Rettungsgasse

Bildung einer Fahrspur für Einsatzfahrzeuge
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Die Rettungsgasse ist der Fahrweg für Rettungskräfte auf mehrstreifigen Richtungsfahrbahnen. Der Begriff der Rettungsgasse stammt bereits aus den 1980er Jahren, als diese in den ersten europäischen Ländern eingeführt wurde. Aktuell (2012) ist sie in Deutschland, Tschechien, Österreich und Ungarn verpflichtend vorgeschrieben, in der Schweiz und in Slowenien auf freiwilliger Basis zu bilden.

Ein Rettungswagen befährt eine Rettungsgasse auf der BAB 659
Rettungsgasse zwischen zwei Fahrstreifen auf der BAB 66
Personen und einige Fahrzeuge blockieren eine Rettungsgasse auf der BAB 81

Beschreibung

Bei Verkehrssituationen, die zu einem Rückstau führen, haben die Verkehrsteilnehmer der rechten Fahrspur ihre Fahrzeuge ganz an den rechten Fahrbahnrand zu lenken. Fahrzeuge der linken Spur sollen zum linken Fahrbahnrand gelenkt werden. Damit bildet sich zwischen den beiden Fahrzeugkolonnen eine weitere Fahrspur für Einsatzfahrzeuge.

Unterschiedlich ist allerdings die Regelung bei mehr als zwei Spuren. Während in Deutschland und in Österreich (seit dem 1. Januar 2012) die Regelung besteht, dass zwischen der am weitesten links und der vorletzten die freie Spur gebildet werden muss, muss die freie Spur in Tschechien zwischen der rechten und der nächsten Spur freibleiben. Die Begründung für die deutsche Lösung besteht darin, dass sich auf den rechten Fahrspuren mehr LKW befinden und so mehr Restbreite für die Einsatzfahrzeuge verbleibt, wenn die Rettungsgasse zwischen der vorletzten und der letzten Spur gebildet wird. Außerdem ist die Übersicht für die Einsatzkräfte in den großen Fahrzeugen besser gegeben. Wichtig ist dabei, dass sie bereits bei der Annäherung im Rückstau gebildet wird und nicht erst bei Annäherung der Einsatzfahrzeuge, da sonst unnötige Zeit verloren geht.[1] Die tschechische Regelung wird damit begründet, dass die Einsatzfahrzeuge die Ein- bzw. Ausfahrten leichter erreichen.

Situation in Deutschland

In Deutschland wurde die Rettungsgasse bereits 1982 eingeführt.[2] Gesetzlich geregelt ist die Rettungsgasse in § 11 Abs. 2 StVO. Sie muss auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung in der Mitte der Richtungsfahrbahn, bei Straßen mit drei Fahrstreifen in Fahrtrichtung zwischen dem linken und dem mittleren Fahrstreifen freigehalten werden. Auch innerorts, wenn sich auf entsprechend ausgebauten Hauptverkehrsstraßen auf allen Fahrstreifen ein Stau gebildet hat und sich ein Fahrzeug mit Wegerecht nähert, wird es versuchen, nach diesem Prinzip freie Bahn zu erhalten.

Der Standstreifen wird von den Einsatzkräften eher ungern benutzt, weil er möglicherweise nicht auf ganzer Länge ausgebaut ist und unvermutet durch liegengebliebene Fahrzeuge blockiert sein kann. Er darf von anderen Verkehrsteilnehmern nur in besonderen Fällen genutzt werden.

Wer die Rettungsgasse bei stockendem Verkehr nicht vorschriftsmäßig bildet, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 11 StVO) und muss mit einer Geldbuße bzw. einem Verwarnungsgeld in Höhe von 20 Euro rechnen.[3] Bei schwerwiegenden Behinderungen kann unter Umständen eine strafrechtliche Verfolgung hinzukommen.

Situation in Österreich

In Österreich wurde die Rettungsgasse mit dem 1. Jänner 2012 verpflichtend eingeführt. Die Rettungsgasse ist auf baulich eigenständigen Richtungsfahrbahnen mit mindestens zwei Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung bei Staubildung verpflichtend und ist generell immer zwischen der äußerst linken und der nächsten daneben liegenden Spur zu bilden.[4] Die Platz machenden Fahrzeuge sollen bei vorhandenem Pannenstreifen auch diesen verwenden.[5]

Datei:Logo-rettungsgasse-at.png
Darstellung der Rettungsgasse zur Bewusstseinsbildung in Österreich

Die Nichteinhaltung bzw. eine Behinderung von Einsatzfahrzeugen stellt eine Verwaltungsübertretung dar und kann in Folge mit einer Geldstrafe von bis zu 2.180 Euro geahndet werden.[1]

Bis Ende 2011 war für Einsatzfahrzeuge der Pannenstreifen freizuhalten. Gemäß § 46 Abs. 4, lit. d der österreichischen Straßenverkehrsordnung ist es auf der Autobahn verboten, den Pannenstreifen zu befahren. Ausgenommen sind Fahrzeuge des Straßendienstes, der Straßenaufsicht und des Pannendienstes. Seit einem schweren Unfall im Jahr 1985 bei Amstetten auf der Westautobahn gab es die Diskussion über die Gesetzesänderung zur Einführung der Rettungsgasse. Diese Diskussion wurde vor allem von der Feuerwehr, dem Roten Kreuz und anderen Einsatzorganisationen getragen.

