Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika
The Unwinding: An Inner History of the New America (übersetzt: Die Abwicklung - eine innere Geschichte des neuen Amerikas) ist ein 2013 erschienenes Sachbuch des US-amerikanischen Journalisten und Schriftstellers George Packer. Anhand der Biografien verschiedener US-Amerikaner analysiert Packer wesentliche Faktoren, die die US-amerikanische Geschichte zwischen 1978 und 2012 beeinflussten. Zu den betrachteten Einflussfaktoren gehören die Finanzkrise ab 2007, der Rückgang der US-amerikanischen Industriebasis und der Einfluss von Geld auf die US-amerikanische Politik. The Unwinding geht ausführlich auf die Biografien von drei Personen ein: eine Industriearbeiterin aus Youngstown, Ohio, die zur Sozialarbeiterin wird, ein Biodiesel-Unternehmer aus North Carolina, ein Lobbyist in Washington. Ähnlich ausführlich geht er auf Personen ein, die vom Zusammenbruch des Immobilienmarkts in Tampa, Florida betroffen sind beziehungsweise auf den Entrepreneur Peter Thiel, der wesentlich am Erfolg von PayPal und Facebook beteiligt war. Eingestreut zwischen diese längeren Berichte sind zehn kürzere biografische Skizzen über bekannte Amerikaner wie den Rapper Jay-Z, den Republikaner Newt Gingrich und die Restaurantbesitzerin Alice Waters.

In einem Interview mit Public Broadcasting Service erläuterte Packer als das zugrundeliegende Thema des Buches das Ende des
- ...Vertrags, der immer sagte, wenn Du hart arbeitest, wenn du ein guter Bürger bist, wird immer ein Platz für Dich da sein und zwar nicht nur im wirtschaftlichen Sinne: Du wirst ein sicheres Leben haben, Deine Kinder haben die Chance auf ein besseres Leben und Du wirst immer als ein Bestandteil des nationalen Gefüges sein.[1]
Packer analysiert in dem Sachbuch den Niedergang einer Reihe amerikanischer Institutionen, die aus seiner Sicht wesentlich für die Erfüllung dieses Vertrages waren: kleine Unternehmen in lokalem Besitz, Gewerkschaften und öffentliche Schulen. Nach seiner Sicht füllte die Lücke, die der Niedergang dieser Institutionen riss, nur Geld.
Die Form und der Schreibstil des Buches wurde durch John Dos Passos' U.S.A.-Trilogie beeinflusst, eine Serie von drei Romanen, die in den 1930er Jahren veröffentlicht wurde. Wie in der U.S.A-Trilogie wechseln in The Unwinding längere Erzählungen über die wichtigsten Figuren mit kurzen biografischen Skizzen über einflussreiche Persönlichkeiten aus dieser Zeit sowie Sammlung von Schlagzeilen und Liedtexten.[2]
The Unwinding gewann 2013 den National Book Award für Sachbücher[3] und war für den „National Book Critics Circle Award“ nominiert.
Inhalt
Jeff Connaughton
Jeff Connaughton unterstützte über ein Jahrzehnt Senator Joe Biden in seinen diversen Wahlkämpfen. Connaughton lernte Biden 1979 kennen, als er selbst noch Student an der University of Alabama war und er den Senator einlud, um zu einer Gruppe von Studenten zu sprechen. Connaughton war von Biden so nachhaltig beeindruckt, dass er sich selber das Versprechen gab, ihn in seinem Wahlkampf zu unterstützen, sollte sich der Senator jemals für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bewerben.
Nachdem Connaughton einen Masterabschluss erworben hatte und einige Jahre im Finanzbereich gearbeitet hatte, schloss Connaughton sich dem Wahlkampfteam von Biden an, als dieser am Wahlkampf 1988 teilnahm. Als Biden aufgab, fand Connaughton eine Stelle im Mitarbeiterstab im Rechtsausschuss des Senats. Er arbeitete später für Abner J. Mikva, dem Rechtsberater im Weißen Haus während der skandalträchtigen Präsidentschaftszeit von Bill Clinton. Obwohl Connaughton im Washington in dem Ruf stand, ein Biden-Junge zu sein, war er persönlich zutiefst enttäuscht über ein Verhalten, das aus seiner Sicht die Undankbarkeit Bidens demonstrierte. So weigerte sich Biden beispielsweise, sich für Connaughton einzusetzen, als er sich bei Mikva bewarb. Als Connaughton aus dem Stab des Weißen Hauses ausschied, nutzte Connaughton jedoch seine Verbindungen zu Biden, um als Lobbyist Karriere zu machen. Er arbeitete für das Unternehmen Quinn Gillespie & Associates, die in den USA unter anderem Klienten wie Laurent Gbagbo, den Präsidenten der Elfenbeinküste vertraten.
