Die Schlacht von Gallipoli wurde während des Ersten Weltkriegs auf der türkischen Halbinsel Gallipoli ausgetragen. Die Entente-Mächte wollten in einer gemeinsamen Operation die Halbinsel besetzen und sie als Ausgangsbasis für die Eroberung der osmanischen Hauptstadt Konstantinopel nutzen. Der Versuch scheiterte jedoch, auf beiden Seiten zusammen waren geschätzte 400.000 Tote und Verwundete zu beklagen, was einer Gesamtopferzahl von etwa 50% der in Gallipoli zum Einsatz gekommenen Soldaten entspricht. In der Türkei kennt man die Operation als Schlacht von Tschanak Kale (türk.: Çanakkale Savaşları). Die Briten nennen sie Dardanellenoperation. In Australien und Neuseeland ist die Schlacht einfach unter dem Namen Gallipoli bekannt. Vorlage:Infobox Gefecht
Vorgeschichte
Der vernachlässigte und desorganisierte Zustand der osmanischen Armee und Marine hatte 1913 die Berufung einer deutschen Militärmission mit weitgehenden Befugnissen unter Liman von Sanders zur Folge, welche aber andererseits eine erhöhte Wachsamkeit und Bereitschaft zum Eingreifen der Triple-Entente mit sich zog. Zwar wahrte das Osmanische Reich zunächst noch seine Neutralität bis in den Hochsommer 1914, geriet aber immer enger in Bindung zu den Mittelmächten. Zu Kriegsbeginn war am 1. August 1914 durch England die Konfiszierung zweier von der Türkei in England in Auftrag gegebener und bereits bezahlter osmanischer Schlachtschiffe erfolgt, was allgemeine Entrüstung im Osmanischen Reich zur Folge hatte. Am 2. August hatten Großwesir Said Halim und Kriegsminister Enver einen Geheimvertrag mit dem Deutschen Reich abgeschlossen, am 10. August waren die deutschen Kriegsschiffe Goeben und Breslau unter Admiral Souchon nach scharfer Verfolgungsjagd durch die Engländer in den Dardanellen eingetroffen und dann am 12. August nominell dem Sultan übergeben und in Yavuz Sultan Selim und Midilli umgetauft worden. Am 15. August hatte darauf die osmanische Regierung die englische Marinemission unter Admiral Limpus beendigt und am 15. September alle englischen Offiziere ausgeschifft, um darauf die Dardanellen mit deutscher Hilfe zu befestigen, den Bosporus durch die Yavuz Sultan Selim gegen Russland zu sichern und am 27. September 1914 offiziell die Meerengen für die internationale Schifffahrt zu sperren.
Da die deutsche Marine die Ostsee gesperrt hatte, waren somit die Seeverbindungen Russlands zu den westlichen Alliierten weitgehend unterbrochen. Die Meerengen Bosporus und Dardanellen - der einzige Weg zum Schwarzen Meer - wurden nun wirksam vom Osmanischen Reich kontrolliert, so dass Waffenlieferungen der Westalliierten über den Seeweg kaum durchführbar waren.
Fast zeitgleich war es dann am 29. Oktober 1914 zu einem Angriff der unter osmanischer Flagge fahrenden Flotte unter Admiral Souchon im Schwarzen Meer gegen die Russen und zu einem englischen Angriff gegen türkische aus dem Hafen von Izmir auslaufende Handelsschiffe gekommen, worauf am 12. November 1914 die osmanische Regierung der Triple-Entente den Krieg erklärt hatte.
Da gegen Ende des Jahres 1914 die Fronten in Belgien und Frankreich erstarrt waren, brauchte man neue Schlachtfelder, um den Krieg wieder in Bewegung zu bringen. Die Mächte der Entente hofften, dass ein direkter Angriff auf das Osmanische Reich die Griechen und Bulgaren zu einem Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten bewegen könnte. Einige Zeitgenossen glaubten sogar, dass im Falle eines Sieges die Türkei als Verbündeter der Mittelmächte aus dem Krieg ausscheiden würde.