Die Regelung trat wie geplant zu Beginn 2012 in Kraft, nachdem Verkehrsministerin Doris Bures dies im November 2010 angekündigt hatte und 2011 die gesetzlichen Grundlagen über die Rettungsgasse im § 46 Abs. 6 der StVO für die Autobahnen und Schnellstraßen, sowie im § 47 für die Autostraßen geschaffen wurden.

Ein halbes Jahr nach der Einführung wurde kritisiert, dass die Bildung der Rettungsgasse noch nicht funktioniere und die Rettungsfahrzeuge bei der Zufahrt zu den Einsatzstellen behindert werden. Zudem benutzten immer wieder Autofahrer selbst die freie Spur, um so dem Stau zu entkommen. Von offiziellen Stellen wurde jedoch beteuert, dass es eine Verbesserung gebe.[6] Von manchen wurde auch politischer Druck zur raschen Gesetzwerdung der Rettungsgasse behauptet.[7]

Aufgrund der kontroversiellen Diskussion in der Öffentlichkeit wurde der Ausdruck „Rettungsgasse“ von einer Grazer Jury zum Wort des Jahres 2012 gewählt.[8]

Da es keine entsprechende Bezeichnung in anderen Sprachen gibt, wird von der ASFINAG in ihren englischen Ankündigungen die Übersetzung mit Emergency corridor verwendet.[9]

Neuerlich in die Kritik kam die Rettungsgasse im März 2013, sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern, nach einer Massenkarambolage von 100 Fahrzeugen auf der A1 im Raum St. Pölten. [10] Eine neue Beschilderung durch die ASFINAG soll die Information über die Rettungsgasse verbessern, da sich Einsatzfahrzeuge insbesondere im Bereich von Auffahrten noch ihren Weg bahnen müssen. Anfang April 2013 wurde vorgeschlagen, die Einhaltung der Rettungsgasse mittels bereits vorhandener Verkehrsüberwachungssysteme zu überwachen, um Verstöße leichter ahnden zu können.[11]

Situation in Tschechien

 
Rettungsgasse auf einem dreispurigen Abschnitt der Dálnice 1 in Tschechien (2008) – abweichend von der tschechischen Regelung zwischen dem mittleren und dem linken Fahrstreifen

In Tschechien ist die Rettungsgasse, (tschechisch průjezdný jízdní pruh, übersetzt: Durchfahrtstreifen), seit 2005 vorgeschrieben, nachdem durch das Gesetz 411/2005 Sb. der §41 der tschechischen Straßenverkehrsordnung um einen neuen entsprechenden Absatz ergänzt wurde.[12] Danach muss auf Autobahnen sowie Schnellstraßen mit zwei Fahrtstreifen in einer Richtung beim Stillstand vorsorglich ein freier Fahrtstreifen in der Mitte von mindestens 3 Metern gebildet werden, bei Straßen mit drei Fahrstreifen in Fahrtrichtung ein freier Streifen zwischen dem rechten und dem mittleren Fahrstreifen (abweichend von der deutschen und österreichischen Regelung).

Situation in der Schweiz

In der Schweiz ist zwar wie in anderen Ländern vorgeschrieben, bei Zusammentreffen mit Einsatzfahrzeugen diesen Platz zu machen, um ein Erreichen des Einsatzortes zu ermöglichen, die Art, wie dies zu erfolgen hat, ist aber gesetzlich nicht festgelegt. Dazu wird nur empfohlen, eine Gasse zu bilden.[13] Diese Empfehlung entspricht etwa den deutschen oder österreichischen Vorschriften.[14]

Commons: Rettungsgasse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Rettungsgasse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Fragen und Antworten zur Rettungsgasse - Sonderfragen Abs. 7 abgerufen am 9. Dezember 2011
  2. Lange wurde darüber diskutiert – nun kommt sie 2012 auch in Österreich: die Rettungsgasse. abgerufen 23. November 2010
  3. BKatV, Anlage, Nr. 50.
  4. StVO 24. Novelle österreichische Straßenverkehrsordnung abgerufen am 31. Mai 2011
  5. Sicherheitsinformationszentrum abgerufen am 5. Dezember 2011
  6. Rettungsgasse in der Kritik in der Wiener Zeitung vom 9. August 2012 abgerufen am 9. September 2012
  7. Rettungsgasse wird jetzt zum Polit-Skandal im Kurier vom 10. August 2012 abgerufen am 9. September 2012
  8. http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/oewort/2012/index2012.htm
  9. Travel advice: the emergency corridor is mandatory in Austria abgerufen am 4. Januar 2012
  10. Ratlosigkeit in der Rettungsgasse im Kurier vom 29. März 2013 abgerufen am 30. März 2013
  11. 800 Kameras gegen Rettungsgassensünder im Kurier vom 4. April 2013 abgerufen am 4. April 2013
  12. Gesetz 411/2005 Sb., online auf: sagit.cz, tschechisch, abgerufen am 4. Dezember 2010
  13. 3.7 Sind Sie mit Art. 7 E-StBV einverstanden? (PDF; 8,4 MB) auf Seite 24 der Verordnung über die Strassenbenützung abgerufen am 11. Januar 2013
  14. Verhalten im Verkehrsstau Bundesamt für Strassen abgerufen am 11. Januar 2013