LSVD+ – Verband Queere Vielfalt
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) ist mit fast 3.000 Einzelmitgliedern und 60 Mitgliedsorganisationen die größte Bürgerrechts- und Selbsthilfeorganisation von Lesben und Schwulen in Deutschland. Er ist mittlerweile in fast allen Bundesländern vertreten.
Inhalte und Projekte
Wichtige Verbandsthemen sind ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz, die steuer- und beamtenrechtliche Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften oder das gemeinsame Adoptions- und Sorgerecht für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Darüber hinaus engagiert sich der LSVD in den Bereichen Antidiskriminierungspolitik in der EU sowie Menschenrechte für Lesben, Schwule und Transgender.
Neben seiner politischen Arbeit hat der LSVD, sein Familien- und Sozialverein und seine Untergliederungen zahlreiche Sozialprojekte entwickelt, beispielsweise im Bereich der Antigewaltarbeit, der Selbstorganisation von lesbischen und schwulen Migranten und der Regenbogenfamilien. Im Bereich der Migrationspolitik gibt es Diskussionen zwischen dem Bundesvorstand und dem Berliner Landesverband über die richtige Strategie zum Umgang mit Homophobie unter Migranten.
Geschichte
Der Verband wurde am 18. Februar 1990 von ostdeutschen schwulen Bürgerrechtlern wie Eduard Stapel in Leipzig als "Schwulenverband in der DDR" (SVD) gegründet. Er verstand sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR. Auf seinem ersten Verbandstag in Magdeburg (Juni 1990) benannte sich der SVD in "Schwulenverband in Deutschland" um mit dem Anspruch, zukünftig bundesweit aktiv zu werden.
Der Bundessprecherrat hatte gezielt Volker Beck, Günter Dworek und Manfred Bruns angeworben, die zuvor führend im westdeutschen Bundesverband Homosexualität (BVH) aktiv gewesen waren, um eine Ausdehnung auf Gesamtdeutschland zu erreichen. Manfred Bruns, Frank Hoyer und Michael Schneidewind wurden die ersten Westbeauftragten des Verbands. Für einen Teil der Aktivisten im BVH war das Angebot interessant, da sich in ihrem Verband um die Forderung nach Öffnung der Ehe für Lesben und Schwulen kein gemeinsamer Standpunkt hatte finden lassen.
Mit der Aktion Standesamt im August 1992 popularisierte der SVD die Forderung nach Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare in den Massenmedien und stellte den BVH, der eine alternative Lebensformenpolitik propagierte, zunehmend ins Abseits. 1997 löste sich der BVH schließlich auf.
Im Dezember 1998 veröffentlichte eine Initiative von mehreren Lesben, u.a. Halina Bendkowski und Ida Schillen, einen "Aufruf an alle Lesben, die sich eine wirkungsvolle Politik für unsere Rechte auf Bundesebene wünschen". Die Unterzeichnerinnen fordern dazu auf, den SVD in einen Lesben- und Schwulenverband umzuwandeln.
Im März 1999 beschloss der 11. Verbandstag in Köln mit großer Mehrheit die Erweiterung des SVD zum "Lesben- und Schwulenverband in Deutschland". Damit ergab sich eine Konkurrenzsituation zum Lesbenring, der die Ausweitung der Ehe auf Lesben und Schwule für unvereinbar mit seinem Verständnis von Feminismus hielt. Heute haben LSVD und Lesbenring annähernd gleich viele lesbische Mitglieder. Programm und Satzung des LSVD wurden ergänzt, die zentralen Begriffe des Programms, Emanzipation, Partizipation und Integration, blieben erhalten.
Auf dem Weg zum Lebenspartnerschaftsgesetz wurde der LSVD bei den entscheidenden Anhörungen des Bundestags und bei der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts angehört. Mit der von vielen Prominenten unterstützten Aktion Ja-Wort warb er in der Bevölkerung für eine Unterstützung der ersten gesetzgeberischen Schritte bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Im September 2004 organisierte der LSVD eine Kampagne gegen Reggaemusiker, die in Jamaika mit Hassliedern zum Mord an Schwulen aufrufen. Die Kampagne bewegte eine Vielzahl von Konzertveranstaltern zur Absage der in Deutschland geplanten Auftritte.
Am 28. Februar 2005 startete der LSVD die "Aktion EinszuEins" die für die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft wirbt und auch über über aktuell bestehende Benachteiligungen informiert.
Der LSVD unterstützt außerdem die schwule Bürgerrechtsbewegung in Polen, die mit massivem Widerstand bei Regierung und Behörden sowie mit Gewalt aus Teilen der Bevölkerung konfrontiert ist.