Ein bereits im November 1914 von einem französischen Minister vorgeschlagener Angriff fand noch keine weitreichende Unterstützung. Wenig später legte der Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill, seine Pläne für einen Seeangriff auf die Dardanellen vor. Am 16. Februar 1915 beschlossen die Briten erstmals, ein Landeunternehmen durchzuführen, in dem eine große Anzahl von Soldaten eingesetzt werden sollte. Kriegsminister Lord Kitchener ernannte General Sir Ian Hamilton zum Oberbefehlshaber der Expeditionsarmee, welche die Operation ausführen sollte.
Seeangriffe
Am 19. Februar griff ein Verband britischer und französischer Schiffe einige türkische Artilleriestellungen entlang der Küste der Dardanellen an. An dieser ersten Attacke war auch das englische Schlachtschiff HMS Queen Elizabeth beteiligt.
Der alliierte Vorstoß hatte u.a. zur Folge, dass Bulgarien alle Verhandlungen mit Deutschland unterbrach. Griechenland bot seine Unterstützung an und Italien machte den Anschein, dass es bald in den Krieg auf alliierter Seite eintreten könnte. Trotz dieser positiven politischen Nachwirkungen war das Unternehmen in militärischer Hinsicht weniger erfolgreich.
Ein weiterer Vorstoß erfolgte am 18. März. Eine Flotte, die aus einem britischen Schlachtschiff, einem Schlachtkreuzer, sowie 12 britischen und 4 französischen Linienschiffen bestand, zerstörte mehrere türkische Artilleriegeschütze. Auf ihrem Rückweg wurden jedoch zahlreiche Schiffe durch ein Minenfeld, das von dem türkischen Minenleger Nusret ausgelegt worden war, versenkt oder beschädigt. Die HMS Irresistible, HMS Ocean (1898), sowie die französische Bouvet sanken. Der Schlachtkreuzer Inflexible und die französischen Linienschiffe Suffren und Gaulois wurden stark beschädigt.
Dieses Desaster veranlasste den britischen Kriegsrat, alle Seeangriffe einstellen zu lassen. Winston Churchill, von dem die Operation maßgeblich ausgegangen war, war gezwungen, abzutreten.
Das Ende der Seeangriffe war durchaus glücklich für die Türken. Ihre Küstenbatterien hatten zu diesem Zeitpunkt einen Großteil ihrer Munition bereits verschossen, so dass ein erneuter alliierter Vorstoß wohl kaum hätte zurückgeschlagen werden können. Doch durch das Ausbleiben weiterer Seeattacken konnten ausreichende Defensivmaßnahmen durchgeführt werden. Die türkischen Truppen wurden um einige Elite-Divisionen aufgestockt und unter die Leitung von Vehip Pasha und dem deutschen General Otto Liman von Sanders gestellt.
Invasion
Nach dem Misserfolg der Seeangriffe war es jedem klar, dass nur noch Landstreitkräfte die türkischen Artilleriestellungen aufreiben konnten.
Zu Beginn des Jahres 1915 wurden australische und neuseeländische Freiwillige in Ägypten stationiert. Diese Infanterieeinheiten formierte man zum 30.000 Mann starken Australian and New Zealand Army Corps (ANZAC), das sich aus der 1. australischen Division (Major General William Throsby Bridges) und aus der New Zealand and Australian Division zusammensetzte. General Hamilton standen ebenfalls noch die 17.000 Mann starke 29. britische Division sowie die Royal Naval Division und das französische Corps expéditionnaire d'Orient zur Verfügung.
Dem gegenüber stand die 5. türkische Armee, die beide Küstenabschnitte der Dardanellen zu verteidigen hatte und die 84.000 Soldaten zählte. In Bulair stationierte man die 5. und 7. Division. Am Kap Helles, das sich an der Spitze der Halbinsel befindet, stand die 9. Division auf. Die von Mustafa Kemal geführte 19. Division befand sich als Reserveeinheit in Gaba Tepe. In Kum Kale, das auf dem asiatischen Festland liegt, lagen die 3. und 11. Division.
