Atomprogramm des Iran

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Das Atomprogramm des Iran wurde bereits 1959 aufgenommen. Durch die Islamische Revolution und den 1. Golfkrieg wurden die Arbeiten unterbrochen. Bis heute (Stand: Anfang 2006) ist kein einziger Kernreaktor zur Energieversorgung ans Netz gegangen - es existieren lediglich kleinere Forschungsreaktoren. Iran sieht sich seit geraumer Zeit dem Vorwurf ausgesetzt, die Entwicklung von Atomwaffen anzustreben. Von iranischer Seite wird dies zurückgewiesen; man betont, die Kernenergie lediglich friedlich nutzen zu wollen. In den Medien wird auf die Auseinandersetzungen ob der ungeklärten Ziele, die der Iran mit seinem Atomprogramm verfolgt, oftmals mit dem Schlagwort Atomstreit mit dem Iran eingegangen.

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Der Iran und sein geopolitisches Umfeld

Zur Geschichte

Obwohl der Iran über die weltweit zweitgrößten Vorkommen an fossilen Energiequellen verfügt (Erdöl und Erdgas zusammengenommen), wurde dort bereits in den 60er Jahren über deren Begrenztheit nachgedacht. Der damalige Schah Mohammad Reza Pahlavi selbst kam zu dem Schluss, dass Erdöl zu kostbar sei, um es zur Energiegewinnung zu verbrennen.

Diese Haltung war auch für die USA als (damals und auch - noch - heute) größter Ölimporteur und als Exporteur von Nukleartechnologie von Vorteil, und so wurde der Grundstein des Iranischen Atomprogramms mit US-amerikanischer Hilfe gelegt. 1967 wurde aus den USA ein Forschungsreaktor mit einer Leistung von 5 Megawatt geliefert und im Tehran Nuclear Research Center (TNRC) von der Atomic Energy Organization of Iran (AEOI) in Betrieb genommen. Einen ersten Forschungsreaktor aus den USA erwarb der Iran bereits im Jahr 1959.

1975 unterzeichnete der amerikanische Außenminister Henry Kissinger das National Security Decision Memorandum 292 zur US-amerikanisch-iranischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nukleartechnologie. Es erläutert die Details des Verkaufs von Nukleartechnik im Wert von über 6 Milliarden US-Dollar an den Iran.

Es gab Pläne zum Bau von bis zu 23 Atomreaktoren bis zum Jahr 2000. Bis in die 70er Jahre wurden zwischen den USA und dem Iran diesbezüglich zahlreiche Abkommen getroffen. 1976 wurde dem Iran sogar angeboten, eine Anlage zur Extraktion von Plutonium von den USA zu kaufen und zu betreiben. Die Vereinbarung bezog sich auf einen kompletten Nuklearkreislauf.

Trotz des amerikanischen Engagements waren es westdeutsche Konzerne, die 1974 einen Vertrag über den Bau des ersten iranischen Kernkraftwerks nahe der Stadt Buschehr abschlossen. Die Arbeiten wurden jedoch durch die Islamische Revolution und den Ersten Golfkrieg unterbrochen. 1990 begann der Iran, sich nach neuen ausländischen Partnern für sein Nuklearprogramm umzusehen. 1995 unterzeichnete Iran einen Vertrag mit Russland über die Fertigstellung des Reaktors von Buschehr, die bis heute andauert.

Bekannte Einrichtungen

Buschehr

Die im Bau befindliche Kernkraftanlage Buschehr (Buschir) befindet sich 17 Kilometer südlich der gleichnamigen Stadt am Persischen Golf. Sie soll vor allem die landeinwärts gelegene Großstadt Schiraz mit Energie versorgen (Satellitenbilder: [1]).

Bereits 1974 schloss die Westdeutsche Kraftwerk-Union AG, ein Joint Venture der Siemens AG und von AEG-Telefunken, einen Vertrag über den Bau im Umfang von 4-6 Milliarden US-Dollar ab. Mit dem Bau der zwei Reaktorkerne war die ThyssenKrupp AG beauftragt. Die Bauarbeiten sollten ursprünglich bis 1982 abgeschlossen sein.

Im Januar 1979 wurde der Bau unterbrochen, nachdem im Verlauf der islamischen Revolution Irans Wirtschaft praktisch zum Stillstand gekommen war. Im Juli zog sich die Kraftwerk-Union aus dem Projekt zurück, da sich Iran im Zahlungsrückstand befand. Das Unternehmen hatte bis dahin 2,5 Milliarden Dollar erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war der eine Reaktor zu ca. 85 Prozent, der andere zu 50 Prozent fertiggestellt. Zwischen 1984 und 1988 wurde ein Reaktor durch mehrere irakische Luftangriffe beschädigt. Kurz nach der Invasion irakischer Truppen wurde das Programm bis zum Ende des Krieges offiziell unterbrochen.

1995 unterzeichnete Iran einen Vertrag mit Russland über die Fertigstellung des Reaktors von Buschehr. Die Verhandlungen hierzu begannen bereits 1990. Der Bau wird vom russischen Konzern Atomstroyexport durchgeführt, der dem Russischen Atomenergieministerium Minatom unterstellt ist. Die Anlage sollte ursprünglich im Laufe des Jahres 2005 in Betrieb gehen. Im Januar 2006 wurde seitens des russischen Konzerns angekündigt, die Arbeiten in Buschehr ungeachtet der aktuellen Zuspitzungen im Atomstreit fortsetzen zu wollen ([2]).

Natans

Die durch Flugabwehrsysteme geschützte unterirdische Anlage von Natans liegt etwa 200 km südlich von Teheran. Hier betreibt Iran ein Projekt zur Urananreicherung. Die Anlage kann nach IAEO-Informationen bis zu 50 000 Gaszentrifugen aufnehmen (vgl. [3]). Iranischen Aussagen zufolge soll Uran in Natans nur bis zu einem Grad von 3,5 Prozent angereichert werden, was für Atomkraftwerk-Brennstoff reichen würde, nicht jedoch für eine militärische Nutzung. Für den Bau einer Atombombe ist ein Anreicherungsgrad von über 90 Prozent notwendig. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde hat sich Iran aber bereits in den 80er Jahren aus Pakistan Anleitungen zum Bau von Zentrifugen besorgt, mit denen Uran bis zur Waffenfähigkeit angereichert werden kann (s. Abdul Kadir Khan).

2003 wurde ein vertraulicher IAEO-Bericht bekannt, in dem es hieß, dass in Proben aus Natans waffentaugliches Uran gefunden worden sei. Der Iran machte damals kontaminierte eingeführte Ausrüstungen dafür verantwortlich. Diese Rechtfertigung wurde später durch unabhängige Untersuchungen bestätigt.

Isfahan

Die Universitätsstadt Isfahan gilt als Zentrum der iranischen Kernforschung; dort befindet sich eine Anlage zur Produktion von Brennstäben. In den Anlagen von Isfahan ([4]) kann Uran auch in das gasförmige Uranhexafluorid umgewandelt werden - ein notwendiger Ausgangsstoff für angereichertes Uran. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums Resa-Hamid Assefi betonte jedoch noch Ende Juli 2005: "Die Anlage von Isfahan dient nicht der Urananreicherung, wir bleiben der Aussetzung (der Urananreicherung) verpflichtet und werden die Aktivitäten in Natans nicht wieder aufnehmen."

Nach Informationen von GlobalSecurity.org ([5]) werden Gaszentrifugen zur Urananreicherung teils importiert, teils in einer Fabrik in Isfahan gebaut. Getestet werden sie demnach in der Kalaje-Anlage in Ab-Ali und in Natans fertiggestellt.

Die zentraliranische Atomfabrik Natans gilt als Zentrum der Urananreicherung.

Arak

In Arak wird Schweres Wasser zur Moderation von Brennelementen in Reaktoren hergestellt.

