Begriff des Atheismus
Der Begriff Atheismus (v. griech.: άθεος - átheos: gottlos) bezeichnet zusammenfassend jede Form philosophischen oder weltanschaulichen Annahmen, die die Existenz eines/mehrerer Götter verneinen.
Die Bezeichnung „Atheismus“ für eine die Existenz eines Gottes verneinende Weltanschauung stammt aus dem 4./3. Jahrhundert v. Chr.
Der Begriff wurde ursprünglich als abwertende Bezeichnung für Anschauungen verwendet, die im Konflikt mit den etablierten Religionen standen, vielfach auch für neu entwickelte religiöse Anschauungen, die meist durchaus eigene Götter kannten. Auch die Christen wurden zunächst als αθεoι atheoi bezeichnet.
Obwohl es Religionen gibt, die keine Götter kennen, versteht man heute unter Atheisten im allgemeinen Menschen, die die Annahme der Existenz von Göttern oder, generell, von übernatürlichen Wesen (Geister, Engel, Dämonen) oder Kräften für falsch erachten.
Zu unterscheiden ist zwischen einer „starken“ und einer „schwachen“ Form des Atheismus, die charakterisiert werden können durch die Aussagen, dass der „starke“ Atheist „glaubt, dass es Gott nicht gibt“, während der „schwache“ Atheist „nicht glaubt, dass es Gott gibt“. Das heißt: Die starke Form des Atheismus oder Antitheismus basiert auf der Annahme, dass es Götter und sonstige übernatürliche Wesen nicht geben kann. Außerdem gibt es auch eine Form des praktischen Atheismus, der die theoretische Möglichkeit anerkennt, dass derartige Entitäten existieren, sich aber lebenspraktisch nicht daran orientiert.
Der Atheist unterscheidet sich auch vom Agnostiker, der die Existenz des Übernatürlichen als unentscheidbar betrachtet, und sich somit auch Vorgänge außerhalb der (natur)wissenschaftlichen vorstellen kann, wobei allerdings der „schwache“ Atheismus nicht scharf von bestimmten Formen des Agnostizismus abgegrenzt werden kann und landläufig oft damit gleichgesetzt wird.
In der Vergangenheit wurden Atheisten oft nur durch ihre ablehnende Haltung gegenüber etablierten Religionen und deren Lehren charakterisiert, wie etwa die Ansicht, dass das Alte Testament und das Neue Testament der Bibel sowie der Koran reines Menschenwerk und nicht durch einen Gott inspiriert sei, oder die Auffassung, dass Jesus Christus nicht auferstanden sei oder sogar nie gelebt hat.
Heute stellt sich der Atheismus in einer Vielzahl von Ausrichtungen dar: Beispielsweise sind die Freidenkerbewegung, der Humanismus und der Existenzialismus eng mit dem Atheismus verbunden. Der Sozialismus ist oft, der Kommunismus praktisch immer atheistisch. Weitere Ausrichtungen des Atheismus sind Materialismus, Nihilismus und wissenschaftlicher Naturalismus.
Wie bereits Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ nachgewiesen hat, gibt es keinen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz oder die Nichtexistenz Gottes. Dennoch gibt es Strömungen in der theoretischen Informatik, die mit der Beantwortung des Halteproblems die Nichtexistenz eines Gottes als bewiesen erachten, während andere Gottesbeweise für überzeugend halten. Aus logiktheoretischer Sicht ist der Atheismus eine Glaubensform—allerdings eine, die sich rational auf eine Reihe atheologischer Argumente stützt, die die Nichtexistenz des monotheistischen Gottes zur Konklusion haben.
Formen des Atheismus, die die Heiligen Schriften zwar als Menschenwerk sehen, aber für ihre inhaltlichen Weisheiten nicht generell abgeneigt sind, existieren. Diese Atheisten greifen durchaus auch auf die von den Schreibern der Bibel niedergelegten Informationen zurück, wobei sie allerdings auch zwischen den Zeilen lesen, oder den Text wörtlicher nehmen, als theologisch Religiöse die symbolischen Interpretationen vorziehen. So zum Beispiel benutzen Atheisten die bekannte Einleitung des Johannes-Briefs als unverschlüsselte Aussage: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. (Johannes 1:1). Für bibelkundige Atheisten bedeutet das, dass die Menschen zu Sprechen lernten und sich dadurch erhoben und das Wort mächtig wurde. Tatsächlich waren es fast immer die Stammesführer, denen der literarische Nachlass zugeschrieben wird. Natürlich legen die Mächtigen ihrer Wortschöpfung genau die gewünschten Eigenschaften bei, um das Volk nach ihrer Vorstellung zu führen.
Religiöser Atheismus
Eine besondere Spielform des religösen Atheismus findet sich in der buddhistischen Philosophie. Während der Volksglaube an der Verehrung einzelner Gottheiten festhält, betont die Philosophische Theologie die Nichterkennbarkeit Gottes. Diese Form des Atheismus ist am ehesten mit dem christlich-jüdischen Gottesverständnis vereinbar, nach welchem es undenkbar ist, sich von Gott irgendein Bild zu machen.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich eine Theorie des atheistischen Christentums entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes auf die Vernichtung von Millionen Juden durch deutsche Nationalsozialisten bezieht. Die deutsche Theologin Dorothee Sölle ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung. Sie fand in Auseinandersetzung mit der Civil Religion christlicher Gesellschaften zu einer neuen Form christlicher Spiritualität. Kritiker dieser Theologie wenden ein, daß ein angenommener Gott aufgrund der vom Christentum angenommenen Bejahung der Willensfreiheit des Menschen durch Gott aus Gründen der Logik nicht gegen den Willen des Menschen eingreift. Ein von Gott mit freiem Willen ausgestatteter Mensch habe demnach die Freiheit, gegen den Willen Gottes zu handeln, was die Existenz des Bösen erkläre.
