Bewusstseinsveränderung ist ein neutraler Begriff, der sowohl die Sichtweise Bewusstseinserweiterung als auch die Sichtweise Bewusstseinseinschränkung umfasst.
Arten der Bewusstseinsveränderung
- Religiöse Bewusstseinsveränderung: Hiermit wird die Empfindung einer Einswerdung mit Gott (mit dem sogenannten höheren Selbst, der Natur, dem Universum) bezeichnet, wie sie aus allen Weltreligionen berichtet wird (vgl. Mystik). Ein wichtiges Merkmal kann die Ekstase sein, d. h. starke, blitzartige bis lang anhaltende Gefühlswallungen, gefolgt von einer Phase der Glückseligkeit, der Friedfertigkeit und der Anteilnahme am Leben anderer (vgl. Erleuchtung). Zu dieser Kategorie können auch Nahtoderfahrungen gezählt werden.
- Sensorische Bewusstseinsveränderung: Hierunter fallen die scheinbare oder reale Verstärkung von Sinneswahrnehmungen oder deren Vermischung (Synästhesien: „Farben schmecken, Töne riechen“), häufig hervorgerufen durch die Einnahme von bewusstseinsverändernden Drogen.
- Motorische Bewusstseinsveränderungen: Dies umfasst den Eindruck, physikalisch nicht erklärbare Handlungen vornehmen zu können (Flugerfahrungen, körperliche Höchstleistungen), die in einem Zustand der Stasis, aber von der betroffenen Person bewusst erlebt werden (vgl. auch Schlaflähmung, Hypnagoges Erleben, Traumyoga).
- Gezielte Bewusstseinsveränderungen: Von einer Person – z. T. mit fremder Hilfe – herbeigeführter Zustand der Konzentration auf eine Fragestellung, eine Person oder ein Ziel. Ein verbreitetes Verfahren in vielen spirituellen Traditionen, sowohl des Westens (Kontemplation, bestimmte Formen des Gebets und der Askese) als auch des Ostens (Meditation).
- Paranormale Bewusstseinsveränderungen: Spekulative Form der Bewusstseinsveränderungen, in der zum Beispiel sogenannte präkognitive Erfahrungen, d. h. die Wahrnehmung zukünftiger oder entfernter Ereignisse möglich sein sollen (vgl. auch Seher), auch Rückführungen in angeblich bereits gelebte Leben unter Hypnose.
Methoden zur Bewusstseinsveränderung
Denken
Denken, das gewohnte Bahnen verlässt – das heißt, sich auf ungewohnte Weise in ungewohnte Gebiete hineindenken, – soll eine nachhaltige und gesunde bewusstseinsverändernde Wirkung haben. Es gibt eine ganze Reihe methodischer (zum Beispiel Laterales Denken, Bildung) und einige wenige unmethodische Verfahren (Serendipity) des bewusstseinsverändernden Denkens. Hierüber schreibt R. Kapellner, dass es, subjektiv gesehen, zu dem Gefühl kommen kann, schneller und klarer zu denken. Es kann aber auch zu Gefühlen der Selbstentfremdung kommen, zu einem Verlust der Selbstkontrolle, jeweils mit negativen und positiven Emotionen einhergehend.[1]
Meditation
Meditation und andere spirituelle Übungen können zu einer Veränderung des Bewusstseins führen. Bei manchen der Übungen ist das letztendliche Ziel die Erfahrung der Erleuchtung, beschrieben unter Anderem als die Erfahrung der Auflösung der Getrenntheit des Einzelnen vom All.
Dabei kann man unterscheiden zwischen zwei entgegengesetzten, sich ergänzenden (d. h. komplementären) Grundmethoden. Nach der einen wird eine Bewusstseinsveränderung durch äußerste Konzentration und extreme Fokussierung auf einen Punkt (z. B. Samatha) erreichtr. Nach der anderen geschieht dies im völligen Gegensatz dazu durch äußerste Öffnung und Erweiterung auf das Ganze um den Übenden herum durch Achtsamkeit (z. B. Vipassana). „Gewißheit der Nähe zum Überirdischen stellt sich insbesondere dann ein, wenn das Heilige sich dem Suchenden selbst offenbart, sei es nun im Traum oder in sonstigen Bildern, welche Zustände veränderten Bewußtseins dem Gläubigen darbieten. Die Geschichte jeder Religion, so auch die der christlich-judaischen, ist immer auch eine Geschichte von Visionen“ [2]. Beispiele für Ausprägungen dieser Methoden lassen sich in allen Kulturen und Religionen finden.