In Schwerwasserreaktoren fällt Plutonium an, das ebenfalls als Material für Kernwaffen dienen kann. Die Existenz der Anlage in der Nähe Araks wurde erstmals im Dezember 2002 durch Satellitenaufnahmen bekannt, die vom Institute for Science and International Security (USA) veröffentlicht wurden.

Uranerz

Bei Yazd befindet sich eine der bedeutendsten Uran-Minen des Landes: die Talmesi-Mine in Anarak. Bei Saghand gibt es weitere größere Vorkommen von Uranerz, wie auch in Gchine. Die Uran-Mühle in Gchine (in der Nähe von Bandar-e Abbas am Persischen Golf) ist nach Schätzungen für die Produktion von 21 Tonnen Uran jährlich ausgelegt. Gleichwohl wurde das für den Brennstoffkreislauf erforderliche Uranoxid bisher überwiegend importiert. Ende 2005 erklärten iranische Chemiker, man habe erstmals eine Anlage zur Gewinnung von größeren Mengen Uranoxid aus Roh-Uran gebaut. Eine Versuchsanlage zur Produktion von "Yellowcake" (Uranoxid) befindet sich seit 2003 (oder 2004?) in Erdekan.

Damit könnte der Iran nunmehr auf seine - nicht unbeträchtlichen - Uranvorkommen zurückgreifen und wäre zumindest mittelfristig von Zulieferungen unabhängig.

Im Juli 2003 berichtete der Nationale Widerstandsrat von einer Nuklearanlage in Erdekan (Ardekan) im Zentraliran. Mohammad Ghannadi-Maragheh von der iranischen Atombehörde bestätigte im September 2003 den Bau einer Uranmühle 35 Kilometer nördlich der Stadt. Seinen Angaben zufolge hat sie eine Kapazität von 120 000 Tonnen Uranerz, woraus jährlich 50 Tonnen Uran gewonnen werden sollen.

Karaj

In Karaj (160 Kilometer nordwestlich von Teheran) befindet sich ein Nuklearforschungszentrum für Landwirtschaft und Medizin, das seit 1995 über ein von Belgien geliefertes 30-MeV-Zyklotron und eine von China gekaufte Isotopentrennanlage verfügen soll. Ende der 90-er Jahre meldeten Vertreter des Nationalen Widerstandsrat Iran, dass bei Karaj ein Reaktor gebaut werde. Russische und chinesische Experten unterstützen die Projekte in Karaj angeblich. Die Stadt gilt auch als Zentrum der iranischen Raketenindustrie.

In Laschgarabad und Ramandeh, zwei Dörfern bei Karaj, soll es Urananreicherungsanlagen geben, die hinter Bäumen eines Obstgartens versteckt sind und von Wachpersonal abgeschirmt werden. Die Analysten von GlobalSecurity.org gehen davon aus, dass diese Anlagen den Fortgang der Urananreicherung sichern sollen, falls Natans bombardiert wird.

Weitere Anlagen

Die Militäranlage in Parschin gilt als möglicher Standort für Atomexperimente. In Teheran, Ramsar und Bonab werden Forschungsreaktoren betrieben.

In der Anlage von Lavizan wurden mehrere Gebäude abgerissen und planiert, bevor sie von Inspektoren der IAEO begutachtet werden konnten. Die iranischen Behörden verweigerten Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde die Entnahme von Bodenproben.

Unter anderem in Anarak und Ghom gibt es Lager für Nuklearabfälle.

1992 hatten Iran und China ein Abkommen über den Bau zweier 950-Megawatt-Reaktoren in Darchowin (in der Nähe von Ahwas, Provinz Chuzestan im West-Iran an der Grenze zum Irak) unterzeichnet. Mit dem Bau dieser Großkraftwerke wurde jedoch bis heute noch nicht begonnen. Nach Angaben von Gholamresa Aghasadeh, dem Leiter der Atomenergie-Kommission des Iran, vom Dezember 2005 wird dort an einem 360-MW-Reaktor gearbeitet, der im Inland hergestellten Brennstoff nutzen werde (vgl. [6]).

Bei Chalus soll es in einem Berg südlich der Küstenstadt eine Anlage zur Entwicklung von Nuklearwaffen geben. Nach unterschiedlichen Berichten sollen sich dort Experten aus Russland, China und Nordkorea aufhalten oder aufgehalten haben. Bei GlobalSecurity.org heißt es, dass jedenfalls bis zum Jahr 2000 Satellitenfotos dieses mutmaßlichen Standorts nicht verfügbar waren.

Nicht offenbarte Einrichtungen

Zudem werden im Iran zahlreiche weitere klandestine Einrichtungen vermutet - nach Erkenntnissen des deutschen Bundesnachrichtendienstes mindestens 20 (Stand: Mitte Januar 2006). Von diesen soll es auch verifizierte Satellitenaufnahmen geben. US-amerikanische Geheimdienste vermuteten schon vor Jahren, es könnte noch wesentlich mehr, meist in Bunkern und Kellern versteckte Anlagen geben. In Planungen des US-Militärs soll stellenweise von bis zu 300 potentiellen Angriffszielen die Rede sein. Allerdings zeigen die Erfahrungen des Irak-Kriegs, dass die US-Aufklärung auch vermeintliche Ziele erfasst, von denen mitnichten eine Gefahr ausgeht - etwa Düngemittelfabriken, die sich nach der Vernichtung tatsächlich nur als Düngemittelfabriken erweisen.

Die Kontroverse und ihre Hintergründe

Eine kurze Chronologie des Atomstreits seit 2003

Die internationale Kritik an der iranischen Atompolitik hält schon seit Jahren an. Im Westen, insbesondere in den USA, wird seit langem geargwöhnt, die Führung in Teheran strebe unter dem Deckmantel der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Wirklichkeit nach Nuklearwaffen. Die USA rechnen die Islamische Republik Iran zu den "Schurkenstaaten"; Politiker und überwiegend neokonservative Kommentatoren plädierten seit dem 11. September 2001 mit Nachdruck für Präventivschläge gegen den Iran, vielfach auch mit dem Ziel eines Regimewechsels ([7]). Hingegen haben China und Russland vor allem ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum, aber auch die militärische Zusammenarbeit mit dem Iran in den letzten Jahren erheblich ausgebaut (s. dazu [8], [9]).

Februar bis Mai 2003: Mitarbeiter der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO inspizieren iranische Nuklearanlagen.

Juni 2003: IAEO-Chef Mohammed el-Baradei kommt in einem Bericht zu dem Schluss, der Iran habe "bestimmte Materialien und Aktivitäten" verschwiegen. Die IAEO besteht auf der Ratifizierung eines Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, die ungehinderte Inspektionen ermöglichen soll.

Oktober 2003: Nach Verhandlungen mit den Außenministern Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs (den so genannten EU-3) macht Teheran Zugeständnisse: Unterzeichnung des Zusatzprotokolls, Stopp der Urananreicherung und der Wiederaufbereitung.

November 2003: Der IAEO zufolge hat der Iran die Produktion von Plutonium eingeräumt - ein klarer Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag, den Teheran 1970 ratifiziert hat.

Dezember 2003: Iran unterzeichnet das Zusatzabkommen zum Sperrvertrag, hat es bis heute jedoch nicht ratifiziert. Es ist somit nicht in Kraft.

September 2004: Entgegen der Abmachung von 2003 nimmt der Iran die Urananreicherung wieder auf. Die EU-3 verhandeln erneut mit Teheran, wonach der Iran im November die Anreicherung zunächst aussetzt.

August 2005: Der Iran nimmt seine Anlage zur Uranumwandlung in Isfahan nach achtmonatigem Stillstand wieder in Betrieb, bekundet jedoch, auf Urananreicherung solle weiter verzichtet werden.

September 2005: Die USA und die EU erwägen, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Der Iran droht im Gegenzug, die Urananreicherung aufzunehmen und unangemeldete Kontrollen zu untersagen. Eine IAEO-Resolution wirft dem Iran neuerlich Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag vor (vgl. [10]).