Nachdem Joe Biden zum Vizepräsidenten ernannt wurde und Ted Kaufman Bidens Senatssitz einnahm, begann Connaughton für Kaufman zu arbeiten. Gemeinsam mit Kaufman arbeitete Connaughton an einer Reform des Finanzwesens, um Exzesse zu vermeiden, wie sie zur Finanzkrise ab 2007 führten. Sie wollten die Möglichkeiten verstärken, finanziellen Betrug strafrechtlich zu verfolgen sowie die Größe von Banken begrenzen. Ihre Reformbemühungen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg. Connaughton musste herausfinden, dass die Lobbyisten, für die er früher selbst arbeitete, über mehr und bessere Informationen verfügten und mehr Einfluss auf Reformen nehmen konnten, als er, der zum Mitarbeiterstab eines Senators gehörte, nehmen konnte. Connaughton kam auch zu der Überzeugung, dass selbst Verbraucherschutzorganisationen, wie beispielsweise die Gruppe Americans for Financial Reform von Industrielobbyisten massiv beeinflusst wurden. Nachdem Kaufmans Senatszeit endete, verließ Connaughton desillusioniert Washington und zog nach Savannah, Georgia. Dort schrieb er ein Buch mit dem Titel The Payoff: Why Wall Street always Wins.
Eine Version dieses Abschnitts von The Unwinding wurde ursprünglich in The New Yorker publiziert, wo Packer als Journalist arbeitete.
Dean Price
Dean Price stammte aus einer Familie, die (Tradition in North Carolina) Tabak anbaute. Dean wurde Zeuge, wie in den 1990er Jahren alle drei Industriezweige, die für die Region wichtig waren, an Bedeutung verloren. Er selbst eröffnete in dieser Zeit einige Fastfood-Restaurants, Läden und Tankstellen entlang der U.S. Route 220. Nachdem Hurrikan Katrina in der Region zu einem Unterversorgung mit Diesel sorgte, begann Price von der Idee von Biodiesel fasziniert zu sein. Er war davon überzeugt, dass aus lokal angebauten Rohstoffen gewonnener Biodiesel sowohl den Landwirten seiner Region helfen würde als auch helfen würde, die katastrophalen Auswirkungen eines zu Ende gehenden Rohstoffs zu vermeiden. Gemeinsam mit einigen Geschäftspartner baute Price ein Unternehmen auf, dass Biodiesel aus lokal angebauten Raps gewann, das dann an Prices Tankstellen verkauft wurde. Es war das erste Unternehmen dieser Art und gewann die Aufmerksamkeit sowohl des lokalen Vertreters im Repräsentantenhaus als auch der Obama-Verwaltung. Prices Restaurants und seine Tankstellen gingen jedoch während der Finanzkrise ab 2007 bankrott und Price verlor schließlich auch den Einfluss auf sein Biodiesel-Unternehmen. Price begann jedoch ein neues Unternehmen, dass Fritieröl in Treibstoff für Schulbusse umwandelt.
Tammy Thomas
Tammy Thomas ist eine afroamerikanische Frau aus Youngstown, Ohio. Da ihre Mutter heroinabhängig war, wurde sie von ihrer Urgroßmutter aufgezogen, die als Dienstmädchen bei einer Unternehmerfamilie arbeitete. Ab Ende der 1970er Jahre erlebte Thomas die tiefgreifenden Auswirkungen des Niedergangs der Stahlindustrie, die die örtliche Wirtschaft bis dahin dominiert hatte. Die Einwohnerzahl der Stadt nahm von 140.000 im Jahr 1970 auf 95.000 im Jahre 1980 ab und betrug 2010 nur noch 67.000, während die Kriminalitätsrate gleichzeitig steil anstieg. Obwohl sie selbst noch als Teenager Mutter wurde, erreichte Tammy Thomas als erste ihrer Familie einen Schulabschluss.
