Ein Kunstherz (künstliches Herz, Herzunterstützungssystem, VAD [ventricular assist device], Ventrikuläres Unterstützungsystem oder Herzimplantat) wird in den Körper von Patienten mit unheilbaren Herzerkrankungen (Herzinsuffizienz) eingesetzt, weil das Herz des Patienten nicht mehr in der Lage ist, den Körperkreislauf ausreichend aufrechtzuerhalten. Deswegen spricht man auch vom Kreislaufunterstützungssystem.
Typen
Es werden verschiedene Arten von Kunstherzen unterschieden.
- Linksventrikuläres Unterstützungssystem (LVAD)
- Diese Art von Kunstherz wird in die linke Herzkammer eingesetzt und pumpt das Blut von dort in die Aorta. Diese Art der Unterstützung stellt die häufigste Art von Kunstherzen dar.
- Rechtsventrikuläres Unterstützungssystem (RVAD)
- Ein RVAD wird in die rechte Herzkammer implantiert und pumpt das Blut in die Pulmonalarterie.
- Total artificial heart (TAH)
- Das totale Kunstherz ersetzt das menschliche Herz vollständig. Bei der Operation wird das Herz des Patienten vollständig explantiert und durch eine mechanische Pumpe ersetzt.
Operation
Kunstherzen werden von Herzchirurgen eingesetzt. Die Operation wird in Narkose durchgeführt und dauert etwa vier Stunden. In den meisten Fällen wird die Operation an der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt.
Der Standard-Zugangsweg erfolgt über eine vollständige Durchtrennung des Brustbeines. Anschließend wird das Kunstherz in die jeweilige Herzkammer eingebaut und mit den Zielgefäßen verbunden.
Assist-device-Implantationen an der LMU München
Seit 1992 werden mechanische Kreislaufunterstützungssysteme auch am Klinikum Großhadern der LMU implantiert, am häufigsten wurde bei Pumpversagen im Operationssaal, z. B. beim Abgehen von der Herz-Lungen-Maschine, die sogenannte extrakorporale Membranoxygenation[1] unter Verwendung einer Zentrifugalpumpe als Kurzzeitunterstützung bis zu einer Woche zur Entlastung von Herz und Lungen verwendet. Bereits seit 1992 und am zweithäufigsten wurde das elektromechanisch betriebene isoliert linksventrikuläre Kreislaufunterstützungssystem Novacor bei 52 Patienten[2] eingesetzt. Dies diente als Langzeit-Assist für im Mittel 100 Tage bis zur Transplantation. In der Regel war hierbei das Konzept „bridge-to-transplantation” als mittelfristige Überbrückung bis zur Herztransplantation von Patienten der NYHA-Klasse IV. Als die Möglichkeit zur permanenten, lebenslangen Unterstützung (Destinationstherapie) des linken Herzens bestand, wurde seit 2008 das Jarvik 2000 mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren und mehr in Großhadern uni- und biventrikulär, weltweit sogar in zwei Fällen mit Laufzeiten bis zu 7,5 Jahren, erfolgreich implantiert, sowohl initial mit einem abdominellen, als auch später nur noch mit einem retroaurikulären Kabelaustritt.[3] Neuerdings wird häufiger auch das HeartWare-System eingesetzt. Als sogenannte parakorporale Langzeit-Bridging-Systeme für beide Herzkammern verwendete die Herzchirurgie im Klinikum Großhadern seit 1993 häufig das Berlin Heart und weniger das Medos-System.[4] Der Vorteil und spezielle Nutzen dieser mit Druckluft betriebenen Systeme waren ein uni- oder biventrikulärer Einsatz und eine Verwendung unterschiedlichster Ventrikelgrößen auch bei Kindern und Säuglingen.
Die Medizinische Hochschule Hannover hat eine neuartige minimal-invasive Technik entwickelt. Bei dieser wird nur ein kleiner Teil des Brustbeines durchtrennt und ein weiterer Schnitt unterhalb der linken Brust gesetzt[5]. Auf diese Weise konnte das perioperative Risiko gesenkt werden.
Therapieziele
Es existieren verschiedene Therapieziele für Kunstherzpatienten:
- Bridge to transplant
- Das Kunstherz wird eingesetzt und der aktuelle Gesundheitszustand des Patienten stabilisiert bzw. verbessert. Sobald ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht, wird das Kunstherz wieder explantiert und ein menschliches Herz transplantiert.
- Bridge to recovery
- In wenigen Fällen kann es nach einer Kunstherzimplantation zu einer Erholung des Herzmuskels kommen, so dass das Kunstherz wieder explantiert werden kann.
