Orgasmus
Der Orgasmus (lat. Climax) ist der Höhepunkt des sexuellen Lusterlebens. Kurz vor dem Orgasmus steigert sich die Durchblutung der Geschlechtsorgane ins Maximum, während des Höhepunkts kommt es im Genitalbereich zu rhythmischen unwillkürlichen Muskelkontraktionen, in denen sich die sexuelle Spannung entlädt. Anschließend kommt es meist zu einer Entspannung des Genitalbereichs, oft auch des gesamten Körpers. Beim Mann kommt es in der Regel während des Orgasmus zur Ejakulation. Neben den körperlichen Reaktionen äußert sich der Orgasmus in einem meist als angenehm empfundenen und sehr individuell erlebten Zustand des Rausches und der Überwältigung.

Hintergründe und anthropologische Theorien
Es ist noch nicht hinreichend geklärt, wann, wie und warum das mit dem Geschlechtsakt verbundene Glücksgefühl entstanden ist. Sicher ist nur, dass es ein im wesentlichen zentral-nervöser Vorgang bzw. eine Folge von bestimmten Gehirnleistungen ist, vergleichbar mit einem neuronalen Feuerwerk. Daher kann man den Orgasmus aus biologischer Sicht deutlich von der Ejakulation, der Fortpflanzung, dem Eisprung und anderen körperlichen Veränderungen unterscheiden.
Der Orgasmus in der Tierwelt
Ein sexueller Höhepunkt bei Tieren ist schwierig nachzuweisen. Bei den Weibchen der Katzenartigen löst ein Reflex während der Begattung den Eisprung aus, sie reagieren auf diesen Vorgang oft lautstark. Ebenso wurden bei bestimmten Primaten Vorgänge beobachtet, die auf einen Orgasmus hindeuten, während sich Schimpansen Berichten zufolge „scheinbar ohne grössere Affektregung“ miteinander paarten. Neurologisch betrachtet ist ein Orgasmus bei Primaten und anderen höher entwickelten Arten denkbar, da sich das Sexualzentrum mit dem „orgastischen Reflex“ in den phylogenetisch älteren Teilen des Zentralnervensystems befindet, welche bei allen höheren Säugetieren in ähnlicher Form wie beim Menschen vorhanden sind (siehe auch Hypothalamus, Limbisches System, Amygdala).
Der Orgasmus und frühmenschliches Paarungsverhalten
Manche Frauen können mehrere Orgasmen in Folge, so genannte „multiple Orgasmen“ erleben. Über diese Erscheinungsform gibt es anthropologische Erklärungsversuche, die von der Annahme ausgehen, dass sich frühmenschliche Weibchen von mehreren Männchen in rascher Folge begatten ließen, wobei nur die Männchen mit dem fruchtbarsten Sperma die Fortpflanzung erreichten. Eine britische Studie (siehe dazu Weblink unten), scheint diese Annahme zu bestätigen: Es wurde beobachtet und dokumentiert, wie sich die Samenfäden verschiedener Männer gegenseitig vernichteten.
Die Schlussfolgerung im Sinne des obigen Erklärungsmodells, es handele sich offenbar um eine zur Abwehr von Konkurrenten angelegte Vernichtungsreaktion, ist jedoch strittig: So sei die vermeintliche Abwehrreaktion vermutlich eher eine irrtümlich eingeleitete Befruchtungsreaktion. Grund: Während das Spermium auf dem Weg zur Befruchtung offenbar dem Maiglöckchenduft des Ovums folge, der vorrangig der pheromonialen Fernerkundung diene, kämen im Nahbereich jedoch andere Selektionskriterien für die angelegte Gametenfusion zum Tragen. Das zerstörerische Phänomen könne somit vielmehr ein Hinweis darauf sein, dass allein der Kontakt der Gameten mit einem fremden haploiden Genom ausreiche, um die Befruchtungsreaktion auszulösen. Zudem spräche der äußere Aufbau der Spermien gegen eine konkurrenzverursachte Abwehrreaktion der menschlichen Spermien, da er sich beim Menschen und den unterschiedlichsten spermienproduzierenden Tierarten - den polygamen wie den vorrangig monogamen - einheitlich gestalte. Sei ein gegenseitiger Abwehrmechanismus der Spermien für den Fortbestand einer Art von Vorteil, hätten sich dafür im Laufe der Evolution zudem vermutlich spezielle Organe oder molekularbiologische Einrichtungen entwickelt.
Das beschriebene anthropologische Erklärungsmodell über frühmenschliches Paarungsverhalten wird allein durch die obige Beobachtung nicht belegt. Hierzu wären weitreichendere Untersuchungen sowie vergleichende Studien bei Tieren interessant.
Der Orgasmus und partnerschaftliche Bindung
Die mannigfaltigen Möglichkeiten, mit denen Menschen einen Orgasmus erreichen können, und die damit verbundenen Erlebnismöglichkeiten, fordern eine wichtige typisch menschliche Eigenschaft heraus: die Kreativität. Sie ermöglicht dem Menschen die Erweiterung seiner Grenzen und fordert vielfältige und intensivierte Erlebnismöglichkeiten heraus. Gemeinsame angenehme intime und intensive Erlebnisse begünstigen eine partnerschaftliche Bindung, weil sie zur Wiederholung einladen und Vertrauen und Empathie voraussetzen wie verstärken. Aus Sicht der Evolutionsbiologie ist der Orgasmus daher ein wichtiges Selektionsinstrument, durch das die Kreativität als eine empathische Leistung schon früh mit der Partnerbindung belohnt wurde. Diese begünstigte durch die Möglichkeit zu wiederholtem Geschlechtsverkehr die Fortpflanzung und stellte eine geeignete Basis dar, um den Nachwuchs zu versorgen, zu schützen und zu erziehen.