November 2005: Der Iran nimmt die Uranumwandlung in Isfahan wieder auf. Nach einem IAEO-Bericht hat das Land in den 80er Jahren Bauanleitungen für Atomwaffen aus Pakistan erhalten.

Januar 2006: Der Iran kündigt an, seine Nuklearforschung zum Brennstoffkreislauf wieder aufzunehmen zu wollen; am 10. Januar werden die Siegel der IAEO auf den entsprechenden Anlagen gebrochen.

Iran unterzeichnete bereits 1968 den Atomwaffensperrvertrag und ratifizierte ihn 1970. Signatarstaaten haben dem Vertrag zufolge das Recht, Kernenergie ausschließlich für zivile Zwecke einzusetzen. Jedwede militärische Nutzung ist untersagt und mit Sanktionen bedroht.

Der Iran hält diese Position für "scheinheilig" und "doppelzüngig" und verweist einerseits auf das ursprüngliche Ziel des Vertrags, nämlich: die globale nukleare Abrüstung voranzutreiben, andererseits auf das Verhalten dreier Staaten (die den Atomwaffensperrvertrag allerdings nicht unterzeichnet haben): Israel, Indien und Pakistan. Diese drei Staaten eigneten sich Atomwaffen in Geheimprojekten an (Israel 1968, Indien 1974, Pakistan 1990 - vgl. [11]).

Im Dezember 2003 unterzeichnete der Iran nach einem Ultimatum der IAEO zwar das Zusatzprotokoll zum Nichtverbreitungsvertrag, ratifizierte es bislang aber nicht. Das 1997 von der IAEO beschlossene Zusatzprotokoll ergänzt den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von 1968. Es gestattet z.B. unangemeldete Kontrollen, die auf Grund der Erfahrungen mit den Atomrüstungsplänen des Iraks nach dem Golfkrieg 1991 für notwendig erachtet wurden.

Im Jahr 2002 wurde bekannt, dass der Iran Atomanlagen unterhielt, die der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) verheimlicht worden waren, unter anderem in Natans und Arak. Dabei spielten Geheimdienstkontakte des Journalisten Seymour Hersh, Aussagen iranischer Dissidenten sowie die militärische Aufklärung mittels Satellitenfotografie (s.o.) eine Rolle.

Doch dies ist nicht der einzige Anlass, der das Misstrauen der IAEO und zahlreicher Staaten gegenüber den Absichten des Regimes in Teheran verstärkte. So handelt es sich insbesondere bei der Urananreicherung um eine sogenannte Dual-Use-Technologie, also ein Verfahren, das sowohl zur zivilen Zwecken als auch zur Herstellung von Atomwaffen verwendet werden kann. Jedoch ist für den gegenwärtigen Stand iranischer Atomstromgewinnung nach Ansicht von Experten kein angereichertes Uran erforderlich. Sollte das ein Einwand sein, so entkräftet ihn allerdings - rein rechtlich gesehen - der Atomwaffensperrvertrag selbst: Unterzeichner dieses Abkommens haben sogar Anspruch auf Unterstützung bei der Urananreicherung. - Ein weiterer Argwohn des Westens: Der Iran verfügt über Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von ca. 2000 Kilometern, deren Zielgenauigkeit allerdings so gering sein soll, dass ihr Einsatz nur mit Massenvernichtungswaffen militärisch einen Sinn ergäbe, wie westliche Experten und Vertreter des iranischen Widerstands behaupten (vgl. [12]).

Die Regierung in Teheran erlaubte zunächst Inspektionen der IAEO und stellte die Urananreicherung vorübergehend sogar ein. Nach wie vor wird vehement jegliches Streben nach Atomwaffen bestritten. Man frage sich, warum es dem Land nicht erlaubt sein sollte, seine Energieversorgung zu diversifizieren, besonders vor dem Hintergrund der Verdopplung der iranischen Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren und der weltweiten Sorge um eine Erschöpfung der Ölvorräte. Angesichts steigender Ölpreise ist es für Iran auch wirtschaftlich von Interesse, mehr Öl zum Export zur Verfügung zu haben und Strom im Inland mit Atomkraft zu produzieren. Derzeit verbraucht der Iran ca. 40 Prozent seiner Ölförderung selbst.

Insbesondere die USA halten dagegen, dass der Iran kein Atomprogramm brauche, da das Land über umfangreiche Öl- und Erdgasreservern verfüge und deren Ausbeutung billiger sei als die Bemühungen zur Gewinnung nuklearer Energie. Der Iran bezichtigt die USA im Gegenzug, lediglich das seiner Meinung nach illegale Atommonopol Israels im Nahen Osten aufrechterhalten zu wollen.

Verschiedene Kompromissvorschläge der EU und Russlands sahen Lieferungen von nicht waffenfähiger Nukleartechnologie an den Iran vor (darunter auch Leichtwasserreaktoren). Die Bedingung ist, dass jene Komponenten des Atomkreislaufs, die auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können, ans Ausland abgegeben oder liquidiert werden. Ein russischer Vorschlag, die Urananreicherung in Russland vorzunehmen, wurde von Teheran im Spätherbst 2005 - wie die vorgenannten auch - bis Anfang 2006 zurückgewiesen. Am 16. Januar hingegen begrüßte der iranische Botschafter in Moskau, Gholam-Reza Ansari, die Vorschläge des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Uran in Russland anzureichern, ausdrücklich ([13]). Die Initiative könne internationale Besorgnisse über die Nuklearambitionen Teherans dämpfen. Tags zuvor noch hatte der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki die EU-3 zwar der "Überreaktion" bezichtigt ([14]), gleichwohl aber auf deren Rückkehr an den Verhandlungstisch gedrängt. Unklar bleibt für zahlreiche Beobachter, ob die widersprüchlichen Signale von Seiten Irans Teil einer vielfach unterstellten Hinhaltestrategie sind.

„Ob die Europäer unser Recht zur Wiederaufnahme der Arbeiten in der (Urananreicherungs-Anlage) in Isfahan erwähnen oder nicht - wir werden auf jeden Fall damit fortfahren“, erklärte etwa der vormalige iranische Präsident Mohammad Chātemī (dessen Amtszeit am 2. August endete) am 27. Juli 2005 nachdrücklich. Bereits 2004 hatte er erklärt: "Ob wir unter Verdacht stehen oder nicht - wir werden keinesfalls versuchen, Atomwaffen zu erwerben, weil das unserer Religion und Kultur widerspricht und weil wir diese Waffen als eine große Gefahr für die Menschheit betrachten."

Ahmadi-Nedschads Konkurrent im Präsidentschaftswahlkampf Haschemi Rafsandschani, nun oberster "Sittenwächter" des Iran, prangerte in einer vom iranischen Staatsfernsehen übertragenen Rede zum Feiertag Eid al-Adha 2005 gleichfalls die "Kolonialpolitik" des Westens an und betonte: "Wenn sie irgendwelche Störungen verursachen, werden sie es letztendlich bedauern." - "Selbst wenn (der Westen) unsere Wissenschaftler [sic!] vernichtet, werden deren Nachfolger mit den Arbeiten fortfahren." Die westlichen Politiker behaupteten fälschlicherweise, sie seien gegen Nuklearwaffen: "Sie wollen das Monopol auf Atomtechnologie retten, diese tröpfchenweise zu einem teuren Preis verkaufen und es als Mittel der Vorherrschaft über die Staaten der Welt gebrauchen."

Jahreswende 2005/2006

 
Militärstützpunkte im Iran

Seit der Ernennung des derzeitigen iranischen Präsidenten Mahmūd Ahmadī-Nežād hat sich die Konfrontation erneut zugespitzt. Insbesondere die Ausfälle Ahmadi-Nedschads gegen Israel, die er seit November 2005 mehrfach wiederholte, wurden in diesem Zusammenhang mit großer Besorgnis aufgenommen.

