Soziales Milieu

gesellschaftliche Gruppen mit ähnlichen Werthaltungen, Mentalitäten und Prinzipien der Lebensführung
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Februar 2006 um 23:13 Uhr durch Anima (Diskussion | Beiträge) (Siehe auch). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Begriff Soziales Milieu (milieu social) stammt von Émile Durkheim und beschreibt die soziale Umgebung, in der ein Individuum aufwächst und lebt. Durkheim unterscheidet zwischen innerem und äußerem sozialen Milieu.

Rainer Lepsius hat den Begriff später aufgegriffen um Wahlverhalten zu erklären, er unterscheidet innerhalb der Weimarer Republik drei große sozial-moralisches-Milieus, in welchen die Personen "von der Wiege bis zur Bahre" umgeben waren:

  • das liberal-protestantische Milieu
  • das sozial-demokratische Milieu
  • das katholische Milieu

In der Lebensstil- und Ungleichheitsforschung wurde in den 1980er Jahren der "Milieu"-Begriff spezifiziert und eine Unterscheidung zwischen sozialer Lage, Lebenszielen und Lebensstilen getroffen, die Handlungsmuster zur Erreichung von Lebenszielen beschreiben. Der "Milieu"-Begriff geht davon aus, dass der Lebensstil von Menschen nicht nur aufgrund äußerer Umstände, sondern auch von inneren Werthaltungen geprägt wird. Der Begriff soziales Milieu bezieht sich damit auf Gruppen von Individuen mit ähnlichen Lebenszielen und Lebensstilen und umfasst Mentalität und Gesinnung der Personen. Durch die zunehmende Pluralisierung der Gesellschaften und die Individualisierung der Lebensstile wird die vormals enge Verknüpfung zwischen sozialer Lage und Milieus entkoppelt, auch wenn soziale Milieus weiterhin nach Status und Einkommen hierarchisch eingeordnet werden können.

Das Konzept der sozialen Milieus wurde in der Wahlforschung und in der Marktforschung aufgegriffen und weiterentwickelt. Hier werden unterschiedliche, empirisch gewonnene Milieutypologien verwendet und mit Einstellungen in Verbindung gebracht, die bestimmte Konsumorientierungen und Wahlverhalten hervorbringen.
So wurden am SINUS-Institut für Markt- und Wahlforschung durch über 55.000 Interviews Werte, Einstellungen und Alltagsorientierungen erforscht und eine Typologie von Milieus in der postmodernen deutschen Gesellschaft herausgearbeitet (derselbe Milieuansatz wird von SIGMA benutzt; beide Milieumodelle waren bis in die 1990-er Jahre nahezu identisch):

  • Konservativ gehobenes Milieu
  • Kleinbürgerliches Milieu
  • Traditionelles Arbeitermilieu
  • Traditionsloses Arbeitermilieu
  • Aufstiegsorientiertes Milieu
  • Technokratisch-liberales Milieu
  • Hedonistisches Milieu
  • Alternatives Milieu.

Nach der Wende wurde für die Neuen Bundesländer eine eigene Milieutypologie erarbeitet, da von wesentlichen Unterschiede in der Lebenswelten in Ost- und Westdeutschland ausgegangen werden musste:

  • Bürgerlich-humanistisches Milieu
  • Traditionelles Arbeiter- und Bauernmilieu
  • DDR verwurzeltes Milieu
  • Linksintellektuell-alternatives Milieu
  • Status- und karriereorientiertes Milieu
  • Aufstiegsorientiertes Milieu
  • Traditionsloses Arbeitermilieu
  • Hedonistisches Milieu
  • Modernes Arbeitermilieu
  • Modernes bürgerliches Milieu
  • Kleinbürgerliches Milieu

Die Typologien wurden von den Sozialwissenschaften übernommen und lösten in den 90er Jahren in der "neuen Sozialstrukturforschung" eine Welle von Lebensstiluntersuchungen aus. Aus den jährlichen Erhebungen des SINUS-Instituts lassen sich Veränderungen seit der Jahrtausendwende erkennen. Die traditionellen Arbeiter- und bürgerlichen Milieus schrumpfen deutlich zusammen, während Milieus mit konventionellen, individualistischen und hedonistischen, bzw. erlebnisbezogenen Einstellungen wachsen. Insgesamt differenzieren sich die Milieus weiter aus.


Im Jahr 2001 hat das Sinus-Institut (jetzt: Sinus Sociovision) ein neues, gesamtdeutsches Milieumodell vorgelegt, das sich deutlich vom vorherigen Modell unterscheidet (s. http://www.sinus-sociovision.de).


Siehe auch