Die Invasion fand am 25. April 1915 statt. Nach einem gewaltigen Bombardement durch alliierte Schiffsartillerie setzte man die 29. Division bei Helles, an der Spitze der Halbinsel, ab. Das ANZAC landete zur selben Zeit im Norden von Ari Burnu, von wo aus sie die türkischen Verstärkungstruppen aus Kilitbahir stören sollten. Die Franzosen unternahmen mit 16.000 Soldaten eine Scheinlandung in Kum Kale, um die Verteidiger abzulenken.
ANZAC
Die 3. Brigade der 1. australischen Division begann im Morgengrauen um 4.30 Uhr an Land zu gehen. Die beabsichtigte Landezone war etwas nördlich von Gabe Tepa und wurde offiziell als Z-Strand bezeichnet. Die Landung missglückte jedoch, und die Soldaten wurden bei Ari Burnu ausgeladen.
Der Strand der Landezone war schmal und wurde von hochansteigenden zerklüfteten Felsen gesäumt, was eine schnelle Vorwärtsbewegung der australischen Einheiten erschwerte. Der Kommandant der 19. türkischen Division, Mustafa Kemal, erkannte die Gefahr und setzte sofort seine Verstärkungstruppen in Bewegung.
Kurz danach kam es zu einem Gefecht an dem Hügel Baby 700, der abwechselnd von den Türken und dann wieder von den Australiern kontrolliert wurde. Schließlich konnten die türkischen Truppen den Hügel endgültig besetzen, da sie den Vorteil hatten, aus einer höheren Kampfposition anzugreifen. Nachdem der Vorstoß des Anzac gebremst wurde, führten die Türken, obgleich sie in der Minderzahl waren, einen Gegenschlag durch mit dem Ziel, die Alliierten auf die Strände zurückzuwerfen. Dieser Gegenangriff misslang jedoch, und beide Parteien verschanzten sich in Gräben, von wo aus sie bis Ende August eine blutige Pattsituation aufrecht erhielten.
Eles Burnu
Siehe Hauptartikel Landung am Kap Helles
Die 29. britische Division unter der Leitung von Major General Aylmer Hunter-Weston führte die Landung am Eles Burnu durch. Der Landabschnitt war von Ost nach West in die fünf Strandabschnitte S, V, W, X und Y eingeteilt.
An der äußersten Spitze von Gallipoli, wo die Abschnitte S, X und Y lagen, gab es nur geringen Widerstand. Der Kommandant der Landungswelle am Y-Strand (Sighin-Dere-Mündung) konnte an diesem Tag in die Nähe des verlassenen Dorfs Krithia vorstoßen. Wenig später wurde der Strand geräumt, als türkische Verstärkung herannahte.
Die Hauptlandungen wurden am V-Strand bei der alten Festung Sedd-ül-Bahr und am W-Strand durchgeführt.
Am V-Strand setzte das umgewandelte Kohlenschiff River Clyde das Hampshire-Regiment und die Königlichen Munster-Schützen unterhalb der Festung ab, so dass die Soldaten von ihren Rampen aus direkt den Strand besetzen konnten. Die Lancashire-Schützen brachte man in offenen Booten an den W-Strand, der mit Stacheldraht überzogen war. An beiden Stränden war der Widerstand der türkischen Verteidiger ausgesprochen hart und die Briten wurden erbarmungslos zusammengeschossen. Besonders die Soldaten, die nacheinander aus der River Clyde strömten, gaben ein ideales Ziel für die türkischen Maschinengewehre in der Sedd-ül-Bahr-Festung ab.
