Nietzsche-Kommentar ist die Kurzbezeichnung für den Historischen und kritischen Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Sigle: NK). Es handelt sich um ein 2008 begonnenes Langzeitprojekt (Laufzeit: zunächst 15 Jahre bis 2023) im Rahmen des Akademienprogramms von Bund und Ländern; es ist an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften angesiedelt. Der Dienstsitz ist am Deutschen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Zielsetzung
Das Ziel des Nietzsche-Kommentars ist es, erstmals sämtliche von Nietzsche publizierte oder zur Publikation vorbereitete Werke umfassend zu kommentieren. Trotz der enormen und weltweiten Ausstrahlung von Nietzsches Denken gab es bisher keinen umfassenden Kommentar zu Nietzsches Werken, sondern nur Studien zu einzelnen seiner Publikationen. Diesem Desiderat will der Nietzsche-Kommentar abhelfen, indem er Nietzsches Werke in ihrem historischen Kontext philosophisch und geistesgeschichtlich erschließt.
Aufbau, Gliederung und Organisation
„Der Kommentar soll die bereits vorhandenen Forschungsergebnisse zusammenführen, systematisieren und erweitern. Die auf einzelne Textpartien bezogenen Erläuterungen werden durch einleitende Überblickskommentare in einen konzeptionellen, strukturellen sowie entstehungs- und wirkungsgeschichtlichen Zusammenhang gestellt. Intensive Kontext- und Quellenforschungen sind dafür unerlässlich.“[1]
Die Kommentar-Bände sind nach Werk-Komplexen chronologisch gegliedert und erscheinen im Verlag Walter de Gruyter (Berlin / Boston):
- Bd. 1/1: Die Geburt der Tragödie, kommentiert von Jochen Schmidt, erschienen 2012 (ISBN 978-3-11-028692-2)
- Bd. 1/2: Unzeitgemäße Betrachtungen I-IV, kommentiert von Barbara Neymeyr
- Bd. 2: Menschliches, Allzumenschliches I und II
- Bd. 3/1: Morgenröthe, kommentiert von Jochen Schmidt; Idyllen aus Messina, kommentiert von Sebastian Kaufmann
- Bd. 3/2: Die fröhliche Wissenschaft, kommentiert von Sebastian Kaufmann
- Bd. 4: Also sprach Zarathustra, kommentiert von Katharina Grätz
- Bd. 5/1: Jenseits von Gut und Böse, kommentiert von Andreas Urs Sommer
- Bd. 5/2: Zur Genealogie der Moral
- Bd. 6/1: Der Fall Wagner. Götzen-Dämmerung, kommentiert von Andreas Urs Sommer, erschienen 2012 (ISBN 978-3-11-028683-0)
- Bd. 6/2: Der Antichrist. Ecce homo. Dionysos-Dithyramben. Nietzsche contra Wagner, kommentiert von Andreas Urs Sommer, erschienen 2013 (ISBN 978-3-11-029277-0)[2]
Am Nietzsche-Kommentar arbeiten mehrere wissenschaftliche Kommentatoren sowie zusätzlich wissenschaftliche Hilfskräfte.[3] Initiiert und von 2008 bis 2014 geleitet wurde der Nietzsche-Kommentar vom Germanisten Jochen Schmidt, seit 2014 leitet der Philosoph Andreas Urs Sommer die Forschungsstelle. Den Vorsitz in der zuständigen wissenschaftlichen Kommission hat der Theologe Gerd Theißen.[4]
Bisher publizierte Bände
- Jochen Schmidt: Kommentar zu Nietzsches Geburt der Tragödie = Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken, Bd. 1/1. XXI + 456 Seiten. Berlin / Boston: Walter de Gruyter 2012, ISBN 978-3-11-028683-0.
- Andreas Urs Sommer: Kommentar zu Nietzsches Der Fall Wagner. Götzen-Dämmerung = Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken Bd. 6/1. XVII + 698 Seiten. Berlin / Boston: Walter de Gruyter 2012, ISBN 978-3-11-028683-0.
