Chemische Evolution
Unter chemischer Evolution versteht man all diejenigen Hypothesen, die den Übergang von anorganischer Materie zu zellulärem Leben erklären wollen.
Man spricht auch von Hypothesen zur Entstehung des Lebens.
Bis heute gibt es keine zusammenhängende Theorie, die erklären kann, wie Leben entsteht. Die im Folgenden angeführten Experimente und Vorschläge gelten als gute Diskussionsgrundlagen. Sie machen plausibel, dass Leben mittels solcher Prozesse entstanden sein kann. Es gibt zur Zeit keine experimentellen Hinweise darauf, dass die genannten Hypothesen richtig sind. Man kann auch nicht erwarten, Fossilien aus der Zeit, zu der die ersten Lebensformen entstanden sein sollen, zu finden. Diese hypothetischen ersten Lebens(vor)formen waren einfache Moleküle, die keine geologischen Spuren hinterlassen.
Das Miller-Experiment
Im Miller-Experiment mischt man einfache chemische Substanzen, die in der frühen Erdatmosphäre vorgelegen haben – Wasser (H2O), Methan (CH4), Ammoniak (NH3) und Wasserstoff (H2) – und setzt diese Mischung elektrischen Entladungen aus. Dabei entstehen nach einer gewissen Zeit organsche Moleküle (z.B. Aminosäuren).
Ursprünglich im Jahr 1953 durchgeführt, hat dieses Experiment seitdem in vielen Varianten vergleichbare Ergebnisse gegeben. Es wird als Beweis dafür angesehen, dass die frühe Erdatmosphäre organische Moleküle in nicht zu vernachlässigenden Konzentrationen enthielt. Das Experiment kann aber keine Aussagen darüber machen, wie sich diese Moleküle etwa zu großen Strukturen verbunden hätten.
In anderen Experimente (Juan Oro, 1961) war man in der Lage, die Bausteine der RNS und DNS herzustellen.
Heute gilt es als sicher, dass die Grundbausteine des Lebens in der frühen Erdatmosphäre vorhanden waren. Die Tatsache, dass damals kein freier Sauerstoff in der Erdatmosphäre vorkam, stellte sicher, dass diese organischen Moleküle relativ lange stabil blieben.
Membransynthese
Im Jahr 1970 konnte Fox nachweisen, dass eine geeignete Mischung von Proteinen unter Erhitzung spontan Membranen in Kugelform bildet. Da viele als ursprünglich angesehenen Archaebakterien in der Nähe heißer (vulkanischer) Quellen im Ozean vorkommen, gilt diese Beobachtung als ein Hinweis auf die Entstehung zellähnlicher Strukturen.
Die RNA-Welt
Die RNA-Welt-Hypothese (erstmals 1986 von Walter Gilbert vorgeschlagen) besagt, dass, bevor erste Zellen existierten, RNA-Moleküle die vorherrschende (oder einzige) Lebensform waren.
Die Hypothese lässt sich aus der Fähigkeit der RNA zur Speicherung, Übertragung, und Vervielfältigung genetischer Informationen sowie aus ihrer Fähigkeit, durch Ribozyme Reaktionen zu katalysieren, ableiten. In einer Evolutionsumgebung würden diejenigen RNA-Moleküle gehäuft vorkommen, die sich selbst bevorzugt vermehren. Sollte die RNA-Hypothese zutreffen, müsste man eine Neudefinition des Begriffs Leben erwägen.
2001 wurde entdeckt, dass die wichtigen katalytischen Zentren der Ribosomen von RNA (und nicht, wie vorher angenommen, von Proteinen) gestellt werden. Dies zeigt, dass eine katalytische Funktion der RNA, wie sie in der RNA-Welt-Hypothese vorgeschlagen wurde, heute von Lebewesen genutzt wird. Da Ribosomen als sehr ursprüngliche Zellbausteine gelten, gilt diese Entdeckung als wichtiger Beitrag zur Untermauerung der RNA-Welt-Hypothese. Man ist nun sicher, dass RNA-Moleküle – zumindest prinzipiell – in der Lage sind, Aminosäuren zu Proteinen zu verketten. In diesem Zusammenhang ist auch die PNA (Peptid-Nucleinsäure) von Interesse.
Ausblick
Eine weitere Hypothese zum Ursprung des Lebens auf der Erde ist das Einbringen von lebensfähigen Organismen durch Meteore oder andere Himmelskörper. Diese These findet nur noch wenige Anhänger, wahrscheinlich auch deshalb, weil sie die Frage nach der Entstehung des Lebens nicht beantwortet, sondern nur verlagert.
Die Ansicht vieler Religionen, dass das Leben notwendigerweise einen übernatürlichen Ursprung habe, wird aufgrund der oben angeführten (und einer Reihe weiterer) Konzepte von Naturwissenschaftlern nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl trotz 50 Jahren Experimentierens kein durchbrechender Fortschritt erzielt worden ist.