Die Türken waren jedoch, wie bei der Landung des Anzac, deutlich in der Minderzahl. Dennoch konnten sie nicht von den Briten überrannt werden und hielten ihre Stellungen. Lediglich am W-Strand überwältigten die Lancashire-Schützen die türkischen Verteidigungsstellungen unter hohen Opferzahlen. 600 von insgesamt 1000 britischen Soldaten wurden getötet. Die Bataillone am V-Strand hatten Verluste von bis zu 70 % der eigenen Soldaten zu beklagen.
Die ersten Schlachten
Am 27. April unternahm Mustafa Kemal einen Versuch, das Anzac zurückzuwerfen, was jedoch unter massivem Beschuss der alliierten Schiffsartillerie misslang.
Am Tag darauf versuchten die Briten, die nun von den Franzosen unterstützt wurden, das von den Türken besetzte Krithia zu erobern. Die Angriffsplanung war jedoch zu unorganisiert und die Kommunikation zwischen den Truppenverbänden funktionierte nicht. Die Soldaten der 29. Division waren zudem noch von dem Kampf um die Festung Sedd-ül-Bahr erschöpft, weswegen die Eroberung des Dorfes fehlschlug. Die alliierten Gräben lagen nach dem Angriff nun auf halbem Weg zwischen Krithia und der südlichen Landspitze der Insel. Die Kämpfe am Kap Helles verkamen ab sofort zum Stellungskrieg. In den Nächten vom 1. und 3. Mai schlugen die Alliierten alle türkischen Gegenangriffe zurück, obwohl diese sogar einmal die französischen Linien durchbrechen konnten.
Am 2. Mai griff das Anzac an, um die Höhe Baby 700 zurückzuerobern. Die Truppen kamen nur unter hohen Verlusten vorwärts. Der Versuch, sich in einigen der neuen Positionen einzugraben, misslang, und das Anzac musste sich in der Nacht des 3. Mai wieder zurückziehen.
Zu Beginn der zweiten Schlacht um Krithia am 6. Mai befahl General Hamilton die Verlegung zweier Brigaden vom Anzac zu der Helles-Front. Die nachfolgenden Angriffe scheiterten wieder unter hohen Verlusten.
Am 19. Mai führten die Türken einen Hauptschlag gegen das Anzac durch. Mit einer Überzahl von 40.000 Türken sollten die 10.000 Australier und Neuseeländer überrannt werden. Der Vorstoß misslang und zahlreiche Angreifer fielen. Am 24. Mai vereinbarten beide Seiten sogar einen kurzzeitigen Waffenstillstand, um die ungeheuren Massen von Toten, die inzwischen im Niemandsland der Front lagen, zu begraben.
Nach der dritten erfolglosen Schlacht um Krithia am 4. Juni gaben die Alliierten sämtliche Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch auf. Stattdessen konzentrierte man sich jetzt auf die langwierigen Grabenkämpfe, die jeweils nur wenige 100 Meter Gebietsgewinne brachten. Bei der dritten Schlacht um das Dorf verloren beide Seiten 25 % ihrer Streitkräfte. Die Briten hatten 4500 Gefallene von insgesamt 20.000 Soldaten zu beklagen.
Im Juni landete die 52. Division auf Gallipoli, um noch in der Schlussphase der Schlacht um Gully Ravine (28. Juni) teilzunehmen. Somit schafften es die Briten, ihre Linien ein wenig nach vorn zu verlegen. In den Tagen vom 1. Juli bis zum 5. Juli führten die Türken eine Reihe verzweifelter Gegenschläge durch, die jedoch nicht zum erhofften Erfolg führten.
Am 12. Juli erfolgte eine letzte britische Offensive am Eles Burnu gegen die türkischen Linien bei Achi Baba Nullah. Unter Verlusten von bis zu 30 % gelangen ihnen abermals keine entscheidenden Fortschritte.
