Gini-Koeffizient

statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungenen
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Anwendung des Ginikoeffizienten zur Bestimmung von Einkommensungleichheit
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Der Ginikoeffizient oder auch Gini-Index ist ein statistisches Maß für Verteilungsgleichheit, entwickelt vom italienischen Statistiker Corrado Gini. Er wird besonders in der Wohlfahrtsökonomie verwendet.

Der Wert kann beliebige Größen zwischen 0 und 1 (bzw. 0 und 100 Prozent) annehmen. Je näher an 1 der Ginikoeffizient ist, desto größer ist die Ungleichheit (zum Beispiel einer Einkommensverteilung).

Beispiel zur Berechnung

Ungleichverteilungskoeffizienten lassen sich nicht nur für Einkommensverteilungen, sondern auch für Vermögensverteilungen berechnen. Wie man die Ungleichverteilung berechnet, zeigt der folgende Beitrag anhand der Verteilung eines "Gesamtvermögens" von etwa 10 Billionen Deutschen Mark in Deutschland (1995). In der Bundestagsdrucksache 13/7828 finden wir dazu Angaben von der SPD, aus der sich die folgende Verteilung ergibt:

50 Prozent der Bevölkerung (b1) besaß  2,5 Prozent des Vermögens (v1).
40 Prozent der Bevölkerung (b2) besaß 47,5 Prozent des Vermögens (v2).
 9 Prozent der Bevölkerung (b3) besaß 27,0 Prozent des Vermögens (v3).
 1 Prozent der Bevölkerung (b4) besaß 23,0 Prozent des Vermögens (v4).

In einem ersten Schritt werden die Daten "normalisiert" dargestellt:

b1 = 0,50     v1 = 0,025          v1/b1 =  0,05
b2 = 0,40     v2 = 0,475          v2/b2 =  1,188
b3 = 0,09     v3 = 0,270          v3/b3 =  3
b4 = 0,01     v4 = 0,230          v4/b4 = 23

Im zweiten Schritt wird der Gini-Koeffizient berechnet.

Den Gini-Ungleichverteilungskoeffizient (GUK) enthält man durch Auswertung einer Lorenz-Kurve.

Damit tatsächlich eine Lorenz-Kurve entsteht, müssen gegebenenfalls die obigen Werte umsortiert werden. Alle Werte-Paare (vi,bi) müssen zunächst so vorsortiert werden, dass gilt:

 

Bei dem obigen Beispiel liegt schon die richtige Sortierung vor, so dass nicht umsortiert werden muss.

Die gesuchte Lorenz-Kurve entsteht, wenn man (xi,yi)-Paare als Punkte in ein kartesisches Koordinatensystem einträgt und anschließend benachbarte Punkte mit einer Geraden verbindet. Die (xi,yi)-Paare entstehen aus den (vi,bi)-Paaren nach folgender Rechenvorschrift:

 

Im zweiten Schritt werden aus den Daten des ersten Schritts die nachfolgenden Daten durch Summation ermittelt (wobei am Anfang 1 fester Wert dazu kommt):

x0 = 0,00     y0 = 0
x1 = 0,50     y1 = 0,025
x2 = 0,90     y2 = 0,5    (da 0,5 + 0,4 = 0,9 und 0,025 + 0,475 = 0,5 ist)
x3 = 0,99     y3 = 0,77
x4 = 1,00     y4 = 1

Bei totaler Gleichverteilung ist die Lorenz-Kurve eine gerade Linie von Punkt 0/0 zu Punkt 1/1.

Zur Bestimmung des Ginikoeffizienten werden zuerst zwei Größen bestimmt, die graphisch betrachtet Flächen sind. Einmal die Fläche unter der Gleichverteilungslinie, nennen wir diese Größe beispielsweise A. Die zweite Fläche ist die Fläche unter der tatsächlichen Verteilungskurve, nennen wir diese Größe beispielsweise B. Mit diesen beiden Größen berechnet sich der Gini-Ungleichverteilungskoeffizient wie folgt:

 

 
B ist die dunkelgraue Fläche; A setzt sich aus der hell- und der dunkelgrauen Fläche zusammen.

Errechnen der y-Werte der Lorenz-Kurve der tatsächlichen Verteilung:

y0 = 0,000
y1 = v1 = 0,025
y2 = v1 + v2 = 0,500
y3 = v1 + v2 + v3 = 0,770
y4 = v1 + v2 + v3 + v4 = 1,000

Berechnung der Fläche B unter der Lorenz-Kurve der tatsächlichen Verteilung*):

(y1 - 0,5 · v1) · b1 = 0,00625
(y2 - 0,5 · v2) · b2 = 0,105
(y3 - 0,5 · v3) · b3 = 0,05715
(y4 - 0,5 · v4) · b4 = 0,00885

B = 0,17725

Da eine normierte Darstellung verwendet wird, verbindet die Kurve der totalen Gleichverteilung die Eckpunkte (0|0) und (1|1). Das Dreieck Fläche A beträgt also 0,5. Darum gilt für den Gini-Ungleichverteilungskoeffizienten:

 

Graphisch betrachtet ist der Ginikoeffizient das Verhältnis der Fläche zwischen Gleichverteilungslinie und Lorenzkurve (A-B) zur Fläche unterhalb der Gleichverteilungslinie (A).

*) Anmerkung zur Berechnung:
Die gesamte Gini-Fläche ist ein Rechteck mit den Seiten   mal  . Die ideale Gini-Fläche ist die Hälfte der gesamten Gini-Fläche. Zur Berechnung der Fläche unter der Kurve werden alle Einzelflächen addiert. Nehmen wir beispielsweise  . Voll anzurechnen ist das Rechteck mit der Höhe   und der Breite   (d. h. von   bis  ). Von dem Rechteck, daß von der Höhe   bis zur Höhe   geht ist nur die Hälfte zu nehmen, da die andere Hälfte oberhalb der Ginilinie nicht zur Gini-Fläche gehört. Also ist die
Fläche  
oder auch
Fläche  

Kritik

Der Gini-Koeffizient ist ein sehr einfaches Maß zur Berechnung einer (Un-)Gleichheitsverteilung. Daher liefert er auch Ergebnisse, die zu Missinterpretationen führen können. Grundsätzlich gibt es zu jeder Lorenzkurve eine andere Lorenzkurve mit exakt dem gleichen Gini-Wert. Diese erhält man durch Spiegelung der ursprünglichen Lorenzkurve an der Senkrechten zur Winkelhalbierenden, die durch die Punkte (0,1) und (1,0) verläuft.

Ein Beispiel soll die Kritik verdeutlichen: In einer Volkswirtschaft befindet sich 10% des Eigentums in den Händen von 50% der Bevölkerung, die restlichen 50% besitzen die restlichen 90% (jeweils in den Gruppen gleichverteilt). In einer anderen Volkswirtschaft besitzen 90% der Bevölkerung 50% des Eigentums, während eine Minderheit von 10% die andere Hälfte des Eigentums beansprucht. Die beiden Lorenzkurven sind in der Abbildung verdeutlicht.

 

Für beide Kurven ergibt sich ein Gini-Koeffizient von 0.3. Dies liegt daran, dass ein Repräsentant des reicheren Teils der Bevölkerung in beiden Fällen das 9-fache Eigentum eines Repräsentanten des ärmeren Teils der Bevölkerung besitzt.

Siehe auch