Siedlungsgeografie und Siedlungsgeschichte
In Thüringen gibt es insgesamt etwa 3500 Orte, was in Bezug auf die Fläche des Landes etwa 4,5 Quadratkilometer pro Ort oder etwa 22 Orte auf 100 Quadratkilometer ergibt. Die Ortsdichte variiert dabei erheblich zwischen einzelnen Teilen des Landes. Im gesamten Westen Thüringens, etwa westlich der Ilm und der Saale, dominieren verhältnismäßig große, geschlossene Siedlungen, während östlich von Ilm und Saale kleinere, dafür aber dichtere Siedlungsstrukturen vorherrschen. Während der Westen des Landes zum germanischen Altsiedelland gerechnet werden kann, wurde der Osten erst im hohen Mittelalter im Zuge der deutschen Ostsiedelung einbezogen. Die dort lebende slawische Bevölkerung wurde assimiliert, wobei eine Siedlungskontinuität fortbestand und die unterschiedlichen Strukturen bis heute sichtbar sind.
Das geschlossene Dorf dominiert in Thüringen, während Einzel- und Streusiedlungen nur lokal auftreten. Einzelsiedlungen gibt es häufig im Wartburgkreis und in der Rhön im Westen des Landes und Streusiedlungen treten am ehesten östlich der Weißen Elster im Landkreis Greiz und im Altenburger Land auf.
Ortsnamen
In Thüringen sind Ortsnamen germanischen und slawischen Ursprungs anzutreffen. Erste dominieren westlich von Ilm und Saale, während östlich davon Namen slawischen Ursprungs in der Mehrzahl sind. Zu den älteren Ortsnamen werden jene auf -leben, -städt/stedt/stadt und -ingen/ungen gezählt. Aus der Zeit der fränkischen Landnahme stammen die meisten Namen auf -heim und -hausen. In die Zeit des mittelalterlichen Landesausbaus im Heiligen Römischen Reich fallen viele Ortsnamen auf -roda/rode/reuth/rieth (Rodungsnamen) und auf -dorf (besonders deutsche Neugründungen im slawischen Siedlungsgebiet östlich der Saale). Einige Endungsformen treten auch nur lokal auf, beispielsweise -grün im Vogtland. Während unter den slawischen Namen Norddeutschlands die Endung auf -ow/-ov dominiert, findet sich im Osten Thüringens fast ausschließlich die Endungsgrundform -ic, die zu verschiedenen Suffixen umgelautet wurde, etwa -itz (-witz, -nitz, -litz), -ütz (-mütz, -schütz) oder erweichten Formen wie -itsch und -itzsch. Die wenigen Ortsnamen mit der Endung -ov wurden in der Sprachentwicklung in der Regel zu -au umgelautet. Jedoch sind nicht alle Ortsnamen auf -au in Thüringen slawischen Ursprungs.
Im mittleren Thüringen, wo sich das germanische und das slawische Siedlungsgebiet in einem breiten Korridor überlappten, bestanden teilweise deutsche und slawische Siedlungen nebeneinander, die (von deutscher Seite) denselben Namen erhielten. Von der mittelalterlichen Bezeichnung Wenden ausgehend, bildeten sich Vorsilben für die slawischen Orte wie Windisch- (etwa Windischholzhausen und Mönchenholzhausen östlich von Erfurt) und Wenigen- (Jena am West- und Wenigenjena am Ostufer der Saale), wobei letztere teilweise in der damaligen lateinischen Schriftsprache mit minor übersetzt wurden und als Klein- wieder ins Deutsche zurückkehrten und somit einen geringen Teil der Orte auf Klein- bilden.
Da die jüngeren Namen der neugegründeten Siedlungen östlich der Saale sehr einheitlich gebildet wurden (mit einem Personennamen im Bestimmungswort und der Endung -dorf), gibt es einige sehr häufig, etwa sechs Orte namens Burkersdorf und sechs Orte namens Waltersdorf in einem relativ kleinen Teil des Landes. Ältere Namen im Westen Thüringens und ältere slawische Namen gibt es dagegen meist nur ein einziges Mal.
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Leben-Orte (älteste Siedlungsgebiete)
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Stedt-Orte (alte Siedlungsgebiete)
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Hausen-Orte (fränkische Kolonisation)
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Itz-Orte (alte slawische Siedlungen)
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Dorf-Orte (hochmittelalterliche Ost- und Binnenkolonisation)
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Rodungsorte (spätmittelalterliche Binnenkolonisation)
Wüstungen
In Thüringen gibt es zahlreiche Wüstungen aufgegebener Dörfer und Kleinsiedlungen, die sich über die gesamte Landesfläche verteilen. Besonders im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit fielen viele Orte wüst, nicht selten schon kurz nach ihrer Gründung. In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg fielen nur noch wenige Orte wüst, auch weil fast keine neuen Siedlungen mehr gegründet wurden.
Wüstungen des 20. Jahrhunderts in Thüringen sind:
- im Bereich des Braunkohletagebaus bei Meuselwitz: Leesen, Petsa, Ruppersdorf und Rusendorf
- im Bereich des Urantagebaus südlich von Ronneburg: Culmitzsch, Gessen, Katzendorf, Lichtenberg, Schmirchau (Wüstung) und Sorge-Settendorf
- im Bereich der ehemaligen innerdeutschen Grenze: Billmuthausen, Dornholz, Erlebach, Kaulsroth, Kleintöpfer, Korberoth, Leitenhausen, Liebau, Schwenge und weitere Siedlungen
- im Bereich von Talsperren: Leibis und Preßwitz
- im Bereich von Truppenübungsplätzen: Heerda und Tambuchshof bei Ohrdruf; Ihlefeld und Heßwinkel im Hainich.