Augustoffensive
Die misslungene Eroberung Krithias und die Rückschläge an der Eles Burnu-Front zwangen General Hamilton dazu, einen neuen Plan für die Dardanellenoperation auszuarbeiten, was schließlich zur Augustoffensive führte. Auf einen Beschluss des britischen Dardanellenkomitees landeten in der Nacht zum 6. August zwei neue Infanteriedivisionen in der Suvla-Bucht. Sie sollten zusammen mit dem Anzac ausbrechen, weit in das Land hineinstoßen und das Kilid Bahr-Plateau erreichen. Die weiteren Aktionen der 20.000 Mann starken Landungstruppe liefen jedoch nur sehr schleppend an, obwohl ihnen an dieser Stelle lediglich etwa 1500 Türken unter der Führung des bayrischen Majors Willmer gegenüber standen. Dieses "Anafarta Detachement" bestand aus drei Infanteriebatallionen, einer Kompanie Pioniere, einer kleinen Kavallerieabteilung sowie einem Arbeitsbatallion. In Anbetracht der Kräfteverhältnisse an anderen Stellen eine relativ leichte Aufgabe für die Angreifer, die jedoch nicht erfüllt wurde. Der alte und inkompetente Befehlshaber Generalleutnant Sir Frederick Stopford ließ seine Soldaten in ihren Stellungen ausharren, anstatt einen schnellen Vormarsch zu befehlen. Dies gab den Türken die Möglichkeit, weitere Divisionen zu dem Landungsabschnitt zu beordern und dann die günstigen Verteidigungsstellungen zu besetzen. Generalleutnant Stopford wurde daraufhin durch Generalmajor de Lisle ersetzt.
Dem Ausbruchsversuch des Anzac ging ein Angriff auf die türkischen Gräben in Lone Pine voraus, der von den Infanteriebrigaden der 1. australischen Division durchgeführt wurde. Obwohl man dadurch leichte Gebietsgewinne errang, konnten die Hauptangriffsziele, die Eroberung von Chunuk Bair und Hügel 971, nicht erreicht werden.
Die Angriffe waren jeweils zu unkoordiniert und die vorrückenden Truppen kamen in den zerklüfteten Felsen äußerst beschwerlich voran. Zudem funktionierte die Kommunikation zur eigenen Artillerie nicht, die entweder vorzeitig das Feuer einstellte oder sogar den eigenen Soldaten gefährlich wurde. Die Türken konnten nach den unabgestimmten Bombardements immer wieder rechtzeitig ihre Gräben besetzen und die Angreifer Welle für Welle mit MG-Salven niederstrecken.
Nur einige wenige Soldaten kamen in die Nähe der wichtigen Höhen, bis sie kurz darauf von türkischen Verbänden unter der Leitung von Mustafa Kemal vertrieben wurden.
Der letzte alliierte Versuch, das Kriegsglück zu wenden, erfolgte am 21. August mit den Angriffen auf Hügel 60 und den Scimitar-Hügel. Auch diese Operationen scheiterten am zähen Widerstand der Verteidiger, woraufhin es keine Hoffnung mehr gab, die Augustoffensive und somit auch die Schlacht um Gallipoli zu gewinnen.
Die verlustreiche Niederlage der Entente in der Augustoffensive hatte weitreichende Auswirkungen auf die Balkanstaaten. Das bislang zögerliche Bulgarien schlug sich nun auf die Seite der Mittelmächte, Griechenland und Rumänien blieben trotz ihrer feindlichen Einstellung neutral. Russland war damit von den Waffentransporten seiner westlichen Alliierten abgetrennt, die Türkei nach Westen hin gesichert und die Niederwerfung Serbiens begünstigt. Politisch wurde die panslawistische Linie des Zaren durch den Beitritt des von Russland geschaffenen Bulgariens zu den Mittelmächten ad absurdum geführt.
Evakuierung
Am 14. Oktober wurde General Hamilton aufgrund der Fehlschläge durch Generalleutnant Sir Charles Monro ersetzt.
Die internationale Lage für die Entente verschlechterte sich mit dem Kriegseintritt Bulgariens auf Seiten der Mittelmächte. Über den nun direkt zur Türkei reichenden Landweg hätten die Mittelmächte starke Artillerie liefern können, der die Alliierten hilflos unterlegen gewesen wären.
