Wehrmacht
Der Begriff Wehrmacht bezeichnet die deutschen Streitkräfte, die 1935 unter Adolf Hitler als Oberbefehlshaber aus der Reichswehr gebildet wurden.
Grundlagen
Nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg war durch den Versailler Vertrag die zulässige Truppenstärke des deutschen Heeres auf 100.000 Mann (plus 15.000 Mann Marine) beschränkt worden mit der zusätzlichen Auflage, keine schweren Waffen, keine schwere Artillerie und keine Luftwaffe zu besitzen. Am 23. März 1921 wurde die Reichswehr unter diesen Auflagen gegründet. Diese Auflagen sind allerdings (auch mit Hilfe der Sowjetunion) nicht eingehalten worden.
1934 wurde die Wehrpflicht unter Bruch des Versailler Vertrages wieder eingeführt. Unmittelbar nach dem Tode Paul von Hindenburgs wurden die Streitkräfte auf die Person Hitlers vereidigt. Dieser persönliche Eid hinderte viele Soldaten am aktiven Widerstand gegen verbrecherische Befehle der Führung.
Militärische Erfolge im Blitzkrieg gegen Polen und Frankreich überzeugten auch kritische Stimmen in der deutschen Militärführung von dem neuen Konzept der Streitkräfte, welches auf eine "Tiefenrüstung" verzichtete und bewusst eine "Breitenrüstung" wählte, was sich während des Kriegsverlaufs, als schwächere Länder nicht mehr innerhalb weniger Wochen überrannt werden konnte, rächte.
Die Wehrmacht umfasste (nach unterschiedlichen Quellen) 12 bis 20 Millionen Mann, unter ihnen auch viele Freiwillige aus europäischen Ländern, "Volksdeutsche" (Balten, Balkanbewohner, Russen u.a.). Anders als im Kaiserlichen Heer genossen Offiziere in der Wehrmacht keine besonderen Vergünstigungen in Bezug auf Verpflegung.
Die militärischen Erfolge und Misserfolge der Wehrmacht sind in allen Einzelheiten in dem Artikel 2. Weltkrieg dargestellt.
Verbrechen und Opfer der Wehrmacht
Zahlreiche Kriegsverbrechen sind der Wehrmacht anzulasten, insbesondere an der Ostfront und in verstärktem Maße nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion in dem sogenannten Unternehmen Barbarossa.
- Hinrichtungen von Zivilisten und Widerstandsgruppen
- Geiselerschießungen
- Beteiligung an Massakern und Massenerschießungen wie in Babi Yar
- enge Zusammenarbeit mit der SS bei der Judenvernichtung und bei Massenmorden
- die Belagerung und das "Aushungern" von Städten und Regionen wie Leningrad (mit etwa einer Million Todesopfern, nach dem Plan "zigmillionen Russen verhungern zu lassen")
- der Bombenkrieg gegen Städte wie Warschau, Guernica, Coventry, London, Leningrad, Rotterdam und Kiew, sowie gegen zahlreiche Dörfer
- völkerrechtswidrige Behandlung von gefangenen sowjetischen Soldaten, die zu Millionen dem einkalkulierten Tod zugeführt wurden
- völkerrechtswidrige Erschießungen von Rotarmistinnen
- völkerrechtswidrige Erschießungen sowjetischer Kommissare, also Angehöriger der sowjetischen Streitkräfte, aufgrund des sogenannten Kommissarbefehls vom 6. Juni 1941, unterzeichnet "im Auftrag" des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht durch den General Walter Warlimont, wonach "im Kampf gegen den Bolschewismus (...) insbesondere gegenüber den politischen Kommissaren (..) eine Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme (..) falsch ist (..) Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen."
Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung
Hitler hatte bereits im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion in einem Vortrag am 30. März 1941 vor etwa 250 Generälen der Wehrmacht den kommenden Krieg als "Kampf zweier Weltanschauungen" bezeichnet und verlangt, "von dem Standpunkt des soldatischen Kameradentums abzurücken".
