Die Hündin Laika (russisch Лайка) war das erste Lebewesen, das in den Erdorbit eintrat. Am 3. November 1957 wurde sie an Bord der sowjetischen Raumkapsel Sputnik 2 ins All geschickt.
Planung der Mission
Nach dem Erfolg von Sputnik 1 schwebte Nikita Chruschtschow vor, eine zweite Weltraummission am 7. November durchzuführen, am 40. Jahrestag der Oktoberrevolution. Es war zu diesem Zeitpunkt bereits ein fortgeschrittenerer Satellit in Arbeit, der jedoch nicht vor Dezember desselben Jahres fertiggestellt werden könnte. Um die gesetzte Frist im November erfüllen zu können, bauten die russischen Ingenieure einen neuen, einfacheren Satelliten. Gemäß russischen Quellen fiel die offizielle Entscheidung zum Start von Sputnik 2 am 10. oder 12. Oktober. Damit hatten die Wissenschaftler nur vier Wochen, den Satelliten zu planen und zu bauen. Das Raumfahrzeug wurde daher in Eile entworfen und viele Teile wurden nach groben Skizzen angefertigt. Neben dem primären Ziel, einen lebenden Passagier ins Weltall zu befördern, sollte Sputnik 2 auch zur Messung von kosmischer Strahlung ausgerüstet werden.
Laika wurde als Streuner auf den Straßen Moskaus aufgegriffen. Sie war eine Mischlingshündin von etwa 6 kg Gewicht und war etwa drei Jahre alt. Ihre genaue Herkunft kann nicht mehr ermittelt werden, aber es gilt als sicher, dass sie teils Husky, teils Terrier war. Ihr eigentlicher Name war Kudrjawka (kleine Locke). Den Namen Laika (Лайка; dt.: Kläffer) erhielt sie erst später. Er kommt von der gleichnamigen russischen Hunderasse. Spitznamen waren Tschuschka (dt.: Käferlein) und Limontschik (dt.: Zitrönchen). Die amerikanische Presse taufte sie Muttnik (von mutt, ein mischrassiger Hund) und Tierrechtsaktivisten nannten sie Curly (dt.: Lockige) in Anlehnung an ihren eigentlichen Namen Kudrjawka.
Vorbereitung der Mission
Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten haben Tiere bis dahin nur auf suborbitale Flüge geschickt. Ein Lebewesen in die Erdumlaufbahn zu bringen, stellte eine neue Herausforderung dar.
Für Sputnik 2 wurden drei Hündinnen vorbereitet: Albina, Muschka und Laika. Albina absolvierte zwei suborbitale Flüge mit einer Testrakete und sollte notfalls als Ersatzhündin für Laika einspringen können. Mit Mushka wurden die Instrumente und Lebenserhaltungssysteme getestet. Laika wurde vom russischen Weltraumexperten Oleg Gazenko ausgewählt und trainiert. Sie blieb während der Eingangstest auch bei lange andauernden und intensiven Prüfungen vergleichsweise ruhig, weshalb man sie für das Programm wählte. Um die Tiere an die kleine Kabine von Sputnik 2 zu gewöhnen, wurden sie in immer kleineren Käfigen gehalten, jeweils für 15 bis 20 Tagen. In der Enge hörten sie auf Fäkalien auszuscheiden, woraufhin sie unruhig wurden und sich ihre Verfassung verschlechterte. Laxativa konnten ihren Zustand nicht merklich verbessern; nur lange Trainigseinheiten waren dazu in der Lage.
Die Hündinnen wurden auch in Zentrifugen gesteckt, die die Beschleunigung eines Raketenstarts simulierten. Spezielle Simulatoren erzeugten den Lärm und die Vibrationen beim Start und die Geräusche in der Kapsel. Das bewirkte einen verdoppelten Pulsschlag und ein um 30 bis 65 torr erhöhten Blutdruck. Außerdem gewöhnte man die Hunde an ein besonderes Gel mit hohem Nährwert, das ihnen im Weltraum als Nahrung dienen sollte.
Nach einem Dokument der NASA wurde Laika bereits am 31. Oktober 1957 in der Raumkapsel untergebracht, drei Tage vor dem Start der Mission. Zu dieser Jahreszeit waren die Temperaturen am Startgelände in Baikonur äußerst kalt. Deshalb wurde die Kapsel über einen Schlauch mit einer Klimaanlage verbunden um den Container warm zu halten. Zwei Betreuer wurden beauftragt, Laikas Zustand ständig zu prüfen. Direkt vor dem Start der Rakete reinigte man Laikas Fell mit einer schwachen Alkohollösung. Auf wichtige Stellen ihres Körpers strich man Iod und befestigte dort Sensoren, die ihre Körperfunktionen überwachen sollten.