Andererseits ermöglicht die Kreativität beim Erlangen von sexuellen Höhepunkten die Loslösung vom bloßen Akt der Vermehrung und eröffnet andere, nicht ursächlich der Fortpflanzung dienende Sexualpraktiken und alternative Formen der Partnerschaft, etwa gleichgeschlechtliche Beziehungen oder die so genannte offene Beziehung.
Anthropologen sehen in der durchschnittlich längeren Vorlaufzeit des Orgasmus von Frauen ein wichtiges Selektionskriterium für die Partnerwahl: Indem sich der Partner um die sexuelle Befriedigung der Frau bemühe und seine eigene vorerst zurückstelle, zeige er wertvolle Eigenschaften wie Empathie, Leistungsbereitschaft und Geduld, die von wesentlicher Bedeutung für eine Bindung und zur gemeinsamen Aufzucht von Kindern seien.
Die Entwicklung des Orgasmus
Evolutionsbiologen erforschen die stammesgeschichtlichen Ursachen des Handelns. Sie führen stammesgeschichtliche Neuerwerbungen oftmals darauf zurück, dass hierdurch der Überlebenswert und die Vermehrungsrate der betreffenden Art erhöht wird. So sei es der Vermehrung dienlich und damit für den Arterhalt des Menschen von Bedeutung, dass Mann und Frau sexuelle Interaktionen wegen der damit verbundenen äußerst angenehmen Gefühlszustände möglichst gern und häufig wiederholen. Im Laufe der Evolution sei es - begünstigt durch Selektion - zu entsprechenden biologischen und neurologischen Veränderungen gekommen, aus denen etwa die Orgasmusfähigkeit resultiere.
Es handele sich bei der menschlichen Sexualität allgemein um genetisch beeinflusste Erlebnis- und Verhaltensweisen. Die Argumentation der Evolutionsbiologen widerspräche dadurch keineswegs der Anschauung, dass Sex - aus der Perspektive des Individuums betrachtet - um seiner selbst willen praktiziert werde. So werden etwa die verschiedenen Formen homosexueller Beziehungen als Abkömmlinge der selektiv geprägten Partnerbindung betrachtet. Darüber, ob sich die gleichgeschlechtliche Partnerbindung parallel oder in Folge der gegengeschlechtlichen entwickelt hat, herrscht keine Einigkeit.
Siehe auch Proximate und ultimate Ursachen von Verhalten.
Der Orgasmus als Fortpflanzungsförderung
Phänomene wie das der „Kriegsurlaubskinder“, die auffallend gehäuft neun Monate nach Front- und Heimaturlauben geboren werden, und der „Katastrophenkinder“, können möglicherweise mit dem außerzyklischen Auslösen eines Eisprungs erklärt werden, verursacht durch das beim Orgasmus ausgeschütteten Sexualhormon Oxytocin in Verbindung mit dem Stresshormon Noradrenalin. Rein statistisch ließen sich diese Schwangerschaften nicht auf die übliche Weise erklären: es ist unwahrscheinlich, dass sich alle betreffenden Frauen zum Zeitpunkt der Befruchtung gerade in ihrer zyklisch normalen Befruchtungsphase befanden, die stets nur wenige Tage im Monat beträgt. Berichten zufolge sollen sich manche der Frauen sogar in ihrer Regelphase befunden haben. Ähnliches wurde auch nach lebensbedrohlichen Ereignissen wie Naturkatastrophen, Terroranschlägen, Unfällen oder nahe gehenden Todesfällen berichtet.
Ein weiteres Phänomen sind die „Wechseljahreskinder“, die in der Menopause der Frau entstehen können. Hier fördern möglicherweise die Hormonausschüttungen beim Orgasmus die zeitweilige Restabilisierung des Hormonhaushaltes.
Der weibliche Körper verfügt vermutlich über steuernde Mechanismen, die imstande sind, in Zeiten eingeschränkter oder bedrohter Fortpflanzungsmöglichkeiten die Befruchtung besonders zu begünstigen und zu unterstützen und die in enger Verbindung mit dem Orgasmus stehen.
Geschlechtliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Menschen haben individuelle Vorlieben hinsichtlich der sexuellen Stimulation und können auf verschiedene Weisen Orgasmen erleben. Die Zahl von Orgasmen, die ein gesunder Mensch erleben kann, ist unbegrenzt. Eine natürliche Grenze ist durch die Refraktärzeit gegeben. Laut Angaben einiger Wissenschaftler besteht ein Zusammenhang zwischen einer gut trainierten Beckenbodenmuskulatur, besonders des PC-Muskels, und der weiblichen Orgasmusfähigkeit sowie der männlichen Potenz.
Der Orgasmus des Mannes
Der Orgasmus des Mannes geht mit rhythmischen Muskelkontraktionen des Beckenbodens einher, es kommt meist zur Ejakulation, wobei das Sperma aus den Hoden in die Harnröhre gelangt und durch die Öffnung in der Eichel nach außen geschleudert wird. Neben dieser häufigen Form kann der Höhepunkt bei manchen Männern mit der so genannten Injakulation verbunden sein, die sich als sexuelle Kunstform bereits in den altchinesischen Schriften des Taoismus findet und in unserer Zeit als Methode zum Erreichen männlicher multipler Ogasmen propagiert wird. Vor der Geschlechtsreife erleben Jungen den sogenannten trockenen Orgasmus, einen Orgasmus ohne Ejakulation.