Mitte Dezember 2005 billigte Präsident Ahmadi-Nedschad ein Gesetz, dem zufolge das Land die internationale Kontrolle seiner Atomanlagen jederzeit aussetzen darf. Unangemeldete Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA können demnach untersagt werden, sollte diese den UN-Sicherheitsrat einschalten. Auch dies wäre rechtlich mehr oder weniger gedeckt, denn der Iran hat das entsprechende Zusatzprotokoll (s.o.) bislang nicht ratifiziert. - Politiker der harten Linie in der Teheraner Führung fordern zudem schon seit geraumer Zeit die gänzliche Aufkündigung des Atomwaffensperrvertrags.

Als vorläufiger Höhepunkt wurden im Januar 2006 von der IAEO versiegelte Anlagen zur Urananreicherung wieder in Betrieb genommen. Für den Fall der Anrufung des UN-Sicherheitsrats, wie nun auch von der EU angekündigt, drohte Iran mit dem Abbruch aller Verhandlungen. Die mit der Vermittlung im dem Streit befasste "EU-Troika" (auch: EU-3) der Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands sah die Verhandlungen mit Teheran "an einem toten Punkt angekommen." Unklar ist weiterhin die Haltung der ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und China (knapp 15 Prozent der chinesischen Rohölimporte kommen derzeit aus dem Iran) hinsichtlich möglicher Sanktionen gegen den Iran ([15]). Beide Länder haben dort enge wirtschaftliche Bindungen und Interessen. Nicht zuletzt deshalb warnten u.a. führende deutsche Politiker vor einem vorschnellen Drängen auf Strafmaßnahmen. Andere hingegen befürworteten eine rasche Überweisung der Angelegenheit an den Sicherheitsrat und betonten, "ohne Druck auf den Iran geht es nicht" (vgl. [16], [17]).

Bis dato hat die IAEO keine Beweise für die Existenz eines iranischen Atomwaffenprogramms gefunden. Jedoch äußerte der Chef der IAEO, Mohammed el-Baradei, Iran habe in den vergangenen drei Jahren nicht glaubwürdig belegen können, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedfertigen Zwecken diene. Man werde nun entsprechende Untersuchungen erzwingen. El-Baradei schloss dabei den Einsatz von Gewalt nicht aus. Als Termin für die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der IAEO nannte er den 6. März 2006.

Ajatollah Chamenei, der geistliche Führer Irans, bekräftigte am 18. Januar 2006 im iranischen Staatsfernsehen, sein Land werde sich durch internationalen Druck vom Ausbau seines Nuklearprogramms nicht abhalten lassen. Frankreich lehnte eine Wiederaufnahme von Verhandlungen mit dem Iran ab, solange das Land sein umstrittenes Atomprogramm nicht "vollständig aussetzt". Ein militärisches Eingreifen in dem Land hingegen bezeichnete der französische Generalstabschef Henri Bentégeat als einen schweren Fehler: "Das wäre aus heutiger Sicht vollkommen verrückt", so Bentégeat in einem Hörfunkinterview ([18]). Er warnte für einen solchen Fall vor einem "entsetzlichen Drama" in Nahen Osten, nannte jedoch zugleich die Vorstellung, das Regime in Teheran könnte sich in den Besitz von Atomwaffen bringen, einen "echten Albtraum".

Eine Kehrtwende in der bisherigen Nuklear-Doktrin Frankreichs bedeuteten - allerdings nur in Teilen der unzureichend informierten Öffentlichkeit - Äußerungen des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, der den den Terror unterstützenden Staaten mehr oder weniger unverhohlen mit Vergeltung in Form von Atomschlägen drohte, sollten diese Frankreich angreifen. Ohne den Iran direkt anzusprechen, kündigte er am 19. Januar bei einem Besuch des Marinestützpunkts Ile Longue (Bretagne) "Anführern" solcher Staaten Vergeltung in "nicht konventioneller" Weise an. Ausdrücklich spielte Chirac jedoch auf "die Versuchung gewisser Staaten" an, "sich unter Bruch der Verträge mit Atomwaffen auszustatten" ([19]). - Neu daran waren weder der Vorbehalt noch die Terminologie; neu war die berechnend auf den Termin - und den offenkundigen Adressaten - gesetzte Ausdrucksweise. Dennoch stießen die Einlassungen Chiracs gerade auch in Deutschland auf teilweise scharfe Kritik ([20], [21]). Unter anderem wurde er des Verstoßes gegen das Völkerrecht bezichtigt.

US-Präsident George W. Bush behält sich schon seit Januar 2005 einen Militärschlag gegen den Iran dezidiert vor. Er werde "niemals irgendeine Option vom Tisch nehmen", erklärte Bush seinerzeit. Damals hatte Seymour Hersh behauptet, US-amerikanische Spezialeinheiten hätten bereits rund drei Dutzend Ziele im Iran für mögliche Bomben- und Raketenangriffe ausgekundschaftet ([22], [23]). Andere US-amerikanische Kommentatoren halten die Streitkräfte der USA hingegen für so ausgelastet (Thomas L. Friedman: "maxed out"), dass ein umfassender Schlag gegen den Iran jedenfalls im Alleingang und mit dem Ziel eines Regimewechsels schon aus Kapazitätsgründen ausscheide. Noch im Januar 2006 unterstrich Richard Clarke, Terror-Experte der US-Regierung bereits unter Bill Clinton und bis 2003 auch unter George W. Bush, diese Einsicht ([24]; vgl. [25]).

Die Spannungen mit dem Iran zeitigten auch an den Börsen Folgen: Der Ölpreis zog an ([26]), das Gold stieg gar auf den höchsten Stand seit 25 Jahren (am 17. Januar wurde die Feinunze mit 564 US-Dollar gehandelt).

Der deutsche Bundesnachrichtendienst hat Politiker in Berlin am 19. Januar 2006 davon unterrichtet, Iran könne innerhalb weniger Monate eine Atombombe bauen. Schon im September 2005 hatte der israelische Außenminister Silwan Schalom davor gewarnt, Iran könne sich binnen eines halben Jahres das Wissen zum Bau einer Kernwaffe aneignen - eine Einschätzung, die IAEO-Chef el-Baradei offensichtlich teilt. BND-Chef Ernst Uhrlau zufolge verfügten die - in Medienberichten nicht näher spezifizierten - Geheimdienste über Erkenntnisse, wonach der Iran versuche, Lasertechnologie auf dem internationalen Markt zu erwerben, die z.B. auch beim Bau moderner Raketen zu Einsatz kommen kann. - Allerdings ist dem Iran der Erwerb derartiger Technologie durch keinerlei Vertrag oder Übereinkunft untersagt ([27]).

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte am 22. Januar indes vor "einer Militarisierung des Denkens" in der Auseinandersetzung um die iranische Atompolitik. "Wir sollten sehen, dass wir die diplomatischen Lösungen, die immer noch zur Verfügung stehen, nach Kräften nutzen und ausschöpfen", erklärte der SPD-Politiker im Fernsehen. "Die Deutschen gehen den richtigen Weg, und das ist gut so und zeigt deren korrekte Einschätzung der heiklen Lage", verlautbarte der iranische Regierungssprecher Gholam-Hussein Elham dazu. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton mahnte, der Iran sei "ein ganz anderer Fall als der Irak". Er sei dreimal so groß und verfüge über wesentlich mehr Unterstützung in der islamischen Welt (vgl.[28]).

Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) plädierte allerdings für die Beibehaltung einer militärischen Drohkulisse. Er sei jedoch "guten Mutes, dass es im Falle Iran zu einer diplomatischen Lösung kommt". Jung wandte sich zugleich gegen die als dezidierte Drohung gegen den Iran interpretierten Äußerungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac: "Wir sollten die Diskussion nicht in diese Richtung führen", meinte Jung gegenüber der "Bild am Sonntag". Der iranische Parlamentspräsident Gholam-Ali Hadad-Adel verurteilte Chiracs Äußerungen als "Schande für die französische Nation".