Psychoaktive Substanzen
Einige Drogen (diverse Pilzarten oder Kräuter, LSD, Meskalin und Cannabis) zeigen eine bewusstseinsverändernde Wirkung. Derartige Substanzen werden traditionell in schamanischen Ritualen eingesetzt. Zu Beginn der psychedelischen Forschung fanden sie auch in der psycholytischen Psychotherapie weitreichende Verwendung.
Körpereigene Botenstoffe
Das Gefühl der Bewusstseinsveränderung ist auch möglich im Rahmen der Über- oder Unterproduktion von körpereigenen Botenstoffen, die bei körperlicher Anstrengung, monotonen Rhythmen, extremer Freude, Dehydrierung, Unterzuckerung u. Ä. produziert bzw. gehemmt werden. Darunter fallen zum Beispiel Flow-Gefühle beim Sport, Discobesuch und Techniken im islamischen Sufismus.
Atemtechniken
Stanislav Grof entwickelte das Holotrope Atmen als Alternative zur LSD-Therapie und zur angeblichen Erreichung erweiterter Bewusstseinszustände. Dazu schrieb er, „Zustände erweiterten Bewußtseins können spontan und ungesucht auftreten, aber auch durch bestimmte Drogen, Fasten, körperliche Extremleistungen, sensorische Deprivation, Meditation oder gezielte therapeutische Techniken wie holotrope Atemarbeit induziert werden“ [3].
Reizdeprivation
Eine weitere Möglichkeit der Herbeiführung von Zuständen veränderten Bewusstseins ist die Verringerung äußerer Reize (Reizdeprivation). Dies wurde unter anderem von Mönchen in Tibet angewandt (z. B. von Praktizierenden des Dzogchen), gehörte aber auch in vielen anderen spirituellen Strömungen zur Übung. Die Dunkelheit und Abgeschiedenheit unterirdischer Kammern und Höhlen reduziert die Stimulation des sensorischen Systems. In absoluter Dunkelheit und Stille soll es unter anderem zu einer ungewohnten Weite des visuellen Gedankenflusses kommen. Der sogenannte Isolationstank verhindert zusätzlich die sensorische Stimulation durch das eigene Körpergewicht und unterstützt den Eindruck der Bewusstseinsveränderung.
Bewusstes Träumen
Als ungewöhnliche Art der Bewusstseinsveränderung gilt der Klartraum, der seine systematischen Ursprünge im tibetischen Buddhismus hat, aber als physiologisches Phänomen seit einigen Jahrzehnten auch im Westen bekannt ist. Die Effekte während eines solchen luziden Traums ähneln zum Teil denen der Reizdeprivation. Fortgeschrittenen Übenden soll die komplette Steuerung der Traumumgebung möglich sein. Damit könnten sie die Grenzen unseres Wachbewusstseins im Schlaf überwinden.
Siehe auch
Weiterführende Literatur
- Stanislav Grof, Kosmos und Psyche. An den Grenzen menschlichen Bewusstseins. Fischer Verlag 2003. ISBN 978-3-596-14641-3
- Stanislav Grof, LSD–Psychotherapie. 1983. ISBN 3-608-94017-0
- Rudolf Kapellner, Gerd Gerken (Hrsg.), Wie der Geist überlegen wird. Mit einem Beitrag von R. Kapellner: Bewusstsein und Floaten. Verlag Junfermann, Paderborn 1993. ISBN 3-87387-118-1
- Walther Bühler, Meditation als Erkenntnisweg. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1980. ISBN 3-7725-0032-3 (Als Vortrag gehalten auf der Tagung Meditation in Religion und Psychotherapie, Stuttgart im Oktober 1957).
- Barbara Schachenhofer, Gesundheitsbewusstsein versus Selbstbeteiligung. Hochschulschrift Universität Linz. Universitätsverlag Tauner, Linz 1997. ISBN 3-85320-854-1
- Ralph Metzner, Die Erweiterung des Bewusstseins. Verlag Nachtschatten, Solothurn. ISBN 978-3-03788-162-0
- Hans Cousto (Hrsg.), Psychonautik, Hedonismus und Ekstase. Verlag Nachtschatten, Solothurn. ISBN 3-03788-199-2
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. hierzu: Rudolf Kapellner, Gerd Gerken (Hrsg.), Wie der Geist überlegen wird: Mind Management Junfermann Paderborn 1993, 391 S. ISBN 3873871181
- ↑ Zitat nach: Walther Bühler: Meditation als Erkenntnisweg, [Studien und Versuche 2 - 2. erweiterte Auflage]. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1972, 55 S. ISBN 9783772500329
- ↑ Vgl. hierzu: Stanislav Grof: Kosmos und Psyche: an den Grenzen menschlichen Bewußtseins, 2. Aufl. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2000 (1. Aufl. 1997), 371 S. ISBN 3-596-14641-0