Dementsprechend sah der im Auftrag Hitlers von Generalfeldmarschall Keitel unterzeichnete sogenannte Kriegsgerichtsbarkeitserlass vom 14. Mai 1941 vor, dass
- Straftaten feindlicher Zivilpersonen der Zuständigkeit der Kriegsgerichte und Standgerichte bis auf weiteres entzogen wurden,
- Freischärler "durch die Truppe im Kampf oder auf der Flucht schonungslos zu erledigen sind,
- auch "alle anderen Angriffe feindlicher Zivilpersonen (..) auf der Stelle mit den äußersten Mitteln bis zur Vernichtung des Angreifers niederzumachen sind"
- es "ausdrücklich verboten wird, verdächtige Täter zu verwahren, um sie (..) an die Gerichte weiterzugeben".
Zur Absicherung der Täter sah der Erlass vor, dass für "Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht (..) gegen feindliche Zivilpersonen begehen, kein Verfolgungszwang besteht, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen (..) ist". Generalleutnant Hermann Reincke - ihm unterstand die Abteilung Kriegsgefangene im OKW - erläuterte dies für seinen Bereich in einem Grundsatzbefehl vom 8. September 1941 dahingehend, dass der "Waffengebrauch gegenüber sowjetischen Kriegsgefangenen in der Regel als rechtmäßig gilt".
Ein weiterer wichtiger Erlass über die Behandlung sowjetischer Gefangener ist der oben erläuterte Kommissarbefehl. In einer Ausführungsanweisung vom 8. Juni 1941 ordnete von Brauchitsch an, dass "die Erledigung der politischen Kommissare bei der Truppe nach ihrer Absonderung außerhalb der eigentlichen Kampfzone unauffällig auf Befehl eines Offiziers zu erfolgen" habe.
In einer Besprechung der Chefs des Generalstabs der 18. Armee am 13. November 1941 wurde festgehalten: "Nichtarbeitende Kriegsgefangene in den Gefangenenlagern haben zu verhungern."
Beteiligung der Wehrmacht an der sogenannten Endlösung
Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur sogenannten Endlösung ist ein dritter Erlass. Am 17. Juli 1941 ordnete die Abteilung Kriegsgefangene im OKW nach einer Vereinbarung mit Heydrichs Reichssicherheitshauptamt die Auslieferung von "politisch untragbaren" Gefangenen an Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD an. Nach den Ausführungsrichtlinien Heydrichs vom selben Tage waren mit "politisch untragbaren Gefangenen" die bedeutenden Funktionäre des Staates, die leitenden Persönlichkeiten der Zentral- und Mittelinstanzen bei den staatlichen Behörden, die führenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens, die "sowjetischen Intelligenzler" und alle Juden gemeint.
Zur psychologischen Erleichterung für die Soldaten wurden Juden und Partisanen gleichgesetzt. Typisch hierfür ist ein Befehl von Generalfeldmarschall v.Reichenau vom 10. Oktober 1941, wonach "der Soldat für die Notwendigkeit der harten aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben muß, da Erhebungen im Rücken der Wehrmacht (..) erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt wurden.(..) Immer noch werden heimtückische, grausame Partisanen und entartete Weiber zu Kriegsgefangenen gemacht (..) und wie anständige Soldaten behandelt und in die Gefangenenlager abgeführt. (..) Ein solches Verhalten der Truppe ist nur noch durch völlige Gedankenlosigkeit zu erklären.".
(Damals) General v.Manstein bezeichnete in einem Befehl vom 20 November 1941 "das Judentum als den Mittelsmann zwischen dem Feind im Rücken und den noch kämpfenden Resten der Roten Wehrmacht und der Roten Führung (..) Das jüdisch-bolschewistische System muß ein für alle mal ausgerottet werden.".
Generaloberst Hermann Hoth formulierte dies in einem Armeebefehl der 17. Armee vom 17. November 1941 wie folgt: "Es ist die gleiche jüdische Menschenklasse (..). Ihre Ausrottung is ein Gebot der Selbsterhaltung.
Zahlen
Während der vorgenannte Kommissarbefehl wohl "nur" einige Tausend Opfer verlangte, kostete der letztgenannte Befehl der Auslieferung an den SD etwa 500 bis 600.000 Gefangenen das Leben.