Die Passagierkapsel wog ohne die Hündin 18 kg. Die druckregulierte Kabine von Sputnik 2 war innen gepolstert und bot Raum, daß Laika stehen oder liegen konnte. Ein Lüftungssystem belieferte die Zelle mit Sauerstoff und ein Ventilator kühlte sie, sobald die Innentemperatur 15°C überstieg. Nahrung und Wasser war in Gelform vorhanden. Laika wurde mit einem Korsett versehen, ebenso mit einem Beutel für Fäkalien sowie Elektroden zur Aufnahme der Vitalfunktionen. Die telemetrisch übermittelten Informationen zeigten an, daß Laika aufgeregt war, aber Nahrung zu sich nahm.
Laikas Reise
Am 3. November 1957 um 02:30 Uhr startete die Rakete vom Kosmodrom Baikonur. Während dem Start zeigten die Sensoren an, dass Laikas Puls auf den dreifachen Wert des Ruheniveaus stieg. Nachdem sie die Schwerelosigkeit erreichte, sank ihr Puls wieder, aber es dauerte drei mal so lange als bei den vorangegangenen Tests am Boden. Das deutete auf hohen Stress hin. Etwa nach fünf bis sieben Stunden Flugzeit wurden keine Lebenszeichen von der Raumfähre mehr empfangen. Sputnik 2 wurde beim Wiedereintritt am 14. April 1958 nach 2570 Erdumläufen endgültig zerstört.
Laikas Rückkehr zur Erde war in der Missionsplanung nicht vorgesehen. Ursprünglich war geplant, Laika nach zehn Tagen im Orbit vergiftetes Futter zu verabreichen, um ihr einen qualvollen Tod beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zu ersparen. Die Sowjetunion gab widersprüchliche Erklärungen ab, dass sie entweder an Sauerstoffmangel starb, oder dass sie vergiftet wurde. Die wahre Todesursache wurde erst nach Jahrzehnten öffentlich gemacht.
Es kursierten zur damaligen Zeit viele Gerüchte über den genauen Hergang ihres Todes. 1999 gaben verschiedene russische Quellen an, dass Laika nach vier Tagen starb, als sich die Kabine überhitzte. 2002 enthüllte der Biologe Dr. Dimitri Malaschenkow, einer der beteiligten Wissenschaftler am Sputnik 2 Programm, dass Laika zwischen fünf und sieben Stunden nach dem Start an Überhitzung und Streß verstarb. Vorher meldeten die Messgeräte einen Anstieg der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. In einem Dokument, das er einem Raumfahrtkongress in Houston vorlegte, heißt es, es sei in solch kurzer Zeit praktisch unmöglich gewesen, eine verlässliche Temperaturregelung zu bauen.
Eine weitere Rekonstruktion der Ereignisse ergab, dass sich nach dem Eintritt in die Erdumlaufbahn die Passagierkapsel erfolgreich abgetrennt hatte. Jedoch löste sich eine weitere Raketenstufe nicht wie geplant. Deshalb konnte das Temperaturkontrollsystem nicht ordnungsgemäß arbeiten. Zusätzlich entfernte sich ein Teil der Hitzeabschirmung. In der Folge stieg die Temperatur in der Kapsel auf 40°C, was Laikas vorzeitigen Tod bedeutete.
Noch weitere Hunde starteten vom sowjetischen Weltraumbahnhof Baikonur ins All. Als erste kehrten die Hunde Strelka und Belka am 20. August 1960 an Bord von Sputnik 5 lebend zurück.
Reaktionen
Laikas Raumflug sorgte weltweit für Aufregung. Erst einen Monat zuvor hatten die Sowjets den ersten künstlichen Satelliten Sputnik ins All geschickt und damit den so genannten Sputnikschock ausgelöst. Bis zu Laikas Flug war nicht bekannt, ob Lebewesen unter Schwerelosigkeit überhaupt überleben können. Insofern waren auch die wenigen Stunden, in denen Sputnik 2 die ersten biomedizinischen Daten aus dem All übermittelte, ein Meilenstein der Raumfahrtgeschichte.
Sputnik 2 war von vornherein nicht darauf ausgelegt, Laika wieder lebendig auf die Erde zurückzuholen. Das führte weltweit zu einer Debatte über Missbrauch von Tieren und Tierversuche zum wissenschaftlichen Fortschritt. Die Mission wurde von vielen Menschen, auch von manchen innerhalb der Sowjetunion, als propagandistisches Mittel angesehen.
Im Vereinigten Königreich rief die National Canine Defence League alle Hundebesitzer zu einer Schweigeminute auf. Die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals veranstaltete Proteste schon bevor die Sowjetunion den Erfolg der Mission verkündete. Tierrechtsgruppen forderten die Öffentlichkeit zu Demonstrationen vor sowjetischen Botschaften auf. Allerdings waren diese Proteste zumindest teilweise politisch motiviert. In der Sowjetunion gab es keine solche Kontroverse, hauptsächlich weil weder die Medien noch die Publikationen in den darauffolgenden Jahren die Entscheidung in Frage stellten, die Hündin im Weltraum sterben zu lassen. Auch Seitens der sowjetischen Öffentlichkeit wurde diese Vorgehensweise nicht angezweifelt.
