein Unterdruck entsteht. Die Druckdifferenz zwischen Luv- und Leeseite des Segels bewirkt eine Kraft senkrecht zum Segel (diese Kraft ist auch für die Wölbung des Segels verantwortlich). Die Kraft kann man in zwei Teile zerlegen: Der eine Teil dieser Kraft wirkt parallel zur Längsrichtung des Bootes und erzeugt den Vortrieb. Der andere Teil wirkt senkrecht zur Längsrichtung des Bootes und wird teilweise durch die Widerstandsflächen unter Wasser (den Lateralplan) kompensiert.

Auf diesen Kursen können wir also segeln, da die Segel sich ähnlich wie Tragflächen an Flugzeugen verhalten.

Grundlegende Segeltechniken

Segelmanöver

Eine Drehung des Bootes an den Wind nennt man Anluven. Die entgegengesetzte Bewegung, vom Wind weg, nennt man Abfallen.

Dreht man das Boot über das Anluven hinaus mit der Bugspitze in den Wind hinein, so nennt man dies aufschießen. Schiffe mit Schratsegeln kann man durch Aufschießen in eine sichere Ruhelage bringen, weil der Wind in dieser Position keinen Druck mehr auf das oder die Segel ausübt.

Dreht man das Boot weiter mit der Bugspitze durch den Wind hindurch, so dass das Segel von der anderen Seite her wieder Wind aufnimmt, so nennt man dies wenden. Dreht man umgekehrt mit dem Heck durch den Wind, so nennt man dies halsen.

Trimm

Ein seemännischer Begriff für die "Einstellungen" eines Bootes. Die Segelausrichtung wird Segeltrimm genannt. Die Position, Neigung, Biegung und Spannung des Mastes wird unter dem Begriff "Masttrimm" zusammengefasst. Der Gewichtstrimm wird durch Umpumpen von Wasser in Ballasttanks oder bei Jollen durch die Position der Mannschaft geregelt. Er sorgt für Neigung des Bootes sowohl nach Luv oder Lee als auch nach achtern oder zum Bug. In der Seefahrt nennt man Trimm auch die Neigung des Schiffes in Längsrichtung; der Trimm wird angegeben in Zentimeter und gibt den Unterschied zwischen dem vorderen und hinteren Tiefgang an. Im Gegensatz hierzu nennt man die Neigung nach Backbord oder Steuerbord "Schlagseite".

Reffen

Um bei starkem Wind oder Sturm eine zu starke Krängung des Boots zu vermeiden, ist es auf Booten, die keine speziellen kleineren Sturmsegel an Bord haben, üblich die Segelfläche durch reffen zu verkleinern.

Gleiten

 
Ein Musto Skiff in voller Gleitfahrt

Ein Begriff für den Bewegungszustand von Booten, die den größten Teil ihres Auftriebes nicht durch ihre Verdrängung, sondern durch ihre Geschwindigkeit gepaart mit ihrer Bootsform erhalten. Das Boot "hebt" sich dabei etwas aus dem Wasser, wie man es auch bei vielen Motorsportbooten beobachten kann. Beim Gleiten haben die meisten Boote einen viel kleineren Wasserwiderstand als bei normaler Verdrängerfahrt. Das Gleiten wird deshalb bei vielen Jollen angestrebt, um hohe Geschwindigkeit zu erreichen; dazu wird oft sogar ein längerer Kurs gewählt. Gleiten ist nur bei grösseren Windstärken (ab ca. 3-4 Bft) möglich. Dann kann die Gleitschwelle überwunden werden.

Sport

Es gibt zwei stark unterschiedliche Arten des sportlichen Segelns: Regattasegeln und Fahrtensegeln - vergleichbar dem Unterschied zwischen einem Radrennen und einer Radtour.

Seglerehre

Meistens ist in einer Segeljacht bzw Jolle ein Paddel zur Sicherheit vorhanden (Falls der Wind ausbleibt etc.). Dieses wird aber grundsätzlich nicht verwendet da unter Seglern ein uraltes Motto herrscht: Echte Segler paddeln nicht. Dieser Grundsatz entwickelte sich über Jahrzehnte hinweg seit den frühen Pionierseglern. Damals galt man als Feigling und Leichtmatrose wenn man das Paddel verwendete. "Paddler" wurden kielgeholt oder über bord geworfen. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde da Paddeln in einigen Monarchien per Gesetz untersagt und bestraft um die Ehre und Disziplin der jeweiligen Flotte zu gewährleisten. Während in Holland und Belgien das Paddeln unter Seglern mit dem abhacken der Hand bestraft wurde, stand in England unter der Queen sogar die Todesstrafe auf willkürliche Paddeln. Diese Einstellung hat sich bis heute gehalten und gilt als wichtigster Grundsatz des Seglers. "Echte" Segler trotzen den stärksten Böhen, den höchsten Wellen, den zerschmetterndsten Brechern und del lägsten Flauten ohne Paddel und zeigen somit ihre härte. In diesem Bereich des Sports zählt die Ehre des Seglers mehr als das Leben.