Insgesamt fielen nach einer Schätzung von Streit 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene dem einkalkulierten Tod zum Opfer, das sind 57% aller Kriegsgefangenen, die die Wehrmacht an Rotarmisten gefangen genommen hat. Zwei Millionen waren bereits vor Frühjahr 1942 tot. Die Todesrate der von der Wehrmacht gefangen genommenen englischen und amerikanischen Soldaten beträgt demgegenüber etwa 3,5%.
Rezeption des Verhaltens der Wehrmacht
Die Wehrmacht konnte sich zunächst vor einer nationalsozialistischen Indoktrination schützen, was auch Mitgliedern der Verschwörung des 20. Juli Möglichkeiten bot. Doch die SS und die NSDAP versuchten zunehmend, das Militär zu politisieren. Gegen Kriegsende wurden jedem Truppenteil "NS-Führungsoffiziere" zugeordnet. Typisch war in der oberen Wehrmachtführung jedoch bis zum Schluss der unpolitische Technokrat, der sich auf sein militärisches Fachgebiet beschränkte und moralische und politische Fragen ignorierte oder verdrängte.
In den Nürnberger Prozessen wurde die Wehrmacht trotz ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen nicht zur verbrecherischen Organisation deklariert, weil sie nicht als grundsätzlich kriminell eingestuft wurde. Führende Offiziere wie Wilhelm Keitel wurden allerdings als Hauptkriegsverbrecher angeklagt und für schuldig befunden.
Die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung dokumentierte für ein breites Publikum, dass auch Wehrmachtssoldaten aktiv an Hinrichtungsaktionen von Zivilisten und Widerstandskämpfern sowie am Völkermord gegen Juden beteiligt gewesen waren. Sie hatten Massengräber ausgehoben sowie Erschießungen und Vergeltungsaktionen an Zivilisten durchgeführt. Diese Ausstellung griff das bis dahin in Deutschland vorherrschende Bild einer 'sauberen', rein auf das militärische beschränkten Wehrmacht an. Jedoch wurden in der ersten Fassung der Ausstellung auch Exponate von Verbrechen gezeigt, die die Wehrmacht nicht begangen hatte. Nach dem Protest eines polnischen und eines ungarischen Historikers wurden die Exponate überprüft und die Ausstellung entsprechend wissenschaftlicher Ansprüche überarbeitet.
Die starre Durchführung von Durchhaltebefehlen (zum Beispiel bei der Schlacht um Stalingrad) kostete viele deutschen Soldaten vermeidbar das Leben. Generäle die sich diesen, fast immer von Hitler persönlich gegeben Befehlen widersetzten, wurden meistens abgelöst, aber nicht weiter belangt.
Andererseits sind die Ereignisse vom 20. Juli 1944 wesentlich von einigen Angehörigen des Offizierkorps getragen worden, von denen jedoch einige ebenfalls eine nationalsozialistische Weltanschauung hatten und die an Hitler nur seine falsche Militärstrategie, nicht aber seine Ziele und Methoden kritisierten.
Wichtige Persönlichkeiten:
- Ludwig Beck
- Karl Dönitz
- Werner von Fritsch
- Heinz Guderian
- Wilhelm Keitel
- Albert Kesselring
- Hans Günther von Kluge
- Erich von Manstein
- Friedrich Olbricht
- Friedrich Paulus
- Erwin Rommel
- Gerd von Rundstedt
- Claus Schenk von Stauffenberg
- Erwin von Witzleben
Siehe auch: Reichswehr, Bundeswehr, Nationale Volksarmee, Wehrmachtsausstellung
Literatur
- Hans Adolf Jacobsen, Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener in: Martin Broszat/Hans-Adolf Jacobsen/Helmut Krausnick, Anatomie des SS-Staates, Band 2 ISBN 3-423-02916-1
- Christian Streit, Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des Krieges gegen die Sowjetunion in: Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette, "Unternehmen Barbarossa". Der deutsche Überfal auf die Sowjetunion, 1984, ISBN 3-506-77468-9
- Hannes Heer, Stets zu erschiessen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen, 1995 ISBN 3-930908-06-9
Weblinks
- Deutsches Historisches Museum, Berlin