- Destination therapy
- Hier wird das Kunstherz als Dauerlösung angesehen. Diese Strategie findet Anwendung bei Patienten, deren Gesundheitszustand eine Herztransplantation nicht zulässt. Des Weiteren entscheiden sich auch viele Kunstherzpatienten für diese Strategie, weil sie mit dem System hervorragend zu Recht kommen und die Risiken einer Herztransplantation nicht auf sich nehmen wollen.
- Eine Abwandlung dieser Strategie stellt das „Bridge to bridge“-Verfahren dar. Sollte es zum Kunstherzwechsel nach einigen Therapiejahren kommen, kann bei dieser Strategie ein neues Kunstherzsystem eingebaut werden, welches gegenüber dem alten System technische Verbesserungen aufweist.
Leben mit einem Kunstherzen
Die Kunstherztherapie dient der Leistungssteigerung der herzinsuffizienten Patienten. Das Herzzeitvolumen soll vergrößert werden. Neben der daraus resultierenden gesteigerten Lebensqualität finden sich jedoch auch Nachteile dieser Therapie.
- Begrenzte Batterielaufzeit
- Die Akkuleistung eines Herzunterstützungssystems beträgt je nach System und Hersteller etwa vier bis acht Stunden pro Batterie. Jederzeit sind zwei Batterien an das Gerät angeschlossen. Nach dem Ende der Akkulaufzeit müssen die Batterien gewechselt werden.
- Infektionsgefahr
- Durch die künstliche Austrittspforte unterhalb des Bauchnabels können Bakterien in den Körper eintreten. Dies kann zu Infektionen führen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, wurden Methoden entwickelt, um die Energie und die Steuersignale drahtlos mit Hilfe der elektromagnetischen Induktion durch die Haut hindurch zu übertragen.
- Notwendigkeit von Antikoagulation
- Durch die Scherkräfte im Kunstherzen kann es zu Thrombenbildung im Blut kommen. Um Schlaganfälle und Embolien zu vermeiden, ist während der Unterstützungszeit zwingend eine Antikoagulation notwendig. Die Therapie der Wahl sind Vitamin-K-Antagonisten.
Geschichtliche Aspekte
Die erste Kunstherz-Implantation wurde am 4. April 1969 am Texas Heart Institute in Houston, USA durch Denton A. Cooley vorgenommen. Der 47-jährige Patient Haskell Karp erhielt ein von Domingo Liotta entwickeltes Kunstherz, das nach 65 Stunden durch ein natürliches Herz ersetzt wurde. Kurz nach der Herztransplantation verstarb Karp.
Als erstes dauerhaftes Herzimplantat gilt das Jarvik-7 von Robert Jarvik, das am 2. Dezember 1982 in der Universitätsklinik von Utah (University of Utah) in Salt Lake City dem pensionierten Zahnarzt Barney Clark (21. Januar 1921 - 23. März 1983) in einer siebenstündigen Operation eingesetzt wurde. Die Operation führte William DeVries, ein Sohn holländischer Einwanderer, aus. Clark überlebte 112 Tage und erlitt mehrere Thrombosen, bevor er starb. Am 25. November 1984 wurde dem US-Amerikaner William J. Schroeder ein Kunstherz ebenfalls vom Typ Jarvik-7 implantiert, mit dem er 620 Tage überlebte und am 6. August 1986 an einem Schlaganfall verstarb.
In Berlin forschte der deutsche Wissenschaftler und Herzchirurg Emil Bücherl seit den 1960er Jahren an der Herstellung von Kunstherzen. In mehreren Tierversuchen konnte die Überlebensdauer gesteigert werden. So überlebten 1981 ein Kalb nach einer Kunstherzeinpflanzung 268 Tage und eine Ziege im Jahre 1984 rund 345 Tage. 1979 wurde das als Berliner Kunstherz in Deutschland bekannt gewordene Organ einem Menschen implantiert und diente kurzfristig zur Unterstützung dessen Blutkreislaufes.
Heutzutage können Kunstherzpatienten mehr als fünf Jahre mittels des Herzunterstützungssystems versorgt werden. Die derzeitigen Europarekordler wurden an der Medizinischen Hochschule Hannover implantiert.
