Im deutschen Zivilrecht bedeutet Anspruchskonkurrenz, dass ein Gläubiger mehrere inhaltsgleiche Ansprüche auf selbständige verschiedene Anspruchsgrundlagen stützen kann. Da der Gläubiger die Leistung nur einmal verlangen kann, muss er eine Anspruchsgrundlage wählen. Bei der sogenannten Anspruchsgrundlagenkonkurrenz kann der Gläubiger seinen Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen. Jedoch führen diese zu ein und demselben Anspruch, sodass der Gläubiger letztlich nicht zu wählen braucht.
„Ein und dieselbe Rechtsfolge kann aus ein und demselben Lebenssachverhalt und zugleich aus mehreren Normen des materiellen Rechts hergeleitet werden. Dann liegt Anspruchskonkurrenz ... vor.“
Im Fall einer Anspruchskonkurrenz führt jeder Anspruch sein Eigenleben. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall der Verjährung:
„Sofern eine Handlung die Tatbestände mehrerer anspruchsbegründender Normen erfüllt, treten die daraus resultierenden Ansprüche, soweit sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, grundsätzlich in so genannter echter Anspruchskonkurrenz nebeneinander, mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt (...). Eine abweichende Beurteilung ist zwar geboten, wenn einer Vorschrift zu entnehmen ist, dass sie einen Sachverhalt erschöpfend regeln und dementsprechend die Haftung aus anderen Anspruchsgrundlagen ausschließen oder in bestimmter Hinsicht beschränken will“
Eine Anspruchskonkurrenz kann insbesondere bei Zusammenfallen vertraglicher und deliktischer Schadensersatzansprüche vorliegen. Jeder Anspruch unterliegt dann grundsätzlich seiner eigenen Verjährungsfrist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn und soweit die Befugnis des Geschädigten, nach Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen zu können, den Zweck der besonders kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfristen vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde. Dies wird angenommen
- im Mietrecht bezüglich der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der vermieteten Sache [1];
- im Kaufrecht ausnahmsweise dann, "wenn das Integritätsinteresse des Käufers völlig deckungsgleich mit seinem Äquivalenzinteresse ist (BGH NJW-RR 1993 , 1113)"[2]
Die Frage, ob eine Anspruchskonkurrenz vorleigt stellt sich auch bei der Frage der Zulässigkeit einer Teilabtretung. Eine solche ist im Fall einer Anspruchskonkurrenz unzulässig, nicht aber, wenn es um verschiedene Lebenssachverhalte geht. So wird - mangels Anspruchskonkurrenz - eine Abtretung nur der Erfüllungsansprüche aus einer Lebensversicherung und nicht des geltend gemachten - auf das negative Interesse gerichteten - Schadensersatzanspruchs wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen für zulässig gehalten[3].
Wird ein Rechtsmittel eingelegt, so ist dieses im Fall mehrerer Streitgegenstände für jeden einzelnen Streitgegenstand zu begründen. Im Fall einer bloßen Anspruchskonkurrenz liegt jedoch nur ein Streitgenstand vor[4].
Liegt eine bloße Anspruchskonkurrenz vor, so ist für die Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB kein Raum. So wird im Fall gesetzlicher und übergesetzlicher tariflicher Urlaubsansprüche von einer Anspruchskonkurrenz ausgegangen, mit der Folge, dass bei einer Teilerfüllung der gesetzliche Teilurlaubsanspruch miterfüllt wird[5]. Beispiel: Beträgt bei einer 5-Arbeitstage-Woche der gesetzliche Urlaubssanspruch 20 Urlaubstage und ein weiterer tarifvertraglicher Urlaubsanspruch 10 Urlaubsage und werden nur 20 Urlaubstage gewährt, so verbleiben nur 10 tarifvertragliche Urlaubstage, ohne dass es auf § 366 Abs. 2 BGB ankäme.
Eine Anspruchskonkurrenz soll auch bei verschiedenen Ansprüchen, zwischen denen ein Wahlrecht besteht, bestehen können: "[Es] begegnet es keinen Bedenken, dass der Auftraggeber gleichzeitig fällige Ansprüche auf Nachbesserung und auf (Vorschuss-)Zahlung hat. Vielmehr ist es Kennzeichen einer Anspruchskonkurrenz, dass mehrere fällige Ansprüche nebeneinander bestehen. ... Die Ausübung des Wahlrechts durch den Auftraggeber beantwortet ... mithin nur die Frage, welchen der bestehenden Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber geltend machen will, sie begründet jedoch nicht einen bis dahin nicht bestehenden Anspruch.[6]
§ 17 Abs. 2 GVG führt grundsätzlich dazu, dass ein Rechtsstreit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen ist. Das "nach § 32 ZPO örtlich zuständige Gericht [hat] den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, wenn im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht wird."[7].
§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist nicht anwendbar, wenn es sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Dies wird trotz einer Anspruchskonkurrenz für die Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG und einem Entschädigungsanspruch aus § 198 GVG angenommen. Wegen des Ausschließlichkeitscharakters der Zuständigkeitsnormen (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG einerseits sowie § 201 GVG andererseits) und der expliziten Entscheidung des Gesetzgebers, den Entschädigungsanspruch aus § 198 GVG den Oberlandesgerichten zuzuweisen, handele es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Beide Ansprüche müssen deshalb in getrennten Prozessen verfolgt werden [8].
Einzelnachweise
- ↑ BGH, Beschluss vom 16. Februar 1993 – VI ZR 252/92 –, juris Rn. 4
- ↑ KG Berlin, Urteil vom 11. März 2004 – 19 U 71/03 –, juris Rn. 20
- ↑ OLG Köln, Urteil vom 05. Oktober 2012 – I-20 U 71/11, 20 U 71/11 – juris, Rn. 64
- ↑ Vgl. BAG, Urteil vom 23. November 2006 – 6 AZR 317/06 – juris Rn. 13 = BAGE 120, 239-250
- ↑ BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 760/10; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 29. Januar 2014 – 11 Sa 1221/12 –, juris Rn. 31 (Revision: BAG, 9 AZR 101/14)
- ↑ BGH, Urteil vom 11. September 2012 – XI ZR 56/11 – juris Rn. 20
- ↑ BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - X ARZ 208/02 - Leitsatz
- ↑ BGH [27.02.2014] - III ZR 253/13 - juris Rn. 4