LSVD-Kampagne gegen schwulenfeindliche Texte in der Reggae-Musik
LSVD-Vorstandsmitglied Philipp Braun erfuhr von der Deutschland-Tournee des jamaikanischen Dancehall-Musikers Buju Banton. In seinem Lied "Boom Bye Bye" ruft Buju Banton offen dazu auf, Homosexuelle durch Kopfschuss, Säureattentat oder Brandanschlag zu ermorden. Amnesty international und Human Rights Watch haben aufgrund von Indizien berichtet, dass Buju Banton, der mit bürgerlichem Namen Mark Myrie heißt, im Juli 2004 in Jamaika an einem schwulenfeindlichen Übergriff persönlich beteiligt war.
Philipp Braun forderte Revelation Concerts aus Hamm, den Veranstalter der Deutschland-Tournee von Buju Banton, sowie die lokalen Mitveranstalter auf, die Konzerte unverzüglich abzusagen. Schon bald gab es Erfolge zu vermelden: Die Mitveranstalter in Saarbrücken, Hamburg und Darmstadt luden Buju Banton wieder aus. Zu einer Stellungnahme forderte Philipp Braun auch den deutschen Sportartikelhersteller Puma auf, der als Sponsor der jamaikanischen Olympia-Mannschaft auch ein Konzert von Buju Banton in Athen ermöglicht hatte.
Puma teilte dem LSVD darauf hin mit, dass es Firmenpolitik sei, keine Hasspredigten zu dulden. Buju Banton wurde in Athen auf diese Nulltoleranz-Politik gegenüber Minderheitenfeindlichkeit hingewiesen. Sollte Buju Banton gegen diesen Grundsatz verstoßen und irgendwo auf der Welt einen schwulenfeindlichen Song zur Aufführung bringen, wird Puma nicht weiter mit ihm zusammenarbeiten.
Reaktionen der Fans
Die LSVD-Erfolge führten im Internet zu teilweise heftigen Reaktionen aus Teilen der deutschen Fangemeinde von Reggae- und Dancehall-Musik. Die Anwürfe zeugen zum einen von einer erheblichen Intoleranz gegenüber Homosexuellen und zum anderen davon, dass die Urheber dieser Attacken über die Inhalte der Hassmusik bestens informiert sind. So bringen etwa einige Fans Beleidigungen und Drohungen zum Ausdruck, so auch, indem sie genau die von uns beanstandeten Verse der Hassmusiker zitieren. Einige schrieben, mit ihrer Toleranz gegenüber Homosexuellen sie es nun endgültig vorbei, weil der LSVD eine Kampagne gegen ihre Lieblingsmusik vom Zaun gebrochen habe. Andere Reggae-Fans stimmten der Kritik des LSVD zu und befürworteten den Boykott schwulenfeindlicher Reggaetexte und ihrer Interpreten.
Der LSVD hat deshalb noch einmal deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, jamaikanische Kultur und Musik oder jamaikanische Reggae- oder Dancehall-Musiker in Verruf zu bringen. Es geht darum, dass Hasspredigten gegen Schwule und Lesben nicht geduldet werden dürfen, egal ob sie in Jamaika, Deutschland oder sonst wo vorgetragen werden. Freie Meinungsäußerung und kulturelle Freiheiten sind hohe und schützenswerte Güter. Doch wenn zu Mord und Totschlag gegen Minderheiten aufgerufen wird, stoßen sie an ihre Grenzen, so der LSVD. Der LSVD hat auch an die Fans von Reggae- und Dancehall-Musik in Deutschland appelliert, gegenüber Veranstaltern und Interpreten deutlich zu machen, dass Aufrufe zu Mord an Schwulen nicht toleriert werden können.
Mitgliedschaften
Der LSVD ist Mitgliedsorganisation der 1979 gegründeten International Lesbian and Gay Association (ILGA) sowie im Forum Menschenrechte.
Prominente Mitglieder
Mit Manfred Bruns, Volker Beck, Eduard Stapel, Günter Dworek und Halina Bendkowski gehörten dem Vorstand prominente Bürgerrechtler an. Eine Reihe prominenter Künstler wie der Comic-Zeichner Ralf König, die Schauspielerin Hella von Sinnen,der Filmemacher Rosa von Praunheim oder Hans-Peter Hoogen unterstützen den LSVD mit ihrer Mitgliedschaft.
Bundesvorstand
Dem Bundesvorstand gehören aktuell an: Philipp Braun, Eduard Stapel, Günter Dworek, Manfred Bruns, Rebekka Schneider, Hartmut Schönknecht, Uta Kehr, Axel Hochrein, Axel Blumenthal, Antje Ferchau, Julia Borggräfe und Jacques Teyssier.
Siehe auch: Lesben- und Schwulenbewegung