Am 18. Dezember 2013 implantierte im Pariser Georges-Pompidou-Spital ein Operationsteam unter Christian Latrémouille[6] ein Kunstherz mit biosynthetischer Haut. Diese hat den Vorteil, dass das Risiko einer Abstoßung minimiert wird. Das Kunstherz ist eine Bioprothese und kann somit das biologische Herz ersetzen. Es ist etwa zwei Fäuste groß; eine kleinere Version befindet sich in der Entwicklung. Laut Entwickler Alain Carpentier soll damit eine Transplantation eines biologischen Herzens fünf Jahre überbrückt werden, dank eingebauter Batterie und Sensoren.[7] Der Patient verstarb nach 75 Tagen.[8][9]
Die Investitionen für die Entwicklung betrugen rund 100 Millionen Euro.[7] Die Unterstützung durch den Matra-Konzern unter ihrem damaligen Generaldirektor Jean-Luc Lagardère legte den Grundstock für die Finanzierung. Weitere Mittel wurden durch staatliche Forschungskredite und von Investitionsfonds beigesteuert. Insbesondere der Fonds Oseo investierte 33 Millionen Euro.[6] Der Preis dieses künstlichen Herzens soll rund 160.000 € pro Exemplar betragen.[6]
Im Juni 2014 wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover das weltweit erste HeartMate III Kunstherz durch Prof. Dr. Axel Haverich und PD Dr. Jan D. Schmitto implantiert. [10]
Quellen
- Patent US4173796: Total artificial hearts and cardiac assist devices powered and controlled by reversible electrohydraulic energy converters'.
- Schmitto J.D. et al. "Implantation of a centrifugal pump as a left ventricular assist device through a novel, minimized approach: upper hemisternotomy combined with anterolateral thoracotomy" J Thorac Cardiovasc Surg. 2012 Feb;143(2):511-3
Weblinks
- Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik
- Herzchirurgie Medizinische Hochschule Hannover
- Kunstherz bei peripartaler Kardiomyopathie
- 1000. Kunstherz in Deutschland implantiert
- Das Aachener Kunstherz ReinHeart als Beispiel für die kabellose Energieübertragung
- NDR Visite Interview mit PD Dr. Jan. D. Schmitto
- NDR Visite Beitrag zum Thema Kunstherz
- Thoratec Announces First HeartMate III™ Human Implant
Einzelnachweise
- ↑ Beiras-Fernandez A, Deutsch MA, Kainzinger S, Kaczmarek I, Sodian R, Ueberfuhr P, Meiser B, Schmoeckel M, Reichart B, Brenner P. Extracorporeal membrane oxygenation in 108 patients with low cardiac output – a single-center experience. Int J Artif Organs. 2011 Apr;34(4):365-73. doi: 10.5301/IJAO.2011.7727.)
- ↑ Vetter HO, Kaulbach HG, Schmitz C, Forst A, Uberfuhr P, Kreuzer E, Pfeiffer M, Brenner P, Dewald O, Reichart B. Experience with the Novacor left ventricular assist system as a bridge to cardiac transplantation, including the new wearable system. J Thorac Cardiovasc Surg. 1995 Jan;109(1):74-80.)
- ↑ Anja Liebermann. Vergleich des retroaurikulären, linksventrikulären Unterstützungssystem (LVAD) Jarvik 2000 als neue Alternative zur Herztransplantation mit dem System mit abdomineller Stromversorgung als Überbrückung zur Herztransplantation (Diss.) Liebermann (Diss.)
- ↑ Primaychenko, Mikhail. Vergleich der mechanischen Kreislaufunterstützungssysteme MEDOS-HIA und Berlin Heart Excor als ventrikuläre Assist-devices bei terminaler Herzinsuffizienz (Diss.)
- ↑ ISchmitto J.D. et al. "Implantation of a centrifugal pump as a left ventricular assist device through a novel, minimized approach: upper hemisternotomy combined with anterolateral thoracotomy" J Thorac Cardiovasc Surg. 2012 Feb;143(2):511-3
- ↑ a b c Cœur artificiel : une prouesse made in France, Le Monde, 24. Dezember 2013, S. 1
- ↑ a b Rudolf Balmer: Neuartiges Kunstherz als Hoffnung für Zehntausende von Patienten in der Welt. Neue Zürcher Zeitung, 23. Dezember 2013, abgerufen am 24. Dezember 2013
- ↑ Gesundheit: Erster Besitzer des neuen Kunstherzens gestorben - Unternehmen - FAZ. Abgerufen am 8. März 2014.
- ↑ Empfänger eines Kunstherzens: Patient stirbt nach nur 75 Tagen - N24.de. Abgerufen am 8. März 2014.
- ↑ [%5Bhttp://phx.corporate-ir.net/phoenix.zhtml?c=95989&p=irol-newsArticle&ID=1943285%20Thoratec%20Announces%20First%20HeartMate%20III™%20Human%20Implant%5D Thoratec Announces First HeartMate III™ Human Implant.] Abgerufen am 7. Oktober 2014.