Heinz-Jürgen Voß (Sozialwissenschaftler)

deutscher Sozialwissenschaftler und Biologe
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Heinz-Jürgen Voß (* 1979) ist ein deutscher Sozialwissenschaftler und Biologe. Voß setzt sich wissenschaftlich insbesondere mit der Frage von Geschlechterkonstruktion und Geschlechterverhältnissen auseinander.

Leben

Voß ist ein Sohn des Mathematikers Heinz-Jürgen Voß. In den Jahren 1998 bis 2004 absolvierte er ein Studium der Biologie an der TU Dresden sowie der Universität Leipzig. Im Anschluss folgte eine interdisziplinäre Promotion im Bereich der Sozialwissenschaften an der Universität Bremen. Seit dem Jahr 2007 ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten auf beiden Themenfeldern seiner akademischen Ausbildung tätig.[1] Die Hochschule Merseburg sprach im März 2014 einen Ruf an Voß auf die Professur Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung aus.[2]

Für seine in Buchform publizierte Doktorarbeit erhielt Voß den Preis zur Förderung der Übersetzung geisteswissenschaftlicher Werke („Geisteswissenschaften International“) der Fritz Thyssen Stiftung, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und des Auswärtigen Amtes.[3]

Positionen

Voß vertritt die Ansicht, dass die Spezies Mensch nicht aus zwei sich ergänzenden Geschlechtern bestehe, sondern, dass „unzählige“ Geschlechter existierten.[4] Auf die Frage nach dem neuesten Stand der Forschung antwortete er:

„Bis in die 1920er Jahre sprach man von Geschlechtervielfalt. Mit den Nazis kam die Theorie einer weitgehend klaren biologischen Zweiteilung, die auch immer noch im Biologiestudium vermittelt wird, obwohl die aktuelle Forschung längst weiter ist. Solche einfachen Thesen machten mich stutzig, und ich erkannte, dass die vermeintlich natürliche Zweiteilung viel Leid mit sich bringt.“[4]

Die Historikerin Helga Satzinger[5] sowie die Biologin und Genderforscherin Anne Fausto-Sterling teilen diese Position, die Voß in seinen Veröffentlichungen entwickelte.[6]

Strafanzeige gegen Akif Pirinçci

Wegen ihrer sexualpädagogischen Positionen[7][8] war die Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Tuider über Soziale Medien diffamierenden Schmähungen und Gewaltandrohungen ausgesetzt, initiiert durch den Bestsellerautor Akif Pirinçci.[9][10][11] Elisabeth Tuider wurde daraufhin unter anderem von Heinz-Jürgen Voß unterstützt, der daraufhin von Akif Pirinçci ebenfalls geschmäht wurde. Laut der Taz hat Voß daraufhin ein straf- und zivilrechtliches Verfahren gegen Pirinçci einleiten lassen.[10] Die ehemalige Vorsitzende der Fachgesellschaft Geschlechterstudien, Sabine Hark, sprach von einem „deutlichen Qualitätsunterschied gegenüber früheren antifeministischen Angriffen".[12]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Beziehungen zwischen somatischen Mutationen im Tumorgewebe und bekannter Keimbahnmutation der Gene BRCA1 und BRCA2 beim hereditären Mammakarzinom. Grin Verlag, München, Ravensburg 2004/2007, ISBN 978-3-638-83821-4.
  • Kritik mit Methode? Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik. Dietz, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02136-8.
  • Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Transcript, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8376-1329-2.
  • Geschlecht. Wider die Natürlichkeit. Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-89657-663-7.
  • Intersexualität – Intersex. Eine Intervention. Unrast, Münster 2012, ISBN 978-3-89771-119-8.
  • Interventionen gegen die deutsche "Beschneidungsdebatte". (zusammen mit Zülfukar Çetin und Salih Alexander Wolter) Edition Assemblage, Münster 2012, ISBN 978-3-942885-42-3.
  • Biologie & Homosexualität. Theorie und Anwendung im gesellschaftlichen Kontext. Unrast, Münster 2013, ISBN 978-3-89771-122-8.
  • Queer und (Anti-) Kapitalismus. (zusammen mit Salih Alexander Wolter) Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-89657-061-1.

Einzelnachweise

  1. Biographische Notizen, heinzjuergenvoss.de, abgerufen am 19. März 2014
  2. «Zwischen Bewegung und Wissenschaft». Glückwunsch, Professor Heinz-Jürgen Voß!, Homepage von Salih Alexander Wolter, 8. März 2014, abgerufen am 19. März 2014
  3. Hallescher Wissenschaftler erhält renommierte Übersetzungsförderung, Pressemeldung der Universität Halle, 12. Dezember 2012, abgerufen am 19. März 2014.
  4. a b Hanna Lucassen: Weder Mann noch Frau, Interview mit Heinz-Jürgen Voß, Chrismon, September 2013, abgerufen am 16. August 2014
  5. Helga Satzinger: Differenz und Vererbung - Geschlechterordnungen in der Genetik und Hormonforschung 1890-1950. Böhlau Verlag, Köln 2009
  6. siehe Angeboren oder entwickelt? Zur Biologie der Geschlechtsentwicklung, Gen-ethischer Informationsdienst Spezial Nr 9, Dezember 2009 sowie Making Sex Revisited (2010) und Geschlecht: Wider die Natürlichkeit (2011)
  7. Elisabeth Tuider und andere: Sexualpädagogik der Vielfalt. Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit, 2., überarbeitete Auflage, Weinheim; Basel: Beltz Juventa, 2012, ISBN 978-3-7799-2088-5
  8. Daniel Kunz: Stefan Timmermanns, Elisabeth Tuider: Sexualpädagogik der Vielfalt, Rezension auf socialnet, 8. September 2009, abgerufen am 26. Juli 2014
  9. Hass und Heteronormativität, Jungle World Nr. 30, 24. Juli 2014
  10. a b Simone Schmollack, Martin Reeh: Rechtspopolismus im Internet: Pirinçci provoziert Mordaufruf, Taz, 27. Juli 2014
  11. Gegen rechten Hass – für eine engagierte Sexualwissenschaftler_in, Gesellschaft für Sexualwissenschaft, 21. Juli 2014
  12. Sarah Schaschek: Brutale Drohungen im Internet: Hass und Hetze gegen Geschlechterforscher, Die Zeit, 12. August 2014