Wurde nach Masters und Johnson der männliche Orgasmus noch mit der Ejakulation gleichgesetzt, so gilt heute als erwiesen, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche neurophysiologische Vorgänge handelt, die zwar meisens, jedoch nicht immer parallel ablaufen. Ebenso sagen die Ejakulationsstärke und die Spermamenge nichts über den Orgasmus aus, entgegen der noch immer weit verbreiteten Ansicht, Männer würden durch die Ejakulation höchsten sexuellen Genuss und Befriedigung erlangen. In diesem Kontext wird die Orgasmusfähigkeit des Mannes vielfach unterschätzt und an den falschen Bedingungen gemessen.
Im Unterschied zu vielen Frauen können die meisten Männer beim Vaginalverkehr ohne explizite zusätzliche Stimulationen einen Orgasmus erleben. Männer brauchen normalerweise eine längere Erholungsphase als Frauen, um die sexuelle Spannung für einen weiteren Orgasmus aufzubauen (vergl. sexueller Reaktionszyklus), während manche Frauen zu multiplen Orgasmen fähig sind. Durch ein gezieltes Training des PC-Muskels soll es allerdings auch einigen Männern gelingen, mehrere Höhepunkte hintereinander zu erleben - allerdings mit kurzen Erholungspausen dazwischen, die von Höhepunkt zu Höhepunkt länger würden. Die Menge des Ejakulats nähme dabei von Mal zu Mal ab, weil die Hoden eine gewisse Zeit bräuchten, um erneut Samenfäden und Samenflüssigkeit zu produzieren.
Berichten zufolge können manche Männer durch die (rektale) Massage der Prostata einen Orgasmus erleben, der sich in der Art des Erlebens von einem Orgasmus, der durch die Reizung des Penis hervorgerufen wird, unterscheidet. Dieser Effekt könne bei den betreffenden Männern oft erst im fortgeschrittenen Lebensalter erzielt werden.
Der speziell auf die Ejakulation bezogene Spruch „Nach 1.000 Schuss ist Schluss“ ist Unsinn; Sperma wird normalerweise ab der Pubertät ein Leben lang gebildet. Eine regelmäßige sexuelle Befriedigung ist beim Mann aus medizinischer Sicht sogar für die Vorbeugung von Prostatabeschwerden sinnvoll. Die Ejakulation von befruchtungsfähigem Sperma ist keine Voraussetzung für den Orgasmus, was bei einer Sterilisation von Belang ist. Die Spermien sind ein ausschließlich unter Laborbedingungen messbarer und subjektiv nicht feststellbarer Mengenanteil des Ejakulats, der individuell und je nach Situation erheblich schwanken kann.
Der Orgasmus der Frau
Der Orgasmus der Frau geht mit einer Anzahl rhythmischer Muskelkontraktionen einher, die während der fruchtbaren Phase der Frau empfängnisunterstützend wirken können, da sie im Falle einer Befruchtung den Gebärmuttermund rhythmisch und mit peristaltischen Bewegungen in die Samenflüssigkeit eintauchen.
Da die Scheidenwand fast keine Nerven aufweist, kommen viele Frauen nur dann zum Orgasmus, wenn bestimmte Lustzentren, z. B. die Klitoris, der G-Punkt, der A-Punkt oder andere, stimuliert werden. In vielen allgemeinen und in einigen älteren wissenschaftlichen Publikationen wird unterschieden zwischen einem „klitoralen“ und einem „vaginalen Orgasmus“, wobei letzterer oftmals als erfüllender oder gar als höhere Stufe propagiert wird. Heutige Wissenschaftler gehen davon aus, dass jeder weibliche Orgasmus von dem nervenreichen weiblichen Sexualorgan, der Klitoris ausgeht. Die publizierten Unterscheidungen seien darin begründet, dass das, was gemeinhin als Klitoris angesehen werde, nämlich die außen sichtbare Klitorisspitze, in Wirklichkeit nur einen kleinen Teil des Organs darstelle, das ca. elf Zentimeter lang sei und dessen Nervenenden bis in die Vagina und die Oberschenkel hineinreichen sollen. Dadurch könne es durch vielerart Stimulationen zu einem (klitoralen) Orgasmus kommen.
Die Orgasmusfähigkeit von Frauen nimmt mit zunehmendem Alter und zunehmender sexueller Erfahrung zu. Frauen lernen oft erst mit der Zeit, durch welche Stimulationen sie am besten zum Orgasmus kommen und gewinnen mit dem Heranwachsen und mit zunehmender Erfahrung mehr und mehr Selbstbewusstsein, was wichtig ist, um die eigenen sexuellen Wünsche zu vertreten. Berichten zufolge kann mit zunehmender Erfahrung die weibliche Vorsteherdrüse (Prostata feminina oder Gräfenberg-Zone, kurz G-Punkt) durch gezielte Reizung aus dem umliegenden Vaginal-Gewebe hervortreten, was bei der vaginalen Stimulation das sexuelle Lustempfinden steigern und leichter einen Orgasmus bescheren könne. Die feinen Abstufungen in den Stimulationsmöglichkeiten und im Empfinden können trainiert werden, gleichzeitig unterliegen sie individuellen und lebenszyklischen Schwankungen, die hormonell wie anatomisch bedingt sind. So berichten etwa viele Frauen nach der ersten (Vaginal-)Geburt von einer Zunahme des sexuellen Genusses und intensiveren Empfindungen im Bereich der vorderen Scheidenwand, der Umgebung des G-Punkts.
