Mitte Altona
Die Neue Mitte Altona ist ein in der Planung befindliches Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Hamburg-Altona. Kernstück ist die Stilllegung des Kopfbahnhofes Hamburg-Altona und der Ausbau des bisherigen S-Bahnhofs Diebsteich zum Fernbahnhof. Dabei werden große Gleisflächen abgebaut und der Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt. Diese Gleisanlagen umfassen den Bahnhof Altona mit sein Gleisvorfeld, die Gleisanlagen des ehemaligen Güterbahnhofs Altona, die Anlagen des ehemaligen Bahnbetriebswerks Hamburg-Altona. Erhalten bleibt dagegen die S-Bahnstation Hamburg-Altona.
Das städtebauliche Projekt wird von der ECE Projektmanagement nach Plänen von André Poitiers durchgeführt,[1] das Verkehrsprojekt durch die Bahn AG. Diese hat sich verpflichtet, die Sanierungslasten für die Grundstücke komplett zu übernehmen.[2]
Geschichte
Der Bau der Netzerweiterungen 1950 bis 1965 für die S-Bahn Hamburg mit der Überleitung von der Verbindungsbahn westlich des Bahnhofs Holstenstraße nach Norden abzweigend zur Strecke der Altona-Kaltenkirchener Eisenbahn 1962 entlastete den Bahnhof vor allem im Regionalverkehr.
Seit der Elektrifizierung der Hauptstrecke nach Kiel im Jahr 1995 werden die aus Richtung Neumünster/Kiel kommenden Züge vielfach unter Umgehung des Bahnhofs Altona über Hamburg Dammtor zum Hauptbahnhof geleitet. Der Kopfbahnhof-Betrieb in Altona bereitet zudem einige Probleme: Die Fahrzeugverladung für Autoreisezüge wird direkt über den Kopfbahnsteig abgewickelt, der gleichzeitig entlang von Absperrungen auch von Fahrgästen anderer Züge genutzt wird. Etwa die Hälfte der Regionalzüge aus Schleswig-Holstein enden zwar wegen des Engpasses auf der Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn noch in Altona, wobei Reisende in Richtung Hauptbahnhof teils mit der S-Bahn die Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen überbrücken müssen. Durch Verlagerung des Güterzugverkehrs auf die nach 2005 ausgebaute Güterumgehungsbahn Hamburg könnten vermehrt Regionalzüge bis zum Hauptbahnhof durchfahren, wobei Altonas Bahnhof und Stadtzentrum einen Großteil ihrer Fahrgäste beziehungsweise ihrer Laufkundschaft verlieren könnten.
Seit Mitte der 1990er Jahre bestehen deshalb Überlegungen und Grobplanungen, den gesamten Bahnhof circa 1,5 Kilometer weiter nördlich direkt an der Nord-Süd-Hauptstrecke in Höhe des jetzigen S-Bahn-Haltepunkts Diebsteich als Durchgangsbahnhof neu zu errichten. Dies hätte für den innerstädtischen Verkehr zudem den Vorteil, dass zwischen Stresemannstraße und Julius-Leber-Straße eine weitere Ost-West-Straßenverbindung (etwa vom Bahrenfelder Steindamm auf die Haubachstraße stoßend) angelegt werden könnte.
1997 und 2004 informierte die Deutsche Bahn die Stadt Hamburg über ihre Planungen für einen Rückbau des Bahnhofs Altona nach dem Bau eines neuen Fernbahnhofs im Bereich des heutigen S-Bahnhofs Hamburg Diebsteich. Grund hierfür war die möglicherweise notwendige Sanierung einer Eisenbahnbrücke nördlich des Bahnhofs Altona. Wegen der Geräuschentwicklung bei Zugfahrten wird dieser Streckenabschnitt von Anliegern auch als „Quietschkurve“ bezeichnet.[3] Neuere Überlegungen zur Verlegung des Bahnhofs gehen auf das Stadtentwicklungsprojekt Neue Mitte Altona zurück. Im Rahmen des Projekts sollen auf dem Gelände des Bahnhofs Altona unter anderem Wohneinheiten und Parkflächen entstehen. Der Senat der Stadt Hamburg beschloss im Dezember 2007, vorbereitende Untersuchungen zur Umgestaltung des Stadtteils Altona einzuleiten.[4] 2010 schrieb die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt einen Wettbewerb aus. Ziel des Wettbewerbs war, Ideen für die Umgestaltung des Bezirks zu entwickeln. Der im November 2010 vorgestellte Siegerentwurf sah die Verlegung des Bahnhofs Altona nach Diebsteich vor. Die freiwerdenden Flächen sollten anderweitig bebaut werden.[5]
