Kirchenfinanzierung

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Die gegenwärtige Finanzierung der Kirchen in Deutschland ist das Ergebnis einer langen wechselvollen Geschichte. In ihr spiegelt sich auch das Verhältnis von Staat und Kirche wider. Der folgende Überblick skizziert nur die Finanzierung der ev. und der kath. Kirche.

Die beiden Kirchen finanzieren sich aus sehr unterschiedlichen Quellen. Allein diese Tatsache macht den Finanz-Umfang schwer durchschaubar. Hinzu kommt, dass die Kirchen selbst lange Zeit kaum öffentliche Rechenschaft gaben. Und schließlich wirkt es sich erschwerend aus, dass sich in Veröffentlichungen je nach (Vor-)Verständnis von Kirche (theologisch/staatskirchenrechtlich/arbeitsrechtlich) der Gegenstand Kirche immer wieder ändert.

Finanzierung aus eigenen Mitteln: Mitgliedsbeiträge usw.

  • Die für die öffentlichen Haushalte ergiebigste Quelle ist die staatlich eingezogene Kirchensteuer, (in 2004: ev.: 3.689 Mrd. €, kath.: 4,158 Mrd. € ). Viele Gemeinden erheben zusätzlich ein Kirchgeld, das in der betreffenden Gemeinde verbleibt. Der Umfang dieses Kirchgeldes ist nicht bekannt.
  • Darüber hinaus fließen den Kirchen Kollekten, Spenden und Mess-Stipendien zu und die Entgelte für kirchliche Handlungen, die sog. Stolgebühren. Der Umfang dieser Geldeinnahmen ist kaum zu ermitteln. Seit einigen Jahren hat auch das professionelle Fundraising für Kirchengemeinden vor allem in ev. Landeskirchen an Bedeutung zugenommen.
  • Weiterhin beziehen die Kirchen Gelder aus Vermögen, Vermietung und Verpachtung, ferner aus Aktienbesitz. Diese Beträge werden häufig in den veröffentlichten Haushalten aufgeführt und machen ca. 4-5% in ihnen aus.
  • Weitere Gelder fließen den Kirchen zu aus kircheneigenen Betrieben, den Beteiligungen an Handelsunternehmen (u.a. Brauereien, Baufirmen und Siedlungswerken), Versicherungen und Banken, Medienunternehmen und Verlagen.
  • Bekannte Finanzquellen sind Stiftungen. Dazu zählen alte Institutionen, die die Säkularisation überdauert haben und neue, auch solche, die erst in jüngerer Zeit auf der Basis des Stiftungsgesetzes von 1999 errichtet wurden.