Bei einigen Frauen kann es Angaben zufolge, ähnlich wie beim Mann, während des Orgasmus zu einer Ejakulation kommen. Dabei sondere die Frau stoßweise ein klares Sekret aus dem G-Punkt-Drüsenzentrum ab, dem möglicherweise fördernde Eigenschaften für die Befruchtung zugeschrieben werden könnten: sei das männliche Ejakulat zu dickflüssig oder betrage es zu wenig, und sei dadurch die Beweglichkeit der Spermien eingeschränkt, könne das weibliche Ejakulat diese hinderlichen Faktoren ausgleichen. Zudem beeinflusse es das Basen-Säuren-Verhältnis in der Vagina: Die Vaginalflora hat normalerweise einen sauren pH-Wert während Spermien eine leicht alkalische Umgebung brauchen, das weibliche Ejakulat erhöhe für eine kurze Zeit den pH-Wert in der Vagina und ermögliche so, dass die Spermien während der befruchtungsfähigen Phase der Frau unversehrt in die Gebärmutter gelangen könnten. Eine genaue Einordnung der Substanz sei bisher nicht gelungen. Vermutlich handele es sich um ein Sekret aus der Prostata feminina, das in seiner Zusammensetzung mit Ausnahme der Spermien dem männlichen Ejakulat ähnelt.
Bewusste Steuerung des Orgasmus
Wie häufig und durch welche Stimulationen ein Mensch Orgasmen erleben kann, sagt wenig über seine sexuelle Genussfähigkeit aus. Sie hängt vielmehr von der Tiefe seiner Hingabe, seiner Fähigkeit zur Überwindung der Selbstkontrolle und seinem Selbstwertgefühl ab. Die Bezeichnung Liebesspiel kommt von Spiel als Tätigkeit zum Selbstzweck aus purem Genuss. Diese Einstellung beinhaltet oft eine größere sexuelle Erfüllung als die leistungsorientierte Orgasmusjagd (vergl. Kapitel: Der vorgetäuschte Orgasmus).
Die Intensität des weiblichen Orgasmus lässt sich laut unterschiedlichen Erfahrungsberichten mit der „Raffinesse“ des Liebesspiels steigern, etwa durch kurzfristige Intensitätsänderungen der Berührungen, mehrfache Stimulationen wie gleichzeitige Berührungen von Klitoris und Brüsten, Mund oder Analregion sowie einer „Inszenierung“ der Situation, etwa durch das Einnehmen einer aktiven, passiven oder imaginären Rolle oder durch Augenverbinden. Darauf zu warten oder sich unter Druck zu setzen wird hingegen als hinderlich beschrieben.
Männer lernen mit zunehmender Erfahrung, wie sie ihren Orgasmus und die Ejakulation durch Selbstbeherrschung und -diziplin besser kontrollieren können. Hierbei entwickeln sie vor allem die Fähigkeit, den Orgasmus willentlich hinauszuzögern, was häufig den sexuellen Genuss erhöht und zu einem intensiveren Höhepunkt führt. Ebenso kann die Partnerin oder der Partner durch einen Intensitätswechsel der Stimulationen den Zeitpunkt des männlichen Orgasmus mit steuern.
Eine Verfeinerung des Liebesspiels stellt das bewusste Hinauszögern des Orgasmus durch wiederholtes Unterbrechen der Stimulation bei fortgeschrittener Erregung dar. Diese Erkenntnis begründet die Sexualtechniken des buddhistischen Tantras, wobei sich der Orgasmus hier nicht in einer explosiven Entladung der sexuellen Energie äußert, sondern mit bestimmten Atemtechniken in andere Energieformen transformiert wird, die sich in einem ganzkörperlichen und lang anhaltenden Zustand hoher Ekstase äußern. Im Buddhismus steht jedoch nicht die Maximierung der eigenen Erlebnistiefe im Mittelpunkt, sie ist lediglich ein Nebenprodukt der spirituellen Handlung. Die sexuellen Techniken des Tantras bezwecken nach traditioneller Auffassung vielmehr, eine Nähe zu den Göttern, insbesondere der Doppelgottheit Shiva/Shakti herzustellen und durch das orgastische Erleben einer Auflösung der Ichgrenzen selbst zu dieser zu werden. Die Bereitschaft zur Selbstaufgabe begünstigt hierbei vermutlich die Erlebnistiefe.
Auch Teile der heute noch populären altindischen Schriften des Kamasutras zeugen bereits von einer frühen Auseinandersetzung mit Techniken, die eine Steigerung des sexuellen Genusses erzielen sollen, überdies setzen sie einen bemerkenswerten Kontrapunkt zum damals in der westlichen Welt verbreiteten eher prüden Umgang mit der Sexualität.
Mythen und Erkenntnisse - eine Chronologie des Orgasmus´
Mittelalter bis Neuzeit
Religiös motivierte und prüde Moralvorstellungen tabuisierten im Lauf der Geschichte oft die Sexualität und besonders den weiblichen Orgasmus. So herrschte etwa unter der breiten Bevölkerung, ebenso wie unter Wissenschaftlern und Ärzten, die gängige Überzeugung, dass Frauen grundsätzlich nicht orgasmusfähig seien (vergl. Kapitel Der Orgasmus und Rollenklischees). Bis ins 20. Jahrhundert war der weibliche Orgasmus unter Forschern der westlichen Hemisphäre offiziell unbekannt. Allgemein wurde das Empfinden sexueller Lust von Kirche und Staat lange problematisiert, es wurde nicht etwa als etwas „Natur“- oder „Gottgegebenes“ betrachtet, sondern galt als verwerflich und wurde mitunter als „Teufelswerk“ diffamiert. Lange Zeit wurden heute als normal geltende sexuelle Handlungen oder Neigungen strafrechtlich verfolgt, etwa die Homosexualität, vergl. Paragraph 175. Noch heute sind prüde oder abwertende Ansichten über die menschliche Sexualität und ihre Ausdrucksformen partiell verbreitet.