Der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas hatte den Iran zuvor nachdrücklich gewarnt: "Israel wird iranische Nuklearwaffen nicht akzeptieren." Auch wenn Israel mit den augenblicklichen diplomatischen Bemühungen zufrieden sei, müsse das Land jedoch darauf vorbereitet sein, sich selbst zu verteidigen. Den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadi-Nedschad nannte Mofas "einen Unterdrücker". "Sie führen ihr Land mit einer Ideologie aus Hass, Schrecken und Antisemitismus". Ahmadi-Nedschads Ideologie werde von einer großen Zahl Iraner nicht unterstützt: "Sie haben nur Zerstörung über ihr eigenes Volk gebracht." Der Sprecher des iranischen Außenministeriums Hamid-Reza Assefi bezeichnete Mofas' Drohung als "kindisch". Israel wisse genau, welche Konsequenzen eine Militäroperation hätte.

Eine Forsa-Erhebung für die "Welt am Sonntag" in Deutschland ergab am 23.01.2006, dass drei Viertel der befragten Deutschen einen Militärschlag gegen Iran ablehnen. Auf die Frage, ob Iran notfalls auch mit militärischen Mitteln zur Aufgabe seines Atomprogramms gebracht werden sollte, antworteten demnach 72 Prozent mit "Nein". Die Äußerungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac im Hinblick auf einen möglichen Atomschlag gegen Terrorstaaten habe bei 46 Prozent der Befragten die Sorge ausgelöst, der Iran-Konflikt könne zu einer nuklearen Auseinandersetzung führen, hieß es. - Nach einer Umfrage im Auftrag der "Los Angeles Times" und Bloomberg befürworteten hingegen Ende Januar 57 Prozent der befragten US-Bürger Militärinterventionen im Iran, falls dessen Nuklearprogramm den Bau von Atomwaffen ermöglichen sollte.

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, die Deutschen wegen seiner umstrittenen Äußerungen zum Einsatz von Atomwaffen zu beruhigen. Er erklärte am 24. Januar in Versailles, die Schwelle für den Einsatz der Force de frappe werde nicht herabgesetzt. Die französischen Atomwaffen seien weiter ein Mittel der Abschreckung und nicht der Kriegsführung. Merkel sagte, sie sehe keinen Anlass zur Kritik: Die Äußerungen Chiracs stünden in der "vollen Kontinuität der französischen Nuklearpolitik". Die deutschen Oppositionsparteien hatten die Kanzlerin vor ihrem Besuch aufgefordert, sich von den Äußerungen Chiracs klar zu distanzieren. Merkel müsse dem französischen Staatschef klarmachen, dass die Atomdrohung in Deutschland nicht gebilligt werde, hieß es z.B. bei den Grünen und der Linkspartei. - Im Hinblick auf die Iran-Krise wandte sich die Kanzlerin in Versailles noch gegen vorschnelle Entscheidungen und forderte, "Schritt für Schritt" die verfügbaren diplomatischen Mittel auszuschöpfen.

Unterdessen sind ein Deutscher und ein Franzose im Iran wegen illegalen Grenzübertritts zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, wie das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte. Die beiden Urlauber hatten Ende November am Persischen Golf eine Bootstour unternommen, waren dabei in iranische Hoheitsgewässer geraten und festgenommen worden. Ein iranischer Justizsprecher sagte, das Verfahren sei eine rein rechtliche Angelegenheit ohne Verbindung etwa zum Atomwaffenprogramm. Der Anwalt des Deutschen soll Berufung ankündigt haben.

Irans Unterhändler bei den Atomgesprächen, Ali Laridschani, war am gleichzeitig zu Gesprächen in der chinesischen Hauptstadt Peking eingetroffen. Sein Anliegen war vornehmlich, vom Weltsicherheitsratsmitglied China Unterstützung zu bekommen. Nach Angaben Laridschanis ist der Iran noch nicht gänzlich einverstanden mit dem russischen Vorschlag, iranisches Uran in russischen Atomanlagen anreichern zu lassen. Nach seiner Rückkehr aus China sagte Laridschani, es werde aber weitere Verhandlungen darüber geben. Dadurch könnte eine friedliche Verwendung sichergestellt werden. US-Präsident George W. Bush hatte sich am 26. Januar hinter den russischen Kompromissvorschlag gestellt. Der Iran habe, so Bush, ein Recht auf die zivile Nutzung der Atomenergie. Die Volksrepublik China begrüßte die russische Initiative ebenfalls. Die USA hatten jedoch noch tags zuvor bekräftigt, sie hielten an ihrem Vorhaben fest, den Konflikt vor den Weltsicherheitsrat zu bringen. Die neuerliche Bekundung des Iran, sein Uran künftig in Russland anreichern zu lassen, sei nur eine Verzögerungstaktik. US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte diese Haltung im Januar 2006 bei mehreren Gelegenheiten unterstrichen. Im Deutschen Bundestag gab sich dagegen der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler noch zuversichtlich, die offenbar geänderte Position Teherans eröffne neue Kompromisschancen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte mit dem IAEO-Generaldirektor Mohammed el-Baradei, den Atomstreit mit dem Iran erörtert. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" drohte Steinmeier dem Iran erstmals offen mit Wirtschaftssanktionen: Teheran sollte nicht unterschätzen, in welchem Maße es auf technische und wirtschaftliche Kooperation mit den westlichen Ländern angewiesen sei.

Derweil hatten sich China, Russland, Frankreich, Großbritannien und die USA auf eine Einschaltung des UN-Sicherheitsrats geeinigt. Damit wenden sich nun alle Veto-Mächte dieses Gremiums gegen den Iran. Bevor das höchste Gremium der UN über konkrete Maßnahmen entscheide, werde man aber den Bericht vom 6. März abwarten, erklärten die Außenminister der fünf Veto-Mächte am 31. Januar in London. US-Diplomaten sprachen von der "mächtigsten Botschaft an den Iran", auf die man habe hoffen können. Ob Russland und China allerdings auch Sanktionen unterstützen würden, bleibt ungewiss (vgl. [29]). Steinmeier meinte, der Beschluss zeige, dass sich die internationale Staatengemeinschaft nicht spalten lasse. Der Minister betonte, alle sechs Länder seien weiter auf der Suche nach einer diplomatischen Lösung.

El-Baradei nannte den Moskauer Vorschlag eine Chance für den Iran, den Konflikt zu lösen. Bei dem Atomstreit handele es sich im übrigen um eine "kritische Situation" und "noch keine Krise", erklärte er Anfang Februar. Nach Einschätzung des stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose, ist eine politische Lösung in dem Streit noch möglich. Wenn der Iran tatsächlich nur eine zivile Nutzung anstrebe, könne er das Angebot Russlands zur Uran-Anreicherung annehmen, so der SPD-Politiker in einem Hörfunk-Interview.

US-Präsident Bush bekräftigte unterdessen in seiner Rede zur Lage der Nation am 31. Januar ([30]) den globalen Führungsanspruch der USA. Dies sei der einzige Weg, Amerika zu schützen und den Frieden weltweit zu sichern, sagte Bush vor dem Kongress in Washington und kündigte an, dass sich die US-Regierung weiter für die Verbreitung der Demokratie im Nahen Osten einsetzen werde, um den Einfluss von Terroristen zurückzudrängen. Die oppositionellen Demokraten kritisierten, mit seinen Äußerungen zu Außenpolitik und Terrorabwehr schüre Bush Ängste (vgl. Pax Americana).