Oleg Gazenko, führender Wissenschaftler im Sputnik 2 Projekt und Verantworticher für Laika, drückte 1998 sein Bedauern über Laikas Tod aus: Je mehr Zeit vergeht, desto mehr leid tut es mir. Wir haben von der Mission nicht genug gelernt, um den Tod des Hundes zu rechtfertigen. Auch andere ehemalige Beteiligte am Programm erklärten, sie bereuten es Laika sterben lassen zu haben.
Hommagen auf Laika
Laikas Flug ins all machte sie wohl zu einer der bekanntesten Hunde überhaupt. Im November 1997 präsentierte das Institut für Luftfahrt und Weltraummedizin in Moskau ein Monument zum Gedenken an die gefallenen Kosmonauten. In einer Ecke der Tafel ist auch Laika zu sehen. Außerdem wurde sie auf diversen Briefmarken in verschiedenen Ländern um den Globus abgedruckt. Schokoladen und Zigaretten wurden nach ihr benannt und eine große Zahl an Erinnerungsstücken wird heutzutage auf Auktionen angeboten.
Am 9. März 2005 wurde von der Marssonde Opportunity eine Bodenprobe untersucht. Inoffiziell benannten die Missionsleiter dieses Stückchen Marsboden Laika. Es befindet sich in der Nähe des Wostok Kraters in Meridiani Planum.
Laika in der Literatur
- Haruki Murakami - Sputnik Sweetheart: Sowohl der Titel, als auch mehrere Stellen des Romans beziehen sich auf Laika.
- Leah Rowlinski - Star Wreck 7: The Fido Frontier: In dieser Star Trek Parodie hat Laika ihren Raumflug überlebt und sich mit Außerirdischen verbündet.
- Lawrence Miles - Alien Bodies: Der Doctor Who Roman erzählt von Laikas Beerdigung auf einem Planeten namens Quieskia.
- James Flint - Habitus: Laika ist eine der Hauptfiguren. Sie überlebte ihre Mission und umkreist weiter die Erde. Sie konnte sich an die Gegebenheiten im All anpassen und ernährt sich von den irdischen Radio- und Funksignalen.
- Julian May - Intervention: Hier wird erwähnt, daß Laika von einer sympathisierenden außerirdischen Lebensform, genannt Simbiari, gerettet wurde.
- Rudy Brucker und Bruce Sterling - Storming the Cosmos: In diesem Roman führt Laika die Hauptpersonen zu einem außerirdischen Artefakt am Ort des Tunguska Ereignisses.
Laika in der Musik
Die Indie-Rock-Band Pond schrieb einen Song über Laika: My Dog is an Astronaut, Though. Der Japaner Akino Arai scheint Laika in seinem Lied Sputnik allerdings mit der fiktiven Kloka zu verwechseln; diese war eine Erfindung des Spaniers Joan Fontcuberta.
Einige Musikgruppen integrierten Laika in ihrem Bandnamen. So zum Beispiel Laika Dog, die finnische Band Laika and the Cosmonauts und die britische Gruppe Laika. Letztere machten die Hündin bzw. ihren Raumflug zum Thema der Booklets zu allen ihrer Alben.
Andere Bands haben Lieder nach der raumfahrenden Hündin benannt. Beispiele sind The Cardigans auf ihrer EP Sick and Tired, Moxy Früvous auf dem Album Bargainville, die spanische Popgruppe Mecano auf Descanso Dominical, oder die schwedische Band Blipp! auf Impulser. Auf allen gibt es einen Titel Laika.
Das 2000 veröffentlichten Album Furu Purachina (降るプラチナ) der Japanischen Sängerin Arai Akino (新居昭乃) enthält den Track Spuutoniku (スプートニク), in dem die Sängerin die Thematik Laikas auf den Kontext einer zwischenmenschlichen Beziehung überträgt.
Literatur
- Chris Dubbs: „Space Dogs: Pioneers of Space Travel“, Writer's Showcase Press, 2003, ISBN 0595267351
- G. G. Gowortschin: „Soviets in Space - An historical Survey“, Spaceflight, Mai 1965
- V. N. Tschernow und V. I. Jakowlew, „Scientific research during the flight of an animal in an artificial earth satellite“, Artificial Earth Satellite, Nummer 1, 1958.
- Matthias Gründer: „Lexikon der bemannten Raumfahrt. Raketen, Raumfahrzeuge und Astronauten“, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2001, ISBN 3896022873
- Karen Duve, Thies Völker: „Lexikon berühmter Tiere“, Eichborn Verlag, 1997, ISBN 3821805056
Weblinks
- Star Child: Laikas Raumkapsel (deutsch)
- [1] - Audio-Aufzeichnung von Laikas Herzschlag während des Flugs als ram-Datei
- „Soviet Fires New Satellite, Carrying Dog; Half-Ton Sphere Is Reported 900 Miles Up“ - Artikel der New York Times vom 3. November 1957
- BBC News: First dog in space died within hours - Neue Erkenntnisse über Laikas Flug
- NASA NSSDC Master Catalog: Sputnik 2 - Informationen der NASA über das russische Sputnik-Programm
- BBC News: Russians launch dog into space - Rückblick auf den 3. November 1957