Ab dem 15. Jahrhundert gehörte bei Frauen die manuelle Auslösung des Orgasmus, der damals als „hysterische Krise“ verkannt wurde (von griechisch hystera: Gebärmutter), zum ärztlichen Behandlungsrepertoire und fand rege Anwendung bei den in Europa weit verbreiteten „hysterischen Leiden“, zu denen etwa nervöse Kopfschmerzen und „allgemeine Unleidlichkeit“ gehörten. Im 19. Jahrhundert starb diese Behandlungsmethode nach und nach aus, weil spezielle Geräte für die häusliche Selbstbehandlung aufkamen: Vorläufermodelle der Vibratoren, die heute in zahlreichen Varianten als Sexspielzeug dienen.
20. Jahrhundert
Veränderte Moralansprüche, die Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges, der schwindende Einfluss der Kirchen und bessere wissenschaftliche Untersuchungs- und Forschungsmethoden ermöglichten es, die Sexualität, ihre Ausdrucksformen und ihre Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele enttabuisiert und rational analysieren und untersuchen zu können und somit zunehmend „Licht in das Dunkel des Orgasmus´“ zu bringen:
- Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Orgasmus erstmals durch die systematische Erforschung des Zusammenhanges von Sexualität und Psyche von Sigmund Freud und wenig später durch Wilhelm Reich, als ernst zu nehmende und wissenschaftlich relevante Tatsache anerkannt.
- In den 1950er Jahren entdeckte der Gynäkologe Ernst Gräfenberg ein Lustzentrum der Frau, den nach ihm benannten G-Punkt.
- Wenig später veröffentlichte der Zoologe und Sexualforscher Alfred Charles Kinsey die Kinsey-Berichte, in denen er anonymisierte Antworten von Amerikanern über ihre Sexualpraktiken auswertete.
- Masters und Johnson untersuchten in den 1960er Jahren den menschlichen sexuellen Reaktionszyklus und den dabei ablaufenden Orgasmus aus wissenschaftlicher Sicht. Dabei sollten die Versuchspersonen ihren Koitus und die Stimulation bis zum Orgasmus unter Laborbedingungen durchführen. So wurden primär die sexuellen Reaktionen von Menschen erfasst, die ein außergewöhnlich hohes sexuelles Interesse und eine besonders niedrige moralische Hemmschwelle hatten. Es entstand eine durchschnittliche Reaktionskurve, die nach heutigen Untersuchungsstandards eher für „sexuelle Hochleistungssportler“ als für die Durchschnittsbevölkerung repräsentativ war. Masters und Johnson gingen vom ständigen Vorhandensein eines sexuellen Triebes aus, der lediglich einer effektiven Stimulation bedürfe um einen Orgasmus zu produzieren. Diese Ansicht wird heute nicht mehr geteilt. Spätere Sexualwissenschaftler warfen Masters und Johnson vor, die Sexualität auf das Erreichen des Orgasmus reduziert zu haben.
- Ende der 1970er und in den 1980ern publizierte Shere Hite drei Hite-Reports, vielzitierte Bestseller, die Auswertungen von Umfragen über das Sexualverhalten von Frauen und Männern beinhalteten. Auch danach lieferte Shere Hite wertvolle Forschungsergebnisse und Denkansätze zur menschlichen Sexualität und zum „Mysterium Orgasmus“.
Neuere Forschungsergebnisse
- Einer 2004 veröffentlichten Studie des Berliner Universitätskrankenhauses Charité zu Folge, in der 575 Frauen im Alter zwischen 17 und 71 via Fragebogen befragt wurden, unterschied nur ein Bruchteil der Befragten einen „vaginalen Orgasmus“ von einem „klitoralen“. Die Betreffenden beschrieben den Unterschied lediglich in der Art der Stimulation, stellten aber bezüglich des Erlebens keinen oder nur einen sehr geringen Unterschied fest: Den vereinzelten Angaben zu Folge sei der „klitorale Orgasmus“ minimal intensiver. (Siehe auch Kapitel Der Orgasmus der Frau).
- In New Scientist vom 11. Juni 2005 wurde eine Studie an insgesamt knapp 1400 eineiigen und zweieiigen weiblichen Zwillingspaaren vorgestellt. Die Frauen im Alter von 19 bis 83 Jahren wurden u. a. befragt, ob und wie häufig sie beim Masturbieren und beim Geschlechtsverkehr einen Orgasmus erlebten. Nur 14 Prozent der Befragten gaben an, beim Geschlechtsverkehr immer, 16 Prozent, dabei nie zum Höhepunkt zu gelangen und 32 Prozent erlebten beim Koitus nicht häufiger als jedes vierte Mal einen Orgasmus. Beim Masturbieren erreichten der Studie zufolge 34 Prozent der befragten Frauen immer einen Orgasmus, 14 Prozent nie. Es wurden auffällige Parallelen in den Angaben der ein- und zweieiigen Zwillingspaare festgestellt, die eine Korrelation zwischen dem sexuellem Erleben einschließlich der Orgasmusfähigkeit und dem Grad der verwandtschaftlichen Nähe zeigten. Nach Meinung der Forscher um Tim Spector (St. Thomas' Hospital, London) sei das ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Erbanlagen einen erheblichen Einfluss auf die Orgasmusfähigkeit von Frauen hätten. Die Forscher folgerten zudem, dass die verbreitete Erwartungshaltung und die damit verbundene Definition von „Normalität“, Frauen müssten einen Orgasmus erreichen, nicht haltbar sei: man könne nicht jede fünfte Frau als „abnorm“ bezeichnen.