Der US-Präsident und Russlands Staatschef Wladimir Putin hatten sich am 1. Februar telefonisch auf Initiative Bushs abgestimmt. Die beiden Präsidenten hätten vereinbart, in der Angelegenheit "in engem Kontakt" zu bleiben. Bush unterstützte dabei den russischen Kompromissvorschlag. "Beide Staatsmänner teilen die Sorge darüber, dass der Iran Atomwaffen unter dem Deckmantel eines zivilen Programms entwickelt", sagte US-Präsidentensprecher Scott McClellan und fügte hinzu, Teheran müsse "unverständlich" klar gemacht haben, dass es "den Bogen überspannt" habe. Bush erwartet im Streit über das iranische Atomprogramm indes einen harten Schlagabtausch mit der Regierung in Teheran: "Wir wollen, dass sie Atomenergie haben, aber zu den von uns formulierten Bedingungen", insistierte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP.

Der Iran ist nach Einschätzung der US-Geheimdienste derzeit nicht im Besitz von Atomwaffen, wie es in Meldungen Anfang Februar hieß. Der Iran habe wahrscheinlich auch noch kein für die Atomwaffenproduktion notwendiges spaltbares Nuklearmaterial produziert oder erworben, sagte der US-Geheimdienstdirektor John Negroponte. Dennoch sei die Möglichkeit, dass der Iran Atomwaffen herstelle und Raketen damit ausstatte ein "Grund zur äußersten Besorgnis". Das größte Problem stellt seinen Worten zufolge aber weiter das Terrornetzwerk El-Kaida dar.

Iran soll im Januar einen geheimen Raketentest unternommen haben. Die getestete neue Boden-Boden-Rakete könne bis zu drei nukleare Gefechtsköpfe zu tragen, berichtet die Tageszeitung "Die Welt" unter Berufung auf auf westliche Geheimdienstkreise.

Der Atomstreit mit dem Iran gefährdet nach Einschätzung von NATO-Offizieren den Einsatz der ISAF-Friedenstruppe in Afghanistan. Sie fürchten, dass die iranische Luftabwehr ISAF-Maschinen mit Raketen beschießen könnte. Vom iranischen Radar seien NATO-Flugzeuge bereits erfasst worden. Deutschland wird in Kürze den für die ISAF-Luftoperationen zuständigen General stellen. Die Lage am Hindukusch steht auch auf der Tagesordnung des informellen Treffens der NATO-Verteidigungsminister am 4. und 5. Februar im sizilianischen Taormina.

Bundeskanzlerin Merkel hat den Iran auf der 42. Münchner Sicherheitskonferenz am 4. Februar nachdrücklich zum Einlenken im Atomstreit aufgefordert. "Der Iran hat mutwillig die roten Linien überschritten", warf Merkel Teheran vor. Es gebe die "berechtigte Befürchtung", dass sein Atomprogramm nicht der friedlichen Nutzung, sondern militärischen Optionen diene: "Wir wollen und müssen die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen verhindern." Das Land dürfe eine mögliche Überweisung des Konflikts in den UNO-Sicherheitsrat nicht zum Anlass nehmen, die Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft abzubrechen. Es handele sich nicht um eine Provokation - vielmehr sei der Sicherheitsrat der legitime Ort zur Lösung des Konflikts. Merkel unterstrich auch die Bedeutung der Rolle Russlands. Je breiter die internationale Übereinstimmung sei, desto eher sei ein Einlenken des Irans möglich. An die Adresse des bei der Konferenz anwesenden iranischen Vize-Außenministers Abbas Araghtschi sagte Frau Merkel, es fehle auch eine klare Stellungnahme zu den Äußerungen von Präsident Achmadi-Nedschad zum Existenzrecht Israels. Gerade von Deutschland könne der Iran in dieser Frage "nicht die geringste Toleranz erwarten" ([31]). US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nannte Teheran einen der "wichtigsten Förderer des internationalen Terrorismus". "Die Welt will das nicht und muss zusammenarbeiten, um das zu verhindern", so Rumsfeld ([32]). Araghtschi erwiderte, er sei überrascht, dass Merkel "kleinere Aktivitäten in unseren Laboratorien als Überschreiten der roten Linie betrachtet". "Wenn der Fall vor den Sicherheitsrat kommt, müssen wir unsere Aktivitäten wieder aufnehmen." Dann komme es zu einer "Eskalation". Er hoffe, dass die Europäer nicht den Weg der Konfrontation gehen würden. Der Iran habe seinerseits die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die Verhandlungen über den heiklen Teil seines Atomprogramms fortzusetzen. Araghtschi warf dem Westen neuerlich auch Doppelmoral vor, weil er die Bedrohungen ignoriere, denen Teheran selbst ausgesetzt sei. - Der Organisator der internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik, Horst Teltschik, bewertete die Teilnahme einer iranischen Delegation an der Tagung zuvor noch als "positives Signal" (vgl. [33]).

 
Außerordentliche Sitzung des Gouverneursrats der IAEO in Wien (2. Februar 2006)

Am 3. Februar hatte der Hashemi Rafsandschani während einer Freitagspredigt auf dem Campus der Teheraner Universität gewarnt, die Europäer würden "einen großen Fehler begehen", sollten sie den "iranischen Nuklearfall" an den Sicherheitsrat überweisen. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad wiederholte am gleichen Tag ebenfalls in Teheran eines seiner Argumente: "Einige wenige Länder, die mit Waffen unterschiedlichster Art ausgerüstet sind, sind darauf aus, der Welt so etwas wie eine wissenschaftliche Apartheid und ein Nuklearmonopol aufzuoktroyieren." Er fügte hinzu: "Die Haltungen des Iran hinsichtlich seiner friedlichen Nuklearaktivitäten sind ganz klar und sie sind im Rahmen internationaler Regeln und Vorschriften - deshalb sind wir zur Sicherung unserer nationalen Rechte bereit, diesen Weg bis zum Ende zu gehen." - Vorher hatte Ahmadi-Nedschad vor tausenden seiner Anhänger in Buschehr unterstrichen: "Ich sage den so genannten Supermächten, dass die iranische Nation vor 27 Jahren unabhängig wurde." Der britische Außenminister Jack Straw erklärte anlässlich eines Treffens mit seinem iranischen Kollegen in London, die Islamische Republik Iran solle die gemeinsame Haltung der internationalen Gemeinschaft nicht als Drohung verstehen, "sondern als letzte Gelegenheit, den Iran wieder auf Kurs zu bringen". In einer Interview hatte er wenige Tage zuvor noch eingeräumt, dass der Iran in der Vergangenheit oft "ungerecht behandelt" worden sei.

Datei:040206 Javad Vaidi, Deputy Secretary, Supreme National Security Council addressing the media at a press conference (Photo Credit D. Calma - IAEA).jpg
Dschawad Waidi vor der Presse in Wien (4. Februar 2006)

Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde hat am 4. Februar mit 27 von 35 Stimmen (bei drei Gegenstimmen von Kuba, Venezuela und Syrien; Algerien, Weißrussland, Indonesien, Libyen und Südafrika enthielten sich) beschlossen, den Streit vor das UN-Gremium zu bringen. Die iranische Führung ließ postwendend erklären, künftig wieder in industriellem Umfang Uran anzureichern und die freiwillige Kooperation mit der IAEO zu beenden. Das im Oktober 2003 eingefrorene Programm zur Urananreicherung werde "unverzüglich" neu gestartet, teilte der stellvertretende Chef des iranischen Sicherheitsrats, Dschawed Waidi, mit.

Die Resolution (PDF) drängt den Iran, "vertrauensbildende Maßnahmen" zu ergreifen und "hält es für notwendig", dass der Iran u.a.

