Planar-sechsfach-koordinierter Kohlenstoff

Extremform der chemischen Bindung
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Januar 2015 um 22:36 Uhr durch Chembrainiac (Diskussion | Beiträge) (planar-sechsfach-koordinierter Kohlenstoff: Formatierung bei H2B6C korrigiert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

planar-sechsfach-koordinierter Kohlenstoff

Die schier unüberschaubare Vielfalt der Organischen Verbindungen beruht auf der Fähigkeit des Kohlenstoffs, stabile Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen mit sich selbst und auch Heteroatomen einzugehen. Er ist somit ein ideales Element zum Aufbau verschiedenster Ketten und Ringe. Organischen Verbindungen wird Kohlenstoff meist vielbindig angetroffen (Ausnahmen u.a.: Carbene (zweibindig), Isonitrile (dreibindig)). Typische Koordinationszahlen in den Verbindungen sind vier (sp3-Hybridisierung, tetraedrische Koordination), drei (sp2-Hybridisierung, trigonale Koordination) und zwei (sp-Hybridisierung, lineare Koordination). Koordinationszahl eins wird nur in Sonderfällen wie bei den Isonitrilen erreicht. Aus der tetraedrischen Koordination des sp3-hybridisierten Kohlenstoffs folgt seine Fähigkeit, chirale Verbindungen aufzubauen, eine Erkenntnis, die auf van’t Hoff und Joseph LeBel zurückgeht, und die Organische Chemie entscheidend vorangebracht hat.

Da es in der Natur der Wissenschaft liegt, Grenzen des Wissens auszutesten, hat es nicht an Versuchen gefeht, über die bekannten Bindungssituationen des Kohlenstoffs hinauszukommen. Hierzu gehören Untersuchungen zu planar-vierfach-koordiniertem Kohlenstoff (anti-van`t Hoff-LeBel-Verbindungen) [1] [2] [3] [4] oder auch zu sechsfach-koordiniertem Kohlenstoff [5] [6]. Die experimentell verifizierten Beispiele für sechsfach-koordinierten Kohlenstoff sind dabei dadurch ausgezeichnet, daß der Kohlenstoff von den Koordinationspartnern räumlich umgeben ist, d.h. sich im Zentrum eines trigonalen Prismas oder eines Oktaeders befindet. Eine planare Sechsfachkoordination ist somit besonders herausfordernd und sollte möglich sein, wenn (1) Bindungssituationen gefunden werden können, die keine ungewöhnlichen Element-Element-Bindungslängen aufweisen und (2) Bindingssituationen gefunden werden können, bei denen keine „ungünstigen“, d.h. stark antibindenden Orbitale besetzt werden müssen und (3) Stabilisierung durch Aromatizität = cyclische Delokalisation von 4n+2 Elektronen zu erwarten ist. Unter Anwendung dieser drei Kriterien konnten Exner und Schleyer durch quantenchemische Rechnungen zeigen, daß in der Tat das B6C-Dianion, mit einem planar von sechs Boratomen umgebenen Kohlenstoff, eine beobachtbare Spezies sein muß [7]. Die doppelt protonierte Form des Dianions (H2B6C) sowie die drei isoelektonischen, neutralen Verbindungen B4C3, die ein planar-sechsfach durch einen B4C2-Ring koordinierten zentralen Kohlenstoff aufweisen, werden von anspruchsvollen quantenchemischen Rechnungen ebenfalls als für eine experimentelle Beobachtung ausreichend stabile Spezies vorhergesagt.

 
Planar hexacoordinate carbon species predicted to be viable(true minima with appreciable barriers to rearrangement)by high-level quantum chemical calculations

Einzelnachweise

  1. L. S. Wang, A. I. Boldyrev, X. Li, J. Simmons J. Am. Chem. Soc. 2000, 122, 7681
  2. W. Siebert, A. Gunale Chem. Soc. Rev. 1999, 28, 367 D. Röttger, G. Erker Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1997, 36, 813
  3. R. Choucroun, P. Cassoux Acc. Chem. Res. 1999, 32, 494
  4. X. Li, L. S. Wang, A. I. Boldyrev, J. Simons J. Am. Chem. Soc. 1999, 121, 6033
  5. V. G. Albano, M. Sansoni, P. Chini, S. Matinego J. Chem. Soc. Dalton Trans. 1973, 651
  6. F. P. Gabbai, A. Schier, J. Riede, H. Schmidbaur Chem. Ber. Recl. 1997, 130, 111
  7. K. Exner und P. v. R. Schleyer. Planar Hexacoordinate Carbon: A Viable Possibility. Science 2000, Vol. 290, 1937-1940