Finanzierung aus öffentlichen Mitteln

  • Hierzu zählen die positiven Staatsleistungen. Darunter versteht man Zahlungen vor allem der Bundesländer, die zum Teil auf (sehr) alten Rechtstiteln beruhen, aber auch auf älteren Staatskirchenverträgen, z.B. mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932), dem nach wie gültigen Reichskonkordat von 1933, auf Bestimmungen des Grundgesetzes und neuerer Länderkonkordate. Die aktuellen Zahlungen dieser positiven Staatsleistungen werden in den jeweiligen Länderhaushalten ausgewiesen. Entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes GG140 (Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung), dass „Staatsleistungen ... abgebaut“ werden, wurden solche in neu abgeschlossenen Staatsverträgen auch nach 1949 immer wieder neu zugesagt.
  • Zu den staatlichen Leistungen zählt auch die unbegrenzte Abzugsfähigkeit der gezahlten Kirchensteuer. Diese wird, obwohl sie direkt einzelne Kirchenmitglieder begünstigt, in den Subventionsberichten der Bundesregierungen als eine unbefristete „Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen“ bezeichnet. Für das Jahr 2004 prognostizierte die Bundesregierung den Umfang der Subventionierung der Kirchensteuer mit 3.750 Mrd. Euro.
  • Große Bedeutung haben die staatlichen Zuwendungen z.B. für den kirchlichen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (ca. 2,6 Mrd. €/Jahr), die Priester- und Theologenausbildung an Universitäten und den Unterhalt kirchlicher Fachhochschulen (ca. 0,56 Mrd. €/Jahr), die Seelsorge an öffentlichen Einrichtungen (Militär, Polizei, Gefängnis, Anstalten, ca. 66 Mio. €/Jahr), für den Denkmalschutz für Kirchenbauten (ca. 14 Mio. €/Jahr) und für die rein kirchlichen Sendungen öffentlicher Rundfunkanstalten (ca. 15 Mio. €/Jahr). Belege bei Carsten Frerk.
  • Weitere staatliche Zuwendungen sind Bauzuschüsse für kirchliche Gebäude und vielfältige freiwillige Zuschüsse von Kommunen und Kreisen für Ausstattungen/Renovierungen kirchlicher Einrichtungen, wie Kindergärten, Altenheime usw., deren Umfang allerdings nirgendwo zentral dokumentiert wird.
  • Die Zuschüsse der Bundesregierung für die kirchlichen Werke Brot für die Welt und Misereor (Eigenmittel ca. 500 Mio. € in 2003) beliefen im selben Jahr auf 160 Mio. € (www.bmz.de). Neben diesen jährlichen Zuwendungen gibt es die periodisch wiederkehrenden Zuschüsse für Kirchen- und Katholikentage (z.B. 8,3 Mio €.Katholikentag Hamburg 2000), Papstbesuche, Weltjugendtreffen usw.
  • Zusätzlich zu den positiven Staatsleistungen gibt es auch negative Staatsleistungen. Dazu zählen die unterschiedlich weitreichenden Befreiungen der Kirchen von verschiedenen Steuern und Gebühren. Bezüglich einzelner Steuerarten (Körperschaftssteuer, Grund-, Vermögens- und Gewerbesteuer z.B. bei Caritas- und Diakoniebetrieben) bedürfte es einer differenzierten Darstellung. Der Umfang dieser Begünstigung ist nicht exakt zu ermitteln.

Spezial: Caritas und Diakonie

Der Geldfluss an diese Organisationen muss gesondert betrachtet werden. Es handelt sich bei beiden Einrichtungen inzwischen, wie Kritiker anmerken, um „Sozialimperien“ (mit ca. 1,1 Mio. Beschäftigen, der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem öffentlichen Dienst und einen Jahresumsatz von ca. 45 Mrd. € in 2002). Ihre Tätigkeiten werden dem Selbstverständnis der Kirchen entsprechend von diesen als „Wesensäußerungen der Kirche“ verstanden.

Die Beteiligung an der finanziellen Ausstattung von Caritas und Diakonie aus kircheneigenen Geldmitteln beträgt nach Auskunft der ev.Landeskirchen bzw. (Erz-) Bistümer ca. 10% des jeweiligen kirchlichen Haushalts. Die übrigen 90% stammen aus nicht-kirchlichen Quellen, vor allem von den Sozialversicherten. Hinzu kommen:

  • Bundes- und Länderzuschüsse, Lotteriegelder, Spielbankenabgaben, Erlöse aus dem Verkauf von Wohlfahrtsmarken, Spenden, Zuwendungen aus Fernsehaktionen (z.B. Aktion Mensch, Glücksspirale) Kollekten, Sammlungen, gerichtliche Bußgelder. Diese Finanzsummen werden derzeit auf ca. 440 Mio. € geschätzt. Hinzu kommen Werte in Form von „kostengünstigen MitarbeiterInnen“: Zivildienstleistende, ABM-Kräfte und 1-Euro-Jobber.
  • Besondere Bedeutung für die Wirtschaftskraft beider Unternehmen hat die Befreiung von der Gewerbesteuer. Die sich daraus ergebende Subventionierung ist nur schwer zu beziffern.


Über die Finanzierung der kirchlichen Arbeit der Diakonie und der Caritas wird seitens der Kirchen selbst keine Gesamtübersicht gegeben. Nach Horst Herrmanns Kritik an der Caritas (1993) hat Carsten Frerk in 2005 eine außerordentlich Detail reiche Studie zu den Finanzen der beiden Wohlfahrtsverbände veröffentlicht.

Literatur

  • Heiner Marré, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart, Essen: Ludgerus-Verlag. 1990, 5. Aufl. 2006, ISBN 3-874972-55-0
  • Carsten Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
  • Carsten Frerk, Caritas und Diakonie in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-865690-00-9
  • Horst Herrmann, Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
  • Horst Herrmann, Die Caritaslegende, Hamburg; Rasch und Röhring 1993; ISBN 3-89136-328-1
  • 19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache, 01.10. 2003