Zitate
- Lachen tötet die Furcht und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben. Wer keine Furcht mehr vor dem Teufel hat, braucht keinen Gott mehr […] dann können wir auch über Gott lachen. („Der Abt“ in Der Name der Rose)
- Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? … Ist nicht die Größe dieser That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? … Diess ungeheurige Ereigniss ist noch unterwegs und wandert, - es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. (Friedrich Nietzsche in Die Fröhliche Wissenschaft, III, 125)
- Unser Atheismus ist ein Suchen nach Unglück. (Friedrich Nietzsche (Aus dem Nachlass))
- Und der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. (Ludwig Feuerbach)
- Gott sei Dank, dass ich Atheist bin. (anonym)
- Gott ist tot. (Nietzsche) Nietzsche ist tot. (Gott zugeschrieben)
Literatur
Literatur zum Atheismus
- Albert, Hans (1979). Das Elend der Theologie: Kritische Auseinandersetzung mit Hans Küng. Hamburg: Hoffmann & Campe.
- Buggle, Franz (1992). Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Reinbek b. Hamb.: Rowohlt. [Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gott der Bibel, der oft als willkürlich, intolerant, grausam, blutdürstig und rachsüchtig dargestellt ist]
- Deschner, Karlheinz. Abermals krähte der Hahn. [Eine kritische Kirchengeschichte von den Anfängen bis zu Pius XII]
- Deschner, Karlheinz (1974). Kirche des Unheils. München.
- Deschner, Karlheinz (1986-2004). Kriminalgeschichte des Christentums (Bde. 1-8). Reinbek b. Hamb.: Rowohlt. [weitere Bände folgen]
- Elias, Norbert (1982). Über die Einsamkeit der Sterbenden.
- Fastenrath, Heinz (1993). Abiturwissen: Religionskritik. Stuttgart: Klett.
- Feuerbach, Ludwig. Das Wesen der Religion.
- Freud, Sigmund. Massenpsychologie und Ich-Analyse: Die Zukunft einer Illusion.
- Haffmans, Gerd (1994). Kleiner Atheismus-Katechismus (2. Aufl.). Zürich: Haffmans.
- Hoerster, Norbert (Hg.). (1984). Religionskritik (Arbeitstexte für den Unterricht). Stuttgart: Reclam (9584). [sehr empfehlenswert]
- Kahl, Joachim (1993). Das Elend des Christentums. Reinbek b. Hamb.: Rowohlt.
- Mackie, J. L. (1985). Das Wunder des Theismus: Argumente für und gegen die Existenz Gottes (R. Ginters, Übers.). Stuttgart: Reclam. (Orig. ersch. 1982) [das einflussreichste anti-theistische Werk nach 1945]
- Minois, Georges. Geschichte des Atheismus: Von den Anfängen bis zur Gegenwart [umfassendes Buch zur Geschichte des Atheismus]
- Moser, Tilman. Gottesvergiftung. [Ein persönlicher Erfahrungsbericht über den großen Bruder Gott]
- Russell, Bertrand (1963). Warum ich kein Christ bin. München.
- Schleichert, Hubert (1997). Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren: Anleitung zum subversiven Denken. München.
- Türcke, Christoph (2003). Fundamentalismus - maskierter Nihilismus.
- Weger, Karl-Heinz. Religionskritik [Viele Originaltextstellen aus grundlegenden Werken des Atheismus] ISBN 3-222-11999-6
- Wehler, Joachim. Grundriss eines rationalen Weltbildes. Stuttgart: Reclam.
Atheismus-kritische Literatur
- Brugger, Walter (1992). Philosophisches Wörterbuch (21. Aufl.). Freiburg.
- Cramer, Wolfgang (1967). Gottesbeweise und ihre Kritik – Prüfung ihrer Beweiskraft. Frankfurt am Main.
- Kälin, Bernhard (1957). Lehrbuch der Philosophie: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee (Bd. I). Sarnen.
- Lehmen, Alfons (1923). Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage: Theodizee (Bd. III; 5. Aufl.). Freiburg.
- Lewis, C. S. (2002). Pardon, ich bin Christ. Gießen. [C.S. Lewis, Professor für englische Literatur und Philosoph, kritisiert den Atheismus auf Grundlage der Logikphilosophie]
- Seidl, Hans (Hg. & Übers.). (1986). Die Gottesbeweise in der „Summe gegen die Heiden“ und der „Summe der Theologie“ (2. Aufl.). Hamburg.
- Thomas von Aquin (1934). Summe der Theologie (deutsch-lateinische Ausg.; hrsg. v. kath. Akademikerverband). Salzburg.
- Thomas von Aquin (2001). Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles) (Lateinisch – Deutsch; hrsg. und übers. v. Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann). Darmstadt.
- Vries, Josef de (1937). Denken und Sein: Ein Aufbau der Erkenntnistheorie. Freiburg.
Literatur zum religiösen Atheismus
- Pannikkar, Raimon (1992). Gottes Schweigen: Die Antwort des Buddha für unsere Zeit. München.
- Sölle, Dorothee (1994). Atheistisch an Gott glauben. München: dtv.
Weblinks
- http://www.atheismus-online.de/
- http://www.madeasy.de/1/2nkmindx.htm - Woran glauben eigentlich Atheisten?