Körperliche Einschränkungen
Funktionseinschränkungen bei Männern und Frauen
Während es bei der ärztlichen Behandlung von Männern mit Orgasmusproblemen üblich ist, sowohl psychische als auch physische Faktoren zu berücksichtigen, richtet sich die Ursachenforschung und Behandlung von Frauen, die unter ähnlichen Schwierigkeiten leiden, nach wie vor stark auf den psychischen Bereich. Selbst in den zahlreichen Fällen, in denen durch diese Handhabe keine Besserung eintritt, wird häufig nicht umfassender nachgeforscht, die Betroffenen finden keine adäquate Hilfe. In Wirklichkeit ist die Fachwelt häufig ratlos, da die Anatomie und die Funktionen der weiblichen Geschlechtsorgane noch immer nicht hinreichend erforscht sind. Das zeigt sich etwa darin, dass bei Operationen häufig unnötig Nerven oder Blutgefäße verletzt werden, die, wie sich oft zu spät zeigt, für das weibliche Lusterleben von Bedeutung sind. Im Jahr 1998 erst sorgte eine neue Entdeckung der Urologin Helen O’Conell in der Fachwelt für Furore: die Klitoris liegt zum größten Teil unter Gewebe verborgen und ist über doppelt so groß als bisher angenommen wurde, verg. Kapitel Neuere Forschungsergebnisse. Ebenfalls erst gegen Ende des vergangenen Jahrtausend wurde die International Society for the Study of Woman’s Sexual Health gegründet, eine Organisation, die sich eingehend der Erforschung körperlicher Ursachen der so genannten „sexuellen Dysfunktion“ bei Frauen widmet.
Die bisher vorliegenden neuesten Studien zeigen, dass eine Orgasmuslosigkeit bei Männern und Frauen oftmals sehr ähnliche Ursachen hat. Sie reichen etwa von psychischen Faktoren (vergl. Sexualangst) über krankheits-, unfall- oder operationsbedingte Schädigungen der Nerven oder der Kapillargefäße (Risikofaktoren können hier bestimmte Erkrankungen, etwa Diabetes, Multiple Sklerose, sein) bis hin zu Durchblutungsstörungen, etwa bedingt durch Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Rauchen. Neueste Diagnoseverfahren- und Geräte ermöglichen mittlerweile auch bei den Patientinnen eine präzisere Erforschung und Eingrenzung der körperlichen Ursachen. So erzeugt ein Stab, der in die Vagina eingeführt wird, der Genito-Sensory-Analyzer, unterschiedliche Temperatur- und Vibrationsreize, deren Wahrnehmung die Patientin per Knopfdruck anzeigt, wodurch Rückschlüsse auf eine etwaige Nervenschädigung ermöglicht werden. Andere Geräte messen Feuchtigkeit oder Durchblutungsintensität der Genitalien.
Auch in der Therapie zieht die Berücksichtigung körperlicher Ursachen bei Frauen langsam nach. Neueste Studien haben gezeigt, dass geringe Mengen des „männlichen Hormons“ Tesesteron für das weibliche Lustempfinden wichtig sind. Wird ein Mangel als Ursache festgestellt, kann das Hormon ersetzt werden, etwa durch ein hormonhaltiges Gel, das im Bereich der Klitoris aufgetragen wird. Ist eine Mangeldurchblutung der Kapillargefäße die Ursache der Störung, kann es laut Siewers (einem der wenigen Sexualmediziner in Deutschland, die die aktuellen Erkenntnisse bereits nutzen) auch bei Frauen sinnvoll sein, den Einsatz von Viagra zu testen. Wie für betreffende Männer schon länger erhältlich, gibt es inzwischen auch für Frauen eine so genannte Vakuumpumpe, die an den äußeren Genitalien angesetzt wird und durch Sogwirkung die Gefäße trainiert.
Siehe auch: Sexuelle Dysfunktion, Asexualität
Querschnittslähmung
Menschen mit Querschnittslähmung sind häufig ab Beckenregion abwärts keine körperlichen Empfindungen möglich. Häufig tritt jedoch im Laufe der Zeit eine erhöhte Sensibilisierung anderer körperlicher Bereiche und eine Intensivierung bestimmter mentaler Vorgänge ein, so dass sexueller Genuss, körperliche Reaktionen, oft auch die Erlangung eines sexuellen Höhepunktes ohne die lokale Reizempfindung möglich sind.
Der Orgasmus in Gesellschaft und Kultur
Der Orgasmus und Rollenklischees
Die Enttäuschung, beim Sex mit dem Partner keinen Orgasmus zu erreichen, scheint laut Umfragen bei Frauen geringer zu sein als bei Männern – das legt die Vermutung nahe, dass Frauen stärker als Männer zwischen Orgasmus und sexueller Befriedigung unterscheiden. Zahlreiche Umfragen und Untersuchungen bestätigen, dass viele Frauen die häufigsten und intensivsten Orgasmen bei der Masturbation erleben, aber trotzdem angeben, mit dem Sexualleben in ihrer Partnerschaft zufrieden zu sein. Hierbei stützen sich die zugrundeliegenden Untersuchungen vorrangig auf die Aussagen von Heterosexuellen.