  1. die "vollständige und anhaltende Aussetzung aller Aktivitäten auf dem Gebiet der Anreicherung und der Wiederaufarbeitung inklusive der Forschung und Entwicklung hierzu" zusichert und dies von der IAEO kontrollieren lässt
  2. "den Bau eines mittels Schwerem Wasser moderierten Reaktors überdenkt"
  3. "das Zusatzprotokoll [zum Atomwaffensperrvertrag] unverzüglich ratifiziert und voll umsetzt"
  4. "bis zur Ratifikation fortfährt, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des vom Iran am 18. Dezember 2003 unterzeichneten Zusatzprotokolls zu handeln"

Zudem wird der Generaldirektor der IAEO mit der Resolution angewiesen, über die Umsetzung dieser und über die vorangegangener Beschlüsse Anfang März Bericht zu erstatten und "unmittelbar darauf" seinen Bericht - zusammen mit eventuellen Resolutionen der Tagung am 6. März 2006 - an den UN-Sicherheitsrat weiterzuleiten (siehe auch [34]).

Dschawed Waidi unterstrich in Wien auch, der Iran anerkenne die Resolution nicht als Ausdruck des Willens der internationalen Gemeinschaft: "Mehr als 100 Länder unterstützen das iranische Atomprogramm, das in Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag ist und das positive Votum von 27 Staaten kann nicht als repräsentativ für die internationale Gemeinschaft angesehen werden." (Vgl. [35]).

Wenn die IAEO den Streit vor den UN-Sicherheitsrat trage, sei der russische Vorschlag zur Gründung eines Uran-Joint-Ventures mit Iran "tot", hatte Waidi schon vor der Verkündung der IAEO-Entscheidung betont. Der russische IAEO-Unterhändler Gregori Berdennikow widersprach dem: Der russische Vorschlag bleibe auch für den Fall der Einschaltung des Sicherheitsrats "auf dem Tisch". Für Mitte Februar waren ursprünglich neue Gespräche hierzu anberaumt; ob der Iran an weiteren Verhandlungen interessiert ist, gilt indes als zweifelhaft (vgl. [36]).

 
Der US-Botschafter bei der IAEO Gregory Shulte (links) im Gespräch mit einem Kollegen (4. Februar 2006)

US-Präsident Bush sagte, mit ihrem Versuch, auf Drohungen, Verheimlichungen und das Brechen von Vereinbarungen zu setzen, werde die iranische Regierung keinen Erfolg haben.

"Wir hoffen, der Iran wird diese klare Botschaft befolgen", erklärte Condoleezza Rice. "Die Welt wird nicht tatenlos zusehen, wenn der Iran auf seinem Weg zur Fähigkeit, sich Nuklearwaffen anzueignen, weitergeht." Teheran veranlasste aber genau das, was die Resolution (angeblich) zu vermeiden trachtete.

"Von Sonntag an muss die freiwillige Anwendung des Zusatzprotokolls und anderer Zusammenarbeit über den Atomwaffensperrvertrag dem [Mitte Dezember verabschiedeten; s.o.] Gesetz gemäß ausgesetzt werden", schrieb Ahmadi-Nedschad dem iranischen Fernsehen zufolge in einem Brief an den iranischen Vizepräsidenten Gholamresa Aghasadeh, der auch Chef der iranischen Atombehörde ist. IRNA zufolge bezeichnete der iranische Verteidigungsminister Mostafa Mohammad Nadschjar die US-Führung als "Terroristen und die Hauptachse des Bösen in der Welt" - eine Retourkutsche zu Rumsfelds Einlassungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die dieser ganz ähnlich vor dem Irak-Krieg äußerte.

Der Iran erwägt nach Meldungen vom 4. Februar offenbar auch, die Wirtschaftsbeziehungen zu europäischen Staaten abzubrechen oder einzuschränken, in deren Medien die heftig umstrittenen Karikaturen des Propheten Mohammed der dänischen Zeitung "Jyllands Posten" erschienen sind. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete, Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad habe das Handelsministerium seines Landes angewiesen, Verträge mit den betreffenden Ländern zu überprüfen und gegebenenfalls zu kündigen. Das würde auch Deutschland betreffen. - Die Veröffentlichungen beweisen laut Ahmadi-Nedschad die "die Vermessenheit und Unhöflichkeit" westlicher Zeitungen, heißt es (s. Das Gesicht Mohammeds).

Ursprünglich war die Entscheidung des Gouverneursrats bereits am 2. Februar erwartet worden. Für die Verzögerung hatten die blockfreien Länder gesorgt - sie stellen 16 der 35 Ländervertreter im IAEO-Vorstand. Die Staaten dieser Gruppe – darunter z.B. Kuba, Malaysia, Brasilien, Südafrika – sorgen sich, das Vorgehen gegen den Iran könne zu einem Präzedenzfall werden. El-Baradei strebt wie die US-Regierung an, allen Staaten die Urananreicherung zur Gewinnung von Nuklearbrennstoff für Atomkraftwerke zu untersagen, die diese Technik noch nicht beherrschen. Die Blockfreien bestehen allerdings auf dem Recht aller Staaten auf zivile Nutzung der Atomenergie ohne jedwede diskriminierende Einschränkung. Westlichen Diplomaten zufolge hatten sie darauf bestanden, die Forderung nach einer atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten in die Resolution aufzunehmen, wovon auch das auf 100 bis 200 Sprengköpfe geschätzte Nukleararsenal Israels betroffen wäre. In vielen UN-Resolutionen ist von der Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten die Rede; diese Forderung wurde den Vereinigten Staaten jedoch stets vehement abgelehnt (vgl. [37]).

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums Hamid-Resa Assefi kommentierte die Äußerungen Merkels auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 5. Februar mit ironischen Belehrungen: "Eine Politikerin sollte nicht die Augen schließen und dann einfach den Mund aufmachen, sondern erst die Augen und dann langsam den Mund", zitiert ihn die Nachrichtenagentur iranischer Studenten ISNA. Die Bemerkungen der deutschen Bundeskanzlerin seien "irrelevant für die derzeitige Lage", Merkel sei "selbstverliebt". "Man sollte in der Tat vorsichtiger sein, damit dann nicht solche Bemerkungen herauskommen". Assefi betonte bei einer Pressekonferenz in Teheran: "Wir fürchten den Sicherheitsrat nicht. Das ist nicht das Ende der Welt." Vorsichtig rückte er von der schroffen Haltung ab, die der iranische Atomunterhändler Waidi noch tags zuvor eingemommen hatte: "Den Iran vor den Sicherheitsrat zu bringen, wird der anderen Partei definitiv mehr schaden als dem Iran." Allerdings: "Die Tür für Verhandlungen ist noch offen." Teheran werde mit der IAEO weiterhin auf Grundlage des Atomwaffensperrvertrags zusammenarbeiten. Das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das unangekündigte Kontrollen ermöglicht, bleibt jedoch ausgesetzt, hieß es von iranischer Seite. Das Kompromissangebot, die iranische Urananreicherung in Russland vorzunehmen, wird Vizeministerpräsident Sergej Iwanow zufolge aufrecht erhalten: "Ich bin sicher, dass sich die iranische Führung mit allem Ernst mit Russlands Vorschlag befassen wird, ein gemeinsames Projekt zur Urananreicherung ins Leben zu rufen", sagte er am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. "Dieser Vorschlag ist der beste Weg aus der Krise." Iran hat nach den Worten des britischen Außenministers Jack Straw jetzt noch einige Wochen Zeit, die Urananreicherung zu stoppen. Ansonsten seien Maßnahmen, die Sanktionen beinhalten könnten, "so gut wie unvermeidlich".