- Andreas Urs Sommer: Kommentar zu Nietzsches Der Antichrist. Ecce homo. Dionysos-Dithyramben. Nietzsche contra Wagner = Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken, Bd. 6/2. XXI + 921 Seiten. Berlin / Boston: Walter de Gruyter 2013, ISBN 978-3-11-029277-0.[5]
Rezeption
Die bisher erschienen Bände des Nietzsche-Kommentars sind in der Presse und in der Fachwelt wohlwollend aufgenommen worden: „Drei Bände eröffnen einen neuen Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken und setzen damit Maßstäbe. […] So bildet der Kommentar ein unentbehrliches Instrument nicht nur für die Europäische Religionsgeschichte, für die Wissenschaftsgeschichte, sondern für die Religionswissenschaft insgesamt.“[6] „Erstmals gibt es einen wissenschaftlich hochrangigen, präzise beschreibenden, seriös informierenden und hochinformativen Nietzsche-Kommentar aus konsequent humanistischer, aufklärungs- und demokratiebejahender Perspektive.“[7] „Die enorme wissenschaftliche Leistung des Kommentars ist exemplarisch an der Erschließung der «Geburt der Tragödie» abzulesen, Nietzsches wirkungsmächtigem, aber auch hochgradig verwirrendem, höchst erläuterungsbedürftigem Frühwerk. Der Kommentar erschließt hier präzise und konturenscharf die Zusammenhänge, die im dionysischen Rausch Nietzsches sonst gerne verschwimmen.“[8]
Einzelnachweise
- ↑ Nietzsche-Kommentar an der Universität Freiburg
- ↑ Gliederung
- ↑ Liste der Mitarbeiter
- ↑ NK an der Heidelberger Akademie
- ↑ Verlagsseite
- ↑ Christoph Auffarth, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft, Bd. 21 (2013), Heft 2, S. 273-279.
- ↑ Humanistischer Pressedienst 15. Oktober 2013
- ↑ Ludger Lütkehaus, Aus dem Geiste der Kritik geboren. Der erste umfassende historische und kritische Nietzsche-Kommentar, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. März 2013
Weblinks
Literatur
- Cord-Friedrich Berghahn: „ein capitales Faktum in der Geschichte des europäischen Geistes“. Neue Literatur zu Richard Wagner, aus Anlass seines 200. Geburtstages (1813–1883), in: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge, Bd. XXIII (3/2013), S. 624-639, hier S. 625-626.
- Till Kinzel, in: Informationsmittel (IFB): digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft 2013.
- Andreas R. Klose, Ironische Hanswurstiaden oder hyperbolische Pamphlete? Der letzte, aber nicht abschließende, von Andreas Urs Sommer bearbeitete Teilband des großen Nietzsche-Kommentars zu dessen nicht mehr veröffentlichten späten Schriften, in: literaturkritik.de, Nr. 10, Oktober 2013.
- Ludger Lütkehaus, Aus sicherem Abstand. Der Freiburger historische und kritische Nietzsche-Kommentar, in: Badische Zeitung, 31. August 2013.
- Luis de Santiago, Comentario critic e historica de las obras de F. Nietzsche, vol. 6/1, in: El Caminante, 11. Mai 2013.
- Rainer Schäfer, Perspektiven des Dionysischen. Neuerscheinungen zu Die Geburt der Tragödie, in: Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung, Bd. 42 (2013), S. 375-383.
- Hermann Josef Schmidt, Provokante Konsenssprengung? Ein wohlbelegtes Wagnis: Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken des Jahres 1888 von Andreas Urs Sommer, in: Aufklärung und Kritik, Nr. 1/2014, S. 173-195), Kurzfassung unter dem Titel Nietzsche als Mutersatz?.
- Hermann Josef Schmidt, Hat Nietzsche den „moralisch-weltanschaulichen Konsens des christlichen Abendlandes“ spätestens 1888 „weit hinter sich“ gelassen? Wiederum ein provokantes, wohlbelegtes Wagnis: Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken des Jahres 1888.
- Magnus Striet, in: Theologische Revue, Bd. 110 (2014), Heft 2, S. 142-144.