Möglicherweise sind die Gründe für die als selbstverständlich hingenommene Orgasmuslosigkeit der Frau in der veralteten Rollenverteilung der Geschlechter und in tradierten sexuellen Vorstellungen zu finden, die sich u. a. im Ausdruck Eheliche Pflicht widerspiegeln, der lange gebräuchlich war und sogar als Begründung für die ungleiche juristische Bewertung ehelicher und außerehelicher Vergewaltigungen diente. Lange sollten Frauen keinen Spaß an der körperlichen Liebe haben, statt dessen wurde von ihnen Fügsamkeit erwartet, was unterbewusst bis heute nachwirkt (vergl. Abschnitt weiter unten). Umfragen bei homosexuellen Frauen haben ergeben, dass sie häufiger Orgasmen erleben, und dass der Orgasmus selbstverständlicher zum Liebesspiel gehört, als bei Frauen mit heterosexuellen Partnern. Diese Ergebnisse unterstützen die These der fortbestehenden unbewussten Rollenkonformität.
Seit Mitte des 20.Jahrhunderts wurde das Recht der Frau auf ihre eigene Sexualität von feministischen Bewegungen immer stärker vertreten und eingefordert. In den 1950er Jahren erfasste und erforschte der weltberühmte Zoologe und Sexualforscher Kinsey in seinem Buch Das geheime Leben der Frauen das Thema und machte es zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Bis dahin war der weibliche Orgasmus ein Mythos, wenn nicht sogar ein Tabu. In den 1970er und 1980er Jahren machte die Sexualforscherin und Feministin Shere Hite mit den Hite-Reports Furore, in denen sie weibliche und männliche Stereotypen im sexuellen Rollenverhalten entlarvte. Mit ihren Veröffentlichungen gelang es ihr insbesondere, ein größeres allgemeines Interesse für die Sexualität der Frau und den weiblichen Orgasmus zu wecken, und somit einen Beitrag zu größerem gesellschaftlichen Respekt vor der Frau zu leisten.
In vielen Kulturen wurde - und wird zum Teil noch heute - der weibliche Körper aufgrund seiner besonderen Funktionen als unheimlich betrachtet bis hin zu der Ansicht, er sei von Grunde auf pathogen, schwach oder minderwertig (vergl. Artikel Wahnsinn - körperliche Ursachen und Artikel Hysterie). Diese Betrachtungsweisen wurden etwa in vergangenen Zeiten der heutigen westlichen Industrienationen vertreten (vergl. Kapitel Mythen und Erkenntnisse - Mittelalter bis Neuzeit). Sie hatten mitunter grausame Konsequenzen bis hin zur operativen Verstümmelung der Genitalien angeblich von Hysterie oder Masturbation „betroffener“ Frauen. Diese Tatsache und besonders, dass diese Handhabe als „medizinische Praxis“ auch im deutschsprachigen Raum Anwendung fand, ist allgemein wenig bekannt und wenig publiziert. Allgemein geläufiger ist der Umstand, zu welchen Konsequenzen außerhalb unserer Breiten Betrachtungsweisen und Myten zu weiblichen Körperfunktionen, insbesondere des weiblichen Orgasmus, und die damit verbundene Bewertung der Frau führen können:
Besonders in einigen Ländern Afrikas wird die sexuelle Lust der Frau, da sie einen Teil zur weiblichen Autonomie beiträgt, als eine Bedrohung für die in den betreffenden Kulturen patriarchisch strukturierte Gemeinschaft angesehen. Um die Frau dieses zentralen Bereichs der Selbstbestimmung zu berauben, wurde und werden dort vielerorts bereits junge Mädchen etwaiger sexueller Intensionen beraubt, indem systematisch kurzerhand ihre Genitalien verstümmelt werden. Weltweit kämpfen Menschenrechtsorganisationen gegen dieses Verbrechen (vergl. Artikel Verstümmelung weiblicher Genitalien).
Der vorgetäuschte Orgasmus
Männer und Frauen fühlen sich häufig zum Orgasmus verpflichtet. Diese oft unbewusste und leistungsorientierte Haltung ist dem Erleben eines Orgasmus abträglich und stört die natürliche Neugier, Kreativität und Freude, die dem Liebesspiel innewohnen. Eine jahrhundertewährende Reglementation und Unterdrückung der Sexualität hat sich in unserer Zeit der sexuellen Aufklärung, nicht zuletzt durch den damit verbundenen Markt, tendenziell ins Gegenteil entwickelt und der Orgasmus wird deshalb häufig als ultimatives Ziel des sexuellen Aktes betrachtret. So fühlen sich Frauen und Männer, die dabei seltener oder nie Orgasmen erleben, oft sexuell minderwertig. Manche spielen deshalb ihrem Partner einen Orgasmus vor, manche auch, um das Selbstbewusstsein des Partners zu stärken und ihn nicht als „Versager“ dastehen zu lassen. Andere fühlen sich durch leistungsbetonte und angestrengte Bemühungen des Partners unter Druck gesetzt und täuschen Orgasmen vor, um die Interaktion zu entspannen. Die Ängste sind mannigfaltig und können sogar in der Furcht vor dem Verlassenwerden durch den möglicherweise frustrierten Partner gipfeln.
20 Prozent der deutschen Frauen und 41 Prozent der deutschen Männer haben nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Frauenzeitschrift Marie Claire ihrem Partner noch nie einen Orgasmus vorgetäuscht. 54 Prozent der Interviewten fanden, dass Sex auch ohne Orgasmus befriedigend sein könne, jede zweite befragte Person meinte, dass der Orgasmus generell viel zu wichtig genommen werde. Für 28 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer sei er das Schönste am Sex.