Im Mai 2012 wurde die Einrichtung eines Vorbehaltsgebiets beschlossen; im September 2012 stimmte die Hamburger Bürgerschaft einem Masterplan zur Weiterentwicklung von Altona zu.[6] Dirk Kienscherf, baupolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, bezeichnete die Baumaßnahme als „Jahrhundertprojekt“. Nach Einschätzung von Hans-Detlef Roock von der CDU stellt die Erweiterung des Bahnhofs das zweitgrößte Entwicklungsprojekt Hamburgs nach dem Bau der HafenCity dar.[7] Die Stadt Hamburg soll das Grundstück der Deutschen Bahn zum 30. Juni 2015 für 38,8 Millionen Euro erwerben.[8]
Bauvorhaben
Städtebau
Laut der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) finden in diesem Zusammenhang seit August 2009 vorbereitende Untersuchungen statt,[9] im Februar 2010 wurden erste, für eine Vorstudie im Auftrag der BSU erstellte Entwürfe für die Neubebauung des Gleisgeländes veröffentlicht.[10][11] Die BSU schreibt: „Die Deutsche Bahn AG plant, den Regional- und Fernbahnhof Altona nach Norden auf die Höhe des heutigen S-Bahnhofs Diebsteich zu verlegen“ und lud seit Ende Mai/Anfang Juni 2010 zu Informationsveranstaltungen zur Bürgerbeteiligung ein[12], die unter Betroffenen und Interessierten durchaus kontrovers eingeschätzt wird.[13]
Im November 2010 wurde bekanntgegeben, dass der Entwurf des Architekten André Poitiers die Ausschreibung des Masterplans für die Bebauung des Geländes gewonnen hat. Dieser Plan sieht unter anderem 2000 Wohnungen und Grünanlagen vor.[14] Ein ca. 13 Hektar großer Teil des Geländes zwischen den jetzigen Fernbahngleisen und der Harkortstraße wird unabhängig von der noch ausstehenden Entscheidung über die Verlegung des Fernbahnhofs entwickelt.[12] Im April 2011 kaufte die Firma ECE Projektmanagement, die gewerbliche Großimmobilien baut und betreibt, 60.000 Quadratmeter des Geländes von der Holsten-Brauerei; in diesem Plangebiet für einen neuen Stadtteil „Mitte Altona“ will ECE erstmals Wohnungen bauen.[12][15][16]
Anfang September 2013 teilte die Deutsche Bahn mit, erst Anfang 2014[veraltet] über die Verlegung zu entscheiden. Das Unternehmen begründete dies mit Unwägbarkeiten, nachdem ein Bodengutachten eine starke Kontamination ergeben hatte. Damit könne der ursprüngliche Plan, einen Durchgangsbahnhof am Diebsteich durch Flächenerlöse zu refinanzieren, nicht mehr weiter verfolgt werden und es müsse ein neues Finanzierungsmodell gefunden werden. Aufgrund des nahe liegenden Betriebswerks Eidelstedt sollen weiterhin Züge enden.[17]
In einer ersten Baustufe für die Neue Mitte Altona sollen in jedem Fall zunächst 1600 Wohnungen entstehen.[17]
Die Stadt Hamburg soll die Flächen des bestehenden Bahnhofs bis 30. Juni 2015 für 38,8 Millionen Euro erwerben und der DB bis zur Verlagerung des Fernbahnhofs zur Verfügung stellen. Auf dem mehr als 13 Hektar großen Areal soll der zweite Entwicklungsabschnitt von Altona Mitte realisiert werden und es sollen 1900 Wohnungen entstehen.[8] Die geplanten Kosten des Vorhabens wurden nicht genannt; frühere Schätzungen gingen von rund 300 Millionen Euro für die Bahnhofsverlegung aus.[18] Für die Planung sind bislang 13 Millionen Euro vorgesehen.[8]
Gleisbau
Am 1. Juli 2014 gab die Deutsche Bahn bekannt, den Fern- und Regionalbahnhof bis 2023 an den Standort der heutigen S-Bahn-Station Diebsteich zu verlegen. Vorgesehen ist ein achtgleisiger Bahnhof mit sechs Fern- und Regionalbahngleisen sowie zwei S-Bahn-Gleisen und einem neuen Empfangsgebäude. Damit sollen die Bahnanlagen erneuert und der Hamburger Hauptbahnhof entlastet werden. Das Planfeststellungsverfahren soll Ende 2015 beginnen.[8]
Im Zuge des Neubaus sind 25 Kilometer neue Gleise sowie 48 Weichen geplant. Der Umbau soll während des laufenden Betriebs erfolgen. Die Bahn plant einen schlichten Bahnhofsneubau, was von Lokalpolitikern aber als unzureichend angesehen wird.[19]
Reaktionen