Am 19. November beschloss Lord Kitchener, nachdem er sich einen Überblick über die Lage verschafft hatte, mit den Befehlshabern der alliierten Verbände die Evakuierung.
Die Verschiffung der 14 Divisionen erwies sich wegen starker Stürme und Regenfällen als schwierig. Durch einsetzenden Schneefall und Frost erlitten viele Soldaten Erfrierungen.
Ironischerweise war die Evakuierung das erfolgreichste Unternehmen der Dardanellenoperation. Die am 18. Dezember durchgeführte Einschiffung wurde auf Grund des widrigen Wetters von den Türken zunächst nicht bemerkt. Erst zwei Tage später erkannten die türkischen Verteidiger die Situation und gingen sofort dazu über, die Einschiffungszonen mit einem gewaltigen Bombardement zu belegen. Bei der hektischen Flucht ließen die Alliierten zahlreiches Kriegsmaterial zurück. Mehr als 1000 Australier kamen nicht rechtzeitig zu den Schiffen und wurden zurückgelassen.
Die Türken warfen nun einen Großteil ihrer Kräfte an die Eles Burnu-Front, wo sie die Alliierten mit ähnlich schweren Angriffen belegten. Das schlechte Wetter tat sein übriges und die niedrig gelegenen britischen Gräben wurden mit Wasser überflutet. Am 7. Januar 1916 entschlossen sich die Türken zu einem Angriff auf die Verteidigungslinien, da sie mit keinem großen Widerstand mehr rechneten. Die Briten wehrten sich jedoch erbittert. Die letzten Einheiten verließen Gallipoli am 9. Januar 1916. Die Kanonenbootpolitik des europäischen Imperialismus hatte zum ersten Mal die erwartete Wirkung verfehlt.
Folgen
Nach dem türkischen Sieg bei Gallipoli ging der Siegeszug der türkischen Armee weiter. In Mesopotamien wurde die britische Armee gezwungen sich am 29. April 1916 bei Kut-el-Amara zu ergeben und trotz massiver Überlegenheit kostete es die Briten drei lange Jahre, um letztlich Bagdad, Jerusalem und Damaskus wieder zurückzuerobern. Vom südlichen Palästina aus marschierten die Truppen des Osmanischen Reiches zur Sinai-Halbinsel, um den Sueskanal zu erobern. Im August schlugen die Briten diesen Vorstoß zurück, worauf die Alliierten wieder die Oberhand im Nahen Osten errangen. Doch selbst nach dem Ende des 1. Weltkrieges mussten die Türken weiter kämpfen: Zuerst warfen sie die Fesseln eines unfairen Friedensabkommens ab (Vertrag von Sèvres), dann vertrieben sie die griechische Invasionsarmee und boten letztlich dem Britischen Imperium in der Chanak-Krise en erneut die Stirn.
Nach der Evakuierung formierte man die alliierten Verbände in Ägypten neu. Das Anzac wurde umorganisiert; die Infanterie schickte man an die Westfront, während die leichte Kavallerie für Operationen in Palästina und Sinai eingeteilt wurde.
Für die Generäle Hamilton und Stopford stellte Gallipoli das Ende ihre Karriere dar. Hunter-Weston führte später sein VIII. Korps in der Somme-Schlacht. Mustafa Kemal, der sich als zuverlässiger und eigenständiger Truppenführer mehrfach bewährt hatte, legte mit der Schlacht um Gallipoli den Grundstein als Volksheld Gazi Mustafa Kemal Pascha und wurde nach einem kometenhaften Aufstieg nach Kriegsende als Präsident der Türkei unter dem Namen Kemal Atatürk weltweit bekannt. Zunächst allerdings konnte Enver Pascha noch verhindern, dass der damals noch unbekannte Mustafa Kemal gefeiert wurde und ließ stattdessen sich selbst allen Ruhm zuschreiben. Dem strategischen Vater des bedeutungsvollen Sieges und Leiter der damit erstmals bewährten Militärreformation Liman von Sanders dagegen wurde weder im Osmanischen Reich noch in Deutschland jemals eine dem Sieg entsprechende Popularität gezollt.