Siehe auch: Artikel Vorgetäuschter Orgasmus
Der erotische Höhepunkt in Kunst und Literatur
Beim Orgasmus beschleunigt sich der Blutkreislauf ... Die blutunterlaufenen Augen werden trüb ... Die Atmung geht bei den einen keuchend und stoßweise, bei den anderen setzt sie aus ... Die gestauten Nervenzentren übermitteln nur noch unklare Empfindungen und Willenimpulse ... Die Gliedmaßen, von konvulsivischen Zuckungen und mitunter Krämpfen erfasst, bewegen sich nach allen Richtungen oder erschlaffen und werden hart wie Eisen; die aufeinander gepressten Kiefer lassen die Zähne knirschen, und manche Menschen erleben das erotische Delirium so stark, dass sie den Genossen ihrer Wollust vergessen und eine unvorsichtigerweise dargebotene Schulter bis aufs Blut beißen. (aus dem Jahre 1855 von Felix Roubaud, zitiert nach Philippe Ariès und Georges Duby: Geschichte des privaten Lebens, Frankfurt 1989, Band 5, S. 310.)
"Tief durchbebe das Weib im innersten Marke die Wollust, Und es erfreue den Mann gleiches Entzücken mit ihr." (Ovid)
La petite mort, der kleine Tod, ist die französische Umschreibung für den Orgasmus.
Orgasmen und orgasmusähnliche Erlebnisse außerhalb sexueller Betätigung
Es wird berichtet, dass ein Orgasmusempfinden mitunter ohne sexuelle Betätigung auftreten kann - und zwar in geistigen oder körperlichen Extremsituationen, verursacht etwa durch exzessives Beten (siehe Märtyrer) oder Hungern, extreme körperliche Betätigung (Leistungssport), körperlichen Schmerz (auch außerhalb der sexuell betonten S/M-Praktiken) oder durch Gewalterlebnisse seitens Opfern oder Tätern. Einige Mitglieder von Fliegerstaffeln im Zweiten Weltkrieg berichteten, während Bombenabwürfen, wie bei Hiroschima oder auf Dresden, einen Orgasmus erlebt zu haben.
Das Orgasmusgefühl ist eng verwandt mit anderen ekstatischen Zuständen, zu den etwa verschiedenartige Rauschzustände sowie intensive Glückserlebnisse zählen, aber auch Amok oder Gewaltexzesse.
Diese Phänomene könnten mit der plötzlichen Ausschüttung von körpereigenen Endorphinen, die das neuroendokrine System des Zwischenhirns freisetzt, erklärt werden. Manche Forscher sehen in diesem neurobiologischen Prozess auch eine Parallele zu den aus Literatur und Boulevardpresse bekannten Nahtoderlebnissen, bei denen Menschen im Angesicht einer tödlichen Gefahr oder auf der Schwelle zum Tod kurz „aus ihrem Körper getreten“ oder „in ein helles glücksbringendes Licht“ eingetaucht seien, siehe auch Trance, Hypnose, Erleuchtung.
Literatur
zum Kapitel „Der Orgasmus und partnerschafliche Bindung“
- Magazin Der Spiegel, Heft 41/10.10.05, Titel: Wozu Sex?
Neuere Untersuchungen zu einem großen Rätsel der Evolutionsbiologie; u. a. interessante Fakten zum Thema „sexuelle Stimulation als Selektionskriterium“.
zum Kapitel „Geschlechtliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede“:
- Margo Anand: Tantra oder Die Kunst der sexuellen Ekstase, Verlag Goldmann, ISBN 3442138477. (Zwar wird hier der Begriff Tantra auf den Bereich der Sexualität reduziert, jedoch regt das Werk an zu neuen Betrachtungsweisen der Themen Sex und Orgasmus und veranschaulicht allgemein verständlich die tantrischen Techniken.)
- Susan Crain Bakos: Sex-Geheimnisse für den ultimativen Lust-Trip, Verlag Goldmann, ISBN 3442165385. (Die Autorin hat weltweit recherchiert und trotz des reißerischen Titels und des expandierenden Schreibstils viel Wissenswertes zum Thema Sex, Sexualtechniken und zum Thema Orgasmus zusammengetragen.)
zum Kapitel „'Mythen und Erkenntnisse - eine Chronologie des Orgasmus“:
- Rachel P. Maines: The Technology of Orgasm: Hysteria, the Vibrator, and Women's Sexual Satisfaction, Johns Hopkins University Press, ISBN 0801859417.
zum Kapitel „Der Orgasmus und Rollenklischees“:
- Shere Hite, Philippe Barraud: Vom Stolz, eine Frau zu sein, 2003, Moderne Verlagsges. Mvg, ISBN 3478730929.
Weblinks
- netdoktor.at: Der Orgasmus der Frau
- Charité-Studie zum weiblichen Sexualerleben und zum „vaginalen Orgasmus“
- Orgasmen: Hat sie? (the-clitoris.com)
- Vererbte Höhepunkte - Weibliche Orgasmusfähigkeit hängt auch von den Genen ab
- Gefühllose Höhepunkte - Während des Geschlechtsakts werden bei Frauen die Gefühlszentren und andere Bereiche im Gehirn deaktiviert
- Beschreibung eines der ersten Orgasmusexperimente (1928)
- Artikel über Sex, Orgasmus und Wirkung auf den Körper
Siehe auch
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