Tammy Thomas wollte nicht von Sozialhilfe abhängig sein und arbeitete ab 1988 in der Packard Electric Fabrik, die Autoteile für General Motors herstellte. Delphi Automotive kaufte diese Firma auf und beschloss 2006 im Rahmen ihrer Produktionsverlagerung nach Mexiko die Schließung der meisten Inlandsstandorte einschließlich der Fabrik in Youngstown. Thomas akzeptierte eine Abfindung und begann ein Studium. Als Sozialarbeiterin betreute sie anschließend Bürgergruppen bei der Aufwertung ihres jeweiligen Wohnumfelds und der systematischen Erfassung der zahlreichen leerstehenden Häuser in Youngstown.
Andere Personen
Zusätzlich zu den längeren Porträts normaler US-Amerikaner enthält The Unwinding zehn kürzere biografische Skizzen Prominenter. Diese Personen sind von Packer in The Unwinding porträtiert worden:
Rezeption
Der Journalist David Brooks lobt im The New York Times Book Review die Geschichten des Buches als „lebendige Momentaufnahmen von Menschen, die ihren Glauben verloren haben”, kritisierte zugleich die fehlende Analyse des Buches. Das Fehlen einer grundlegenden historischen Theoriegeschichte, so Brooks, untergräbt die erklärende Kraft des Buches.[4]
Der Wirtschaftswoche-Kolumnist Dieter Schnaas urteilt: „Man kann dieses Buch nur ganz lesen oder gar nicht. Wer es aber gelesen hat, der wird es nicht nur förmlich verschlungen haben, sondern der weiß hernach auch unendlich viel (mehr) über Amerika, den Kapitalismus und die verhängnisvolle Macht des Geldes. Der ist nicht besser ausgerüstet mit Verdikten und Phrasen für die nächste Kapitalismus-Diskussion beim Abendessen – aber den Verdikten und Phrasen der Bastardliberalen und Marktapologeten ein für alle Mal entwachsen.“ (Der amerikanische Albtraum - 014)Vorlage:": Ungültiger Wert: ref=
Das Buch hatte auch in Deutschland (wie zuvor in den USA) im Sommer 2014 einen ungewöhnlichen Verkaufserfolg und wurde von den wichtigsten Printmedien ausführlich besprochen.
Ausgaben
- George Packer: The Unwinding: An Inner History of the New America. Farrar, Straus and Giroux, New York 2013, ISBN 0-374-10241-4.
- George Packer: Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika. S. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-000157-3
Literatur
- Zaia Alexander: Die Abwicklung des alten Amerika, in: Deutschlandfunk vom 19. Oktober 2014
- Michael Naumann: Das große Spiel, in: Die Zeit Nr. 31 vom 8. August 2014
- Jens-Christian Rabe: Kitzel des Realen, in: Süddeutsche.de vom 31. Juli 2014
- Tobias Rapp: Tram und Traum, in: Der Spiegel Nr. 30/2014
Einzelbelege
- ↑ Tracking the breakdown of American social institutions in 'The Unwinding' In: PBS NewsHour, 26. Dezember 2013. Abgerufen am 14. Februar 2014 . Im Original lautet das Zitat [the book's theme is the unraveling of] a contract that said if you work hard, if you essentials are a good citizen, there will be a place for you, not only an economic place, you will have a secure life, your kids will have a chance to have a better life, but you will sort of be recognized as part of the national fabric.
- ↑ Chris Lehmann: Great Perturbations: On George Packer In: The Nation, 10. September 2013. Abgerufen am 11. Januar 2014
- ↑ 2013 National Book Award Winner, Nonfiction. National Book Foundation, abgerufen am 11. Januar 2014.
- ↑ David Brooks: The Big Money 'The Unwinding,' by George Packer In: The New York Times, 6. Juni 2013. Abgerufen im 29. Juni 2014