Die Schlacht um Gallipoli war eine der blutigsten und brutalsten im Ersten Weltkrieg. Geradezu beispiellos war sie als Schlacht, in der eine Landarmee auf Dauer einem von Heer und Marine zusammen geführten Kampf standhalten konnte. Die Niederlage war ein Schock für Australien und Neuseeland, für die es den ersten großen Konflikt darstellte, an dem sie beteiligt waren. Neben der Schmach, die die Alliierten davon trugen, zog Gallipoli auch Konfrontationen und Streitigkeiten auf politischer Ebene nach sich, die zum Rücktritt Churchills als Marineminister und zum Sturz der Regierung Asquith führten.
Verluste
Verluste | |||
---|---|---|---|
Gefallene | Verwundete | Gesamtanzahl | |
Australien | 8709 | 19.441 | 28.150 |
Neuseeland | 2701 | 4852 | 7553 |
Großbritannien | 21.255 | 52.230 | 73.485 |
Frankreich (geschätzt) | 10.000 | 17.000 | 27.000 |
Indien | 1358 | 3421 | 4779 |
Neufundland | 49 | 93 | 142 |
Entente | 44.072 | 97.037 | 141.109 |
Osmanisches Reich | 87.000 | 165.000 | 251.000 |
Unter den Toten der Schlacht befanden sich der brillante Physiker Henry Moseley sowie der Dichter Rupert Brooke, die schon kurz vor der Invasion starben.
Die Commonwealth War Graves Commission (CWGC) ist für die Kriegsgräber der Commonwealth-Truppen (Großbritannien, Neuseeland, Indien, Neufundland ...) verantwortlich. Es gibt 31 CWGC-Friedhöfe auf Gallipoli; 6 am Kap Helles, 4 an der Suvla-Bucht und 21 bei den ehemaligen Stellungen des Anzac. Für viele Soldaten, die in Krankenhäusern oder auf See starben, gibt es keine Gräber. Diesen Soldaten sind verschiedene Gedenktafeln und Denkmäler gewidmet, von denen die britischen am Kap Helles, die australischen bei Lone Pine und die neuseeländischen bei Chunuk Bair stehen.
Ein französischer Soldatenfriedhof liegt in der Nähe des ehemaligen S-Strandes, wo sich auch die französischen Quartiere während der Schlacht befanden. Einen größeren türkischen Soldatenfriedhof gibt es nicht. Statt dessen hat man mehrere Denkmäler errichtet, von denen sich die wichtigsten an der Morto-Bucht, in der Nähe des früheren S-Strandes und am Chunuk Bair befinden.
Die Schlacht von Gallipoli in der Kultur
Die Schlacht von Gallipoli lieferte Stoff für mehrere Filme. Die australische Produktion Gallipoli des Regisseurs Peter Weir von 1981 schilderte die Schicksale zweier ANZAC-Soldaten in der Schlacht (einer davon gespielt von Mel Gibson) und sorgte in Australien für eine Welle patriotischer und auch anti-britischer Gefühle.
Die irische Folk-Punk-Gruppe The Pogues beschreibt in Eric Bogles Lied The Band Played Waltzing Matilda die Schlacht aus der Sicht eines australischen Soldaten.
Der 25. April, der Jahrestag der ersten Landung, wird in Australien und Neuseeland jedes Jahr als ANZAC Day begangen und gilt als wichtigster nationaler Feiertag.
Literatur
- Liman von Sanders, Otto: Fünf Jahre Türkei, Scherl, Berlin 1920
- Pomiankowski, Joseph: Der Zusammenbruch des Ottomanischen Reiches - Erinnerungen an die Türkei aus der Zeit des Welkrieges, Amalthea, Wien 1928
Weblinks
- The Gallipoli Campaign (in englisch)
- Nordisk familjebok (1922), Världskriget-pp.199f, p.201