Fahrtensegeln

Unter Fahrtensegeln versteht man meist mehrtägige Fahrten mit einem Boot von einem Start- zu einem Zielhafen. Ein solcher Segeltörn kann sportlich mehr oder weniger anspruchsvoll sein. Es geht jedoch nie um den Wettkampf mit anderen Booten, sondern allenfalls um den Kampf mit den Elementen.

Regattasegeln

 
Olympisches 49er skiff

Regattasegeln ist ein Wettkampfsport: Hier wird eine vorher abgestimmte Strecke von zwei (Matchrace) oder mehr (Fleetrace) Booten zur selben Zeit befahren. Beim Segeln umfasst dies eine sehr viel größere Bandbreite als bei anderen Sportarten üblich. Die Dauer eines Wettkampfes kann von Stunden bei Jollenregatten bis zu Monaten bei Hochseeregatten (zum Beispiel Volvo Ocean Race) betragen. Gleiches gilt für die Kosten zur Ausübung des Sports: Ein Team beim America's Cup braucht einen Millionenetat, um überhaupt teilnehmen zu können, während in der Laserklasse bereits mit normalen Mitteln internationale Erfolge zu erzielen sind. Auch das Risiko verteilt sich entsprechend: Bei professionellen Hochseeregatten steht die Geschwindigkeit absolut im Vordergrund, was trotz aller Sicherheitsmaßnahmen bei Fehlern auch Lebensgefahr für die Besatzung bedeutet. Bei Jollenregatten, die sportlich nicht weniger anspruchsvoll sein müssen, besteht zwar auch immer eine gewisse Unfallgefahr, das Risiko ist aber doch deutlich geringer.

Kleinere Kielboote und Jollen sind meist sogenannte "Einheitsklassen" (oder One-Designs). Diese Boote haben identische Rümpfe und Masten und untertliegen strengen Beschränkungen in Bezug auf Ausrüstung und Segel. Somit wird sichergestellt, daß gleichwertige Boote gegeneinander segeln. Bei größeren Yachten sind die Stückzahlen der Boote jedoch viel zu klein, um ausreichend große Startfelder zu erhalten. Hier müssen also unterschiedliche Boote gegeneinander segeln. Um den Wettkampf fair zu machen, gibt es sogenannte Vermessungsformeln, nach denen das Geschwindigkeitspotential der Boote theoretisch vorherberechnet wird (IMS, IRC, ORC) oder aber aus Erfahrungswerten bestimmt wird (Yardstick). Jedes Boot erhält einen individuellen Wert, mit dem die gesegelte Zeit zur berechneten Zeit korrigiert wird. Diese Zeit ist dann für die Ergebnisse relevant. Das erste Boot im Ziel ist also oft nicht der Sieger, da ein langsameres Boot nach berechneter Zeit die bessere Leistung erbracht haben kann. Eine andere Möglichkeit, unterschiedliche Boote gegeneinander segeln zu lassen, sind die sog. Konstruktionsklassen. Hier wird ein bestimmter Rahmen vorgegeben, und eine bestimmte Formel entwickelt. In diese Formel gehen Werte wie Verdrängung (=Gewicht) des Bootes, Tiefgang, Länge, Segelfläche usw. ein. Das Ergebnis der Formel darf dann einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Der Konstrukteur muß nun versuchen, aus den Formeln das beste herauszuholen, und z. B. entscheiden, ob es von Vorteil sein kann, die Segelfläche zu erhöhen, auch wenn dafür der Kielballast verringert werden muß, um in der Formelbeschränkung zu bleiben. Beispiele für Konstruktionsklassen sind z. B. die "Meterboote" wie 12er, 8er, 6er, die Eintonner, Halbtonner und Vierteltonner der Siebziger Jahre, aber auch die modernen America's Cup-Yachten. Die 12er (eigentlich 12-Meter-Rennyachten) sind aber keinesfalls 12 Meter lang, nur das Ergebnis der Vermessungsformel, in die die Abmessungen des Bootes eingesetzt worden sind, darf 12 m nicht überschreiten. 12er sind typischerweise etwa 20-22 m lang. Gleiches gilt auch für die Tonner und andere Konstruktionsklassen.

Bedeutende Wettbewerbe

Terminologie

Segelplan

Der Segelplan ist bei Booten mit Schratsegeln die seitliche Projektion der Segelfläche. Es gilt im allgemeinen: Je größer, desto schneller; je höher (schlanker), desto schneller; je höher und größer (im Verhältnis zum Lateralplan), desto schneller kentert das Boot.

Siehe auch

Commons: sailing – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Schenk, Bobby: Fahrtensegeln. Delius-Klasing-Verlag, Bielefeld 2003 ISBN 3-7688-1426-2
  • Jensen, Jens Kusk: Handbuch der praktischen Seemannschaft auf traditionellen Segelschiffen. Heel Verlag 1998, ISBN 3-8936-5722-3
  • Schult, Joachim: Seglerlexikon, 600 S., Delius Klasing 1990, ISBN 3-87412-103-8

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