Zitate

Ich bin tief besorgt über den Iran, so wie viele Leute über den Irak besorgt sein sollten. Ich bin besorgt, wenn das Land Iran, sein Präsident seinen Wunsch bekundet, Israel zerstört sehen zu wollen. Israel ist unser Verbündeter. Wir sind der Sicherheit Israels verpflichtet, und an diese Verpflichtung werden wir uns halten.
[..] Ich bin besorgt über den Wunsch einer intransparenten Gesellschaft, Nuklearwaffen zu entwickeln. Die Welt kann nicht in die Lage versetzt werden, in der wir durch Atomwaffen erpresst werden können. Ich glaube, es ist sehr wichtig für die iranische Regierung, das klar und deutlich nicht nur von den Vereinigten Staaten zu hören, sondern auch von anderen Nationen weltweit. Ich möchte auch, dass es das iranische Volk klar und deutlich vernimmt, und zwar: Wir haben keinen Zoff mit Euch. Wir sind besorgt über eine Regierung, die nicht durchschaubar ist, deren Ziele und Anliegen nicht friedlich sind. Und daher glauben wir nicht, dass Ihr die Fähigkeit haben solltet, eine Nuklearwaffe zu bauen.
Die diplomatische Strategie wird nun angeführt von dem, was die EU-3 genannt wird - Frankreich, Deutschland und Großbritannien - und die machen ihren Job gut, eine gemeinsame Botschaft aufrechtzuerhalten, die den Iranern sagt: Wir erwarten von Euch, dass Ihr Euch an die internationale Norm haltet. Der nächste logische Schritt, falls die Iraner sich weiterhin nicht an internationale Maßstäbe oder an die Forderungen der freien Welt halten, ist, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzurufen. (US-Präsident George W. Bush, 23.01.2006 - vgl. [38], [39])
Was wären die Alternativen zu einer Politik der Konzessionen? Gibt es eine Lösung ohne den Willen, bis zum äußersten zu gehen, bevor Kernwaffen von der iranischen Führung bestenfalls als Erpressungsmittel, aber sehr wahrscheinlich auch für einen militärischen Einsatz genutzt werden? Das Risiko einer militärischen Intervention könnte zwar Opfer in Größenordnungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs mit sich bringen, doch der Triumph des islamistischen Terrors würde an Gräßlichkeit alles überbieten, was uns die Weltgeschichte vermittelte. (George Lord Weidenfeld, 25.01.2006 - vgl. [40], [41], [42])
Der wahre Zweck der Vermittlung der EU-3 - nämlich die Vereinigten Staaten davon abzuhalten, die Nuklearambitionen Irans als Ausrede für ein militärisches Eingreifen zu benutzen - wird in der Öffentlichkeit nie diskutiert. - Die EU-3 würden eher fortfahren, sich an betrügerischer Diplomatie zu beteiligen, als der harten Wahrheit ins Auge zu sehen - dass es nämlich die Vereinigten Staaten sind und nicht der Iran, die außerhalb des internationalen Rechts agieren, was das Atomprogramm des Iran angeht. (Scott Ritter, Ex-US-Marineoffizier und von 1991 bis 1998 UN-Waffeninspektor im Irak, 12.09.2005 - vgl. [43])
Ebenso grundsätzlich ist in Frage zu stellen, dass es möglich ist, die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern, ohne den militärischen Missbrauch zu provozieren. Es wäre eine Frage wert, wie viele Kerntechniker, Kernphysiker, Kernchemiker aus den jungen Atomwaffenstaaten und Schwellenländern an Universitäten, Kernforschungszentren, in Kernkraftwerken, in der Urananreicherung oder in dazugehörigen sensiblen Industrie- und Forschungsbereichen in Deutschland ausgebildet wurden. Exemplarisch sei an den Fall des berühmten Dr. Khan erinnert, der in Deutschland Metallurgie studierte, dann bei der Urananreicherungsfirma Urenco arbeitete und plötzlich samt Know-how und Konstruktionsunterlagen nach Pakistan entschwand - heute ist er der führende Mann der pakistanischen Atombombe. (Sebastian Pflugbeil, 07.03.2005 - vgl. [44])
Die Amerikaner würden vielleicht im Moment keine Aktion gegen Iran wagen, weil es im Irak ja sehr chaotisch aussieht und dort ihre Hände gebunden sind. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass jetzt bei dieser Meinung, die international vorherrscht, dass Iran sehr gefährlich ist, ich kann mir also durchaus vorstellen, dass die schon längst bestehenden Pläne in der israelischen Regierung aus der Schublade herausgeholt werden und tatsächlich man Iran militärisch attackiert. Die Atomanlagen bombardiert. Ich meine, ich muss auf jeden Fall dazu sagen, würde ein solcher Angriff stattfinden, dann hätte Ahmadinejad die Massen hinter sich. Und die Folgen wären verheerend. (Bahman Nirumand im Januar 2006, zitiert nach [45])
Wehe unseren Strategen, sollten sie unsere Soldaten in den Irak schicken, ohne sich darauf vorzubereiten, unsere Flanken gegen die Herren des Terrors ins Damaskus und Teheran zu schützen, die komplett von der königlichen saudischen Familie finanziert werden. - Die Herren des Terrors glauben, dass sie früher oder später gegen uns kämpfen müssen, und sie würden eher ihre terroristischen Kräfte gegen uns im Irak mobilisieren als auf uns zu warten, bis wir zu unserem Vorteil gegen sie antreten.
Schneller, bitte. Wir sind schon sehr spät dran. (Michael Ledeen, 20.12.2002)

Literatur

  • James Risen: State of War. Die geheime Geschichte der CIA und der Bush-Administration. Hamburg: Hoffmann & Campe, Januar 2006. - ISBN 3-45509-522-4 (vgl. [46], [47], [48])
  • Henry D. Sokolski, Patrick Clawson (Editors): Getting Ready for a Nuclear-Ready Iran - (Strategic Studies Institute, US Army, Oktober 2005 - 320 S., Info, PDF-Download, 1,14 MB)
  • Kenneth R. Timmerman: Countdown to Crisis: The Coming Nuclear Showdown with Iran. Crown Forum, 2005. - ISBN 1-40005-368-4
  • Al J. Venter: Iran's Nuclear Option: Tehran's Quest for the Bomb. New York: Casemate, 2004. - ISBN 1-93203-333-5
  • Kenneth Pollack: The Persian Puzzle: The Conflict Between Iran and America. New York: Random House, 2004. - ISBN 1-40006-315-9
  • Alexander T. J. Lennon, Camille Eiss (Editors): Reshaping Rogue States : Preemption, Regime Change, and US Policy toward Iran, Iraq, and North Korea. - (Reihe: Washington Quarterly Readers). Massachussets: The MIT Press, 2004. - ISBN 0-26262-190-8
  • Christin Marschall: Iran's Persian Gulf Policy: From Khomeni to Khatami. RoutledgeCurzon, 2003. - ISBN 0-41529-780-X
  • George S. Amland: Globalization and US foreign policy with Iran. (USAWC strategy research project). US Army War College, 2003.
  • Anthony Christopher Cain: Iran's strategic culture and weapons of mass destruction: Implications for US policy. - (Reihe: Maxwell Paper). - Air War College, 2002.
  • Navid Kermani: Iran. Die Revolution der Kinder. München: C.H. Beck Verlag, 2002. - 1. Auflage. - ISBN 3-40647-625-2
  • P. Minnerop: Paria-Staaten im Völkerrecht? Berlin: Springer, 2004. - 1. Auflage. - ISBN 3-54023-448-9
  • Tariq Ali: Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung. München: Heyne, 2003. - 1. Auflage. - ISBN 3-45386-910-9
  • Katajun Amirpur, Reinhard Witzke: Schauplatz Iran. Ein Report. Freiburg: Herder, 2004. - 2. Auflage. - ISBN 3-45105-535-X
  • Reza Hajatpour: Der brennende Geschmack der Freiheit. Mein Leben als junger Mullah im Iran. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2005. - ISBN 3-51812-409-9
  • Nasrin Alavi: Wir sind der Iran. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2005. - ISBN 3-46203-651-3


Siehe auch: Achse des Bösen, Abrüstung, Atomenergie, Atomkrieg, Atomstreitkraft, Energiepolitik, Islamischer Faschismus, Kampf der Kulturen, Nationaler Widerstandsrat Iran, Nordkorea, Proliferation, Seidenstraßenstrategie, Schurkenstaat, The Great Game, Vereinte Nationen, Völkerrecht