Die Bürgerschaftsfraktion der SPD bezeichnete die Verlegung des Bahnhofs als wegweisend für die zukünftige Entwicklung Altonas. Liane Melzer, Leiterin des Bezirksamts, sagte, dass die Entscheidung das schönste Geschenk zum 350. Geburtstag Altonas sei.[20]
Heike Sudmann begrüßte als stadtpolitische Sprecherin der Partei Die Linke zwar die zu erwartende Lärmreduktion, die sich durch die Verlegung der Strecke ergeben würde, war jedoch der Meinung, dass dafür auch eine Verlagerung des Fernverkehrs in Richtung der bestehenden S-Bahn-Gleise ausreichend sei. Ihr Parteikollege Robert Jarowoy nannte die Entscheidung einen schlechten Tag für Altona, da dem Stadtteil mit der Verlegung des Bahnhofs ein Stück Identität genommen werde. Zugleich kritisierte er die unzureichende Bürgerbeteiligung.[21]
In einem Kommentar auf Spiegel Online begrüßte Franziska Bossy die Neu- und Umbaupläne und bezeichnete sie als richtige Entscheidung. Als Gründe nannte sie, dass durch eine Sanierung des Bahnhofs Altona kein Geld gespart werde und die Verlegung des Bahnhofs im Interesse der meisten Hamburger liege. Zudem könne dabei das Bahnhofsgelände in Altona saniert werden.[22]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Olaf Dittmann: Mitte Altona komplett – Fernbahnhof Altona wird verlegt – Einigung mit DB AG. Welt.de, abgerufen am 9. Dezember 2014. ]
- ↑ Olaf Scholz: Investor ECE soll 1200 Wohnungen in Hamburg bauen. ALTONA.INFO, abgerufen am 9. Dezember 2014. ]
- ↑ Hamburger Großprojekt: Was sie über den Bahnhof Altona wissen müssen Spiegel online. Abgerufen am 3. November 2014
- ↑ Vorbereitende Untersuchungen Webseite der Stadt Hamburg. Abgerufen am 2. November 2014.
- ↑ Städtebaulich-landschaftsplanerischer Wettbewerb Webseite der Stadt Hamburg. Abgerufen am 2. November 2014.
- ↑ Ausblick Verfahren Webseite der Stadt Hamburg. Abgerufen am 2. November 2014.
- ↑ „Jahrhundertprojekt“: Neuer Fernbahnhof für Hamburg Die Welt, 3. Juli 2014. Abgerufen am 2. November 2014
- ↑ a b c d DB Mobility Logistics AG (Hrsg.): Entscheidung der DB: Planungen für den Neubau Bahnhof Hamburg-Altona am Standort Diebsteich beginnen. Presseinformation 269/2014 SB/EML vom 1. Juli 2014. Referenzfehler: Ungültiges
<ref>
-Tag. Der Name „db-2014-07-01“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt: Mitte Altona – Struktur für einen neuen Stadtteil. In: Hamburg.de, vom 19. Mai 2010, abgerufen am 23. Mai 2010.
- ↑ So sieht Altonas neuer Stadtteil aus. In: Die Welt. 19. Februar 2010, abgerufen am 23. Mai 2010.
- ↑ Bahnhofsgelände Altona: Erste Studie vorgestellt auf www.altona.info, abgerufen am 23. Mai 2010.
- ↑ a b c Mediathek Flyer, Broschüren & Co. Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, abgerufen am 8. Dezember 2014 (Linksammlung).
- ↑ Mitte Altona: Auftaktveranstaltung und „Bürgerforum“ – Gelände Altonaer Bahnhof auf www.altona.info, abgerufen am 23. Mai 2010.
- ↑ Artikel. In: Hamburger Abendblatt. 19. November 2010.
- ↑ Altona: Shopping-Riese kauft 60.000 Quadratmeter. In: Hamburger Abendblatt, abgerufen am 14. April 2011.
- ↑ ECE-Konzern investiert in „Neue Mitte Altona“: LINKE fordert Bürgerbeteiligung, abgerufen am 14. April 2011.
- ↑ a b Kai von Appen: Neue Mitte in der Bahnschleife. In: die tageszeitung, Ausgabe Nord. 9. September 2013, ISSN 0931-9085, S. 18 (online).
- ↑ Weg frei für Megaprojekt in Hamburg. In: Handelsblatt. 2. Juli 2014, ISSN 0017-7296, S. 17.
- ↑ Enttäuschung über neuen Fernbahnhof in Altona Hamburger Abendblatt vom 8. September 2014. Abgerufen am 2. November 2014
- ↑ Verlegung des Bahnhofs Altona beschlossen Webseite des NDR. Abgerufen am 3. November 2014
- ↑ Mitte Altona komplett – Fernbahnhof Altona wird verlegt – Einigung mit DB AG Bericht auf Altona.info. Abgerufen am 2. November 2014
- ↑ Verlegung des Bahnhofs Altona: Gnade dem Großbauprojekt Artikel auf Spiegel Online. Abgerufen am 2. November 2014
Koordinaten: 53° 33′ 37″ N, 9° 56′ 11″ O